Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein Streit scheinbar erst einmal zwischen CDU und SPD, vehement geht es da zur Sache. Ich versuche, das jetzt einmal ein bisschen zu analysieren und ein bisschen herunterzukochen.

(Oh-Rufe bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Da ist sie ja wieder in ihrem Element!)

Danke, Sie dürfen hinterher applaudieren.

Wir haben auf der einen Seite Frau Strasburger, die behauptet, die SPD mit ihrem Zusatzantrag hätte abgeschrieben. So ein Quatsch, kann ich nur sagen, denn wenn man sich die beiden Anträge anguckt, sieht man, dass sie einen wesentlichen Unterschied haben. Der eine Antrag, nämlich der der CDU, sagt, immer wenn es in Hamburg schwierig wird, gehe nach Berlin, gehe zur Bundesregierung und löse das Problem da. Das ist nicht der Weg, den wir wollen. Der zweite Antrag, der Zusatzantrag der SPD, sagt, nein, dieses Problem muss in Hamburg gelöst werden, weil Hamburg einen Auftrag aus der Frühförderung mitbekommen. Das halte ich auch für richtig, denn was wir uns nicht leisten können, ist eine weitere Verzögerung auf diesem Gebiet. Sie haben es gerade selber gesagt, Frau Strasburger, Leidtragende sind die Kinder mit Behinderungen, sind die Menschen mit Behinderungen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir zeitnah zu einer Lösung dieses Problems kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber zeitnah heißt nicht, dass wir uns nicht die Zeit nehmen können, im Sozialausschuss noch in aller Ausführlichkeit darüber zu reden. Diese Zeit wiederum sollten wir uns gönnen, um nämlich gemeinschaftlich vielleicht auch an so einer Lösung arbeiten zu können. Ich höre in der Tat auch mit Bedauern, dass Sie sich bei diesem wichtigen Punkt einer Überweisung verweigern. Das kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was würde denn passieren, wenn Sie das der Bundesregierung an die Hand geben. Die Bundesregierung könnte meiner Ansicht nach den unterschiedlichen Gegebenheiten der einzelnen Bundesländer gar nicht gerecht werden. Es würde eine pauschale Lösung geben, die für Hamburg vielleicht nicht passend ist. Wir sind in Hamburg auf einem guten Weg. Der Landesrahmenvertrag hat im letzten Jahr den Anfang gemacht. Wir sind dabei und ich erwarte ebenfalls von der Sozialbehörde, diesen Weg mit Nachdruck weiterzugehen. Aber, Frau Senatorin, vielleicht liegt es gar nicht an der Sozialbehörde? Das will ich gar nicht einmal sagen. Vielleicht liegt das Nichtvorankommen auch an den Krankenkassen. Das kann durchaus angehen. Deswegen sollten wir aber mit Vehemenz und mit Energie – wenn ich "wir" sage, dann meine ich damit "Sie" – dahin kommen, dass sich Krankenkassen und die Sozialträger einig werden. Ich kann nicht verstehen, warum dieser einmal beschrittene Weg nicht weiter fortgesetzt wird, und plädiere deswegen dafür, dass auf jeden Fall der Zusatzantrag der SPD, der unsere Zustimmung findet, überwiesen wird. Wenn er nicht überwiesen wird, würden wir ihm zustimmen, denn die fachliche Auseinandersetzung wäre wichtig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Strasburger hat das Wort.

Herr Kienscherf, noch drei Sätze zu Ihnen.

Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass die CDUFraktion diesen Antrag eingebracht hat, weil wir uns um die Behinderten dieser Stadt kümmern, und es ist uns

nicht egal. Seit vier Jahren gibt es hier keine Einigung, das habe ich gesagt.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann überweisen Sie es doch!)

