Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dazu wollen wir einen neuen, wichtigen Baustein liefern, nämlich ein neues, koordinierendes Zentrum, das die in diesem Bereich bereits aktiven Träger und Initiativen in ihrer hoch engagierten Arbeit unterstützen kann. Das ist ein eindeutiger Beitrag zu einer besseren Integration.

Wir haben in Hamburg bereits ein gutes Angebot im Bereich der psychotherapeutischen Hilfe für Flüchtlinge. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: zum Beispiel die Flüchtlingsambulanz am UKE, die sich an Kinder und an Jugendliche richtet, oder die Angebote des Krankenhauses Nord und des UKE für Erwachsene sowie auch die psychologischen Sprechstunden in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den weiteren Einrichtungen. Hervorzuheben ist zum Beispiel das Projekt haveno im Gesundheitszentrum St. Pauli. Dort bieten zwei Psychologinnen und Psychiater Psychotherapien in insgesamt sechs verschiedenen Sprachen an. Erst vor kurzem konnten wir in der Presse lesen, dass das Traumatherapiezentrum für Kinder und Jugendliche Ankerland an den Start gehen kann. Auch dort können Kinder, die Kriegserfahrung haben, diese verarbeiten und Hilfe finden. Mit der Forderung nach einem koordinierenden Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen erfüllen wir einen wichtigen Beitrag aus unserem Koalitionsvertrag. Das allein ist schon gut. Aber darüber hinaus folgen wir der EU-Aufnahmerichtlinie, denn diese besagt, dass besonders schutzbedürftige Asylsuchende einen Anspruch darauf haben, medizinisch und psychosozial versorgt zu werden. Dafür muss es nicht unbedingt ein ganz neues Zentrum sein, das mit sehr vielen neuen Psychotherapeuten behandelt. Viel wichtiger ist es, dass wir die guten Angebote, die wir in Hamburg bereits haben, miteinander vernetzen und deswegen ein koordinierendes Zentrum für diese Aufgabe schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die bestehenden Hilfsstrukturen sollen in ein funktionierendes Hilfenetzwerk überführt werden.

Ein sehr wichtiger Baustein dafür, dass die Arbeit erfolgreich gelingen kann, sind zum Beispiel die Dolmetscherleistungen. Eine erfolgreiche psycho

(Andrea Oelschläger)

logische Behandlung ist natürlich ohne Dolmetscher gar nicht möglich. An dieser Stelle muss sicherlich einiges verbessert werden, auch die Vermittlung. Das Herzstück unseres koordinierenden Zentrums, dieses hamburgweiten Netzwerks für die Betreuung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen soll alle Angebote, die wir in Hamburg haben, vereinen und miteinander vernetzen. Alle Planungen sollen deswegen in enger Kooperation mit den bereits erfolgreich arbeitenden Trägern in diesem Bereich abgestimmt werden.

Nur wenn die verschiedenen Angebote der unterschiedlichen Träger und Initiativen sinnvoll miteinander koordiniert werden und nicht die eine Stelle so arbeitet und die andere Stelle anders, aber in der Mitte fehlt das Herzstück, also nur, wenn sinnvoll koordiniert wird, wird es uns gelingen, die effizienteste und bestmögliche Versorgung für die Schutzbedürftigen her- und sicherzustellen.

Wir sind alle zusammen der festen Überzeugung, dass der Aufbau des von uns geforderten Zentrums einen absoluten Mehrwert für die Flüchtlingshilfe in Hamburg darstellen wird. Deswegen stellen wir in einem ersten Schritt heute einen Antrag und fordern den Senat auf, hierfür ein Konzept zu erstellen und dort, wo Ressourcen erforderlich sind, nachzubessern, nachdem geprüft worden ist, wie die Ausstattung der verschiedenen Träger und Einrichtungen ist und ob personelle oder sachliche Ressourcen erforderlich sind. Zunächst einmal die Vernetzung, die Prüfung und dann der Antrag.

Meine verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, Sie wünschen sich, dass dieser Antrag überwiesen wird. Das lehnen wir deswegen ab, weil wir erst den Senat beauftragen wollen, dieses Konzept zu erstellen. Dann erhalten wir wieder einen Bericht in der Bürgerschaft mit einem Konzept, und dann ergibt es für uns Sinn, dieses Thema im Ausschuss weiter zu diskutieren. Aber erst einmal wollen wir das koordinierende Zentrum auf den Weg bringen, denn Hilfe ist nötig. Unser gutes, funktionierendes Angebot muss noch besser vernetzt werden. Nur so kann die Integration gelingen, indem wir den traumatisierten Flüchtlingen helfen, ihre traumatischen Erlebnisse zu überwinden, damit diese der Integration nicht mehr im Wege stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächste erhält Sylvia Wowretzko von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Blömeke hat viel von dem gesagt, was ich gesagt hätte. In Vorbereitung auf diesen Redebeitrag habe ich mir vorgestellt, was Menschen überhaupt zur Flucht

