Wir wollen den Zuschnitt und die Größe der Wahlkreise nach objektiven Kriterien festlegen und den Einfluss der Wahlberechtigten auf die Zusammensetzung des Parlaments insgesamt stärken. Ob mit einem neuen Wahlrecht gleichzeitig eine aktivere Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an der Demokratie gefördert oder sich zumindest die Einstellung zur Politik positiv verändern wird, werden wir alle sehr viel später feststellen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dem Vorredner sehr dankbar, dass er mir so manchen Punkt erspart.
Es entspricht der demokratischen Tradition dieses Hauses, dass man versucht, ein Wahlrecht auf eine breite Grundlage zu stellen. In dieser Tradition bewegen wir uns weiter. Wir wollen den Bürgern gegebenenfalls dieses Wahlrecht – als Kontrast zu dem, was sich die GAL zu Eigen gemacht hat – zur Abstimmung vorlegen. Ich bin froh darüber, dass wir hier eine Auseinandersetzung führen, wie Demokratie weiterentwickelt werden kann, der
Bei jedem Wahlsystem gibt es die entscheidende Frage, ob das Wahlsystem – als eine der vielen Stellschrauben des politischen Systems – dazu beiträgt, dass entscheidungsfähige Parlamente und handlungsfähige Regierungen zustande kommen. Dass ein Zweistimmenwahlrecht dieses leistet, zeigen die jahrzehntelange Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die Erfahrungen vieler Bundesländer.
Ob ein Mehrstimmenwahlrecht dieses kann, ist für mich mehr als fraglich. Deshalb sage ich: Auch wenn die Initiative und die GAL behaupten, dass sie den Einfluss der Wähler stärken wollen, werden sie im Endeffekt eher das Gegenteil erreichen.
Erklären Sie bitte einmal einem Wähler, der in einem der Wahlkreise wohnt, in dem drei Abgeordnete zu wählen sind, warum er fünf Stimmen abgeben soll. Sie schaffen ein kompliziertes Wahlsystem, das sich in der Ausfüllung dem Schwierigkeitsgrad des Antrages auf Lohnsteuerjahresausgleich annähert. Es gibt Tausende von Menschen, die jedes Jahr darauf verzichten, ihre berechtigten Ansprüche auf Steuerrückzahlung vom Staat geltend zu machen, weil sie sich das komplizierte Zeug nicht antun wollen und lieber auf einige hundert Euro verzichten.
Wenn wir durch ein unnötig verkompliziertes Wahlsystem tatsächlich zu einer erhöhten Wahlenthaltung kommen, dann haben wir damit die demokratische Legitimation geschwächt und nicht gestärkt. Uns und den anderen Fraktionen, die diesen Antrag unterstützen, kommt es aber darauf an, die demokratische Entwicklung voranzubringen. In diesem Sinne ist das Zweistimmenwahlrecht ganz hervorragend. Es ist bekannt, bewährt und produziert relativ wenige ungültige Stimmen. Es schafft dem Wähler zusätzlichen Einfluss und die persönliche Verantwortung durch den Wahlkreisabgeordneten.
Ich glaube, der gemeinsame Antrag der vier Fraktionen legt die Rahmenbedingungen so fest, wie sie festgelegt werden sollten, wenn wir an die langfristige Entwicklung unseres Gemeinwesens denken.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP und vereinzelt bei der SPD)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das neue Wahlrecht wird den Bürgern größere Mitwirkungsmöglichkeiten bringen. Die Einführung von Wahlkreisen wird nicht nur der Bürgerschaft mehr Bürgernähe bringen, sondern auch bei anderen Veränderungen, die wir in den Bezirken vornehmen werden.
Die entscheidende Komponente ist, dass die Bürger mehr Einwirkungsmöglichkeiten auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments haben sollen. Deshalb sprechen wir uns für die Einführung von Wahlkreisen aus und werden damit den Einfluss der Wähler und mehr Bürgernähe gewährleisten.
Das neue Wahlrecht wäre auch geeignet, noch mehr Akzeptanz für das erfolgreiche Modell der parlamentarischen Demokratie hervorzurufen. Auch dies ist ein nicht unwesentlicher Aspekt, der im Zusammenhang mit der Wahlmüdigkeit hervorzuheben ist.
Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland ist auf wenige so genannte etablierte Parteien reduziert. Die Parteien, die klein und neu sind, haben kaum eine Chance, in die Parteisysteme Hamburgs oder Deutschlands hineinzukommen. Umso wichtiger sind die Einhaltung der Grundsätze innerparteilicher Demokratie und die größeren Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger auch bei der Wahl. Die Bedürfnisse und Interessen der Bürger müssen durch die Parteien von unten nach oben wirksam werden können. Deshalb müssen oligarchische Verkrustungen abgebaut und für die Erfüllung der Funktionen das im Gesamtsystem noch vertretbare Maß an Flexibilität und die Öffnung der Strukturen angestrebt werden.
