Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Damit würden wir eine Entwicklung fortsetzen, die Hamburg in den letzten Jahren …

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Senator, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Schinnenburg zu?

Gern, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Herr Senator. – Ihre Ausführungen sind für ein Mitglied des Senats, das Olympia will, schon bemerkenswert. Sie erzählen ständig, was alles passieren muss, sonst werde es Olympia

in Hamburg nicht geben. Frage: Würden Sie die Olympischen Spiele trotz eines erfolgreichen Referendums stoppen, wenn Ihrer Ansicht nach nicht ausreichende Nachhaltigkeit vorhanden ist?

(fortfahrend) : Herr Dr. Schinnenburg, das ist eine ganz einfache Frage,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Schwere Ant- wort!)

auf die es eine ganz klare Antwort gibt: Wenn der Kostenrahmen, den wir im Zuge dieser OlympiaPlanung aufgestellt haben, nicht eingehalten wird, wenn bis zum Jahr 2017 absehbar ist, dass wir die ökologischen und sozialen Standards nicht einhalten können, dann wird dieser Senat die Bewerbung um die Olympischen Spiele in Hamburg bis zum Jahr 2017 zurückziehen. Darin sind wir uns im Senat und mit den Regierungsfraktionen einig.

Insofern sind Olympische Spiele für Hamburg auch eine große Chance. Nur mit Olympischen Spielen wird es gelingen, in einem Gebiet, das jetzt für alle Hamburgerinnen und Hamburger überhaupt nicht zugänglich ist, der Kleine Grasbrook, einen neuen Stadtteil mit 8 000 Wohnungen und vielen Einrichtungen, die über die Olympischen Spiele hinaus genutzt werden können, zu entwickeln. Diese Olympic City wollen wir zu einem Schaufenster der Nachhaltigkeit machen. Wir werden dort nur Gebäude errichten, die den hohen Standards der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen entsprechen, dem Platin-Standard, der weit über den bisher gängigen Gold-Standard der HafenCity hinausgeht. Den Autoverkehr werden wir in diesem Bereich auf 25 Prozent reduzieren, und wir werden nicht nur eine ausgeglichene Flächenbilanz haben, sondern am Ende den Grünanteil in unserer Stadt durch Olympische Spiele erhöhen. Wir werden im Bereich Flugverkehr die nicht vermeidbaren Flugemissionen durch ein Kompensationssystem ausgleichen, das in Deutschland, aber auch in der Welt seinesgleichen suchen wird.

Zu diesem Zweck haben wir bereits ein Umweltscreening sämtlicher Standorte für Olympische Spiele vorgenommen. Das hat bereits jetzt in den Planungen dazu geführt, dass bestimmte Standorte verworfen wurden, weil sie aus ökologischer Sicht nicht vertretbar sind. Insofern braucht niemand die Sorge zu haben, dass Olympische Spiele zum Nachteil von Umwelt und Nachhaltigkeit stattfinden. Auch wenn das in manchen Beiträgen etwas geringgeschätzt wurde, hat es in Europa bisher noch keine Bewerbungen um Olympische Spiele gegeben, ohne dass alle Umweltverbände an der Nein-Front und in der Kampagne dagegen waren. In Hamburg haben wir eine andere Situation. NABU und Zukunftsrat sind nicht auf der Kampagnenseite der Gegner, sondern haben sich gegenüber dem Senat verpflichtet, bei einem erfolg

(Senator Jens Kerstan)

reichen Referendum an nachhaltigen Spielen mitzuarbeiten. Sie vertrauen dabei auf unser Nachhaltigkeitskonzept, und Ihre Argumente können nicht darüber hinweggehen, dass das ein überzeugendes Konzept ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Ich möchte erneut darauf hinweisen, dass es auf der Senatsbank, aber auch bei den Abgeordneten hier unten zu laut ist. – Herr Senator, fahren Sie bitte fort.