Es liegt nicht an der Sozialbehörde, das habe ich auch gesagt, sondern es liegt an anderen Faktoren. Wir müssen für die betroffenen Kinder eine Lösung finden und ich möchte nicht, dass Sie sagen, nur Sie seien für die Behinderten da. Sie haben sich jahrelang nicht darum gekümmert.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Oh! Oh! – Dr. Willfried Maier GAL: Das ist nur ein Quatsch-Argument!)

Herr Kienscherf hat das Wort.

Frau Strasburger, Sie und auch die CDU-Fraktion können mir vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich mich nicht jahrelang für behinderte Menschen eingesetzt hätte. Das finde ich äußerst schwierig.

(Stefanie Strasburger CDU: Für dieses Thema!)

Frau Strasburger, ich habe gar kein Problem, mit Ihnen diskutieren zu wollen. Ich finde das Thema auch wichtig, aber ich verstehe es nicht – das Thema ist jetzt sechs Jahre lang nicht richtig bewegt worden –, warum wir nicht ein, zwei Monate Zeit haben, darüber im Ausschuss zu diskutieren. Warum ist das nicht möglich, was wir im Familien- und Jugendausschuss machen, was wir im Verkehrsausschuss machen? Warum ist das im Sozialausschuss nicht möglich, obwohl wir beim Thema Behindertenpolitik alle einen Grundkonsens haben? Das verstehe ich nicht. Deswegen unser Appell an Sie. Sie persönlich haben es in der Hand, wenn ich es gestern richtig verstanden habe, wenn Sie sagen, wir möchten den Antrag an den Sozialausschuss überweisen. Dann können wir das Thema dort zügig und höchst sachlich beraten. Die Wahl haben Sie, machen Sie etwas für die Menschen, für die Behinderten in dieser Stadt. Ihr Weg, den Sie jetzt aufgezeigt haben, ist der falsche. Darüber können wir aber noch einmal im Ausschuss sprechen. Überweisen Sie ihn!

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Frau Gregersen, bitte.

Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie zu diesem Thema wirklich etwas bewegen wollen, dann finde ich es traurig, dass wir den Antrag nicht überweisen können. Schade ist es auch, dass der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion bei diesem Thema wieder einmal nicht anwesend ist.

Aber was mich dabei auch sehr ärgert, ist, dass alle Redner und Rednerinnen immer das Wort "Behinderte" benutzen. Es sind keine Behinderten, diese Menschen haben ein Handicap oder sie haben eine Behinderung, aber sie sind keine Behinderten. Ich möchte, dass wir dieses Wort, wenn wir ihnen wirklich helfen wollen, endlich aus unserem Wortschatz verdrängen. – Danke.

(Beifall bei der GAL)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 18/3542 und 18/3624 an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieses Überweisungsbegehren mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse in der Sache abstimmen. Zunächst zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 18/3624. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drucksache 18/3542 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit mehrheitlich angenommen.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 39 und 12. Drucksache 18/3464, Antrag der SPD-Fraktion: Verbraucherschutz in Hamburg stärken – Lebensmittelskandalen vorbeugen, und Drucksache 18/3372, Große Anfrage der GAL-Fraktion: Lebensmittelüberwachung und Futtermitteluntersuchung in Hamburg.

[Antrag der Fraktion der SPD: Verbraucherschutz in Hamburg stärken – Lebensmittelskandalen vorbeugen – Drucksache 18/3464 –]

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Lebensmittelüberwachung und Futtermitteluntersuchung in Hamburg – Drucksache 18/3372 –]

Die Drucksache 18/3464 möchte die GAL-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Die SPD-Fraktion hat eine Überweisung der Drucksache 18/3372 an den Gesundheitsausschuss beantragt.

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Schaal, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das neue Jahr hat begonnen wie das alte geendet hat: mit Fleischskandalen. Täglich ein neuer Skandal frisch auf den Tisch. Nach Ekelfleisch, Stinkefisch, Gammelhirsch vorgestern jetzt ganz frischer Gammel auf den Tisch: tiefgefrorene Hasenkeulen aus Passau, Qualitätsstufe ungenießbar.

