Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

(Erhard Pumm SPD: Und keine Drucksachen le- sen!)

„auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.“

So steht es im Buch Mose. Das ist eine jahrtausendealte Tradition, auf die wir versucht haben, in den letzten Jahren immer wieder bewusst zurückzugreifen. Der Wechsel vom Samstag der Juden auf den Sonntag der Christen ist durch den Tag der Auferstehung an diesem Wochentag institutionalisiert worden. Für uns Christen war und sollte dieser Tag deshalb grundsätzlich – wie gesagt wird – heilig bleiben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es geht nicht nur um den Kirchenbesuch, sondern auch um den biologischen Rhythmus dieser Gesellschaft und des einzelnen Menschen. Um der Zeit einen Rhythmus zu geben, ist es wichtig, sich nach dem Sinn dieses Tages zu fragen, denn die Unterbrechung der Arbeit durch den Sonntag durch gemeinsame Aktionen mit der Familie und dem Partner, Nutzen von sozialen Kontakten, Zulassen von Ruhe, Entspannung und Müßiggang kann auch sehr heilsam sein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Wolfgang Drews CDU)

Es geht um einen Raum der Freiheit, und zwar nicht an unterschiedlichen Tagen in der Woche – freitags, sonntags oder wie die Menschen gerade frei haben –, sondern es liegt sehr viel Sinn darin, sich einen ganz bestimmten Tag in der Woche zu bewahren. Das ist nun einmal aufgrund unserer historischen Geschichte der Sonntag.

Ob es nun zwei, drei Sonntage sind, an denen die Läden geöffnet haben, darüber will ich nicht streiten. Aber ich habe Angst vor der so genannten Salamitaktik, dass wir unter einem bestimmten Aspekt bei den Sonntagen anfangen und irgendwann das Kind mit dem Bade ausschütten. Ich bin mir bewusst, dass ich nicht unbedingt in der Tradition mit denen aus der Koalition stehe, die hier heute vor mir geredet haben.

Wir schreiben uns immer wieder auf die Fahnen, dass wir die Schöpfung bewahren wollen. Der Sonntag ist ein wich

(Rose-Felicitas Pauly FDP)

tiger Teil unserer sozialen Umwelt, den wir uns unbedingt bewahren sollten.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir sollten uns hüten, die generelle Sonntagsruhe auf dem Altar des schnöden Mammons zu opfern.

(Erhard Pumm SPD: Darf er das sagen?)

Der heute diskutierte Antrag stellt für mich das Äußerste dar, was ich persönlich mittragen kann. Über alle Tage lasse ich mit mir reden, aber die Institution Sonntag darf weder bedroht noch gefährdet werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

An dieser Stelle bin ich gern im positiven Sinne konservativ, weil mir eben der Sonntag heilig ist.

Machen wir also nicht den Sonntag zum Alltag, sondern bewahren wir uns etwas, was sich über Jahrtausende bewährt hat

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL: Das ist doch ein Witz!)

und kluge Tradition war und bleiben sollte.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP sowie vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Grund.

Meine Damen und Herren! Ich danke Herrn Beuß für seine sehr nachdenklichen und eindrücklichen Worte. Ich schließe mich seinen Ausführungen in diesem Punkt ausdrücklich an.

(Dr. Michael Freytag CDU: Aus christlicher Sicht!)

Neben diesem besonderen gesellschaftlichen Aspekt wird es zur Tatsache werden, dass der Weg in die Rund-um-dieUhr-Gesellschaft immer weiter geht und jede neue Ausnahme dafür sorgen wird, dass es neuen Wettbewerb geben wird, bis wir alle 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche konsumieren und arbeiten. Erst dann werden wir zu einem Ende kommen. Ich prophezeie Ihnen, dass das so laufen wird.

(Leif Schrader FDP: Keine Sorge, Herr Grund!)

Ob das eine gewollte Regelung ist, sollten wir uns sehr gut überlegen.

Es glauben viele, dass das Ladenschlussgesetz ein Arbeitnehmerschutzgesetz sei; das ist nur zum Teil zutreffend. Es wurde ursprünglich eingeführt, um eine Gleichstellung der Wettbewerbschancen sicherzustellen. Das ist das, was mich bei Herrn Mattners Punkten so nachdenklich stimmt. Ich kann auch nicht verstehen, dass Frau Pauly dieses Thema immer wieder neu betont.

