Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Das war die zweitwichtigste Stelle, jetzt komme ich zur wichtigsten. Was ich nicht verstehe, Herr Hesse, ist Ihr Rumgeeiere bei dem Thema Fahrradausleihe. Im Jahre 2003 waren sich hier noch alle Fraktionen einig, dass wir ein Fahrradausleihsystem installieren wollen. Das haben wir einstimmig beschlossen. Wir haben damals für eine baldige Einführung plädiert. Im Dezember 2005 gab es einen SPD-Antrag, bis zur Fußballweltmeisterschaft Call a Bike von der Deutschen Bahn einzuführen, ein System, das in vielen Großstädten funktioniert. Sie wollten den Weg damals nicht mit uns gehen, aber immerhin haben Sie gesagt, zur Saison 2007 wollen wir ein neues System haben und deswegen hat der Senat – das ist ja auch etwas Besonderes von der CDU – eine Halbjahresfrist bekommen, dieses System zu finden. Die ist nun Ende August, vielleicht auch Mitte September abgelaufen, jedenfalls ist sie eigentlich durch.

Jetzt eine Verlängerung zu geben, halte ich im Rahmen der uns jetzt vorliegenden Ausschreibung deswegen für bedenklich, weil ich befürchte, dass wir 2007 immer noch kein System der Fahrradausleihe haben, sondern möglicherweise erst mit der neuen Ausschreibung im Jahre 2009.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hesse?

– Ich bin fast fertig und möchte das gerne zu Ende bringen. Herr Hesse kann gleich noch mal. Deswegen freue ich mich, dass wir nächste Woche im Stadtentwicklungsausschuss darüber beraten können. Vielleicht kommen wir an dieser Stelle noch ein bisschen weiter, damit die Hamburger spätestens 2007 auch wirklich ein Fahrradausleihsystem haben, das funktioniert, und wir nicht einen Modellversuch für ein neues Fahrradausleihprojekt machen werden, das vielleicht 2009 oder später kommt.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Stadtmöblierung muss neu ausgeschrieben werden. Da sind wir uns alle einig. Einig sind wir uns auch, dass der Gegenwert, den Hamburg für die Aufstellung von Werbeanlagen im öffentlichen Raum bekommt, höher als in der Vergangenheit sein muss, denn die Außenwerbung hat sich in den vergangenen 15, 20 Jahren erheblich verändert. Sie hat sich technisch erheblich weiterentwickelt und es wird auch wesentlich mehr Geld mit dieser Werbung verdient.

Im Haushaltsplan-Entwurf hat der Senat nun den Ansatz für den Titel "Einnahmen im Zusammenhang mit Werbung an Stadtinformationsanlagen und Fahrgastunterständen" von 1,6 Millionen Euro auf 5 Millionen Euro per annum erhöht, also mehr als verdreifacht. Zum Teil kann man diesen Sprung damit erklären, dass die Firmen heute wesentlich mehr für ihre Rechte bezahlen können, weil sie auch höhere Einnahmen haben. Zum anderen befürchten wir allerdings auch, dass der Senat auf Sachleistungen zugunsten höherer Einnahmen verzichten will. Der Gegenwert, den Hamburg für die Werbeflächen erhalten kann, besteht ja in finanziellen und sachlichen Leistungen.

Welche sachlichen Leistungen erwartet der Senat? Im aktuellen Senatsdrucksachen-Entwurf heißt es dazu, dass in die Ausschreibung Stadtmöbel nicht mit aufgenommen werden sollen, die werbeunabhängig sind, wie zum Beispiel Papierkörbe, Bänke, Kioske, denn diese bringen der FHH mangels Werbeflächen keine Mehreinnahmen ein. Darunter fallen auch die Toiletten. Das ist aus unserer Sicht falsch. Wir können uns nicht der Ansicht anschließen, dass die Einnahmemaximierung ausschließliches Leitziel der Ausschreibung sein soll.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Genauso wenig sind wir der Ansicht, dass – wie es in der Antragsbegründung steht – das Stadtbild mehr und mehr durch Werbung geprägt sein soll. Wir wollen das Stadtbild nicht durch Werbung prägen, wir wollen einen möglichst hohen öffentlichen Nutzen aus der Werbung im öffentlichen Raum ziehen, einen Nutzen, den auch alle Bürger unmittelbar haben und erfahren können, zum Beispiel durch Bänke, Papierkörbe oder auch Toiletten. Deshalb stehen wir Ihrem ersten Punkt – milde gesagt – kritisch gegenüber. Wir überweisen heute, deswegen stimmen wir noch nicht ab.

