Protokoll der Sitzung vom 28.02.2001

Drittens: Wenn das wirklich nicht funktioniert und nur noch verschlüsseltes Pay-TV für solche Ereignisse droht, dann müssen wir als Politiker auch gesetzlich handeln, aber – Gott sei Dank – soweit sind wir noch nicht. Zunächst sollten wir uns auf schöne Spiele, zwar mit einem bißchen Werbung, aber hoffentlich mit einem Sieg der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 freuen.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ware Fußball ist teuer geworden, so teuer, daß wir

(Jürgen Schmidt SPD)

wohl die Sorge der SPD-Fraktion nicht teilen müssen, daß das ausschließlich im Bezahlfernsehen verbleiben wird, denn das kann sich ein Herr Kirch nicht leisten, und das war auch nicht der Sinn für den Erwerb der Übertragungsrechte für die WM 2002 und 2006.

Meine Damen und Herren! Es geht ja nicht nur um die 250 Millionen DM, die jetzt für 2002 genannt wurden, sondern es geht insgesamt um ein Paket von 750 Millionen DM. Das sollte man sich einmal vorstellen. Das wird wahrscheinlich schwer sein.

Ich habe ein paar Beispiele zusammengesucht. Davon wären nach heutigen Kostenrechnungen 30 Jahre „Wetten, daß...“, zehn Jahre „Tatort“ und zehn Jahre „Tagesschau“ zu finanzieren, damit man ungefähr eine Vorstellung davon hat, was jetzt acht Wochen Fußball möglicherweise kosten werden.

Meine Damen und Herren! Vor ein paar Jahren kostete die WM-Übertragung in den USA oder ein paar Jahre später in Frankreich noch 8 Millionen DM beziehungsweise 11 Millionen DM. So kann man jetzt bemessen, welcher Preissprung dort stattgefunden hat. Da muß ich Herrn Klimke ein wenig widersprechen. Das kann nicht allein damit begründet werden, daß die Vereine nun nicht mehr 630-DM-Kräfte einstellen sollen, sondern tariflich bezahlte. Das hat noch ein paar andere Gründe. Mein Gefühl sagt mir, daß hier eine Grenze überschritten wurde, die allen noch sehr böse auf die Füße fallen wird.

Ganz unschuldig an dieser Kostenexplosion ist der Fußball selbst auch nicht, denn DFB und FIFA haben einen Anteil daran, in welchem Maße Übertragungsrechte vermarktet werden, deutschland- und auch weltweit.

Was bedeutet das für die Bürger in Hamburg? Ich glaube, daß wir bei solchen Summen sehr aufpassen müssen, die Akzeptanz für die Rundfunkgebühren in dieser Stadt und in diesem Land nicht zu untergraben. Sie sind sowieso schon dadurch, daß es so viele Free-TV-Sender gibt, angekratzt. Auch dadurch, daß ARD und ZDF ihr Programm in Teilen den Privaten angeglichen haben, könnten solche Summen durchaus Anlaß dafür sein, das System der Rundfunkgebühren und des dualen Mediensystems in diesem Land generell in Frage zu stellen, und das zum Teil mit gutem Recht, denn 750 Millionen DM für Fußball sind ungefähr 7 Prozent der Gesamteinnahmen von ARD und ZDF. Da kann man schon fragen, ob das gerechtfertigt ist für acht Wochen.

Meine Damen und Herren! Die GAL-Fraktion ist eindeutig dafür, daß solche Großereignisse im freien Fernsehen, im Gratis-TV oder Free-TV, was immer man auch für Namen dafür sucht, gesehen werden können. Wir wollen vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen einen Vorschlag machen, nämlich den Rundfunkstaatsvertrag, der jetzt schon vorsieht, daß einige Spiele mit deutscher Beteiligung, die Halbfinalspiele und das Eröffnungsspiel im FreeTV oder im Gratis-TV zu sehen sind, zu ergänzen mit dem Hinweis, daß die gesamte WM, die in einem eigenen Land stattfindet, im freien Fernsehen zu sehen ist. Ich glaube, daß man dann auch ein deutliches Signal in jene Richtung sendet, die meinen, man könnte die Preise für die Übertragungsrechte noch weiter nach oben treiben und mögliche Neuverhandlungen mit der ARD und dem ZDF, aber auch mit der RTL-Gruppe, von vornherein torpedieren. Wir sehen das als eine Möglichkeit an, hier auch Grenzen aufzuzeigen, für die wir aus unserer Sicht die Zeit dringend geboten sehen. Es kann nicht sein, daß solche Summen im

öffentlich-rechtlichen Gebührensumpf alleine nur für Fußball ausgegeben werden. Erinnern wir uns, daß die Anstalten selbst ständig zum Sparen aufgerufen werden, Anstalten zusammengelegt werden, man sich Gedanken darüber macht, wie man weitere kleine Sender eventuell sogar ganz einstellt. Vor diesem Hintergrund ist diese Diskussion um solche Summen nicht mehr zu rechtfertigen. Ich glaube, wenn die gesamte WM, die im eigenen Land stattfindet, im Bezahlfernsehen – gesetzlich verankert – nicht stattfinden darf, sondern im Free-TV, daß das ein Hinweis und ein klares Signal Richtung Kirch und DFB und FIFA ist, daß die Grenze erreicht ist.

