Protokoll der Sitzung vom 12.04.2006

Das Wort erhält die Abgeordnete Gregersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Zukunftsrats vom Juni 2005 hatte zwei Kernaussagen. In Hamburg sind das Hauptproblem die soziale Entwicklung und die Auseinanderentwicklung der sozialen Schere in den Stadtteilen; der Zukunftsrat behält Recht. Der Anteil der Jugendarbeitslosigkeit ist von Februar 2004 bis Februar 2006 um 25 Prozent gestiegen. Der Anteil der ausländischen Schulabgänger ohne Schulabschluss stieg ab 2003 wieder an und liegt nun bei traurigen 20 Prozent. Der Anteil der Menschen, die von Sozialhilfe leben, ist im Großstadtvergleich nur noch von Berlin zu toppen und – auch wenn Herr Schira eben das Gegenteil behauptet hat – es wurden 25 Prozent bei der sozialen Stadtteilentwicklung gekürzt. Nirgendwo, Herr Schira, ist der Abstand zwischen den niedrigsten und den höchsten Einkommen in Deutschland so groß wie in Hamburg.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Fakt ist, Herr Schira, dass sich die Armutssituation verschärft hat, dass Bevölkerungsgruppen auf der Strecke bleiben und diese Entwicklung wird durch die falsche Senatspolitik weiter befördert.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

In Hamburg gibt es seit vier Jahren systematische Standardabsenkungen im sozialen Bereich. Beispiele sind Bekleidungspauschalenkürzung, Abschaffung des Sozialtickets, Kürzungen beim Blindengeld, Schließung von sozialen Einrichtungen und Bücherhallen, um nur einige zu nennen. Bereits jedes fünfte Kind in Hamburg lebt in Armut und trotzdem spart der Senat gerade bei diesen. Außerdem wurden die Kinderkuren um die Hälfte gekürzt, Vorschulgebühren und Büchergeld eingeführt. Ein Kind, dessen ein Elternteil arbeitslos wird, hat seinen Anspruch auf einen Ganztagskindergartenplatz verloren und nun droht auch noch das Aus für Ferienmaßnahmen für arme Kinder.

Wie das Ausmaß von Armut aber aussieht, wollen Sie gar nicht sehen.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das stimmt nicht!)

Sie verschließen lieber die Augen. Der Senat weigert sich beharrlich, einen Armutsbericht und einen Kinder- und Jugendbericht vorzulegen, obwohl diese Berichte Hinweise zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung geben könnten. Dieses Handeln aber führt die immer wieder wiederholte Aussage von Ihnen, Frau Schnieber-Jastram,

ad absurdum, dass denjenigen Menschen, die Hilfe brauchen, diese auch bekommen. Herr von Beust war da ehrlicher. Er sagte, dass wir uns soziale Dinge erst wieder leisten können, wenn es uns besser geht. Aber das ist falsch. Es zeigt sich immer mehr, dass gerade Unterstützung und Bildung und der Zugang zur Bildung der Schlüssel ist, um vor allem Kinder aus benachteiligten Familien wieder in die Gesellschaft einzuführen und den Teufelskreis einer teils über Generationen verfestigten Unterschichtkultur zu durchbrechen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nehmen Sie den Satz "Hilfe denjenigen, die unsere Hilfe brauchen" endlich ernst. Wir brauchen soziale Sicherung für die Menschen, die nicht der Kassenlage zum Opfer fallen. Wir brauchen Perspektiven, gerade für Kinder und Jugendliche. Wir brauchen gerechte Bildungschancen, damit Teilhabe und soziale Gerechtigkeit möglich werden. Was wir aber gar nicht brauchen, sind Kürzungen im Sozialbereich, um den Besserverdienenden, die Eigenheime erwerben, nun auch noch die neu eingeführte Kinderzimmerzulage zahlen zu können.

Hilfe denjenigen, die unsere Hilfe brauchen, wäre richtig, aber nicht weiter wachsende Ungerechtigkeit und weitere Spaltung. Ganze Bevölkerungsgruppen am Rande oder ohne Perspektive stehen zu lassen, kann auf Dauer auch für eine Demokratie gefährlich werden. Ich fordere Sie auf: Ändern Sie Ihren Kurs, auch zum Wohl unserer Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich mich richtig erinnere, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie einmal die Stadt regiert. Herr Quast hat gesagt, es werde zu wenig getan in dieser Stadt, aber darauf komme ich noch zurück.

(Dr. Till Steffen GAL: Die Platte hat einen Sprung, Herr Roock!)

Sie müssen sich doch wirklich fragen lassen, warum Sie das, was Sie heute beanstanden, in Ihrer Regierungszeit nicht angepackt haben.

(Jan Quast SPD: Haben wir! – Dr. Till Steffen GAL: Packen Sie es doch mal an!)

Wir packen es an. Darauf komme ich gleich noch, Herr Steffen.

Welche Gebiete haben Sie in Ihrer Regierungszeit vernachlässigt? Sie haben in Ihrer Regierungszeit nur eines getan: Sie haben die Kassen geplündert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind heute dabei, Ihre Altlasten zu bewältigen und das, was Sie verschlafen haben, aufzuarbeiten. Dazu will ich einige Punkte nennen. Aktuell brauchen Sie nur den heutigen Pressespiegel zu lesen: 100 Millionen Euro für Wilhelmsburg.

(Zurufe von der SPD und der GAL)

Eine Aufwertung für den Stadtteil insgesamt. Daran können Sie nicht vorbeigehen.