bewegt hat und sie dann auch noch auf der Flucht erleben mussten, und was das mit ihnen, ihren Seelen und ihrer Gesundheit gemacht haben wird. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich es mir nicht vorstellen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das irgendjemand von Ihnen vorstellen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ebenso belastend wie die Erlebnisse, die zur Flucht geführt haben, sind die Belastungen, die Menschen während der Flucht erlebt haben. Eine Flucht ist besetzt mit Angst, mit Übergriffen, mit Hoffnungslosigkeit. Manche der Flüchtlinge mussten miterleben, wie Mitflüchtende oder Familienmitglieder auf der Flucht umkamen, im Mittelmeer ertrunken sind. Manche haben sowohl den Terror zu Hause als auch die Verluste auf der Flucht erlebt. Das ist wirklich eine horrende Belastung für die seelische Gesundheit der Menschen. Insoweit weiß ich, auch aus den Gesprächen mit Helferinnen und Helfern aus Flüchtlingsunterkünften, aus der Flüchtlingsambulanz im UKE zum Beispiel, dass Menschen, die mit derartigen Belastungen zu uns kommen, sehr dringend auf Hilfe angewiesen sind, um das Erlebte verarbeiten zu können. Da treffen zwei Aspekte aufeinander. Wir haben die Verpflichtung, nicht nur die körperlichen Verletzungen geflüchteter Menschen zu versorgen, sondern auch die psychischen. Deshalb müssen wir für beide Aspekte die Infrastruktur bereitstellen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist vor allem eine humanitäre Verpflichtung, aber nicht nur. Sondern es ist auch in unserem ganz eigenen Interesse, Geflüchteten wieder in einen gesunden Alltag zu verhelfen. So werden sie schneller in die Lage kommen, sich selbst einzubringen und im besten Fall zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen.

An vielen Stellen gibt es bereits hervorragend engagierte Beratung und Unterstützung, Frau Blömeke hat darauf hingewiesen. Das von den Regierungsfraktionen geforderte Zentrum soll diese Angebote nicht neu erfinden, sondern sie vernetzen und damit noch effektiver machen. Es soll zum Beispiel die Vermittlung nach der Feststellung eines Hilfebedarfs hin zu einer konkreten und geeigneten Hilfeleistung koordiniert werden, denn wir dürfen eines nicht übersehen: Der konkrete Behandlungsbedarf ist sehr unterschiedlich, und die geeigneten Hilfen sind es auch. Deshalb ist es gut, wenn Fachleute sich eng hierzu abstimmen und sich miteinander und untereinander koordinieren.

Mir ist es wichtig zu betonen, dass wir bei der psychiatrischen Versorgung von Flüchtlingen nicht bei null anfangen müssen. Wir haben schon heute in diversen Erstaufnahmeeinrichtungen psychiatrische Sprechstunden. Akute Behandlungsnotwendigkeiten sind im Übrigen auch durch die Gesund

(Christiane Blömeke)

heitskarte und das Regelsystem heute schon abgedeckt. Eine ernst zu nehmende Behandlung von Traumata, wie Fachleute immer wieder versichern, ergibt erst Sinn, wenn eine gewisse Stabilisierung der Lebensverhältnisse eingetreten ist. Das ist im Übrigen ein Argument dafür, den Wohnungsbau für Flüchtlinge nicht weiter zu blockieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dass die Sprache in dem Zusammenhang eine ganz besondere Rolle spielt, können wir uns alle vorstellen. Es ist wichtig, Dolmetscherinnen und Dolmetscher zu vermitteln und das nicht dem Zufall zu überlassen. Auch da gibt es inzwischen erfolgreiche Ansätze wie zum Beispiel das Dolmetschen mit Video-Dolmetschern.

Das Zentrum soll durch seine Vernetzung den Helfern eine Übersicht für die verschiedenen Optionen bieten. Damit schaffen wir ein Instrumentarium, das sowohl den Helfern als auch den Hilfesuchenden hilft und ein großes Integrationshindernis überwinden kann.

Da wir kürzlich sehr ausführlich im Sozialausschuss über die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen diskutiert haben, lehnen wir den Antrag der CDU-Fraktion auf Überweisung an den Gesundheitsausschuss ab. Ich bitte um Zustimmung für diesen Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nun erhält das Wort Birgit Stöver von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben einen Antrag vorgestellt, demzufolge sie ein koordinierendes Zentrum für die Beratung von Flüchtlingen, von Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen schaffen wollen. Dieses Ansinnen ist grundsätzlich richtig und wir unterstützen dieses auch. Flüchtlinge, die unter den Folgen von Verfolgung, von Folter leiden, benötigen besondere medizinische und psychologische Hilfe, das ist, glaube ich, allen klar. Wir denken allerdings, dass neben den Flüchtlingen auch andere Bevölkerungsgruppen besondere medizinische und psychologische Hilfe brauchen, wenn sie schwere Ereignisse zu verarbeiten und zu ertragen hatten.

