Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Das Wort bekommt der Abgeordnete Quast.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend für den Zustand der Koalition, dass sie gerade dieses Thema zur Aktuellen Stunde angemel

det hat, wurde es doch maßgeblich vom rotgrünen Senat angeschoben. Wir freuen uns aber, dass Sie es genauso positiv begleiten wie wir.

Dass die Verwirklichung der Europa-Passage voranschreitet, freut uns, denn sie soll nicht nur ein Bindeglied als Einkaufsstandort zwischen der City West und der City Ost werden, sondern sie kann auch dazu beitragen, dass die Hamburger Innenstadt als Einkaufsstandort insgesamt wieder gestärkt wird. Ich glaube, es ist jedem bewusst, dass die Hamburger Innenstadt in den letzten Jahren als Einkaufsstandort an Attraktivität verloren hat. Die EuropaPassage und andere Projekte können zu einer Trendumkehr beitragen. Maßgeblich ist dabei natürlich auch, ob die Investoren in dem Einkaufszentrum den richtigen Branchenmix – darauf hatte mein Vorredner schon hingewiesen – hinbekommen können.

Herr Mehlfeldt, mich erstaunt sehr, dass Sie mit keinem Wort die Frage der denkmalpflegerischen Aspekte erwähnt haben, die in den letzten Jahren die Debatte in der Stadt bestimmt haben. Nichts hat die Hamburger mehr auf die Palme gebracht als die Diskussion darüber, wie die Ansicht des Ballindamms künftig zu gestalten ist.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Als die Gefahr bestand, dass eine nicht geeignete Fassade entstehen sollte, hat diese zu einem Proteststurm für den Erhalt historisch wertvoller Bausubstanz geführt. Dies alles unterstreicht, welche Bedeutung die Hamburger dem Erscheinungsbild dieser Passage in der exponierten Lage an der Binnenalster beimessen. Der Bezirk Mitte hatte deswegen gefordert, für die Gestaltung der Fassade einen Architektenwettbewerb durchzuführen. Das ist ein verständliches Ansinnen, wenn man bedenkt, dass im Prinzip für jedes Gebäude in der HafenCity ein Wettbewerb durchgeführt werden soll. Für diese Fassade an Hamburgs exponiertester Lage sollte dies aber nicht geschehen.

Ich frage mich, was aus dem Architektenwettbewerb geworden ist. Was ist aus den Versuchen geworden, eine neue Fassade zu finden? Herr Senator Mettbach wird uns möglicherweise darauf antworten können, wie er mit dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt umgehen wird.

(Michael Fuchs CDU: Darauf können Sie sich ver- lassen!)

Das „Hamburger Abendblatt“ schrieb in diesem Zusammenhang:

„Hamburgs Gesicht ändert sich.“

Wir fragen uns nur, welches Gesicht wird es werden. – Danke.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherlich war lange unklar, ob sich die Ideen und Konzepte für eine attraktive Umgestaltung der Hamburger City verwirklichen lassen. Ich bin froh, dass der Senat und die Investoren nach langen Wochen und Monaten in die Entscheidungsphase eingetreten sind.

Selbstverständlich braucht ein so enorm großes Projekt wie die Europa-Passage eine lange Vor- und Anlaufzeit. Doch mit der Realisierung des Projekts steht und fällt Ham

(Jürgen Mehlfeldt CDU)

burgs Zukunft, gerade auch im Hinblick der Olympischen Spiele 2012; das hat Herr Mehlfeldt erwähnt. Hamburg hat sich entschlossen, hier einen innovativen Weg zu gehen und sich den Herausforderungen im Zuge des Konzepts der Wachsenden Stadt zu stellen.

Bei der Planung und dem Bau der Europa-Passage müssen wir auf eine hohe Ausstrahlungswirkung setzen, um auch dem internationalen Anspruch Hamburgs als Weltstadt zu genügen. Andererseits – da gebe ich Herrn Quast Recht – ist ein hohes Maß an architektonischer Sensibilität erforderlich, um dem – hier werde ich geschichtsträchtig – entstandenen Stadtbild entlang der Binnenalster nach dem Großen Brand von 1842 gerecht zu werden.