Wer hätte das gedacht. Vor einer Woche sind in Bayern die Waren der Firma Berger beschlagnahmt worden und es war schon verwunderlich, dass Rückrufaktionen in Hamburg nicht gestartet wurden, dass Hamburg nicht beliefert worden sein soll, obwohl dieses Unternehmen europaweit Betriebe beliefert hat. Und jetzt, eine Woche später, musste auch in Hamburg bekannt gegeben werden, dass 150 Kartons mit dieser fraglichen Ware hier gefunden wurden. Herr Senator Dräger, Sie müssen uns wohl erklären, warum man in Hamburg erst nach einer Woche fündig geworden ist und wieso Sie eigentlich so sicher sind, dass diese Ware nicht beim Kunden im Kochtopf gelandet ist; da läuft doch irgendetwas schief.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Es ist vorher gefunden worden!)

Und wäre der Schwindel mit dem Ekelfleisch in Nordrhein-Westfalen nicht aufgeflogen, dann lägen auch in Hamburger Kühlhäusern noch 11 Tonnen nicht verkehrs

fähiger Ware unentdeckt und würden womöglich schon längst verzehrt sein. Senator Dräger hält dieses Fleisch zwar für nicht verkehrsfähig, aber aus dem Verkehr gezogen hat er es bis heute nicht und was damit passieren soll, sagt er nicht. Unter Verbraucherschutz verstehe ich etwas anderes.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Die Skandale, die uns hier beschäftigen, sind anderswo aufgeflogen und erst dann hat man hier angefangen zu suchen. Das ist nicht gerade Vertrauen erweckend. Darum wollen wir in der SPD-Fraktion ein Sofortprogramm für den Verbraucherschutz.

Unseren vorgelegten Antrag würden wir gerne im Ausschuss beraten. Ich habe gesehen, dass die CDU das nicht will. Sie scheut offensichtlich die Auseinandersetzung damit, der Antrag hat ja eine Vorgeschichte. Verbraucherschutzminister Seehofer hatte Ende November eilig seine Länderkollegen zu einer Krisensitzung zusammengerufen. Es wurde ein "Elf-Punkte-Sofortprogramm" beschlossen und weitere Punkte sollten folgen. Inzwischen scheint aber der Seehofer Horst in Berlin eingeschlafen zu sein, denn mehr, als dass man sich künftig vielleicht zweimal im Jahr treffen werde, war nicht. Seehofer ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Aber auch Verbraucherschutzsenator Dräger, der jetzt so eifrig seine Rede studiert, rührt sich nicht.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Ich gehe davon aus, dass wir hier Solistenvorträge haben und keine kakophonischen Chöre. Ich bitte dringend darum, die Nebengeräusche drastisch zu reduzieren, damit wir einzig und allein der Rednerin zuhören können.

Bitte, fahren Sie fort.

Der Verbraucherschutzsenator Dräger hat sich bis jetzt auch noch nicht zum Zehn-Punkte-Programm geäußert. Dem Senat war nicht zu entlocken, wie sich denn der Senator in die SeehoferRunde einbringen will: keine Antwort. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst; das lässt tief blicken. Hamburger Initiativen: Fehlanzeige.

Die SPD will das Sofortprogramm umsetzen und auch die weiteren Punkte, die von Seehofer vorgeschlagen wurden. Es ist ohnehin nur ein Minimalprogramm und ich sehe nichts, was dagegen spricht, außer der Fleischlobby. Der fühlt sich der Senat offensichtlich mehr verpflichtet als den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall bei Christian Maaß GAL)

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion will personelle und finanzielle Ressourcen der bezirklichen Lebensmittelkontrolle bei der Fachbehörde zusammenfassen. Verbraucherschutz braucht in Hamburg mehr Durchschlagskraft. So, wie es jetzt ist, Herr Senator, geht es nicht weiter. Das sehen Sie offensichtlich selbst so, denn sonst hätten Sie keine Defizitanalyse über den bezirklichen Verbraucherschutz in Auftrag gegeben.