Frau Pauly, Sie liegen falsch. Ganz viele Einzelhändler in dieser Stadt werden gezwungen, zu Zeiten ihre Läden zu öffnen, zu denen sie es gar nicht wollen. Herr Mattner ist in einem Unternehmen beschäftigt, das genau das von seinen Mitgliedsunternehmen in den Einkaufszentren verlangt. Hier muss man sich vertraglich binden und die Ladenöffnungszeiten konkret mitmachen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: So ist das!)

Wir stellen als Tatsache fest, dass Sie die Arbeitnehmerinteressen bei den Strukturen im Handel nicht sonderlich interessieren; sie haben sich nach meiner Meinung zum Nachteil der Verbraucherinteressen verändert.

(Dr. Andreas Mattner CDU: In Berlin)

Jede weitere Ladenöffnungszeit führt dazu, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, dass der Mittelstand besonders leidet. Sie sind diejenigen, die in diesem Lande immer wieder lautstark für die Mittelständler eintreten; wir wollen es in dieser Frage ausdrücklich auch tun. Der mittelständische Einzelhandel ist überwiegend gegen eine weitere Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt speziell für den Sonntag. Sprechen Sie doch einmal mit der Klientel über diese Situation.

Herr Mattner, ich stelle mir und auch Ihnen zumindest die Frage: Könnte es sein, dass Ihr berufliches Engagement und die Tatsache, dass insbesondere die Einkaufszentren davon profitieren würden, die Ursachen für Ihre Initiative ist?

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Andreas Mattner CDU: Sicher nicht, aber niemand kann seine Herkunft verleugnen!)

Das Wort hat der Abgeordnete Rumpf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die SPD nach 44 Jahren Herrschaft in Hamburg ein wenig strukturkonservativ und zentralistisch geworden ist, kann ich verstehen. Aber ich hatte Sie als Harburger Liberaler immer als traditionellen Verbündeten für mehr Wettbewerb und mehr kommunale Selbstverwaltung in den Bezirken angesehen. Und nun einen solchen Antrag! Ich bin ein wenig erschüttert und muss mir neue Verbündete suchen, ich bin richtig traurig.

Warum haben Sie Angst vor dem Wettbewerb zwischen den Bezirken? Die Bezirke sollen in die Lage versetzt werden, in ihren jeweiligen Situationen unterschiedlich zu gewichten, ob Bedarf dafür vorhanden ist, am Samstag oder an Sonntagen zu öffnen. Wenn Harburg dies gern beim Außenmühlenfest machen möchte, dann lassen Sie das doch zu. Das ist doch genau das, was wir erreichen wollen. Wenn dann „Ihr“ Bezirk Nord gar nicht öffnet, dann hat er eben Pech gehabt. Aber, ich glaube, das ist genau das, was Sie befürchten.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Genau!)

Weil wir Liberalen nicht so ganz fern der Bibel stehen, möchte ich auch dazu eine Bemerkung machen. Der Sabbat ist eine Institution, die – wie sehr viele andere jüdische Gesetze – aus einer Vernunft heraus geboren wurde. Es ist nämlich einfach vernünftig, alle sieben Tage einen Tag Pause zu machen. Der Sabbat ist nicht unser Sonntag. Wir haben ihn einmal verschoben und es sollte jedem selbst überlassen bleiben, wann er sich diesen siebten Tag nimmt. An den anderen Tagen mag er arbeiten, wie er möchte. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort wünscht Herr Senator Uldall.

(Wolfgang Beuß CDU)

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Senat begrüßt die Initiative der Koalitionsfraktionen. Eine Metropole wie Hamburg muss sich für ein Leben öffnen.

(Uwe Grund SPD: Ungeteilt!)

Deswegen wird hiermit ein richtiger Weg nach vorn eingeschlagen.

Hamburg muss im Einzelhandel attraktiv sein. Wenn wir diese Attraktivität nicht aufweisen, dann werden wir auf Dauer unsere Metropolfunktion nicht behalten können. Alle Einzelheiten, die in diesem Antrag angesprochen werden, werden im Ausschuss beraten. Deswegen will ich jetzt darauf nicht eingehen, sondern zunächst einmal berichten, dass der Senat die Aufgabe hatte, durch praktische Entscheidungen dazu Stellung zu nehmen, wie es im ersten Halbjahr 2002 vor sich gehen soll.