Das Demokratisierungspotenzial soll – das heißt das Maß der Demokratisierbarkeit von Nominierungs- und Auswahlverfahren – möglichst voll ausgeschöpft werden. Wir wollen versuchen, dieses mit dem neuen Wahlrecht einen Schritt voranzubringen. In Hamburg bestehen für das Ausschöpfen der Demokratisierungspotenziale noch erhebliche Möglichkeiten, die wir im Rahmen des Wahlrechts, aber auch parteiintern weiterverfolgen müssen. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich immer gern das Buch des Herrn Pumm zur innerparteilichen Demokratie in der SPD, in dem auf beide Aspekte hervorragend eingegangen wird.
Vornehmste Aufgabe in der Parteiendemokratie – in einer solchen befinden wir uns unzweifelhaft – ist die Auswahl derjenigen Personen, die für uns Bürger Entscheidungen treffen und letztlich Politik machen sollen. Diese Abgeordneten haben im Sinne der Verfassung ein Amt. Aber nach meiner Auffassung hat auch der Bürger ein Amt, die richtige Auswahl zu treffen, dass diejenigen Personen ausgewählt und nominiert werden, die am besten in der Lage sind, für alle Bürger die richtigen, klaren und wahren Entscheidungen zu treffen.
Hier wird das neue Wahlrecht mit Wahlkreisen neue und größere Einwirkungsmöglichkeiten den Bürgern gerade auch bei der Auswahl des politischen Personals bieten können. Dabei muss aber auch verantwortlich die Funktionsfähigkeit des neuen Wahlrechts im Auge behalten werden. Herr Reinert hat hierzu bereits Einzelheiten aufgelistet, denen ich mich nur anschließen kann. Ich verzichte darauf, dieses noch einmal auszuführen.
Niemandem ist mit Stimmzetteln gedient, die am Ende 6 Meter lang sind und letztlich nicht zu mehr Klarheit, sondern zur Unklarheit führen und nicht mehr praktikabel sind. Ich glaube, darüber besteht Einigkeit. Auch unsere Fraktion hat gesagt, dass wir hier von einem Kumulieren und Panaschieren Abstand nehmen sollten.
Unsere Partei hat sich von Anfang an mehr Bürgernähe und mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben; dazu stehen wir. Umso mehr freue ich mich, dass bereits heute ein grundsätzlicher Konsens herbeigeführt werden kann, nunmehr, zusammen mit der SPD, FDP und CDU, dieses neue Wahlrecht in dieser Legislaturperiode in Kraft zu setzen. Bereits 1992 hatte eine Enquete-Kommission angeregt, im Rahmen einer Parlamentsreform zu einem solchen Wahlrecht mit Wahlkreisen zu kommen. Schade, dass es bisher nicht gelungen ist. In dieser Legislaturpe
Wir wollen das Wahlrecht nicht nur im Parlament, sondern auch in der Bevölkerung auf eine neue Zustimmungsbasis stellen, und sind zur Reform des Wahlrechts bereit. Bitte unterstützen Sie deshalb den vorliegenden Antrag und helfen Sie mit, dass die Feinheiten, insbesondere auch im Hinblick – das ist mein Wunsch – auf die Bezirke, im Verfassungsausschuss entsprechend geregelt werden können. – Vielen Dank für das Zuhören.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht hat dieser Antrag nur ein politisches Ziel: Das Volksbegehren für ein neues Wahlrecht im September soll torpediert werden und soll der Hamburger Öffentlichkeit suggerieren: Sorgt euch nicht, wir großen Parteien in dieser Stadt gestalten euch schon euer Wahlrecht, wir geben euch ein wenig mehr als ihr bisher habt. Das ist nicht ehrlich. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein solcher Antrag zwei Wochen bevor das Volksbegehren beginnen soll, in die Öffentlichkeit und in die Bürgerschaft gebracht wird.
Herr Tants oder Herr Reinert, natürlich dürfen Sie Anträge stellen, aber die Nähe zum Volksbegehren ist doch sehr verdächtig.
