Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

denn wer viel zahlt, muss auch viel verdienen. Deshalb entstehen nicht die Wohnungen auf einem Grundstück, die für ein Quartier die besten oder in der Stadt die nötigsten sind, sondern die, die für einen Investor am lukrativsten sind und das sind in der Regel keine Mietwohnungen und vor allem keine familiengerechten Mietwohnungen. Das belegen die Zahlen, traurige Zahlen.

Ein Beispiel, das mich besonders ärgert, ist in Winterhude. Dort ist in einem dicht besiedelten Quartier, in Stadtparknähe, mit einer guten Infrastruktur, mit Kindertagesheimen, Schule, U-Bahnanbindung, in einem Quartier, in dem große Familienwohnungen fehlen, das letzte Grundstück, das der Stadt gehörte, zum Großteil nach dem Höchstgebotsverfahren vergeben worden. Was ist die Konsequenz? Es gibt dort keine großen Wohnungen, sondern es gibt dort hauptsächlich kleine Wohnungen. Das Resultat ist, dass das Defizit, das wir in dem Stadtteil haben, bleibt. Die Stadt hat eine weitere Chance vergeben, einen Stadtteil auf die Zukunft auszurichten.

(Beifall bei der SPD)

Im Ergebnis hat die Vergabepraxis nach dem Höchstgebot dazu geführt, dass Wohnungsbaugenossenschaften kaum noch bauen. Im letzten Jahr sind gar keine Grundstücke der Stadt an die Wohnungsbaugenossenschaften gegeben worden, weil sie einfach zu teuer sind, denn teure Grundstücke bedeuten teure Wohnungen und die Genossenschaften sind neben SAGA und GWG die Garanten für günstigen Wohnungsbau, an dem es in Hamburg leider immer mehr mangelt. Daher gab es früher das Genossenschaftsmodell, das der Senat aber abgeschafft hat. Hier bedarf es einer Umsteuerung. Der Senat ist nun seit über einem Jahr in Gesprächen mit Wohnungsbaugenossenschaften, um ein neues Genossenschaftsmodell einzuführen, aber leider kommt er nicht zum Schluss. Wir warten immer noch darauf, dass Wohnungsbaugenossenschaften in Hamburg wieder günstige Wohnungen auf städtischen Flächen bauen können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Ein Umsteuern allein reicht aber bei den geschilderten Punkten nicht, sondern wir müssen insgesamt bereit sein, neue Wege zu gehen. Wir müssen neue Konzepte für sich wandelnde Anforderungen in den Stadtteilen entwickeln. Hamburgs Wohnungsquartiere unterliegen seit Jahren einem grundlegenden Wandel. Die Tendenzen zur Segregation verstärken sich, denn in den Quartieren wohnen immer weniger Jung und Alt, Familien und Singles, Inländer und Migranten zusammen. In einigen Stadtteilen entstehen Monostrukturen, in anderen wird es immer stärker in diese Richtung gehen. Familien wandern immer noch an den Stadtrand

ab, in neue Familienwohnquartiere – ich will das Wort Ghettos vermeiden –, also in Quartiere, die jetzt für die Familien zielgerichtet gebaut werden und die in 20 Jahren genau nicht mehr das Angebot haben, was künftig dann die allein lebenden Eltern brauchen.

Wir müssen mit diesen Entwicklungen umgehen, wir müssen aber auch gegensteuern. Das kann nicht allein mit dem Wohnungsbau gelingen, aber ohne ihn gelingt es auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Neue Konzepte, insbesondere bei der Bebauung, sind daher gefragt. Die Stadt als größte Grundeigentümerin mit vielen Flächen auf innerstädtischen Gebieten muss ihre Grundstücke nutzen, um neue, kreative Konzepte einzufordern und zu fördern, um Negativtendenzen entgegenzuwirken. Wir meinen, dass städtischer Grund und Boden wieder Instrument der Stadtentwicklungspolitik werden muss.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deshalb wollen wir künftig einen Wettbewerb der Konzepte, anstatt einen Wettbewerb der Scheckbücher. Wir wollen, dass auf Basis eines angemessenen Festpreises der Bieter ein städtisches Grundstück erhält, der das beste Konzept zur Bebauung hat. Das beste Konzept zur Bebauung ist das, welches für ein Quartier die nachhaltigste und günstigste Wirkung hat.

