Es gilt festzuhalten, dass durch sämtliche Wahlen hindurch seit langem eine Abnahme gesellschaftlichen Engagements und Gestaltungswillens zu beobachten ist. Das hat diese Europawahl besonders deutlich gezeigt, aber auch zu den anderen Wahlen sind kaum mehr Leute hingegangen, wie Frau Machaczek zu Recht gesagt hat. Insofern wird hier noch einmal deutlich, was sich bereits bei der letzten Hamburg-Wahl gezeigt hatte, die mit 65 Prozent Wahlbeteiligung weiß Gott nicht berühmt war, dass wir nämlich in eine meiner Meinung nach langfristige Krise schlittern. Stell dir vor, es ist Demokratie und keiner geht hin. Aus diesem Grund sollte man tatsächlich innehalten und gemeinsam überlegen, was man besser machen könnte. Für mehr Wahlbeteiligungskultur zu werben ist nicht nur Aufgabe der Politiker, sondern auch die der Medien, der Gesellschaft und der Vereine. Auch wir müssen besser werden, das ist eine richtige Analyse. Aber ich persönlich habe Magendrücken angesichts der Gesamtentwicklung und da ist mehr Nachdenklichkeit angesagt, woran es insgesamt liegt. Ich sehe einen gesellschaftlichen Trend, den wir alleine nicht abwenden können. Dafür brauchen wir Mitstreiter in den Medien und der Gesellschaft insgesamt und da hilft auch kein anderes Plakat von Frau Schnieber-Jastram. So gerne ich an dieser Stelle unterstütze und klatsche, aber da müssen wir in der Ursachenforschung weiter und tiefer gehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Den Demokratiepessimismus von Herrn Rabe teile ich überhaupt nicht.
Für eine Bürgerschaftssitzung, auf der wir uns dem Thema zuwenden, dass wir für Hamburg den Wahlrechtsfrieden ausrufen können, finde ich das eine sehr merkwürdige Position, denn auch wir in Hamburg haben mit dem Thema Demokratie und Beteiligung der Menschen unsere eigene Geschichte. Darauf kommen wir später noch einmal zurück.
Auch Herr Hackbusch hat sich vergriffen, wenn er hier erzählt, weil das Parlament ein Demokratiedefizit habe, müsse man auch nicht zu dieser Wahl gehen. Sie wissen doch ganz genau, wie die Kämpfe für die Demokratisierung der Europäischen Union laufen und woran es zurzeit hakt. Es liegt am Lissabon-Vertrag, der noch nicht ratifiziert ist, und ob dies geschieht, steht noch nicht fest. Auch wenn er ratifiziert ist, wird es kein Gesetzesinitiativrecht des Parlaments geben. Trotzdem wird Europa dadurch selbstverständlich demokratischer. Die Kampagne der LINKEN – Sie haben sie sehr selbstkritisch hier angeführt, das finde ich gut – hat gezeigt, was Sie insgesamt für eine Distanz zu diesem Europathema haben. Es besteht jetzt die große Chance, dass der Lissabon-Vertrag doch noch unterschrieben wird, gerade weil die Rechtspopulisten in vielen Ländern auf dem Vormarsch gegen genau dieses Demokratiedefizit sind. Aber von einer LINKEN hätte ich mir einen anderen Weg gewünscht. Lieber hätte ich mir die Kritik gewünscht, warum es nicht schon längst so weit ist, und ich hätte gerne Ihren Beitrag dazu gehört, was DIE LINKE dafür getan hat, dass es mit diesem Demokratiedefizit besser wird. Aber dazu habe ich überhaupt nichts gehört und das finde ich traurig.
Zu der Mär, Wohlstand und Europa hätten nichts miteinander zu tun, muss ich sagen, so viel Geschichtsklitterung habe ich selten in einem Parlament gehört.
Was ist denn mit den osteuropäischen Ländern? Wir wussten doch, dass es eine politische Entscheidung war, dass sie so früh beitreten. Schauen Sie sich doch einmal die soziale Situation in Polen heute und vor zehn Jahren an, da gibt es einen Fortschritt. Auch in den baltischen Staaten gibt es einen Fortschritt, Slowenien hat inzwischen den Euro. Wo sehen Sie, dass dies nicht zu mehr Wohlstand in der Breite in Europa führt? Aus diesem Grund wollen doch so viele Staaten in die EU, weil es insgesamt bergauf geht. Und wo wären wir ohne die EU in dieser Finanz- und Wirtschaftskrise? Das können wir hier auch gerne noch einmal diskutieren.
