Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

Das Wichtigste beim Kyoto-Prozess ist doch, dass es auf internationaler Ebene endlich das erste Mal einen breiten Konsens darüber gegeben hat, dass hier etwas gegen die Klimaveränderung von allen Staaten unternommen werden muss, und dem wollen Sie sich so billig entziehen. Diesen Konsens scheinen wir in diesem Haus nicht zu haben und das ist nicht nur schade, sondern auch fatal.

Bände spricht auch die Tatsache, dass der dafür zuständige Umweltsenator in diesem Haus nicht zu sehen ist. Wenn es anders wäre, dann könnten wir noch sagen, Sie hätten an dem Thema Interesse, aber offensichtlich

herrscht in der CDU am Thema Klimaschutz überhaupt kein Interesse.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Der SPD-Fraktion und auch der SPD auf Bundesebene ist das Thema Klimaschutz so wichtig, dass sie sich auch im Zuge des AgendaProzesses 2010 nicht nur um Sozialpolitik gekümmert hat, sondern gleichwertig um die Energiepolitik und eine energiepolitische Agenda 2010 vorgelegt hat, die Sie schon seit 2003 haben und auch hätten nachlesen können. Wir finden es richtig, dass Hamburg eine Energiebilanz aufstellt und sich bei der Verminderung der Treibhausgase ganz ehrgeizige Ziele setzt, denn wir haben uns eigentlich immer über den Satz verständigen können, dass man global denken, aber im Lokalen handeln muss. Insofern verstehe ich auch nicht, dass Sie das Beispiel München so lächerlich machen.

Seit dem vergangenen Jahr wird auch in Hamburg darüber diskutiert, ein zusätzliches Kraftwerk zu bauen. Welche einzelwirtschaftlichen Überlegungen auch immer im Spiel sind, für Politik und Öffentlichkeit und auch aus Klimaschutzsicht muss es doch wichtig sein, dass so ein Kraftwerk hocheffizient ist und möglichst wenig klimaschädliche CO2-Gase in die Atmosphäre entlässt. Grundsätzlich muss man sich allerdings auch fragen, ob ein solches zusätzliches Kraftwerk tatsächlich gebraucht wird. Die energiepolitische Debatte ist doch immer vom Zubau und Ersatz von Kraftwerken geprägt, aber wir reden überhaupt nicht über die massenhaft vorhandenen Potenziale, nämlich die Effizienz- und Einsparpotenziale, die bekannt sind und die erst einmal realisiert werden müssen. Bei uns wird oft unwissentlich viel Energie verschwendet, weil Einspar- und Effizienzpotenziale nicht genutzt werden. Würde man sie nutzen, könnten wir den Primärenergiebedarf um zwei Drittel senken. Das würde eine Menge Geld sparen und auch CO2 vermeiden.

Gerade bei der Energie- und CO2-Bilanz müssen wir daran denken, dass hier vor Ort auch etwas getan werden muss. Sie wissen alle, dass bis zu 90 Prozent der Energie im Extremfall verloren geht. Das hat uns das Fraunhofer-Institut vorgerechnet. Die herkömmliche Glühbirne zum Beispiel braucht im Grunde genommen nur 10 Prozent der Leistung, die man in sie hineinfeuert, damit sie leuchtet.

(Dr. Diethelm Stehr CDU: Irrtum!)

Bei der Heizung in unseren Häusern werden in der Regel nur 75 bis 76 Prozent der eingesetzten Energie für die Wärme ausgenutzt und bei der industriellen Prozesswärme sieht es noch schrecklicher aus. Da werden nur 57 Prozent der eingesetzten Energie benötigt, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Zwar lässt sich heute noch nicht jede Effizienzreserve sofort erschließen, aber einige schon. Hausbesitzer – Herr Maaß hat es gesagt – können ihre Häuser besser isolieren, Konsumenten können Energiesparlampen kaufen und auch Haushaltsgeräte, die schon gekennzeichnet sind, wenn sie besonders sparsam und effizient arbeiten. Und jeder kann zu Hause darauf achten, dass die Stand-by-Verluste vermieden werden.

Die Stadt selber kann natürlich durch ein ausgefeiltes Gebäudemanagement entsprechende Einsparungen vorlegen und, und, und; die Liste ist sehr lang. Aber wenn man hinguckt, muss man leider feststellen, dass die Mög

lichkeiten für Einsparungen und Effizienzsteigerungen nur sehr wenig genutzt werden.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Entschuldigung, Frau Dr. Schaal. Aber der Murmelpegel ist in diesem Hause eindeutig zu hoch und ich bitte, die Gespräche draußen weiter zu führen.

Frau Dr. Schaal, bitte.

Dieses Thema geht offensichtlich irgendwo noch an uns allen vorbei. Lieber nehmen wir hohe Energiekosten hin und zahlen brav unsere Stromrechnung, als einmal darüber nachzudenken, wie man Kosten vermeiden kann.