Aber Nachhaltigkeit ist natürlich viel mehr als ökologische Nachhaltigkeit. Uns ist wichtig, Olympische Spiele auch dazu zu nutzen, faire Arbeitsbedingungen nicht nur in Hamburg zu sichern und auszubauen, sondern das auch weltweit zu tun. Bei den Sponsoren, auf die Hamburg zurückgreifen wird, werden wir darauf achten, weltweit faire Lieferketten zu etablieren und auch weltweit die hohen sozialen Standards durchzusetzen, die in Hamburg gelten. Insofern werden Olympische Spiele in Hamburg im Jahr 2024 nicht nur nicht zulasten der sozialen Situation in Hamburg gehen, sondern auch einen Beitrag zur internationalen Gerechtigkeit leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sport und Bewegung sind ganz zentrale Dinge im Sinne der Spiele. Wir werden mit unseren Planungen sicherstellen, dass in allen Stadtteilen für Olympia – und das sind bis zu 200 Standorte – die Sportstätten, die Sportanlagen und die Anlagen der Hamburger Sportvereine instand gesetzt werden. Dieses kann nur gelingen, weil der Bund und das IOC sich daran beteiligen. Ein besseres Programm, auch in benachteiligten Stadtteilen für mehr Sport und Bewegung von Kindern zu sorgen, kann es ohne Olympia nicht geben.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Meine Güte noch einmal! Bald ist Weihnachten! Lä- cherlich!)

Deshalb verstehe ich insbesondere nicht, warum gerade eine Links-Fraktion dies für ein Problem in unserer Stadt hält.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber natürlich ist die entscheidende Frage, wie sehr dieses Konzept finanziell nachhaltig ist. Erstens muss man eines feststellen: Mit 7,3 Milliarden Euro, die das letztendlich die Steuerzahler in Hamburg und in Deutschland kosten wird, liegen wir ein Drittel unter den Kosten, die für Olympische Spiele in London aufgebracht werden mussten. Auch das zeigt, dass wir gerade dabei sind, einen neuen Standard für Olympische Spiele zu definieren: Abschied von Gigantismus, bescheidene, nachhaltige

Spiele, die die Entwicklung einer Stadt voranbringen. Wir werden beweisen, dass so etwas in dieser Welt möglich ist, und werden damit der internationalen olympischen Idee neuen Rückhalt geben. Denn die völkerverbindende Funktion des Sports ist gerade in der heutigen Zeit der Konflikte, der Kriege und Flüchtlingskrisen eine wichtige Botschaft. Wir dürfen diese Idee nicht untergehen lassen. Mit unserem nachhaltigen Konzept tragen wir dazu bei, dass Olympische Spiele auch in der industriellen Welt eine Zukunft haben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Letztlich ist es doch so, dass wir das IOC beim Wort nehmen. Wenn das IOC wirklich seine Reformagenda 2020 ernst nimmt, in der Abschied von Gigantismus und nachhaltige Spiele propagiert werden, hat Hamburg gute Chancen. Aber sollte das nicht der Fall sein – da glauben viele Leute dem IOC nicht, was ich durchaus verstehen kann –, ist eines aber klar: Dann wird Hamburg gegen die Mega-Metropolen Paris und Los Angeles keine Chance haben. Meiner Auffassung nach ist das gut so, dann brauchen wir auch keine Olympischen Spiele in Hamburg.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das kön- nen Sie auch jetzt schon entscheiden!)

Nun zu den Kosten: Wir sagen jetzt, dass wir in Hamburg nur 10 Prozent der Kosten selbst tragen wollen – so wie London. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bund vor dem Referendum bereit gewesen wäre, seinen Anteil zu definieren. Das ist sicherlich nicht hilfreich. Aber allen, die jetzt denken, dass angesichts dieser fehlenden Zusage des Bundes dieser Senat sich auf finanzielle Abenteuer einlassen wird, kann ich eines versichern: Wenn es nicht gelingt, eine faire Kostenteilung zwischen dem Bund und Hamburg zu erzielen, die Hamburgs Anteil auf die Größenordnung von 1,2 Milliarden Euro beschränkt, dann wird dieser Senat seine Bewerbung um die Olympischen Spiele zurückziehen. Da stehen wir im Wort, darauf können sich die Hamburgerinnen und Hamburger verlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich war selbst in Oppositionszeiten skeptisch, ob Olympia für Hamburg finanzierbar ist, ob es gelingt, ein Konzept dafür zu entwickeln, dass Hamburg gerade auch im Bereich der Ökologie und der Nachhaltigkeit profitieren kann. Nach sechs Monaten Arbeit mit den Kollegen im Senat kann ich nur eines sagen: Mir helfen Olympische Spiele im Moment bei der Debatte mit der Wirtschaft, aber auch mit anderen gesellschaftlichen Kräften sehr, eine nachhaltige und soziale Entwicklung dieser Stadt voranzubringen. Als Umweltsenator, der in diesem Senat auch für das gesamte Nachhaltigkeitskonzept zuständig ist, würde ich mir sehr wünschen, dass die Hamburgerinnen und Hamburger am 29. November mit Ja stimmen, damit diese Pläne