Zu Punkt 2. Wir finden es richtig, die Koppelung eines Fahrradmietsystems mit der Stadtmöblierung zu überprüfen, wenn dies die finanziell günstigere Lösung ist.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Allerdings muss das Ziel, ein Fahrradmietsystem zu bekommen, auch dann weiterverfolgt werden, wenn die Koppelung mit der Stadtmöblierung nicht praktikabel ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Was die Toiletten angeht, ist uns eine Bestandsanalyse definitiv zu wenig. Wir wollen, dass mehr behindertengerechte Toiletten aufgestellt werden. Dies muss ein wesentliches Ziel beim Abschluss unseres neuen Stadtwerbevertrages sein. Meine Kollegin, Frau Gregersen, wird dazu gleich noch etwas sagen.

Herr Quast hatte schon den Punkt 4 angesprochen. Wir wollen nicht, dass in Bussen und Bahnen Werbung stattfindet. Wir wollen nicht an Bushaltestellen und Bahnhöfen mit Werbung zugeballert werden. Bei Ihnen heißt es "weitere Durchsagen und Nachrichtenübermittlungen". Das ist sehr schwammig. Man könnte geradezu sagen, matschig formuliert. Wir wollen dort keine Werbung hören. Deshalb werden wir dem nicht zustimmen.

(Wolfgang Beuß CDU: Wie wollen Sie es denn finanzieren?)

Herr Hesse, auf Punkt 6 muss ich auch kurz eingehen. Eine Stilmöblierung einzelner Stadtteile – Pöseldorf im englischen Stil, die HafenCity bitte maritim, Volksdorf vielleicht im Landhausstil und die Frage, welcher Stadtteil vielleicht den Jugendstil vertragen könnte – halten wir für den falschen Ansatz. Was wird dann aus Billstedt, Jenfeld und Lurup? Was wird aus den gekippten Stadtteilen? Bekommen die dann gekippte Stadtmöbel, meine Damen und Herren? Wir wollen keine dritte Klasse in der Stadtmöblierung. Wir wollen keine Stilmöbel in einzelnen Stadtteilen,

(Beifall bei der GAL)

denn es ist doch klar, dass die anderen Stadtteile dann die Luxusausführungen mitfinanzieren würden und wir möchten die soziale Spaltung der Stadt nicht auch noch in der Stadtmöblierung manifestieren.

Die übrigen Punkte sind interessant. Wir wollen darüber gerne im Ausschuss reden. Es ist von daher begrüßenswert, dass Sie einer Überweisung an den Ausschuss zustimmen. Wir denken auch, dass wir dort noch einmal über das Thema Kulturwerbung sprechen sollen. Wir brauchen mehr Kultursäulen, vor allem dort, wo die Musik spielt. Gegenwärtig orientiert sich der Verteilungsschlüssel nach der Bevölkerungszahl. Das führt dazu, dass in Wandsbek viele Kultursäulen stehen und in St. Pauli wenige. Es sollte mehr dort sein, wo die Kultur auch stattfindet und wir sollten überlegen, ob wir zum Beispiel Bauzäune nicht im größeren Umfang zu Kulturzäunen machen könnten. Das wollen wir im Stadtentwicklungsausschuss besprechen. Insofern besteht kein Hindernis für eine Überweisung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Gregersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor ein paar Wochen haben wir als Fraktion einen Antrag zu barrierefreien Toiletten gestellt, den Sie ablehnten. Zwei Wochen später bringen Sie einen eigenen Antrag zur Stadtmöblierung ein. Aber in diesem Antrag lassen Sie nur prüfen, ob wir noch weitere behindertengerechte Toiletten brauchen. Es wird nur nach der Notwendigkeit geschaut. Es ist interessant, den internen Ausschreibungstext zu kennen, der zwischen der Behörde von Herrn Freytag und den Bezirken abgestimmt ist. Ich kann daraus gerne einmal den Punkt vorlesen, da kennen wir nämlich auf einmal das Prüfergebnis schon. Punkt 2.1.1 Seite 11, Stadtmöblierung und Art:

"Auch werden Automatiktoiletten und Urinanlagen nicht Bestandteil der Ausschreibung."

Das waren Ihr Antrag und die Prüfung und Herr Fuchs, der sich auch so nett für behindertengerechte Toiletten einsetzen möchte – vielen Dank. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Ihr Antrag ist also nicht nur Augenwischerei, Ihr Antrag ist eine Farce. Es wird jetzt bis 2012, so lange läuft der Vertrag mit JCDecaux, nichts mehr im Bereich behindertengerechte Toiletten passieren. Das ist für mich ein Trauerspiel.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wer sagt denn das?)

Sie waren eben dran, Sie können gerne gleich noch einmal das Wort ergreifen, Herr Hesse.

(Wolfhard Ploog CDU: Sie sollen die Frage beant- worten!)

Das ist überhaupt kein Weltstadtniveau, das ist das Niveau eines Entwicklungslandes. Aber Ihnen fehlt der Wille, in diesem Bereich irgendetwas entwickeln zu wollen.

In Berlin stehen 160 barrierefreie Toiletten. Die sind rund um die Uhr geöffnet. In Hamburg konnte mir der Senat noch nicht einmal im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit einer Kleinen Anfrage mitteilen, wie viele Toiletten mit welchen Öffnungszeiten und mit welchem Barrierefreiheitsgrad in Hamburg zur Verfügung stehen.

