Protokoll der Sitzung vom 25.08.2004

Die wirtschaftspolitische Lage Deutschlands ist derzeit nicht gerade rosig, wie wir wissen. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor viel zu hoch, die öffentlichen Kassen sind leer, Sparzwänge, Kürzungen von Sozialleistungen und ähnliche Dinge stehen im Raum. Die Sozialversicherungssysteme haben mit Strukturproblemen zu kämpfen und die Prognosen für die kommenden Jahre sind optimistisch gedämpft.

Umso erfreulicher zeigt sich vor diesem Hintergrund die Entwicklung des Hamburger Hafens. Er wächst und gedeiht seit geraumer Zeit und das mit rasantem Tempo. Der Hamburger Hafen gehört mittlerweile zu den zehn größten Containerhäfen der Welt. Der Gesamtumschlag betrug 2003 rund 105 Millionen Tonnen; 6,1 Millionen Standardcontainer TEU wurden gelöscht und geladen. Etwa 150 000 Arbeitsplätze, die zu einem großen Teil von Arbeitnehmern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wahrgenommen werden, sind direkt oder indirekt vom Hafen abhängig. Insgesamt zwölf Prozent der Wertschöpfung Hamburgs werden im und mit dem Hafen erwirtschaftet.

Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres wurden mehr Standardcontainer gelöscht und verladen als im ganzen Jahr 1997. Der Hamburger Hafen hat sich zur Drehscheibe für den nordeuropäischen Handel mit Ostasien und dem Ostseeraum entwickelt. Die Wachstumsraten des Umschlags betrugen in den letzten Jahren regelmäßig mehr als 10 Prozent und seriöse Prognosen gehen von ähnlich hohen Wachstumsraten sogar auf längere Sicht gesehen aus.

Für den Arbeitsmarkt der Metropolfunktion Hamburg bedeutet dies bis zum Jahr 2010 rund 3000 neue Arbeitsplätze an den Kaimauern und weitere 9000 bis 12 000 außerhalb des Umschlags. Das ist sehr viel und angesichts einer eher schlechten Wirtschaftslage umso bedeutsamer. Der Hamburger Hafen boomt, hat sich also nicht nur zum Wachstumsmotor für die Hamburger Wirtschaft, sondern für die Metropolregion und das weitere Umland entwickelt. Wir alle wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir irgendetwas täten, das diese Entwicklung beeinträchtigen könnte. Die Stärkung des Hamburger Hafens muss deshalb Aufgabe der Wirtschaftspolitik über die Grenzen von Bundesländern und Parteien hinweg sein.

(Beifall bei der CDU)

Es geht um die rechtzeitige Zurverfügungstellung von Erweiterungsflächen, den Ausbau der Kapazitäten im Containerumschlag, um weitere große Liegeflächen und einen Feederplatz sowie den Ausbau der Infrastruktur des Hafens, also von Straßen, Brücken, Schienennetzen und Logistikflächen für Lagerhallen. Es geht nicht zuletzt auch um die geplante Elbvertiefung, denn was nützt der schönste Boom, wenn die Schiffe aufgrund zu großen Tiefgangs Hamburg nicht mehr anlaufen können.

Seit Ende der Neunzigerjahre hat eine Entwicklung zu größeren Containerschiffen mit einer Tragfähigkeit von 8000 bis 12 000 TEU stattgefunden. Damit diese den Hamburger Hafen auch in Zukunft bedienen können, muss die Fahrrinne auf 14,5 Meter Tiefgang ausgebaut werden.

(Wolfhard Ploog CDU: Richtig!)

Eine weitere Fahrrinnenanpassung ist aus hydrologischer Sicht machbar.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bedanke mich für den Hinweis, Herr Präsident.

Die Hochwasserqualität einer weiteren Fahrrinnenanpassung ist gegeben. Eine weitere Fahrrinnenanpassung ist aus ökologischer Sicht vertretbar und volkswirtschaftlich hoch rentabel.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, wir scheinen uns misszuverstehen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir sind außerordentlich zuversichtlich, dass die betroffenen Länder Niedersachsen …

Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zur Ordnung.

… und Schleswig-Holstein angesichts der im Hafen erwirtschafteten …

Herr Abgeordneter, ich rufe Sie erneut zur Ordnung und weise Sie darauf hin, dass ich Sie bei einem weiteren Ordnungsruf ausschließen werde.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Egloff.