Herr Hackbusch, ich weiß, dass Sie es besser wissen. Ich verstehe nur nicht, warum Sie es hier nicht sagen, und ich finde das nicht gehörig.
Wie bitte? Ach so, das ist bei der CDU so üblich. Ich wollte eigentlich über die Wahlbeteiligung zur Europawahl sprechen, aber wir können auch gerne über die Genossen sprechen.
Liebe Damen und Herren! Dieses Demokratiedefizit hat natürlich auch mit Desinformation zu tun. Die Kollegin von der CDU hat schon gesagt, dass Informationsveranstaltungen, Flugblätter und alle möglichen anderen Dinge die Bürger wahrscheinlich nicht angesprochen haben. Demokratie hat etwas mit Information zu tun. Demokratie hat sehr viel damit zu tun, wie es im Moment auch bei uns in Deutschland aussieht.
Armutsrisiken sind gesellschaftliche Realität über Deutschlands Grenzen hinaus. Es gab nicht nur in Deutschland eine geringe Wahlbeteiligung, sondern auch in unseren Nachbarstaaten ist es nicht viel besser gewesen. Das ist gesellschaftliche Realität, die durch politisches Handeln auch auf Europaebene natürlich zum Positiven verändert werden kann, wenn man es denn will. Der neue Negativrekord bei der Wahlbeteiligung sollte nicht überraschen. Er hat viel mit der Verdrossenheit zu tun, dass man sowieso nichts zum Besseren wenden kann, und nicht mit Desinteresse an der Politik. Das betrifft ganz normale menschliche Probleme wie gestiegene Energiekosten, Steuern, Abgaben, Arbeitslosigkeit und was folgt daraus: Armut. Armut ist unabhängig davon, wer in den Rathäusern sitzt. Da brauchen wir die Schuldigen nicht zu suchen, es ist überall das Gleiche. Die Kluft zwischen der Politik, der EU und dem Hoffen der Menschen ist einfach zu groß, um sie im Moment an die Urnen zu bringen und Begeisterung für Europa hervorzurufen.
Man sollte auch nicht vergessen, wie in Deutschland mit dem EU-Vertrag umgegangen wurde. Wir dürfen nicht mitentscheiden über den Inhalt und überhaupt darüber, ob wir diesen Vertrag wollen oder nicht wollen. Das hat nichts damit zu tun, ob man europafeindlich ist; man möchte einfach teilhaben am Geschehen in Europa und nicht nur in Deutschland. Es gibt einen sehr interessanten Leserbrief aus dem "Hamburger Abendblatt" von
"Des Weiteren dürfen wir in Deutschland schon gar nicht über die Europäische Verfassung abstimmen und entscheiden. Das alles fördert natürlich die allgemeine Europaverdrossenheit nicht nur in Deutschland und beschert uns […] eine schwindende Akzeptanz bzw. eine mangelnde Identifikation mit der EU."
Das bringt es auf den Punkt. Man sollte auch darüber nachdenken, soziale Fortschrittsklauseln in diese Europaverträge einzubauen. Wir stehen dafür, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Europa eine Haltelinie nach unten einzuziehen.
Die Schraube dreht sich immer weiter nach unten und dafür sind wir nicht nur in Deutschland verantwortlich, sondern auch in Europa. Ich hoffe, unsere frisch gewählten Europaabgeordneten werden einen Anteil daran haben.
Frau Präsidentin! Ich möchte zwei Anmerkungen von Frau Machaczek hier nicht so stehen lassen. Sie haben dieses Thema angemeldet und die einzige Botschaft, die ich von Ihnen gehört habe, ist nicht eine positive, sondern einfach die Feststellung: Lassen Sie doch die Kirche im Dorf. Wenn Sie das Thema anmelden, ist das inhaltlich einfach zu wenig, da hätte ich schon ein bisschen mehr erwartet.
Die Debatte zeigt im Übrigen, wie ratlos wir alle bei der Frage sind, mit welchen Methoden, Ansätzen und Inhalten wir die Menschen stärker an der Europawahl beteiligen. Das ist ein sehr schwieriges Thema und niemand sollte hier so tun, als hätte er Rezepte oder den Königsweg. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, mit der wir uns eingehend beschäftigen müssen. Die Aktuelle Stunde eignet sich dafür nicht.
