Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Wersich? (Zu- stimmung)

Herr Wersich, ist Ihnen der Bericht, dessen Veröffentlichung für den Freitag angekündigt worden ist, bereits bekannt?

Ich weiß nicht, was Sie meinen. Wir haben das Thema „Zukunft der Hamburger Krankenhäuser“ angesprochen, und darüber spreche ich. Da ist das Thema, daß 2600 Betten zum Abbau vorgeschlagen werden, ein Punkt. Aber ich habe weitere Punkte dazu genannt.

(Dr. Holger Christier SPD: Das beantwortet die Frage doch nicht!)

Sie alle wissen, daß wir in den Krankenhäusern keine Kurzarbeit haben. Es ist nicht so, daß die Leute nicht wissen, was sie tun sollen. Es ist ein ganz schwieriger Umsetzungsprozeß. Die Frage ist nicht beantwortet, ob es beim Bettenabbau nicht gleichzeitig zu diesem Personalabbau kommt. Das wäre für die Versorgung eine Katastrophe.

Meine Damen und Herren! Herr Dr. Petersen, was Sie geliefert haben – neben der Dankadresse an alle Mitarbeiter der Krankenhäuser, die ich selbstverständlich unterstütze –, war reine vorbereitete Rhetorik, aber keine seriöse Auseinandersetzung über Chancen und Risiken dieses tiefgreifenden Umstrukturierungsprozesses. Den sollten wir aber im Parlament leisten.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Brinkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, für die CDU fordern Sie das menschliche, humane Krankenhaus.

(Dietrich Wersich CDU: Nein!)

Doch, so ähnlich haben Sie es formuliert.

Sie sollten zunächst mit der Gesellschaft menschlich und human umgehen.

(Dietrich Wersich CDU: Was soll das denn heißen?)

Sie schüren – das hat Ihnen auch schon Herr Dr. Petersen vorgeworfen – die Ängste der Bevölkerung und veranstalten eine Panikmache,

(Beifall bei der SPD)

indem Sie nicht nur hier dazu gesprochen haben, sondern Sie haben in den letzten Tagen auch Interviews in der Tagespresse gegeben, in denen Sie beschrieben haben, daß die Patienten nicht gesund aus dem Krankenhaus entlassen werden. Und eben haben Sie wieder behauptet, daß beim Planungsprozeß lediglich die Krankenhäuser und die Krankenkassen beteiligt seien, aber die Ärzte nicht gefragt würden. Das ist nicht richtig. Auch die Ärzte werden an diesem Prozeß beteiligt. Sie schüren mit diesen Aussagen Ängste.

Denn eines ist völlig klar: Der Abbau von 2500 Betten in Hamburg ist ein schwerer Brocken, der nicht geräuschlos in dieser Stadt vor sich gehen wird. Herr Wersich, an dieser Aufgabe müssen wir alle gemeinsam arbeiten.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Dieser Prozeß ist zunächst – das finde ich schon bemerkenswert – wenigstens der Lenkungsgruppe gelungen. Es ist das erste Mal, daß bei der Aufstellung des Krankenhausplans die Behörde, die Krankenkassen und die Krankenhausgesellschaften an einem Tisch sitzen und sich einig sind.

Weil es ein so schwieriger Prozeß ist, kann man nur begrüßen, daß die BAGS ein externes Gutachten in Auftrag gegeben hat, das zunächst eine sachliche Grundlage schafft und über das zu Beginn der nächsten Woche diskutiert werden soll. Dieses Gutachten hat zu dem Ergebnis geführt, daß etwa 2500 Betten in Hamburg abgebaut werden sollen.

Das ist zunächst noch nicht einmal so beunruhigend, weil es für alle, die sich in den letzten Jahren damit beschäftigt haben, nicht überraschend kommt. Denn daß aufgrund der Entwicklung der Medizintechnik, aber auch im medizinischen Bereich der Chirurgie Betten abgebaut werden müssen, ist völlig logisch; das weiß jeder.

Wenn man sich die anderen Bundesländer ansieht, so steht Hamburg noch relativ gut da. In Berlin müssen mindestens 5000 Betten abgebaut werden. Was andere Bundesländer schaffen, werden wir hier schon lange schaffen, weil wir damit in den letzten Jahren schon begonnen haben. Ich möchte an die schwierigen Prozesse bei der Schließung des Hafenkrankenhauses erinnern. Aber es gab bei der Fusion des Klinikums Nord auch geräuschlose Prozesse beim Abbau von Krankenhausbetten.