(Jens Kerstan GAL: Der braucht gar nicht mehr zu reden, der andere ist gar nicht zum Thema ge- kommen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ohlsen, zunächst vielen Dank für die freundlichen Worte, die Sie zu Anfang gefunden haben. In der Tat ist es so, dass zumindest die beiden großen Fraktionen in der Frage der Hafenentwicklung in diesem Hause auch in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben und vonseiten der SPDFraktion soll sich, was die Frage der Chancenentwicklung für den Hamburger Hafen angeht, daran auch nichts ändern.

(Beifall bei der SPD)

Ein bisschen erstaunt war ich natürlich, als ich die Anmeldung zur Aktuellen Stunde gelesen habe. Da habe ich mich gefragt, warum die denn so aufgeregt sind, nur weil der Minister in Niedersachsen im Wahlkreis der Abgeordneten Welzel aufgetreten ist und das gesagt hat, was wir alle wissen, dass es nämlich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens viele Fragen zu klären gibt: Fragen der Deichsicherheit, der ökologischen Vertretbarkeit und auch, ob es ökonomisch erforderlich ist, diese Fahrwasservertiefung zu machen. Wir alle wissen, dass das von Gesetzes wegen vorgegeben ist und deswegen sind diese Fragen, die die Bundesregierung zu klären hat und

die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens letztendlich entschieden werden müssen, Voraussetzung dafür, um mit den Baumaßnahmen überhaupt beginnen zu können.

Wir selber haben uns im Wirtschaftsausschuss mit diesen Fragen im Rahmen einer Anhörung in der letzten Legislaturperiode schon intensiv beschäftigt und ich kann für die SPD-Fraktion sagen, dass alle, die bei dieser Anhörung dabei waren, für sich daraus den Schluss gezogen haben, dass es ökonomisch erforderlich ist, diese Fahrrinnenanpassung zu machen und es auch nach den bisherigen Erkenntnissen aus der Untersuchung der letzten Fahrwasservertiefung ökologisch vertretbar ist.

Deswegen werden wir als SPD-Fraktion alles tun, um zu erreichen, dass die Konkurrenzfähigkeit des Hamburger Hafens gewährleistet bleibt und es auch in Zukunft möglich ist, dass die Schiffe, die den Hauptanteil am Containerverkehr tragen, den Hamburger Hafen erreichen können, und zwar auch vollbeladen und dass Hamburg an die Erfolge, die es im Moment im Bereich der Hafenentwicklung hat – Sie haben die Punkte aufgezählt, Herr Ohlsen, ich will das nicht wiederholen –, auch in Zukunft anknüpfen kann.

Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass man die Bedenken aus Niedersachsen ernst nehmen muss, was die Deichsicherheit angeht. Die Menschen dort müssen überzeugt werden, dass die Deiche sicher sind, dass die kleinen Häfen an der Elbe keinen Nachteil haben; dies wird Aufgabe des Senats sein. Ich weiß, der Senator macht Besuche bei den Bürgermeistern, um diese Überzeugungsarbeit zu leisten, damit der Widerstand vor Ort nicht so groß wird, dass man Probleme bekommt, das politisch umzusetzen.

Aber ich sage auch mit aller Deutlichkeit, wenn festgestellt ist, dass die Deichsicherheit gewährleistet ist, wenn im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens festgestellt ist, dass es ökologisch vertretbar und ökonomisch erforderlich ist, dann kann es keine Konzessionsentscheidung geben, diese Elbvertiefung nicht zu machen, dann hat Hamburg meines Erachtens einen Rechtsanspruch darauf.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich bin auch sicher, dass die niedersächsischen Bürgermeister der Umlandgemeinden sehr schnell merken werden, was es für ihren Arbeitsmarkt und ihre Mitbürger bedeutet, wenn der Hamburger Hafen sich nicht in der gleichen Art und Weise weiterentwickeln kann. Zehntausende von Arbeitsplätzen werden von niedersächsischen Bürgern in Anspruch genommen, die in diesen Gemeinden ihre Steuern zahlen und dafür sorgen, dass diese Gemeinden in der Lage sind, ihre Infrastruktur zu erhalten und für anständige Lebensverhältnisse zu sorgen. Wir leben in einer Metropolregion, in der man aufeinander angewiesen ist. Es wird von unserer Seite darauf ankommen, und wir als SPD-Fraktion werden das unsrige dazu beitragen, diese Überzeugungsarbeit zu leisten und dann wird auch die niedersächsische Regierung merken, dass ein Arbeitsplatzfaktor Hamburger Hafen auch für die niedersächsische Wirtschaft nicht zu unterschätzen ist.