Das Gebäude selbst weist eine wechselvolle Geschichte auf. Allerdings kann von einer Ursprünglichkeit der Fassaden nicht mehr gesprochen werden. Hier wurde vielmehr über Jahrhunderte hinweg verändert, neu geschaffen und konstruiert. Darüber sind sich alle Experten einig. Die Wahrung der baulichen Identität muss jedoch bei einer Integration neuer baulicher Ideen bestehen bleiben. Dabei muss auch der Spagat zwischen dem Anspruch einer Passage und der Forderung nach Erhaltung des gewohnten Stadtbildes gelingen.

Genau darauf beruht das vorliegende Konzept, das ebenso wirtschaftlich ist. Die Entwicklung der Gesamtkonzeption hat die optimale Lösung gefunden und fügt sich in gegebene Strukturen ein; sie wagt aber auch neue Lösungswege. Die Europa-Passage kann ein tragendes Element für die Belebung der Innenstadt, des Alsterraums und der Mönckebergstraße werden.

Neben dem Effekt, einen einmaligen Blick auf die Binnenalster und den Jungfernstieg zu schaffen, entstehen in der Passage ausgezeichnete Möglichkeiten zur Ansiedlung von mittelständischen Einzelhändlern und anderen Unternehmen. Aber das ist es nicht nur. Es werden auch ein großflächiger Einzelhandel über mehrere Geschosse sowie Gastronomie und kulturelle Institutionen mit eingebracht werden. Des Weiteren entstehen in den oberen Geschossen auf circa 20 000 Quadratmetern flexible und individuell aufteilbare Büroeinheiten.

Insgesamt ist lobend festzuhalten, dass sich durch den Bau der Europa-Passage neue Wege für die Hansestadt ergeben, die zukunftsbestimmend sein werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Interessante an der jetzigen Situation – kaum kommen wir zu einem von der Regierungskoalition angemeldeten Thema – ist die Tatsache, dass die Luft scheinbar heraus und das Interesse nicht mehr vorhanden ist.

(Dr. Michael Freytag CDU: Weil man weiß, dass es klappt!)

Es ist ja bei diesem Thema auch leider so, denn es gibt nicht wirklich etwas Neues.

Herr Mehlfeldt, Sie haben Recht. Sie sind nicht dafür bekannt, dass Sie überschwängliche Reden halten. Eben haben Sie jedoch schlicht und einfach eine Schaufensterrede gehalten. Bei diesem Bauvorhaben gibt es doch gar keinen Fortschritt. Wir müssen nicht über die komplizierte Konstruktion, die technische Baustellenabwicklung und

die Selbstverständlichkeiten, die in Bezug auf die Organisation des Abrisses und des Neubaus mit einem solchen großen Vorhaben verbunden sind, in der Bürgerschaft sprechen. Hier müssen wir über die Dinge – das sind der Denkmalschutz und die Fassadengestaltung – sprechen, die die Stadt zu diesem Thema bewegen; das hat auch schon Herr Quast gesagt. Außerdem muss beispielsweise über die Finanzierung und die Verdrängung diskutiert werden. Sie haben freundlich dargestellt, dass einige Betriebe zurückkommen wollen. Eigentlich müssten Sie sagen, dass es schlimm genug sei, dass viele von ihnen dort verdrängt werden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Passagenkonzept ist ein bewährtes; darüber brauchen wir nicht zu streiten. Es ist ein hochkompliziertes Vorhaben, eine solche Passage durch diesen Häuserblock zu brechen. Ich halte dieses für die schwierigste Operation, die es in diesem Bereich je gegeben hat. Vor allem auch deswegen, weil ein unverwechselbares Gesicht unserer Stadt zerstört wird. Das ist nicht positiv, sondern schwierig. Wenn man das hinkriegen will, dann muss man sich sehr offensiv auf die Diskussion über den Abriss der Häuser und den Erhalt von Fassaden in dieser Stadt einlassen. Man kann hier keinen Wettbewerb verweigern, nur weil man einem stadtbekannten Architekten eine weitere Visitenkarte verschaffen will. Mit uns geht das jedenfalls nicht.

(Beifall bei der GAL und bei Wilfried Buss SPD)

Im Übrigen macht sich ein Eigenlob nicht so gut. In diesem Fall war es völlig unpassend. Seit 1997 wird im wahrsten Sinne des Wortes an diesem Projekt herumgedoktert, denn es haben sich viele kompetente Menschen damit beschäftigt. Letztendlich ist es immer wieder an mangelnder Investorenmasse oder aufgrund eines so unverantwortlichen brutalen Eingriffs in den Stadtgrundriss gescheitert. Hier muss noch bewiesen werden, dass die letzte Variante wirklich so entscheidend besser ist, dass sie die Zustimmung dieser Stadt insgesamt finden wird.