(Beifall bei der GAL und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Und natürlich wird es so sein, dass uns die Kosten für ein zusätzliches Kraftwerk auch noch aufs Auge gedrückt werden. Wenn man jetzt über zusätzliche Kraftwerke spricht, muss man schon darauf achten, dass diese auch möglichst effizient sind.

Kohlekraftwerke, wie in Hamburg von unserem Energieversorger Vattenfall geplant, nutzen die eingesetzten Energien nur zu 40 Prozent. Wenn wir schon Kraftwerke bauen, dann müssen diese hoch effizient sein. Das sind Dampf-Gas-Turbinen. Diese können heute eine maximale Wirkung von 62 Prozent erreichen. Ein solches Kraftwerk wird dann auch weniger CO2 und Schadstoffe in die Luft blasen.

Welche Bedeutung die Steigerung der Energieeffizienz im Rahmen eines künftigen Energiekonzeptes hat, konnten wir bereits während der Anhörung im letzten Jahr im Wirtschaftsausschuss lernen. Die Energieeffizienz ist die vergessene Säule der Energiepolitik. Wir wollen sie mit unserem Antrag wieder in das Bewusstsein rücken. Wie tragfähig die Säule ist, zeigt uns die Stadt München. Herr Maaß hat schon darauf hingewiesen.

Die bayerische Landeshauptstadt hat sich vorgenommen, ihre CO2-Emission bis 2030 gegenüber 1987 zu halbieren. Das Öko-Institut hat ausgeführt, dass das Konzept, was sie der Stadt vorgeschlagen haben und das dort auch realisiert wird, auf andere Städte übertragbar ist. Ich denke, dass wir hinter einer solchen Ziellinie, die sich München gesetzt hat, nicht zurückfallen sollten.

Wir können uns eine Menge von München abschauen, wie beispielsweise Informationskampagnen zur Energieeinsparung in den Haushalten und zur effizienteren Nutzung der Energie. Das größte Hemmnis bei der Nutzung von Effizienzpotenzialen ist nun einmal das Informations- und Wissensdefizit aller, die Energie brauchen. Das fängt im Bereich der Politik an und geht bis in den letzten Haushalt hinein. Das haben wir im Rahmen unserer Anhörung von Professor Fischedick vom Wuppertal-Institut gelernt.

Wichtig ist, dass alle bei der Steigerung und Einsparung der Effizienz mitmachen. Die Wohnungswirtschaft ist dabei vorrangig gefragt, weil hier die Einsparpotenziale sehr hoch sind. München startet hier eine Informationsoffensive mit einer direkten Ansprache der Wohnungsunternehmen bis hin zur organisierten Exkursion zu "best practice"-Beispielen.

Wir müssen uns in Hamburg auf diesem Gebiet nicht verstecken. In Hamburg haben beispielsweise SAGA und GWG gute Beispiele energetischer Sanierung vorzuweisen. Das können Sie aber nur vornehmen, solange Sie nicht durch Sonderabführungen an den Haushalt stranguliert werden, denn in diesem und im nächsten Haushaltsjahr muss die SAGA sage und schreibe 16 Millionen an den Haushalt abführen. Frühere Senate haben sich mit weniger als 3 Millionen im Jahr zufrieden gegeben. Auch die GWG muss offenbar längerfristige Darlehen nach dem Geldbedarf des Senates tilgen und für 2005 und 2006 über 6 Millionen abführen, doppelt so viel wie 2001.

Dieses Geld muss aber in den Unternehmen bleiben, weil es sonst bei der energetischen Sanierung fehlt und die Leute dort auch nicht mehr wohnen wollen, weil die Heizkosten zu hoch sind.

(Beifall bei Christian Maaß GAL)

Verzichtet man auf diese Potenziale, dann lässt sich in dieser Stadt auch eine CO2-Reduktion nicht schaffen. Hier muss man ranklotzen.

Wir haben zwar keine Stadtwerke, aber die großen Energieversorger Vattenfall und E.on gehören in eine solche Kampagne mit hinein. Sie haben bei der Energieversorgung die Schlüsselstellung und man muss mit ihnen hinsichtlich Kraftwerk und Effizienzpotenziale Gespräche führen. Außerdem verfügen sie über eine Infrastruktur, was die Kundenzentren betrifft. Über ihre Kundenzentren und Zeitschriften können auch die Energieverbraucher gut erreicht werden. Insofern muss man hier auch über eine solche Kampagne mit den großen Versorgern reden.

Eines ist klar: Wenn wir bei der Effizienzsteigerung Erfolg haben wollen, muss es mehr und mehr Aufklärung über effizientere Geräte und Einspartechniken geben. Das muss in die Haushalte kommuniziert werden.

(Dr. Diethelm Stehr CDU: Und zwar Aufklärung, nicht darüber reden!)