Meine Damen und Herren! Wer sich Gedanken macht, welches Baukonzept am besten in ein Quartier passt, welche Wohnungsformen fehlen, wer versucht, Antworten zu finden, wie mit Hilfe des Wohnungsbaus positive Entwicklungen eines Quartiers befördert werden können, der soll auch bauen dürfen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

In Altona war der Senat jetzt erstmals bereit, diesen lange von uns eingeforderten Weg zu gehen. Lassen Sie diesen Fall zum Modell für Hamburg werden, meine Damen und Herren. Hamburg hat nichts zu verschenken. Deshalb können wir uns eine Grundstücksvergabe allein nach fiskalischen Gesichtspunkten nicht mehr leisten. Quartiersspezifische und wohnungspolitische Aspekte müssen künftig bei der Vergabe von Grundstücken im Vordergrund stehen. Die nachhaltige Wirkung, nicht die kurzfristige Einnahme müssen Entscheidungsgrundlage sein. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen und unseren Antrag beschließen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Voet van Vormizeele, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen! Es gibt auch in diesem Hause gelegentlich Déjà-vu-Erlebnisse. Diese Debatte haben wir vor fünf Monaten schon einmal geführt. Herr Quast, ich verstehe nicht so richtig, was Sie heute bewegt hat, diese Debatte, die Sie bereits beim letzten Mal, wie ich finde, sehr schwach geführt haben,

(Michael Neumann SPD: Dass Sie das nicht ver- stehen, ist eine klare Sache! Sie sind ja auch ein schlichter Mensch!)

noch einmal zu führen. Das zeigt wiederum, dass Sie offensichtlich keine besseren Themen haben, um sie als ersten Debattenbeitrag anzumelden. Herr Neumann, das ist schwach von Ihnen, daran kann man nichts machen. Wir werden diese Debatte auch gerne mit Ihnen führen.

Herr Quast, wenn man sich einmal genauer anschaut, was Sie uns gerade erzählt haben, merkt man schon sehr deutlich, wo der Unterschied liegt. Sie wollen gerne zurück zur ideologischen Verquasung Ihrer Grundstückspolitik, die Sie 40 Jahre in dieser Stadt gemacht haben. Sie wollen genau dahin zurück, wo wir gesagt haben, damit ist Schluss. Wir wollen nicht mehr eine Bevorzugung irgendwelcher Ideologien. Wir wollen marktgerecht, das heißt auch sachfragenorientiert Wohnungen bauen. Wenn Sie hier ernsthaft behaupten, es würden in Hamburg keine familiengerechten Wohnungen entstehen, dann frage ich mich, wo Sie eigentlich leben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: In Hamburg!)

Gehen Sie mal raus, schauen Sie sich einmal die Neubauvorhaben an. Fragen Sie einmal Wohnungsbaugesellschaften, fragen Sie Bauträger, was die heute bauen. Die bauen sogar innerstädtisch familiengerechte Wohnungen en masse, weil genau das die Wohnungen sind, die nachgefragt sind.

(Zurufe von der SPD: Wo denn?)

Oh ja, eine ganze Reihe von Vorhaben. Schauen Sie sich das einmal an in den dicht bebauten Gebieten in Hamburg-Nord und in Hamburg-Barmbek. Dort entstehen überall familiengerechte Wohnungen. Sie wollen das nicht hören, weil es nicht in Ihr Konzept passt, aber es gibt auch andere außerhalb von Wohnungsbaugenossenschaften, die durchaus in der Lage sind, familiengerechten und anderen sozial adäquaten Wohnungsbau zu erstellen.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben in der Tat diesen Zopf der Vergabe nach Grundstückskostenrichtsätzen abgeschafft, weil wir gemerkt haben, dass in den verschiedenen Quartieren auch verschiedene Nachfragen vorhanden sind. Wenn wir merken sollten, wie es zurzeit gerade im Bereich Winterhude, Barmbek-Süd, aber auch Uhlenhorst stattfindet, dass diese Quartiere hoch gefragt sind, dann weiß ich nicht, was schlecht daran ist, dass die Stadt sagt, wir wollen von dieser hohen Nachfrage nach Grundstücken dahingehend profitieren, dass wir Einnahmen generieren, mit denen wir all die Forderungen bezahlen können, die Sie Woche für Woche hier erheben können. Dafür brauchen wir Steuereinnahmen, dafür brauchen wir auch die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen, nur damit sind wir in der Lage, strukturschwache Gebiete weiterhin zu fördern.

