Am 17. November dieses Jahres werden die Fristen für die Kandidatenaufstellung beginnen und die Opposition weiß das. Gerade deswegen versucht sie heute, noch mit einem Trick diese Abstimmung zu verhindern.
Sie nutzen diese Geschäftsordnungsdebatte für eine Fortsetzung, eine weitere Inszenierung Ihrer medialen Kampagne, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben. Was Sie hier tun, ist auch deshalb schon nicht richtig, weil wir uns wirklich ausführlich in diversen Ausschüssen und in der Öffentlichkeit mit dem Wahlrecht beschäftigt haben, dies im Gegensatz zu Ihnen auch in der Fraktion sehr intensiv und kontrovers diskutiert haben und jetzt haben wir einen Entwurf, hinter dem wir gemeinsam stehen und den wir heute auch so beschließen wollen.
Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen und für weitere Einzelheiten – mit Garantie – in der folgenden Debatte noch zur Verfügung stehen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hesse, die CDU-Fraktion bricht heute mit einem Verfahren, auf das wir uns verständigt haben und mit dem wir gute Erfahrungen gemacht haben und das, obwohl wirklich neue und sehr schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken im Raum stehen.
Sie wollen hier mit Ihrer absoluten Mehrheit von dem Verfahren abweichen. Ich verweise auch auf vergangene Bürgerschaftssitzungen: Sie liegen voll im Trend mit Ihrem Verhalten. Sie zeigen immer wieder, dass Ihnen parlamentarische Rechte nichts Wert sind und Sie, wenn Ihnen Parteiinteressen wichtiger sind, diese in den Vordergrund stellen, auch wenn die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger das völlig anders sieht.
Wahlgesetze gehören in der Demokratie zu den wichtigsten und auch sensibelsten Gesetzen und gerade sie brauchen breite Akzeptanz und Zustimmung. Wir haben hier ein Wahlrecht, für das eine große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburgern gestimmt hat, und selbst das interessiert Sie nicht. Sie wollen heute aus Gründen des Zeitdrucks einer Vertagung nicht zustimmen. Nun muss doch jeder, der die Situation der letzten Wochen beobachtet hat, sagen, dass es so lange gedauert hat, lag daran, dass Sie bis zum Montag gebraucht haben, um diejenigen, die unserer Auffassung sind, zum Einknicken zu bringen,
und jetzt soll keine Zeit mehr sein, Verfassungsbedenken auszuräumen. Wie tief wollen Sie eigentlich noch sinken?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hesse, Sie nennen es einen Trick, wenn die Opposition darauf beharrt, in Bezug auf eine Wahlrechtsänderung die Formalien der Geschäftsordnung einzuhalten.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie sich auch innerhalb der Formalien dieser Geschäftsordnung bewegen, denn vor wenigen Monaten hat der Erste Bürgermeister den Spruch öffentlich immer wieder verkündet, die Form sei die Mutter der Demokratie.
Sie biegen sich diese Form so weit, um ein Verfahren zu bekommen, mit dem Sie trotz Ihrer inneren Widersprüche der Stadt ein Wahlrecht aufzwingen, das die Mehrheit in dieser Stadt nicht will. Das ist die Verletzung der Mutter der Demokratie und den Vater der Demokratie verletzen Sie der Sache nach. – Danke schön.
Wer möchte meiner Empfehlung zur Abwicklung der heutigen Tagesordnung folgen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das erstere war die Mehrheit.
Derzeit ist Hamburg die reichste Stadt Deutschlands. Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner liegt mit über 45 000 Euro bundesweit an der Spitze, 72 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und 100 Prozent über Berlin. Auch die Steuerquellen sprudeln wieder, zum Glück. Hamburg profitiert von der Globalisierung und der Senat investiert die Früchte in seine Leuchtturmprojekte: Jungfernstieg, Tamm-Museum, Elbphilharmonie, Science Center, U 4 in die HafenCity und so weiter. Hunderte von Millionen Euro werden für die Verschönerung der Stadt aufgewendet, doch gleichzeitig wächst die Armut in Hamburg.