Wir haben hier eine Menge von Einzelheiten. Wir müssen auch über den Verkehrsbereich und andere Bereiche reden. Es wäre sinnvoll, wenn wir das im Ausschuss tun könnten. Aber Sie haben offensichtlich kein Interesse daran. Das finde ich – offen gesagt – sehr blamabel, denn Sie wollen Hamburg auch zu einem Kompetenzzentrum entwickeln, wo Sie Ihre Wasserstofftechnologien voranbringen wollen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wir sind Spitzenreiter!)

Ich frage mich allerdings, warum Sie das alles tun, wenn Sie an der Frage, wie das Klima zu retten ist, überhaupt kein Interesse zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Maaß das Wort gebe, wollte ich Frau Dr. Schaal nicht ein zweites Mal abklingeln und sie aus dem Redekonzept bringen. Aber das, was in diesem Hause passiert, ist alles andere als kollegiales Verhalten gegenüber denjenigen, die hier reden.

Ich bitte diejenigen, die dringende Privatgespräche führen möchten, dieses bitte draußen zu tun.

Herr Maaß, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Herr Engels, das ist schon bemerkenswert: Sie bringen hier zu den größten globalen Umweltproblemen einen Antrag ein und fordern, dass sich Hamburg ein Klimaschutzziel setzen soll, dass Klimaschutzmaßnahmen sowie ein Klimaschutzprogramm ergriffen werden müssen und Sie werfen uns vor, dass wir uns hier in Details verlieren. Ich bitte Sie, Herr Engels, in welcher Welt leben Sie eigentlich, wenn das ein Detail ist? Das ist ein sehr elementares Problem, dem Sie sich auch stellen müssen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Als richtig kurios empfand ich dann den Vorwurf, dass die Bundesregierung zu wenig für den Klimaschutz tun würde. Das ist nun wirklich ein innovativer Vorwurf aus den Reihen der CDU. Immer, wenn irgendetwas aus der Bundesregierung kommt, was mit Klimaschutz zu tun hat, wo auch nur irgendwie der Geruch daran ist, dass das Öko sein könnte, ist es doch die CDU auf Bundesebene, die uns vorwirft, dass das alles wettbewerbsschädlich wäre und wir die Finger davon lassen sollten,

(Ingo Egloff SPD: Nicht nur auf Bundesebene!)

wenn es darum geht, das Energiewirtschaftsgesetz oder das Energieeinspeisegesetz zu novellieren. Dann ist es sogar der Hamburger Senat, der dagegen Einspruch erhebt. Die Ökosteuer sollte am liebsten ganz abgeschafft werden. Der Emissionshandel ist auch ein Teufelszeug und Verkehrsbeschränkungen sind es sowieso. Eine Kerosinsteuer soll auch nicht eingeführt werden. Und dann sagen Sie uns, dass die Bundesregierung zu wenig für den Klimaschutz macht. So ein Verhalten ist wirklich nicht mehr lauter.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Fast schon bedenklich ist dann das Argument gewesen, dass eine Stadt allein, beispielsweise Hamburg, nicht für den Klimawandel verantwortlich sein kann. Das haben Sie wortwörtlich gesagt. Ich hatte eigentlich geglaubt, dass dieses Denken spätestens zum Zeitpunkt meiner Geburt 1972 bei dem Bericht des Club of Rome überwunden war. Hier gab es einmal einen schönen Spruch: Global denken, lokal handeln. Dass ich das hier einem gestandenen Umweltpolitiker noch einmal vorhalten muss, erstaunt mich. Was ist so schwer daran, dieses Prinzip anzuwenden, denn anders geht es nicht. Wenn wir anfangen, überall mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, und sagen, wir allein sind doch hilflos, denn wir sind doch nur ein Promillebereich dieser Weltbevölkerung. Wenn die Chinesen nichts unternehmen, warum sollen wir denn hier erst anfangen. Dann können wir den Klimaschutz einstellen. Aber diesen Anspruch habe ich nicht. Nein, wir müssen uns diesem Problem stellen und es lösen. Und das müssen wir hier vor Ort in Hamburg angehen, Herr Engels.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Engels.

Herr Maaß, es kann doch davon nicht die Rede sein, dass hier in Hamburg keine Umweltpolitik gemacht wird,

(Zurufe von der GAL: Doch!)

die natürlich auch die Klimaproblematik mitberücksichtigt. Wenn hier der Hamburger Senat beispielsweise das Unternehmen Ressourcenschutz oder die Umweltpartnerschaft in Gang gesetzt hat und vor allen Dingen das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Ökologie weit über das hinaus verbessert hat, als Sie das vorher getan haben, so sind bereits Taten gefolgt. Sie fordern lediglich mit Ihrem Antrag, dass die Daten erhoben werden. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied, denn Taten sind wichtiger.