Leider kenne ich nach zwei Jahren auch immer noch nicht den Ansprechpartner in der CDU. Mit dem hätte ich verdammt gerne einmal darüber gesprochen, was für tolle barrierefreie Toiletten im Angebot sind.

(Wolfhard Ploog CDU: Der Abgeordnete Fuchs!)

Ich habe es immer wieder versucht. Mir wurde dann gesagt, dafür sei der oder die zuständig, aber denjenigen kenne ich nach zweieinhalb Jahren immer noch nicht.

Dann wurde mir gesagt, barrierefreie Toiletten nehmen viel Platz in Anspruch. Das tun sie nicht. Ich zeige Ihnen gerne einmal ein Bild, wie es in Berlin "Unter den Linden" aussieht. – Das ist eine Automatiktoilette mit vier Sprachen. Sie können von außen wählen, wie die Toilette geschwenkt wird, welche Art der Behinderung Sie haben und auf welcher Seite Sie gelähmt sind.

Ich bitte Sie, dass Sie endlich auf diese Regierung einwirken, dass in dem Bereich auch etwas passiert. Wir können nicht Touristen vor den Kopf stoßen. Ihr eigener Innenminister, Herr Schäuble, hat immer wieder die schlechte Barrierefreiheit seiner Urlaubsorte angemahnt. Bitte seien Sie ein netter Ort für die eigenen Bürger und auch für die Touristen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Bevor ich Herrn Heintze das Wort gebe, möchte ich noch einmal an die interessierten Abgeordneten, die dieser Debatte lauschen wollen, appellieren. Eigentlich ist es erstaunlich, dass so wenig Abgeordnete so viel Krach machen können. Vielleicht gehen die, die vielleicht einen Augenblick stehen und sich unterhalten möchten, einfach vor die Tür. – Jetzt bekommt Herr Heintze das Wort.

– Wobei meiner Wahrnehmung nach, Frau Präsidentin, liebe Kollegen, die Zahl der Interessierten steigt. Das könnte für die Debatte sprechen.

(Michael Neumann SPD: Es geht nicht um Sie, das ist reine Pflichterfüllung!)

Das ist eine sehr nette Interpretation. Das war jetzt kein "fishing for compliments".

Es geht mir im Prinzip auch nur um einen Aspekt, auf den ich die Aufmerksamkeit doch noch einmal lenken möchte. Viel Richtiges ist gesagt worden. Hier wurde von einem Sammelsurium von Vorschlägen gesprochen, das die CDU in Person von Herrn Hesse, zusammengestellt hätte, was irgendwie etwas mit Stadtmöblierung zu tun hätte. Man würde das Konzept nicht so richtig sehen. Dem kann ich nicht folgen. Das gilt auch für Frau Gregersen, auf Ihren Punkt gehe ich gleich noch einmal gesondert ein. Darin ist schon ein sehr klares Konzept. Sie können im Prinzip allen Vorschlägen drei Punkte zuordnen. Uns geht es darum, über die Stadtmöblierung die Information in der Stadt zu verbessern. Uns geht es weiter darum, über die Stadtmöblierung Sonderaufgaben wahrzunehmen, zum Beispiel die Mietfahrräder. Wir haben auch die Fragestellung der behindertengerechten Toiletten aufgegriffen und wir prüfen, ob wir auf diesem Wege weitere Aufgaben im öffentlichen Bereich wahrnehmen können. Es geht uns auch um verbesserte Fußgängerleitsysteme, die meines Erachtens auch über eine verbesserte Stadtmöblierung geführt werden können.

Ein Sammelsurium kann ich dabei nicht erkennen, sondern Sie können alle zwölf Vorschläge einmal durchprüfen. Sie folgen genau diesen drei Punkten. Ich glaube, wir haben da einen sehr guten Antrag vorgelegt, bei dem wir im Ausschuss gerne noch über Verbesserungen diskutieren können.

(Beifall bei der CDU)

Einen Punkt, den Herr Lieven anführte, das Thema Kulturwerbung werden wir sicher noch einmal ansehen müssen. Ob wir das über Bauzäune lösen, da wäre ich noch nicht ganz auf Ihrer Seite. Aber ich denke, da kommen wir noch zu einer guten Ergänzung, und sei es, dass wir in geordneten Bahnen Bereiche freigeben, die heute dafür nicht vorgesehen sind.

Einen Punkt zu Frau Gregersen, weil der mir an der Stelle auch wichtig ist: Wenn Sie den Antrag von Herrn Hesse genau durchlesen, dann kommt das Parlament vor der Exekutive. Es mag ja sein, dass schon Ausschreibungstexte in der Vorbereitung sind, in denen das alles so noch nicht steht. Ich kann Ihnen aber persönlich versichern: Wenn das Parlament und der Ausschuss hier etwas anders empfehlen, bin ich mir sicher, dass die Exekutive dem folgen wird.