Unsere Stadt wird mittlerweile von anerkannten Wissenschaftlern als die Stadt mit der größten sozialen Polarisierung in Deutschland bezeichnet. Obwohl der Wohlstand beobachtbar zugenommen hat, hat sich an der Armutssituation breiter Bevölkerungsschichten nichts verändert. Die soziale Schere geht weiter auseinander, weil die Wachstumseffekte nicht durchsickern und sich die Situation der sozial benachteiligten Schichten nicht verbessert.
Im Ergebnis sehen wir eine zweigeteilte Entwicklung der Stadt. Ein Teil der Hamburger profitiert von der Globalisierung, während ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung von diesem Wachstum abgekoppelt ist. Das viel propagierte Durchsickern hin zu den sozial Schwächeren findet nicht statt. "Die neue Elite schuf für die Ärmeren nur prekäre Arbeitsverhältnisse für Putzfrauen, Pizzaboten, Fahrradboten und Wachdienste", sagte Professor Jürgen Oßenbrügge, Wirtschaftsgeograf an der Universität Hamburg und auch Verfasser wichtiger Gutachten für den Senat. Diese Schichten, die "working poor", die arbeitenden Armen, können, obwohl sie Arbeit haben, nicht mehr so viel Geld verdienen, um davon für sich und ihre Familie ein gutes Auskommen zu erhalten. Dazu hat Hamburg eine stabil hohe Quote von langzeitarbeitslosen Menschen. Etwa 180 000 Menschen in Hamburg leben von
Die Armut hat Gesichter in Hamburg und das sind die Gesichter der Kinder. 23 Prozent aller Kinder, das sind 52 000, leben in Hamburg in Armut. 8 Prozent mehr als 2003 oder 18 000 Kinder mehr als vor drei Jahren müssen von weniger als 207 Euro im Monat leben. Diese 52 000 Kinder haben damit etwa ein Drittel dessen, was in der Bundesrepublik im Durchschnitt ein Kind hat, und das bleibt nicht ohne Folgen. Es bedeutet geringere Bildungschancen, weniger Freizeitmöglichkeiten und auch einen schlechteren Gesundheitszustand.
In keinem Land in der OECD ist der Bildungserfolg so stark von der materiellen Situation der Eltern abhängig wie in Deutschland. Diese Diagnose gilt leider auch in besonderem Maße für Hamburg, denn der Senat hat mit seiner Politik in den letzten Jahren vor allem die Bildungskosten in die Höhe getrieben, von Vorschulgebühren über Büchergeld bis zur Mittagessenpauschale. Mittlerweile können 3500 Eltern die Kita-Kosten für ihre Kinder nicht mehr bezahlen. In einem Stadtteil wie Wilhelmsburg gehen 20 Prozent der Schüler ohne einen Schulabschluss ab.
Meine Damen und Herren! Die Armut in Hamburg hat auch bestimmte Orte. Der Senat hat selbst 13 Stadtteile mit besonderen Problemlagen benannt, Stadtteile, die bereits gekippt sind oder zu kippen drohen, wie der Bürgermeister sagte. Billstedt und Wilhelmsburg sind darunter, Jenfeld, Lurup, Dulsberg und Steilshoop. Ich will nicht alle aufzählen, das dauert zu lange. In diesen 13 Stadtteilen mit besonderen sozialen Problemen leben 337 538 Menschen, das sind rund 20 Prozent der Bevölkerung. Das sind Angaben des Senats auf der Basis einer sehr oberflächlichen Analyse. Wenn man genauer hinschaut, dann ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich noch weitere soziale Brennpunkte in Hamburg befinden. Deswegen will der Senat auch nicht genau hinschauen, weil er Angst vor dem hat, was er dann sehen könnte.
Die soziale Stadtteilentwicklung ist in den vergangenen Jahren zurückgefahren worden zugunsten von Leuchtturmprojekten in der HafenCity. Die Politik hat die lokale Wirtschaft in den Stadtteilen und die dortigen Bewohner vernachlässigt. Das sind alles Zitate von Wissenschaftlern. Was tut der Senat dagegen?
Der Senat tut nichts dagegen, macht nur eine soziale Alibipolitik. Das ist zu wenig, es muss gehandelt werden. – Vielen Dank.