Die Debatte – das ist der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte – zum Thema Radiorechte...

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Sie haben nur noch einen Satz und keinen ganzen Punkt, bitte.

Ja. Zur Debatte zum Thema Radio kann man ganz klar sagen: Wir wollen, daß Radio-Berichterstattung weiter frei bleibt. Wir wollen nicht, daß das demnächst bezahlt werden muß, und wir würden jede Verfassungsklage, die das unterstützt, von unserer Fraktion unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält alsdann der Abgeordnete Hackbusch.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Jetzt zeigt uns Hacki, wie man gegen das Kapital kämpft!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was sind Sie alle aufgeregt. Ist heute Aschermittwoch?

Was wir hier feststellen können, ist, daß das Hauptinteresse weniger eine sportliche Auseinandersetzung im Bereich des Fußballs ist, sondern das Hauptinteresse vor allen Dingen darin liegt, daß die Mediengruppe Kirch, die das alles für relativ viel Geld gekauft hat, jetzt ihre verschiedenen Marionetten, die sie in diesem Land hat, vorschickt. Eine Marionette davon ist unter anderem die „Bild“-Zeitung, die plötzlich mit großer Begeisterung fragt, wie es sein kann, daß die Öffentlich-Rechtlichen nicht das Geld ausgegeben haben, das Herr Kirch von ihnen haben wollte? Das kann doch wohl nicht möglich sein. Das war das eine Spiel aus Bayern. Es ist anscheinend heute Medienpolitik, daß man sagt, es sei besonders wichtig, gerade dieses Interesse durchzusetzen, und die ÖffentlichRechtlichen müssen das kaufen, sprich – in Klammern – die finanziellen Forderungen von Herrn Kirch diesbezüglich einlösen. Das scheint moderne Medienpolitik in Bayern zu sein.

Ich denke mir, daß die Schwierigkeiten, die wir dort gegenwärtig haben, vor allen Dingen Schwierigkeiten des Kirch-Konzerns sind, der nicht in der Lage ist, ein Unternehmen, das in Hamburg eine ganze Zeit existiert hat – die Premiere-Gruppe –, in ein normales, wirtschaftlich gesundes Klima zu führen. Sie versuchen, das dadurch hinzubekommen, daß sie dazu die Fernsehrechte benutzen, und das sollten sie nicht. Meiner Meinung nach ist es durchaus notwendig, deutlich zu sagen, daß sie das nicht erlaubt be

(Farid Müller GAL)

kommen. Man hat dazu als Gesetzgeber gute Möglichkeiten.

Auf die Frage des „Wollt ihr den totalen Fernsehmarkt?“ kann man ganz einfach sagen: Es gibt ein gutes Beispiel aus England, wo es durch ein einfaches Instrument möglich ist, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten alle WM-Spiele vom Jahre 2002 oder 2006 übertragen dürfen. Das ist in England so geschehen. Kirch versucht, dagegen juristisch vorzugehen. Nach meiner Meinung sollte man als erstes eine Solidaritätserklärung an die Engländer formulieren, dann sollte man zweitens versuchen, das in die Verträge mit Kirch noch hineinzusetzen und die Rundfunkverträge entsprechend zu verändern. Wir würden dann nicht den totalen Markt haben und wunderschön Fernsehen gucken können. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dann gebe ich das Wort Senator Dr. Mirow.

Herr Präsident! Nach der Debatte habe ich nur ganz wenig hinzuzufügen. Zunächst würde ich gern darauf hinweisen, daß davon gesprochen wurde, Herr Kirch habe viel Geld investiert. Dazu muß man sich, glaube ich, die genaue Summe vor Augen führen. Die Kirch-Gruppe hat für die Weltvermarktungsrechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 insgesamt 3,4 Milliarden DM aufgewandt. Die europäischen Rechte machen hieran einen Anteil von 1,7 Milliarden DM aus.

Insofern teile ich das, was dazu gesagt worden ist, daß man für den Sport steht und sich dafür engagiert, aber auch darauf achten muß, daß man die Spirale nicht überdreht. Wenn man sich vor Augen führt, daß bei der letzten Weltmeisterschaft für die Übertragung von 64 Spielen für ARD und ZDF 11,6 Millionen DM gezahlt wurden und dieses Mal für 24 Spiele 225 Millionen DM anstehen, dann sind das Gebühren- beziehungsweise Aufkommenssteigerungen, die schwer vertretbar sind.

