Übrigens ist diese Untersuchung auch gemacht worden, weil der Rechnungshof sie in Auftrag gegeben hat. Inter
essanterweise ist dabei rausgekommen, weiterentwickeln, aber bitte nicht kaputtmachen. Insofern unterstützen wir die Sorgen der Eltern, nicht als Kampagne, sondern weil wir sensibel mit diesem Thema umgehen. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Goetsch, ich danke Ihnen, dass Sie sich so sachlich diesem sehr komplexen Thema genähert haben. Herr Kienscherf, ich denke, Sie können sich eine Scheibe davon abschneiden.
Sie haben dieses Thema rein unter strategischen Gesichtspunkten, rein unter Ihren Schlagworten „Ausgrenzung“ und „Kahlschlag“
dargestellt, mit entsprechend harten Worten. Damit werden auch Sie diesem Thema nicht gerecht. Es passt auch nicht auf Ihre Fahne. Das können Sie sich nicht auf Ihre Fahne schreiben, wenn Sie sich so diesem Thema nähern.
Herr Kienscherf, ich nehme Sie gerne mit auf eine Reise, wenn Sie solche Begrifflichkeiten wie „Kahlschlag“ und „Ausgrenzung“ aus Ihrem Standardvokabular herausstreichen und wir uns gemeinsam auf einen Begriff wie Gerechtigkeit verständigen können.
Das ist ja etwas, was durchaus auch zum sozialdemokratischen Gesangbuch dazugehören müsste, das werden Sie ja nicht abstreiten können.
Können wir uns jetzt einmal unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit diesen Sachen nähern. Von 234 Grundschulen, die wir in dieser Stadt haben, haben nur 36 bisher die Möglichkeit, am Schulversuch integrative Regelklassen teilzunehmen.
Diese 36 Schulen erhalten, so sieht es dieser Schulversuch vor, zusätzliche Sonderschullehrer und Erzieher, aber die anderen Schulen nicht, das ist der eine Punkt. Ich bekomme jetzt laufend Anrufe von Eltern, auch wenn ich vielleicht nicht an einer Diskussionsveranstaltung teilnehmen konnte,
Ich nehme mich ernsthaft dieser Sorgen an. Ich weiß auch, dass die Sorgen um die schulische Bildung des eigenen Kindes überall vergleichbar und auch häufig verständlich sind. Aber in der Formulierung der Fragen oder ob das vorkopierte Zettel sind, dass sich das ständig wiederholt, das gibt doch zu denken.
Was würde denn erst los sein, wenn auch die Eltern der übrigen, fast 200 Schulen anrufen? Vielleicht sollten die
Deren Kinder, Herr Kienscherf, sind genauso förderbedürftig und sie besuchen eine Klasse, in der Kinder sind, für die genauso erhöhter Förderbedarf besteht. Wir haben eine Lehrerin – nein, ich gestatte keine Zwischenfrage – , die alleine die schwierigen Situationen mit verhaltensauffälligen Schülern zu meistern hat und sie hat keine Sonderpädagogen an ihrer Seite stehen. Das ist die Ungerechtigkeit, die ich dabei meine.
(Dirk Kienscherf SPD: Sie wollen doch nur die Schulen gegeneinander ausspielen! – Günter Frank SPD: Sie wollen doch verschleiern! – Michael Neu- mann SPD: Ein niedriges Niveau für alle!)
Gerechter ist da doch eine Lösung, von der alle profitieren. Bei der Einrichtung von regionalen Förderzentren geht es nicht um einen billigen Ersatz von IR-Klassen, es geht nicht um Ausgrenzung, Herr Kienscherf, es geht nicht um die Abschiebung von Lernschwachen.
Es geht darum, mit einer zentralen Förderung an mehr Standorten als bisher mehr Kindern, mehr Mitschülern dieser Kinder und mehr Eltern und Lehrern, die bisher alleine dastanden, zu helfen. Das kann damit besser gelingen als mit einem nur auf 36 Schulen begrenzten Schulversuch.
Ich weiß nicht, was Sie da erzählen. Sie werden es nicht in eine gescheite Frage fassen können. Herr Kienscherf und Herr Neumann melden sich zu Wort, wenn das der Präsident mal notieren würde, weil sie offensichtlich Redebedarf haben. Bei Herrn Neumann bin ich besonders gespannt, in welcher Richtung das zu diesem Thema gehen soll. Sie können sich gerne zu Wort melden.
Regionale Förderzentren, wie wir sie jetzt alternativ vorschlagen, haben zusätzlich den Vorteil, dass diese Förderung dann auch transparenter ist. Transparenz bedeutet an dieser Stelle für uns eben auch Gerechtigkeit. Bisher war doch kaum nachvollziehbar, welche Kinder in einer Klasse eben diesen besonderen Förderbedarf dieser IR-Klasse begründen. Wie auch? Ich wäre auch dagegen, dass diese Kinder etikettiert werden. Förderung für lernschwache Kinder darf doch nicht nach sich ziehen, dass diese im Gegenzug das Stigma des Klassendeppen abbekommen. Das darf es nicht geben, meine Damen und Herren.
Noch einmal Gerechtigkeit. Dieser Schulversuch ist wissenschaftlich begleitet worden. Ich will nicht alles wiederholen, was Herr Weinberg richtigerweise gesagt hat, aber schauen Sie sich diesen wissenschaftlichen Bericht auch einmal genau an und beurteilen Sie ihn gerecht. Die Sozialziele, die Lernziele sind doch eben häufig hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die man Anfang der Neunzigerjahre formuliert hat, als man mit diesem Schulversuch begann.
Ein letztes Mal Gerechtigkeit. Dieser Schulversuch ist bisher auf die Grundschulen begrenzt. Das exklusive Angebot für diese 36 Schulen endet abrupt mit der vierten Klasse.
Dies wird ja auch in der wissenschaftlichen Studie bemängelt. Nichts wird an weiterführenden Schulen fortgesetzt. Es wäre doch auch gerecht gegenüber den Kindern, dieses fortzusetzen, aber dafür fehlen uns genauso wie Ihnen die Mittel. Dies müssen Sie gerechterweise auch eingestehen.
Die Leiterin des Amtes für Schule, Frau Ingeborg Knipper, hat am 4. November allen Grundschulen mit integrativen Regelklassen geschrieben:
„An ihrer Schule, die jetzt integrative Regelklassen führt, wird sich zum 1. August 2003 ohne Zustimmung der Schule nichts ändern.“
Schulversuch bleibt Schulversuch. Das ist kein Grund zur strategischen Panikmache, Herr Kienscherf. Aber Grund genug, sich unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit einmal damit auseinander zu setzen, was sinnvollerweise in ein Schulgesetz gehört und was nicht.
So Richard von Weizsäcker in einer viel beachteten Rede vor dem VdK. Wie aber soll man diese zutiefst menschliche Erfahrung machen, wenn man sich nur unter seinesgleichen bewegt? Wie sollen Erwachsene mit Andersartigkeit umgehen können, wenn Sie es als Kinder nicht gelernt haben? Wie sollen Kinder, die verschieden sind, erfahren, dass Sie genauso dazugehören wie alle anderen Kinder? Denn was den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet beziehungsweise unterscheiden sollte – Sie dürfen auch gerne zuhören von der Schill-Fraktion –,