(Beifall bei der GAL)

Ein letzter Punkt. Ich fürchte, dass dieses nicht zu Ende diskutiert worden ist, obwohl die Senatsantwort, die dazu auf meine Kleine Anfrage im Januar erfolgt ist, meine Bedenken vielleicht hätte zerstreuen können: Die Diskussion um die Nutzung des öffentlichen Raumes, den Verbleib der Straßenflächen im öffentlichen Eigentum, die Zugänglichkeit dieser Passage Tag und Nacht und so weiter. Wir werden noch lange über Details reden müssen. Jedoch zu einem Thema zu reden, über das es überhaupt nichts Neues gibt, sollten wir uns alle schenken.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Woestmeyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt zwei gute Gründe, warum ich und nicht unser baupolitischer Sprecher Ekkehard Rumpf hier steht. Der eine Grund ist sehr erfreulich: Er heißt Natascha und ist wenige Stunden alt. Sie können sich vorstellen, wer der Vater ist. Ich bin es nicht, denn ich stehe jetzt hier. Der Vater ist Herr Rumpf.

(Beifall im ganzen Hause)

Der zweite Grund ist – auch unabhängig von der Vaterschaft des Kollegen Rumpf –, dass meine Fraktion ganz

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

bewusst entschieden hat, in dieser Debatte nicht den baupolitischen Sprecher, sondern ihren Kulturpolitiker an das Rednerpult treten zu lassen. Auch aus meinem Munde können Sie hören, dass es für die FDP-Fraktion wichtig ist zu sagen, dass sie die Europa-Passage für die notwendige Investition im Herzen unserer Stadt hält. Sie ist der Auftakt zu Mut und Vision in der Stadtplanung und die erste Markierung – noch bevor Domplatz und HafenCity weitere Markierungspunkte setzen werden – einer sich wandelnden und wachsenden Metropole.

Es sind gemeinsame Projekte, die von der damaligen Regierung zu Recht angeschoben worden sind und die nun von der jetzigen Regierung fortgesetzt werden. Wir würden uns freuen, wenn wir dafür seitens der Oppositionsfraktionen eine Unterstützung bekommen.

Aber im Gegensatz zur HafenCity entsteht die EuropaPassage nicht auf einer Brachfläche, die danach ruft, Neues auf sich wachsen zu lassen. Sie entsteht dort, wo Menschen waren und heute noch sind. Durch diese Menschen entstanden Gebäude sowie Geschichten und es wurde ein Stadtbild geprägt.

Denkmalschutz wurde nicht erfunden, um Baupolitiker zu ärgern, Investoren zu hemmen und konservativ und gestrig zu sein,

(Beifall bei Antje Möller GAL und Wilfried Buss SPD)

sondern er ist ein Anwalt dieser Menschen, ihrer Geschichten, ihres Stadtbildes und ihres Erbes. Wenn wir über Generationengerechtigkeit reden – das tut nicht nur die FDP-Fraktion, sondern das tun auch die anderen Fraktionen sehr häufig und gerne –, dann dürfen wir nicht die kulturelle und städtebauliche Dimension vergessen. Warum reden wir denn über das kulturelle Erbe, das ist doch ein feststehender Begriff? Das Erbe, das künftige Generationen von uns erwarten, ist nicht nur eines der Vermittlung von Kulturfertigkeiten, sondern auch von Kulturdenkmälern. Denkmäler sind das Gedächtnis einer Stadt. Eine Kirchenruine oder ein Weltkriegbunker stellen häufig das Unangenehme dieses Gedächtnisses dar. Klassizistische Bauten, die Gründerzeit und anderes mehr sind dagegen angenehm.

Der Baugrund, auf dem die Europa-Passage entstehen wird, verbindet sogar beides. Denn das Europa-Haus mit seinem glanzvollen Treppenhaus und die direkt dahinter liegende Hermannstraße ist im Stadtbild als Antwort auf den verheerenden Großen Brand entstanden. Es ist eben nicht nur die reine Ansicht, Herr Quast, von der Sie gesprochen haben, sondern auch die dahinter stehende Geschichte.