Was Wilhelmshaven betrifft, muss Hamburg keine Angst vor einem Tiefwasserhafen Wilhelmshaven haben. Der Hamburger Hafen ist leistungsfähig, wir haben 30 Prozent Ladungsaufkommen in der Region, wir haben eine gute Verbindung in den Ostseeraum, wir haben gute Verbin

dungen in die neuen EU-Länder, wir sind absolut konkurrenzfähig und werden uns dieser Konkurrenz stellen, denn ich bin sicher, wenn es uns gelingt, diese Fahrrinnenanpassung durchzubringen, dann wird Hamburg auch in Zukunft Deutschlands Tor zur Welt sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ohlsen, als ich meine Rede vorbereitet habe, bin ich davon ausgegangen, dass Sie zu dem angemeldeten Thema auch etwas sagen würden.

(Olaf Ohlsen CDU: Haben Sie nicht zugehört?)

Insofern ist es jetzt ein bisschen schwierig, auf Punkte zu antworten, zu denen Sie in Ihrer Rede gar nicht gekommen sind.

(Beifall bei der GAL)

Aber ich halte sie trotzdem für wichtig und werde Ihnen unsere Position erläutern.

Bei der Anmeldung habe ich nicht ganz verstanden, warum Sie Herrn Stolpe dafür kritisieren, dass er eine gründliche Prüfung für eine weitere Elbvertiefung angeordnet hat. Herr Stolpe hat sich bisher immer als großer Verfechter dieses Projekts dargestellt hat und tut mit dieser Prüfung letztendlich nur das, wozu er verpflichtet ist, nämlich seine Aufgaben ernst zu nehmen. Das beinhaltet insbesondere, dass es eine ganze Reihe fachlicher Fragen zu klären gibt, bevor man mit einer solchen Maßnahme anfängt. Fachliche Fragen, die ökologische Auswirkungen betreffen, aber auch die Deichsicherheit. Und da müssen wir als Grüne ganz deutlich sagen, dass diese angeblich festgestellte ökologische Verträglichkeit einer weiteren Elbvertiefung auf der Grundlage einer Voruntersuchung nicht ausreicht. So hat diese Voruntersuchung noch nicht einmal die Fragen des Umweltministeriums beinhaltet. Deshalb kann sie natürlich nicht dazu dienen, jetzt schon festzustellen, dass wir uns überhaupt keine Sorgen machen müssen. Insofern bin ich Herrn Stolpe sehr dankbar, dass er gesagt hat, wir überhasten hier nichts, sondern werden erst einmal grundsätzlich prüfen, welche Auswirkungen eine weitere Elbvertiefung haben wird.

(Beifall bei der GAL)

Bei allen ökonomischen Argumenten, die für eine weitere Elbvertiefung sprechen könnten, darf man natürlich nicht vergessen, dass dort auch Aspekte wie die Deichsicherheit mit einbezogen sind, die mit der unmittelbaren Sicherheit für Leib und Leben tausender von Menschen in der Elbregion verbunden sind. Insofern sollte man solche Fragen nicht leichtfertig beurteilen, sondern grundsätzlich prüfen.

Natürlich muss auch noch geprüft werden, ob eine weitere Elbvertiefung wirklich so eindeutig ökonomisch notwendig ist, wie es hier behauptet wird. Es mag sein, dass eine weitere Elbvertiefung Hamburg kurzfristig einen Vorteil bringen wird, wir sind aber der festen Überzeugung, dass sich Hamburg damit langfristig ins Abseits begibt. Das liegt in der Situation begründet, dass durch das neue Projekt Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven die Karten des Wettbewerbs der norddeutschen Häfen neu gemischt werden. Die Strategie dieses Senats, durch

eine schnelle Elbvertiefung das Projekt Wilhelmshaven ökonomisch unwirtschaftlich zu machen und damit eventuell Wilhelmshaven zu verhindern, wird nicht aufgehen. Schauen Sie sich nur Ihr eigenes U-Bahn-Projekt in die HafenCity an. Dort spielen Renditeüberlegungen oder Kostenaspekte für Sie auch keine Rolle.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das haben Sie nur noch nicht verstanden!)

Genauso wenig wird Niedersachsen sich durch eventuelle ökonomische Nachteile davon abhalten lassen, diesen Hafen zu bauen.

(Beifall und Heiterkeit bei der GAL)