Wenn Sie hier behaupten, Wohnungsbaugenossenschaften bauen nicht mehr, dann mag das zum Teil richtig sein. Nur daraus die Behauptung abzuleiten, die Preise wären zu hoch, Wohnungsbaugenossenschaften haben eine ganze Reihe von Gründen, warum sie nicht mehr bauen. Sie haben sich zum Beispiel sehr aktiv am Aktionsmodell beteiligt und haben zurzeit viele von ihren Reserven in den eigenen Erhalt ihrer Bestände investiert.

Schauen Sie sich einmal die Jahresberichte von Wohnungsbaugenossenschaften an. Auch dort werden Sie

vermehrt lesen, dass Wohnungsbaugenossenschaften feststellen, dass ihre Leerstandsquoten inzwischen teilweise weit über 10 Prozent liegen. Die fangen an, darüber nachzudenken, ob Wohnungsbau, Neuwohnungsbau für sie noch attraktiv ist.

Wir haben auch ein neues Marktsegment, das eigentlich einmal von Ihnen so gefordert wurde und von Ihnen reichlich bescheiden forciert wurde, nämlich Baugemeinschaften. Baugemeinschaften sind derweil ein Modell geworden, das in ganz vielen Bereichen in Hamburg in teilweise sehr attraktiven Lagen partizipiert. Dort wird durch Baugemeinschaften familiengerechter und sozial adäquater Wohnraum erstellt, und zwar zu ausgesprochen erschwinglichen Preisen, die weit ab von dem liegen, was der Markt eigentlich hergibt. Hier zu behaupten, es gebe keinen familiengerechten und sozial verträglichen Wohnraum mehr, ist schlichtweg falsch.

Liebe Kollegen! Natürlich brauchen wir für mehr Wohnungsbau auch mehr Flächen. Schauen Sie sich einmal an, wie es teilweise mit den B-Plänen in einigen Bezirken aussieht, wo rotgrüne Mehrheiten sind. Es gibt schon einige B-Pläne. Alleine in meiner Heimat, in Hamburg- Nord, gibt es B-Pläne, die für Wohnungsbau stehen und die Sie bereits seit zwei Jahren verhindern. Kommen Sie endlich einmal in die Hufe und hören Sie auf, solche B-Pläne zu verhindern, dann können wir in Hamburg mehr Wohnungen bauen. Das ist ganz einfach.

(Beifall bei der CDU)

Und ein letztes Wort noch, Herr Quast, zu den Modellprojekten, die Sie uns vorgeschlagen haben. Herr Quast, Sie sind ein bisschen hinter Ihrer Zeit hinterher. Der Senat hat bereits im Jahre 2005 auf der Klausurtagung den Grundstein für diese Modellprojekte gelegt. Die Liegenschaftsverwaltung hat im Frühjahr dieses Jahres zwei Projekte in Wandsbek und Im Soll in Bramfeld als solche Modellprojekte ausgeschrieben. Sie werden momentan erprobt. Dort wird nicht im Höchstgebotsverfahren gearbeitet. Dort wird unter ganz strengen Kriterien, nämlich familiengerechte Wohnungen, mindestens vier Zimmer, sozialadäquate Preisgestaltungen und einer ganzen Reihe von modernen ökologischen Standards gearbeitet. Dort werden solche Verfahren ausprobiert.

Diese Ausschreibungsfrist für diese Modellprojekte endet morgen. Die werden wir gemeinsam in der Kommission für Bodenordnung auswerten und nach dem Erfolg oder Nichterfolg diese Modelle modifizieren und künftig in geeigneten Fällen anwenden.

