Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Lieven, was Sie hier vorgetragen haben, ist in sich nicht schlüssig und auch nicht haltbar.
Zunächst zwei Vorbemerkungen: Wenn Sie von einem immer schneller werdenden Auseinanderdriften von armen und reichen Stadtteilen sprechen, dann müssen Sie sich doch fragen, was Sie in Ihrer Regierungszeit getan haben, um das zu verhindern. Davon habe ich heute nichts gehört.
Wenn Sie sich schon auf Experten und Wissenschaftler berufen, dann sollten Sie auch so ehrlich sein zu erwähnen, dass viele dieses Personenkreises der Meinung sind und sagen, unter Rotgrün in Berlin ist die Schere zwischen Arm und Reich noch viel rasanter und schneller auseinander gegangen als in den vergangenen Jahren.
Wir sind dabei, das, was Sie, Herr Lieven, während Ihrer Regierungszeit und die SPD-Fraktion in den vergangenen Jahren verbockt haben, aufzuarbeiten
und das kann ich auch mit harten Fakten belegen. Wir investieren in strukturschwache Stadtteile mit dem Programm "Aktive Stadtteilentwicklung" in den kommenden Jahren 39 Millionen Euro; der Bund beteiligt sich lediglich mit 1,7 Millionen Euro. Dieses Konzept erstreckt sich mit verschiedenen Maßnahmen über das gesamte – und ich betone: über das gesamte – Stadtgebiet. Insofern ist es schlicht und ergreifend falsch zu behaupten, dass ärmere Stadtteile vergessen würden.
Im Übrigen sei bemerkt – Herr Lieven, Sie waren ja dabei –, dass alle Experten bei der Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss das Programm zur aktiven Stadtteilentwicklung durchweg positiv bewertet haben. Wenn Sie sich zum Beispiel die Kleine Anfrage von Frau Veit ansehen, dann sollte auch Ihnen deutlich werden, dass wir eine enorme Anzahl von Maßnahmen mit einem nicht unerheblichen Investitionsvolumen eingeleitet haben. Alle diese Maßnahmen aufzuzählen, wäre ein abendfüllendes Thema.
Hinzu kommen fünf neue Sanierungsgebiete mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro. Der Bund beteiligt sich mit 14,5 Millionen Euro. Insgesamt bearbeiten wir mit dem Programm "Aktive Stadtteilentwicklung" Sanierungsgebiete und mit dem Programm "Stadtumbau West" 38 – ich wiederhole: 38 – Stadtteile.
Ich erinnere zudem an die vor nicht allzu langer Zeit beschlossene Drucksache "Familienfreundliches Quartier in Altona-Altstadt". Diese Drucksache beinhaltet neben dem Neubau eines Schwimmbades,
einer Schule, einer Bezirkssporthalle auch familienfreundlichen Wohnungsbau. Wie kommen Sie eigentlich angesichts dieser Vielzahl von Maßnahmen dazu, solche aber
witzigen Behauptungen von vergessenen Stadtteilen aufzustellen? Wo sind denn Ihre Konzepte und wo sind Ihre Finanzierungsvorschläge?
Wir investieren gezielt in die Lebensqualität dieser Stadt. Dazu gehören aber auch Leuchtturmprojekte, um im internationalen Konzert der Metropolen dieser Welt mitspielen zu können.
Das lockt Investoren nach Hamburg und sichert bestehende und schafft neue Arbeitsplätze. Das ist die soziale Herausforderung, der wir uns angenommen haben.
Ich nenne exemplarisch nur drei Beispiele: Hafen und HafenCity, Tourismus sowie Arbeitsmarktzahlen. Hier sind wir ganz weit vorne und das ist das Ergebnis unserer guten Politik. Insofern sollte man sich davor hüten, das eine gegen das andere auszuspielen. Sie sollten endlich erkennen, dass beides zu tun ist, um unsere Stadt nach vorne zu bringen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Roock, wenn ich Sie so höre, dann wirken Sie wie ein amtlich bestellter Schönredner der Senatspolitik.
Leuchtturmprojekte sind okay, wir brauchen Leuchtturmprojekte in Hamburg, das ist keine Frage, nur konzentriert sich der Senat einseitig auf diese Leuchtturmprojekte. Und wenn Sie, Herr Roock, hier aufzählen, dass in den nächsten Jahren 39 Millionen Euro für die aktive Stadtteilentwicklung zur Verfügung stehen,
dann vergleichen Sie doch einmal: 30 Millionen Euro für das Tamm-Museum, 14 Millionen Euro für das Science Center und 9 Millionen Euro für den Jungfernstieg. Ich glaube, Ihnen sind die Maßstäbe verrutscht.
Tatsächlich gelangen die Stadtteile, und zwar insbesondere die mit Problemen, immer mehr aus dem Blickwinkel des Senats. Sie wissen genau, in welchen Stadtteilen es Probleme gibt. Herr Lieven hat die Zahl genannt, in vielen Drucksachen sind sie belegt, aber Sie ziehen einfach keine Konsequenzen daraus.