(Senator Jens Kerstan)

für ein nachhaltiges Hamburg nicht nur ein Papiertiger bleiben, sondern das olympische Feuer auch weiterhin brennt und Hamburg im Bereich der Nachhaltigkeit voranbringt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Das Wort bekommt nun Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann verstehen, dass Sie sich an die Hoffnung klammern, nur die LINKEN seien gegen Olympia. Ich kann es gut verstehen, weil schon mehrere SPDlerinnen und SPDler mir hinter vorgehaltener Hand gesagt haben, sie seien eigentlich auch nicht dafür.

(Zurufe)

Warten Sie, es geht noch weiter.

(André Trepoll CDU: Wir wollen Namen!)

Wenn Sie einmal ruhig sind, nenne ich auch Namen.

Bei den GRÜNEN sprechen sich sogar Bürgerschaftsabgeordnete gegen Olympia aus. Kollegin Mareike Engels hat es im Gymnasium Allee getan – dazu herzlichen Glückwunsch. Sie haben klar gesagt, dass Sie gegen Olympia sind. Es geht also.

(Beifall bei der LINKEN – André Trepoll CDU: Es sei denn, sie wird Senatorin! Dann ist sie auch dafür!)

Falls Sie weiterhin hoffen, dass es in der Stadt nur die LINKEN sind: Auch da kann ich Sie enttäuschen. Sie haben jetzt so oft den Zukunftsrat zitiert. Ich glaube, Sie sollten alles lesen – auch Sie, Herr Dressel –, nicht nur die Pressemitteilung vom 27. Oktober, sondern auch das Positionspapier des Zukunftsrats. Ich zitiere jetzt das gesamte Fazit des Zukunftsrats aus dem Positionspapier vom 27. Oktober:

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen die Voraussetzungen […] für eine Ja-Empfehlung des Zukunftsrats allenfalls zu einem kleinen Teil vor. Ein 'Ja' beim Referendum wäre in erster Linie ein (nicht Erfahrungs-ge- stützter) Vertrauensvorschuss, eine emotionale Entscheidung. Nach der jetzigen Sachlage und in diesem frühen Verfahrensstand kann eine rationale Entscheidung zur Olympiabewerbung, die nicht die 'Katze im Sack' kaufen und hohe Risiken vermeiden will, nur ein 'Nein' sein. Es ist völlig offen, ob und ggf. wann die oben genannten Voraussetzungen und Bedingungen für eine positive Bewerbungsentscheidung nachgeholt werden [können]."

(Ralf Niedmers CDU: Von wann stammt das?)

27. Oktober 2015, das ist also noch keine drei Wochen alt.

Ich frage mich, wieso Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie hätten das beste Nachhaltigkeitskonzept, obwohl der BUND und der Zukunftsrat Ihnen sagen: Leute, vergesst es. Deswegen können wir nur hoffen, dass viele Bürgerinnen und Bürger das genauso sehen und mit Nein stimmen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der AfD bekommt nun Herr Dr. Flocken das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Ich weiß, dass ich mit meinen Worten manchmal provoziere. Aber heute ist mir bei der ersten Rede dieser Debatte die Kinnlade heruntergefallen, als für Hamburg der große Sprung nach vorn gefordert wurde. Mit ein wenig Kultursensibilität und der Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen, wüssten Sie, dass der "Große Sprung nach vorn", im Original dà yuè jìn, mit mehr als 45 Millionen Toten die größte Hungerkatastrophe der Menschheit war, ausgelöst durch eine überhastete, fehlgesteuerte Industrialisierungspolitik unter Mao Zedong Ende der Fünfzigerjahre. Ich hoffe, das ist nicht das, was Sie für Hamburg fordern. – Vielen Dank.

Von der GRÜNEN Fraktion bekommt nun Frau Sparr das Wort.

Herr Dr. Flocken, dass Sie ein bisschen ironieresistent sind, habe ich mir schon gedacht.