Lieber Herr Quast, Sie kommen ein Jahr zu spät. Das macht bei Ihnen nichts, das sind wir bei Ihnen gewohnt. Wir warten darauf, dass Sie mit neuen Vorschlägen kommen. Dieser Antrag ist schlichtweg Schnee von gestern.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Voet van Vormizeele, ich bin erstaunt, wie Sie die Scheuklappen so eng zusammenbekommen, dass Sie so einen absolut verengten Blick

(Gerhard Lein SPD: Tunnelblick!)

auf die Hamburger Baupolitik werfen können, wie Sie ihn uns eben gerade hier vorgestellt haben.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Die wenigen Projekte, die Sie nennen konnten, zum Beispiel Im Soll, daneben haben übrigens Baugenossenschaften gebaut, das sind wirklich nur ganz einzelne, kleine Punkte.

(Ingo Egloff SPD: Das ist gut für Hamburg. Das gibt Steuern!)

Das Gros läuft leider in eine ganz andere Richtung. Deswegen finde ich es richtig, dass die SPD diesen Antrag hier zur Debatte angemeldet hat. Ich meine, es ist ein rundum erfreulicher und richtiger Antrag. Er benennt klar das Problem und zeigt auf, wo eine sinnvolle Lösung liegen kann, meine Damen und Herren.

Nach wie vor verliert Hamburg jährlich rund 6000 Menschen an das Umland, vor allen Dingen junge Familien, Häuslebauer, aber auch zur Hälfte Mieterhaushalte. Die meisten von diesen Haushalten wollen gar nicht aus Hamburg weg, die wollen eigentlich hier bleiben. Sie finden nur innerhalb der Stadtgrenzen nichts, was sie sich leisten können, was ihren Vorstellungen oder ihren Bedürfnissen entspricht. Hier liegt nach wie vor ein großes Defizit der Senatspolitik, meine Damen und Herren.

Es gibt zum Glück einen Trend zurück in die Stadt. Das ist auch gerade wissenschaftlich bestätigt worden, gestern ist es veröffentlicht worden von ANALYSE & KONZEPTE, zum Beispiel dass die steigenden Mobilitätskosten und der Abbau der Eigenheimzulage die Umlandwanderung bremsen. Das ist gut. Das haben die Grünen über Jahre gefordert und wir sehen uns in unserer Position dadurch bestätigt. Diese Veränderungen der Bundesförderstruktur stützen den Trend in die Stadt. In dieser Entwicklung liegt eine große Chance für Hamburg. Aber leider stützt der Senat mit seiner Politik diesen Trend nicht. Was haben der Senat und der Finanzsenator mit der Freigabe der Grundstückspreise erreicht? Sie haben erreicht, dass der Wohnungsbau auf einen historischen Tiefstand in Hamburg hinabgezwungen wurde, meine Damen und Herren.

Das geht so weit, dass sogar der jeglicher Parteinahme völlig unverdächtige Grundeigentümerverband nun beklagt, dass in Hamburg zu wenig Wohnungen gebaut werden und es zu wenig Anreize für neuen Wohnungsbau gibt. Wir sind doch bei knapp 3000 Neubauwohnungen pro Jahr, 5000 bis 6000 wären nötig. Das bestätigen verschiedene Studien.

Sie haben das wichtigste Instrument, das die Stadt hatte, um den Wohnungsbau voranzutreiben, zu fördern, quasi weggeworfen, Herr Voet van Vormizeele, den Grundstückskostenrichtsatz. Weil Sie sagen, das behindert den Markt, der Markt wird es schon regeln. Wir sehen jetzt, was nach vier Jahren passiert. Der Markt regelt es nicht, mitnichten. Der Wohnungsbau ist eingebrochen. Das liegt ganz klar daran, dass die Stadt ihr wichtiges Instrument zur Steuerung der Grundstückspreise aus der Hand gegeben hat mit der Devise Haushaltskonsolidierung über alles, Höchstgebotsverfahren sind die richtige Wahl bei der Ausschreibung. Darüber erzielen wir Einnahmen und der Markt wird dann regeln, was gebaut wird. Nebenbei haben Sie sich noch auf die Förderung von Einfamilienhäusern konzentriert. Da war es dann nicht so knauserig.