Der Antrag zeigt, dass die FDP in diesem Punkt einmal wieder eingeknickt ist, denn bisher waren wir mit ihr immer einer Meinung. Das geschieht nicht in irgendeinem Punkt – wie zum Beispiel, einige Lehrer mehr einzustellen oder ob wir in dieser Stadt ein neues Sportstadion brauchen –, sondern hier geht es um das Fundament der Demokratie, um das Wahlrecht. Es gibt ganz essenzielle Herzstücke, die der Gesetzentwurf der Volksinitiative beinhaltet, von denen sich in diesem Antrag aber nichts mehr wiederfindet. Zum Beispiel werden die Mehrpersonenwahlkreise nicht erwähnt, sondern im Gegenteil, sie werden sogar abgelehnt.
Das Häufeln und Verteilen von Stimmen, das gern als Panaschieren und Kumulieren bezeichnet wird – ich möchte mich auf die deutschen Worte konzentrieren, weil die anderen Worte verwirren; das ist wohl Absicht –, befindet sich auch nicht im Antrag. Das wird von den großen Parteien auch nicht beabsichtigt. Der Hinweis auf die Wahlgesetze in anderen Bundesländern ist ein wenig vernebelnd, denn es gibt dort kaum ein Häufeln und Verteilen; das niedersächsische Wahlrecht sieht drei Stimmen vor, sodass ein wenig Häufeln möglich ist.
Man darf die Hamburger nicht für blöd verkaufen. Warum sollen sie blöder sein als die Münchener? Die Münchener können 80 Stimmen an den Stadtrat verteilen. Und die Hamburger sollen nicht in der Lage sein, zehn Stimmen auf die Kandidatenangebote und die Parteien in dieser Stadt sinnvoll zu verteilen? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.
Was Sie zu kompliziert nennen, nennen die Grünen und auch die Initiative Demokratie, mehr Einfluss auf die Entscheidung zu bekommen, wer in dieses Parlament einzieht.
Im Antrag lese ich, dass wir dies in den Neunzigerjahren schon einmal hatten. Der Verfassungsausschuss wurde beauftragt, entsprechende Wahlkreise zu zeichnen und ein neues Wahlgesetz auszuarbeiten. Es gab auch einen Arbeitskreis, der extra dafür eingerichtet wurde. In Ihrem Antrag steht aber nicht, dass dieser Arbeitskreis aufgelöst wurde, weil man sich nicht einigen konnte. Ich prophezeie Ihnen, dass dies jetzt wieder passieren wird. Mit dem Antrag wird beabsichtigt, das neue Wahlrecht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertagen.
(Beifall bei der GAL – Dr. Andrea Hilgers SPD und Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Nein!)
Wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie selbst, dass gerade die Einteilung der Wahlkreise der Hauptstreitpunkt zwischen den Parteien ist. Das zeigen die Erfahrungen in allen Punkten bei den Wahlkreiseinteilungen, über die jemals in diesem Land gestritten wurde. In Texas sind deshalb sogar einige Abgeordnete in ein anderes Bundesland geflohen, weil eine andere Partei die Wahlkreise neu einteilen wollte.
Das brauchen wir hier nicht, weil es hier keine Präsenzpflicht gibt, Herr Freytag; das wissen Sie auch.
Worum geht es eigentlich? Auf der einen Seite hat Hamburg inzwischen eine Volksgesetzgebung eingeführt, die sehr genutzt wird. Durch die Bürgerbegehren auf Bezirksebene und der Volksinitiative auf Landesebene ist die Demokratie in Hamburg lebendig geworden. Wir können uns wirklich freuen, denn die Bürger wollen mitmachen und mitentscheiden. Das haben wir gesehen.
Auch die Volksinitiative „Mehr Bürgerrechte – Ein neues Wahlrecht für Hamburg“ zeigt, dass es ein Interesse für ein neues Wahlrecht in dieser Stadt gibt. Ich bin davon überzeugt, dass die Bürger mehr wollen als das, was ihnen von Ihrer Seite jetzt geboten wird. Sie haben nur die Entscheidung zwischen den Direktkandidaten von SPD und CDU. Man kann jetzt schon sagen, dass es in dieser Frage nach den strukturellen Wahlergebnissen in dieser Stadt natürlich eine strukturelle Mehrheit der SPD geben wird. Die CDU wird ganz wenige Direktkandidaten bekommen. Das ist jetzt schon absehbar.
Sie mögen damit leben können, weil Sie Ihre Abgeordneten über eine Liste absichern, aber aus Ihrer Sicht dürfte das etwas zu kurzsichtig sein.
Meine Fraktion und die Partei überstützen dieses Volksbegehren. Wir hoffen, dass es erfolgreich sein wird.
Wir glauben erstens: Wenn es nicht erfolgreich ist, wird es keine Wahlrechtsreform in dieser Stadt geben.