Eine zweite Anmerkung zu Frau Machaczek: Herr Heintze hat es vermieden, hochmütig zu sein, aber an einer Stelle haben Sie gesagt: Wer hat denn die Wahl gewonnen und wer hat sie verloren? So viel Hochmut tut nicht gut, nach Hochmut kommt der Fall. Ich habe keinen Grund, das Ergebnis der Sozialdemokraten schönreden zu wollen,
und GAL, also dieser Senat, über 11 Prozent verloren. Das ist eine politische Schlappe, da gebührt es sich nicht, Ihr Ergebnis schönzureden. Hochmut ist hier in Hamburg bei Ihnen schon gar nicht angemessen und zur Schau zu stellen, sondern eher Nachdenklichkeit darüber, warum auch Sie so viele Stimmen in dieser Stadt verloren haben. – Schönen Dank.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr zum ersten Thema. Somit kommen wir zum zweiten Thema, das von der SPD angemeldet wurde:
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als großes Kino sollen einige Teilnehmer die Sitzung des Haushaltsausschusses am vergangenen Donnerstag bewertet haben. Ob großes Kino oder Schmerzensstunde, die Sitzung des Haushaltsausschusses war in jedem Fall bemerkenswert und ich habe das in den fast zehn Jahren in diesem Ausschuss noch in keinem anderen Fall so erlebt.
Der Haushaltsausschuss sollte in letzter Runde der Bürgerschaft empfehlen, das Startsignal für den Neubau der HafenCity Universität am Magdeburger Hafen mit Gesamtkosten von insgesamt 86,78 Millionen Euro zu geben. Das ist gescheitert und das zu Recht. Der Rechnungshof hat in dieser Sitzung noch einmal in klarer Form, schnörkellos und unmissverständlich seine Monita und Beanstandungen vorgetragen. Fundamentale Anforderungen der Landeshaushaltsordnung sind nicht erfüllt, zwingende Wirtschaftlichkeitsnachweise nicht erbracht. Das bedeutet, alternative Standortprüfungen für kostengünstigere Lösungen sind nicht erfolgt und der Neubau der HCU ist kein Musterbeispiel für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, im Gegenteil. Was also als Traumprojekt von Schwarz-Grün 2005/2006 mit genau diesen Kriterien in Angriff genommen wurde, hält einer kritischen Analyse nicht stand.
Als am Ende der Beratungen im Haushaltsausschuss ganz einmütig der Wunsch an Frau Senatorin Gundelach herangetragen wurde, die Drucksache zurückzuziehen, war das gewiss eine Schmerzensstunde für sie, aber es war unvermeidlich. Denn die Reaktion der Wissenschaftsbehörde auf die Einlassung des Rechnungshofs und die Kritik der Abgeordneten war nicht überzeugend,
sie war sogar enttäuschend und skandalös. Noch liegt uns kein Protokoll aus der Sitzung vor, deshalb muss ich jetzt auf die schriftliche Stellungnahme der BWF in der Senatsdrucksache Bezug nehmen. Ich lese Ihnen nur zwei Sätze vor, da heißt es:
"Bezüglich der förmlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung […] geht die BWF inzwischen davon aus, dass eine vergleichende Betrachtung der positiven und negativen Effekte zweier Standorte mit quantitativen Methoden in diesem Fall nicht zu belastbaren Aussagen führt. […] Vor diesem Hintergrund hat die BWF auf einen Wirtschaftlichkeitsvergleich verzichtet."
Aber hier geht es nicht um Vermögen oder Unvermögen, sondern es geht um Wollen oder Nichtwollen. Die Wissenschaftsbehörde will keine solchen Berechnungen anstellen und Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit werden missachtet. Was wir hier immer wieder erleben, ist Uneinsichtigkeit und Überheblichkeit. Wer ist schon der Rechnungshof? Was bedeutet schon die Missbilligung des Parlaments im Februar 2009 hinsichtlich des Rechnungshofsberichts 2008, der in seiner Kritik 2009 noch vernichtender ausgefallen ist, weil die BWF sich dazu nicht richtig verhalten hat? Es gipfelt darin, dass keine Rechtfertigung der Mehrkosten in Höhe von 58 Millionen Euro gegenüber den Alternativen erfolgt ist und auch die Bürgerschaft über die Kostenentwicklung falsch informiert worden ist.