Vor einem halben Jahr hat der Bürgermeister im Rahmen seiner Halbzeitpressekonferenz gesagt, es gäbe in Hamburg Stadtteile, die auf der Kippe stünden, aber Konsequenzen daraus gezogen hat er bis heute nicht.
Warum ist das so? Ihr Leitbild der wachsenden Stadt ist ein Leitbild für die Starken, dem die soziale und menschliche Komponente fehlt. Die soziale Schere geht immer weiter auseinander. Das bemerken Sie allerdings nicht,
wenn Sie sich nur durch die Stadt chauffieren lassen. Aber es gibt ausreichend Studien und Berichte, die Sie nur lesen müssten; Herr Lieven hat hier einige genannt. Am Montag hat Herr Professor Wippermann, ein Trendforscher, veröffentlicht, dass er erwarte, dass Hamburg weiter in arme und reiche Dörfer zerfalle. Diesen Trend zur Segregation sozialer Milieus können wir auch heute überall in Hamburg beobachten und die Senatspolitik beschleunigt dies noch. Die Metropole Hamburg "Wachsende Stadt" ist auf dem Weg zur Metropole der wachsenden Spaltung.
Fakt ist, dass sich bereits heute die Armut in bestimmten Stadtteilen konzentriert. Die Konzentration führt zu Verstärkungsprozessen, weil sich die Situation der Menschen in diesen Stadtteilen durch das problematische Umfeld und ein schlechtes Image eines Quartiers weiter verschärft. Professor Oßenbrügge spricht in diesem Zusammenhang von einer räumlichen Falle; wer im falschen Stadtteil wohnt, hat weniger Chancen. Hier muss Senatspolitik eingreifen, hier muss korrigiert werden, hier muss unterstützt werden. Aber Sie haben die soziale Stadtteilentwicklung zugunsten der Leuchtturmprojekte zurückgedrängt.
Der Senat plündert die Stadtteile aus, besonders auch die, die zu den Brennpunkten gehören. Schulen, Schwimmbäder, Bücherhallen haben Sie dort geschlossen, wo es genau falsch ist. Sie zerschlagen die soziale Infrastruktur in Jenfeld, Dulsberg, Steilshoop und Lurup, in Stadtteilen, wo eigentlich die Ausstattung an sozialer Infrastruktur, an städtischer Infrastruktur besser sein müsste als in anderen Stadtteilen, um sie genau davor zu bewahren, was als räumliche Falle bezeichnet wird.
Stattdessen gibt es eine Stadtentwicklungspolitik, die gegeneinander läuft. Jede Behörde macht immer noch, was sie will, obwohl wir bei den Anhörungen gelernt haben, dass eigentlich koordiniert werden müsste. Sie haben die Mittel der sozialen Stadtteilentwicklung halbiert, Herr Roock. Ich weiß nicht, was Sie uns hier erzählen. Die Mittel der Sanierung sind seit Rotgrün auf zwei Drittel zurückgefahren. Geld ist da, ich habe zu Beginn einige Projekte genannt, für die Geld da war und Geld da sein wird. Ich frage mich nur, wann Sie wieder Mittel in die soziale Stadtteilentwicklung für die Stadtteile Hamburgs steuern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Blick auf eine Gruppe von Menschen in dieser Stadt richten, die tatsächlich von Hafen und Tourismuspolitik höchstens indirekt profitiert, nämlich dann, wenn die dort erwirtschafteten Gewinne auch in sie investiert werden, und das sind Kinder und Jugendliche.
Es gibt eine neue Studie vom Robert-Koch-Institut, ein Kinder-, Jugend- und Gesundheits-Survey, in dem ganz deutlich wird, dass Kinder und Jugendliche, die aus sozial benachteiligten Schichten kommen, eigentlich bei allen Krankheiten, bis auf Allergien, ein deutlich erhöhtes, teilweise doppelt so hohes Risiko der Erkrankung tragen
als Kinder aus wohlsituierten Familien. Ich möchte darauf hinweisen, dass das nicht allein ein Problem der sozialen Gerechtigkeit oder der Einzelfallgerechtigkeit irgendwelchen Kindern gegenüber ist, sondern ein ganz massives gesellschaftliches Problem. Wir reden hier nämlich von denjenigen Erkrankungen, bei denen völlig klar ist, dass sie in einer Art und Weise die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen und damit dann auch mit Folgekosten verbunden sind, die einer Stadt wie Hamburg, die sich weiter zum Wissensstandort ausbauen möchte und ihre Stellung im Vergleich zu anderen Großstädten zumindest halten, wenn nicht sogar ausbauen will, auf gar keinen Fall recht sein kann. Wir reden hier von Kindern und Jugendlichen, die massiv von Essstörungen betroffen sind. Damit sind bei den Mädchen vor allem Essstörungen wie Magersucht gemeint, bei den Jungen geht es häufiger um Übergewicht. Wir reden von Kindern, die ganz massiv von Bewegungsmangel betroffen sind mit all den Folgen, die das hat, und wir reden davon, dass diese Kinder in einem Umfeld aufwachsen, in dem Bewegung teilweise überhaupt nicht möglich ist. Deshalb ist soziale Stadtteilentwicklung für diese Kinder so besonders wichtig.