Der nächste Artikel: Senat Uldall gibt 7,3 Millionen Euro für neue Jobs.

(Christian Maaß GAL: Ja, woher nimmt er die denn?)

Meine Damen und Herren! Sozial ist das, was Arbeit schafft und diese Aussage ist nach wie vor richtig.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme nun zu den Projekten. Wir wenden uns insbesondere auch den strukturschwachen Stadtteilen zu. Viele Maßnahmen im Stadtentwicklungsbereich, die ich gleich noch ansprechen werde, sind von uns eingeleitet worden. Das Programm der aktiven Stadtentwicklung ist schon genannt worden. Es sind immerhin 39 Millionen Euro. Herr Quast, Sie haben einen mehrseitigen Antrag dazu geschrieben. Von diesem Antrag ist nichts übrig geblieben. Alle Experten im Stadtentwicklungsausschuss haben dieses Programm für gut befunden und wir haben diese Handlungsfelder, die Sie angesprochen haben, schon längst besetzt. Also, kommen Sie etwas früher damit.

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Wir haben diese Themenfelder besetzt!)

Meine Damen und Herren! Wir sind dabei, fünf neue Sanierungsgebiete nach Baugesetzbuch einzurichten: Altona, Große Bergstraße, Barmbek, Fuhlsbüttler Straße, Wilhelmsburg zweimal, Berta-Kröger-Platz, ReiherstiegViertel, Phoenix-Viertel Harburg. Auch diese Gebiete werden eine Aufwertung erfahren, die von den Sanierungsträgern der ansässigen Bevölkerung und der Politik entwickelt werden. Auch das ist nicht zum Nulltarif zu machen und wir stellen die Mittel dafür bereit.

Meine Damen und Herren! Das Projekt "100 Studenten auf die Veddel" ist zu einem großartigen Erfolg geworden, um jetzt letztlich auch dort eine bessere soziale Durchmischung hinzubekommen. Dieses Projekt läuft so gut und so ausgezeichnet, dass wir am Reiherstieg Anfang des Jahres ein neues eingerichtet haben. Ihre damalige Kritik – die klingt mir noch im Ohr –, als wir das Programm Veddel in diesem Hause angeschoben haben, geht ins Leere, meine Damen und Herren.

Des weiteren stellen wir Mittel für die Aufwertung von Spielplätzen zur Verfügung. SAGA und GWG – das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach gesagt – investieren rund 250 bis 300 Millionen Euro pro Jahr in Modernisierungen und Wohnumfeldverbesserungen.

(Doris Mandel SPD: Was ist mit Neubau?)

Dieses städtische Unternehmen trägt mit vielfältigen anderen Maßnahmen in den Quartieren dazu bei, die gesellschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Daneben stellt die Stadt Förderprogramme, die ich im Einzelnen gar nicht alle aufzählen kann, im dreistelligen Millionenbereich pro Jahr für jedermann bereit.

Fazit: Wir haben für alle Politikfelder die Weichen richtig gestellt. Von einer Spaltung kann hier also nicht die Rede sein. Natürlich sind in laufenden Prozessen Nachsteuerungen nötig. Ich warte, meine Damen und Herren von der Opposition, auf Ihre Vorschläge, aber dann auch seriös finanziert, und ich warte nicht auf irgendeine Nörgelei. Wir wissen genau, wo wir hin wollen. Bei Ihnen,

meine Damen und Herren von der Opposition, kann ich das nicht feststellen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kienscherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Roock, das ist ja ganz nett, was Sie hier erzählt haben. Das ist dieser alte Versuch, nach vier Jahren Regierungszeit das immer noch als Altlasten zu verkaufen. Die Probleme haben Sie sich schließlich selber hier besorgt. Das sind Ihre Probleme und nicht die Probleme vergangener Jahrzehnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn Sie sagen – Herr Schira, ich weiß, Sie wollen es auch nicht wahrhaben –, dass Herr Uldall 7,3 Millionen Euro in die Hand nimmt, dann erzählen Sie doch auch, dass Sie die Arbeitsmarktförderung in den letzten Jahren um 50 Prozent zurückgefahren haben und darunter leiden die Menschen in den sozial benachteiligten Stadtteilen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Schöne ist, Sie kündigen an und kündigen an. Natürlich haben Sie heute angekündigt, in Wilhelmsburg viel zu tun. Sie wollen den Sprung über die Elbe ermöglichen, Sie wollen in Bildung investieren. Wie sieht es aber konkret aus, zum Beispiel am nördlichen Elbrand, in Rothenburgsort? Dort schließen Sie doch gerade die einzige weiterführende Schule. Das ist Ihre soziale Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das spüren doch die Menschen und das spürt doch auch der Bürgermeister. Manchmal ist er ja feinfühlig. Deswegen ist er auch dazu gekommen zu sagen, wir haben Probleme in der Stadt. Das war auch ein Hinweis, eine Kritik an die Sozialsenatorin, die Frau, die seit vier Jahren dafür zuständig ist und sich eigentlich um die Menschen in dieser Stadt kümmern sollte. Aber was hat sie gemacht?

(Ingrid Cords SPD: Sieht nichts!)

Widerspruchslos hat sie es hingenommen, hat es unterstützt, dass es ihr Etat war, der so drastisch zusammengestrichen worden ist. Sie war es auch maßgeblich, die dafür gesorgt hat, dass Ganztagsplätze, die in sozial benachteiligten Bereichen dringend benötigt werden, gekürzt worden sind. Meine Damen und Herren, das ist doch die Wahrheit.