Wenn ich in die Zukunft schaue, ist mir nicht sehr bange, weil wir in einigen Bereichen eine hohe Anzahl von Betten abbauen werden; beispielsweise wird durch den Neubau beim AK Barmbek eine erhebliche Anzahl von Betten reduziert.

Ein weiterer Punkt ist die Planung im Bereich Eimsbüttel, in dem sich vier kleinere, gemeinnützige Krankenhäuser zu einem größeren Krankenhaus zusammenschließen werden. Auch dort werden mindestens 300 Betten abgebaut. Obwohl, Herr Wersich, dieses neue Krankenhaus gemeinnützig geführt wird, erhält es Investitionsmittel von der BAGS.

Ich möchte noch einmal auf das Gutachten zurückkommen. Hier sagen Sie, daß Sie den Abbau von Betten in der Geriatrie nicht verstehen würden. Mit dem Abbau von Betten in der Chirurgie soll zunächst der größte Brocken bewältigt werden.Das kann jeder von uns nachvollziehen.Wer früher

(Dietrich Wersich CDU)

an der Galle operiert wurde, hat drei Wochen im Krankenhaus gelegen; heute sind es nur noch drei Tage. Es ließen sich hier auch noch andere Beispiele aufführen.

Bei einer Anzahl von 14 300 Betten in der Geriatrie sollen lediglich 140 abgebaut werden. Das ist gerade mal 1 Prozent. Ob dies wirklich passiert, wird man in den nächsten Jahren sehen. Die Verhandlungen beginnen erst am kommenden Montag.

Sie verschweigen, daß wir gerade im Bereich der Geriatrie bedarfsgerecht erheblich aufgebaut haben.

(Antje Blumenthal CDU: Aber doch nicht bedarfs- gerecht!)

Natürlich haben wir bedarfsgerecht aufgebaut, sonst würde das Gutachten nicht dazu kommen, daß es selbst bei der demoskopischen Entwicklung eventuell 140 Betten zuviel gibt.

Beachten Sie diese Dinge und nehmen Sie sie als sachliche Grundlage; die Verhandlungen beginnen in der nächsten Woche. Wenn es wirklich zu Schwierigkeiten kommt, können wir uns hier treffen, um uns erneut darüber zu unterhalten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kein Zweifel, wir haben in Hamburg eine Überkapazität an Krankenhausbetten. Wir müssen uns damit befassen, wie wir den Abbau vernünftig hinkriegen.

Meine Hauptsorge, Frau Brinkmann, ist es aber nicht, wie wir möglichst geräuschlos diesen Bettenabbau über die Bühne bringen, sondern wie wir weiterhin gewährleisten, daß die Hamburger Patientinnen und Patienten vernünftig versorgt werden. Dabei ist es doch ganz wichtig, daß wir uns klarmachen, welche Aufgabe die Krankenhäuser haben.

Herr Jobs, heute wird man nicht mehr als geheilt aus dem Krankenhaus entlassen. Man bleibt dort nicht so lange, bis man geheilt ist, sondern Krankenhäuser haben bestimmte Funktionen. Bei einer definierten Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit hat das Krankenhaus nur einen Teilaspekt der Gesundheitsversorgung zu leisten. Das bedeutet, wenn wir Krankenhausbetten abbauen, müssen wir den außerklinischen Bereich stärken.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Unruhe im ganzen Hause – Glocke)

Patienten werden in vielen Fällen nicht gesund, sondern krank, hilfs- oder pflegebedürftig entlassen. Dafür haben wir ambulante Systeme, die in letzter Zeit gestärkt wurden und die wir auch weiterhin stärken müssen.Sie müssen gewährleisten, daß die Menschen zu Hause gut gepflegt werden.

Noch einmal: Wenn man heute entlassen wird, weiß man, daß man nicht geheilt ist, will aber wissen, wie der Heilungsprozeß zu Hause weitergeht. Man will sicher sein, daß dafür gesorgt ist, daß man dort gut gepflegt und versorgt wird, der Hausarzt zur Verfügung steht und daß die ambulanten Einrichtungen, die weitere Therapien bieten, gut erreichbar sind.Das können wir in einer Stadt wie Hamburg gut leisten.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

(Dr. Dorothee Freudenberg: Ja.)

Frau Freudenberg, ist es für Sie beruhigend, daß man heute nicht mehr als geheilt entlassen wird, sondern selber sehen muß, wie man später gesund wird?

Beruhigend nicht, aber es ist so.

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ein Heilungsprozeß kann lange dauern. Sie bleiben doch nicht so lange im Krankenhaus, bis sämtliche Beschwerden kuriert sind. Das ist nicht die Aufgabe des Krankenhauses.

(Glocke)