Nun muß man sagen, daß die Fragestellungen, die sich daraus ergeben haben, keiner überzeugenden Antwort zuzuführen sind. Erstens: Kirch. Welche Möglichkeiten hat er jetzt eigentlich noch? Wenn ARD und ZDF nicht wieder mit ihm verhandeln, und vorausgesetzt, es gäbe kein Gesetzgebungsverfahren – ich komme gleich darauf zurück, warum das aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich ist –, dann hat er entweder die Möglichkeit, seinen stärksten kommerziellen Konkurrenten, nämlich RTL, zu stärken

(Dr. Martin Schmidt GAL: Oder sich selbst!)

oder an sich selbst zu verkaufen, was im Hinblick auf die Refinanzierung eines Unternehmens nicht die allerbeste Lösung ist. Insofern spricht aus meiner Sicht eine ganze Menge dafür, noch ein bißchen Zeit ins Land gehen zu lassen und darauf zu setzen, daß Herr Kirch fast so klug ist wie wir und sich selbst diese Frage stellt und beantwortet.

Zum Thema Legitimität und Legitimation von Gebühren hätte man mit Sicherheit darauf wetten können, daß die Frage von beiden Seiten kommt. ARD und ZDF haben gesagt, es sei ihnen zuviel. Also wurde von interessierter Seite die Frage gestellt, wofür wir denn Gebühren bezahlen. Hätten sich ARD und ZDF für die hohe Summe entschieden, wäre wahrscheinlich zumindest auf Umwegen von denselben Leuten auch die Frage gestellt worden: Zahlen wir denn dafür Gebühren, daß dann das viele Geld ausgegeben wird?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Insofern, finde ich, spricht viel dafür – so wie ich meine Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion auch verstanden habe –, zunächst einmal nicht auf Rundfunkstaatsverträge und Gesetzgebungsverfahren zu setzen, die insoweit eine Schwierigkeit hätten, als sie die Rahmenbedingungen, unter denen Herr Kirch seine Rechte erworben hat, nachträglich korrigieren müßten – das wäre rechtlich nicht ganz einfach –, sondern darauf zu setzen, daß in den Landesparlamenten der Wille artikuliert wird, daß man zu einer vernünftigen Einigung kommen möge. Ich denke, dafür spricht eine Menge.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Dr. de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da es eine so bedeutende Debatte ist, möchte ich dazu noch vier Anmerkungen beisteuern.

Erstens: Ich möchte einmal ausdrücklich dem Kollegen Hackbusch zustimmen, daß das britische Beispiel ein wirklich gutes Beispiel ist, weil dort nicht nur die Fußballweltmeisterschaft, sondern auch andere sportliche Großveranstaltungen im Free-TV gesetzlich abgesichert sind. Die Engländer haben breitere Interessen. Bei uns ist Pferderennen nicht so interessant, aber Wimbledon-Veranstaltungen werden beispielsweise in England im öffentlichrechtlichen Fernsehen übertragen, und das ist auch gut so.

Ich bin nicht ganz einverstanden mit dem, was der Kollege Schmidt gesagt hat, im großen und ganzen schon, aber ein Beispiel finde ich nicht gut. Die Summe von 750 Millionen DM für öffentlich-rechtliche Sender für Fußballweltmeisterschaften, ist eine Menge Geld. Wenn die tatsächlich bei ARD und ZDF übertragen werden, finde ich, muß diesem Preis angemessen auch die Berichterstattung besser werden. Dieses Beispiel mit „Guten Abend, allerseits“ ist für mich immer ein Impuls, abzuschalten, weil es eine altväterliche Berichterstattung ist. Da hat der Kollege Klimke recht, wenn er sagt, daß die Privatsender wirklich besser geworden sind. Das ist vielleicht ein Glaubenskampf, aber ich meine, daß die Qualität der Berichterstattung besser werden muß.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt nennen. Ich merke, die Debatte erhitzt die Massen.

(Werner Dobritz SPD: Aber Sie sind erst beim er- sten Punkt. Wir warten auf den anderen!)

Das ist schon der zweite Punkt.

(Wolfgang Baar SPD: Was sind das denn für Qua- litätsverbesserungen beim Fußball?)

Was sich die Fußballfunktionäre leisten, ist, wie ich finde, ein ernsthaftes Problem in dieser Debatte. Dabei gibt es eine ungute Verquickung geschäftlicher Interessen. Ich weiß nicht, ob das alle mitgekriegt haben, fast alle Bundesliga-Vereine werben für „Premiere World“, weil sie daran finanziell beteiligt sind, mit Ausnahme des Hamburger Sportvereins. Der Hamburger SV hat sich dem nicht angeschlossen, weil er möchte, daß die Leute lieber ins Stadion kommen. Ich weiß es nicht, aber möglicherweise halten sie es nicht durch; jedenfalls hat sich der HSV dem in der ersten Runde nicht angeschlossen.

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)