Laut dem Robert-Koch-Institut sind 20 Prozent der Kinder in Deutschland psychisch auffällig. Bei 10 Prozent der Kinder werden psychische Störungen erkannt. Wie in vielen anderen Lebensbereichen gilt hier, dass frühes Erkennen und Behandeln von Problemen den größten Erfolg und die größtmögliche Chance auf Heilung versprechen. Sie erkennen vielleicht, dass die Thematik für uns weitreichender gefasst werden kann, als Sie es angenommen haben. Daher ist unsere aktive Wer

bung um die ausführliche und umfassende Beratung im Ausschuss entstanden. Ihr Antrag zeigt einen guten Ansatz und einen guten Willen, ist uns aber inhaltlich noch zu unkonkret und zu dünn.

Sie haben es schon vorweggenommen: Die Ausschussüberweisung wird abgelehnt. Das heißt, Sie verwehren uns auch die Mitgestaltung und das Aufnehmen von anderen konkreten Maßnahmen, die wir zusätzlich dazu ergreifen wollen.

Doch, Frau Wowretzko, Sie schütteln den Kopf. Nur, wenn wir ein fertiges Konzept haben, ist der Weg schon vorgezeichnet. Wir würden gern an den Kriterien mitarbeiten, wie ein solches Konzept aufgesetzt werden soll. Das kann ich nun nur durch diese Debatte machen. Das finden wir schade.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Einschätzung, dass wir in Hamburg bereits viele engagierte und erfolgreiche Initiativen und Verbände haben, die sich dieser Aufgabe stellen, teilen wir durchaus. Diese engagierten Menschen haben unsere Unterstützung verdient. Ihre Forderung, ein koordinierendes Zentrum zu schaffen, ist deswegen richtig. Wir sind allerdings der Meinung, es könne mehr getan werden – das ist bei Oppositionsparteien immer so –, nämlich dass wir schauen, ob wir Strukturen an Lebenswelten anpassen müssen.

Dies ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Sie wissen: Wir als CDU sind immer darauf bedacht, dass das Finanzielle im Einklang mit dem Nutzen ist und im Rahmen bleibt.

(Gerhard Lein SPD: Oh ja, haben wir ja bei der Elbphilharmonie gesehen!)

Wir sind haushaltsmäßig immer gut aufgestellt und immer darauf bedacht, Ausgleich zu schaffen, und das ist in diesem Fall genauso. Sie können uns nicht verwehren zu sagen, dass wir daran denken müssen, dass dieses nicht zum Nulltarif zu bekommen ist. Dazu steht zu wenig im Antrag. Es ist zu unkonkret. Wo soll das Zentrum entstehen? Unter welchen Kriterien? Das wüssten wir schon sehr gern.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte Ihnen die Fragen und Punkte mit auf den Weg geben, die ich bei dem Konzept berücksichtigt sehen will. Der eine Knackpunkt – den haben Frau Blömeke und Frau Wowretzko auch angesprochen – ist die Sprachbarriere. Wie erreiche ich jemanden, dessen Sprache ich nicht spreche oder mit dem ich nicht in seiner Muttersprache sprechen kann? Gerade im medizinischen und psychologischen Bereich ist es extrem wichtig, dass wir Dolmetscherleistung vorhalten, denn die Behandlung wird zweifelsohne nicht ohne diese auskommen. Auch dieses muss finanziert werden.

(Sylvia Wowretzko)

Das Zweite, das ich Ihnen an die Hand geben möchte, ist die kulturelle Barriere, sich einem Therapeuten anzuvertrauen, wie wir es zum Beispiel im Christentum aus der Seelsorge kennen. Das ist anderen Kulturen vielleicht nicht so zugänglich. Wie bekommen wir also diese Menschen dazu, dass sie sich einem Therapeuten öffnen, anvertrauen und die Therapie auch als sinnvoll verstehen?

Wieder einmal gibt es keine gute Ausführung zur Finanzierung. Sind es Finanzmittel, die hinzukommen, oder welche Maßnahmen aus dem Einzelplan 9.1 werden hier zugunsten der finanziellen und personellen Versorgung des koordinierenden Zentrums für Flüchtlinge zurückstecken müssen? Dazu fällt kein Wort, und das hätten wir schon gern im Vorfeld geklärt, um nachher keinen Blankoscheck ausstellen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Auch zur Ausgestaltung fällt kaum ein Wort: Wo soll das Zentrum entstehen, nach welchen Kriterien? Das hätten wir gern im Ausschuss besprochen. Wir sollten nicht nur über eine Koordinierung der Hilfsangebote sprechen, sondern vielleicht auch darüber, wie wir Hilfsangebote für traumatisierte Flüchtlinge vor Ort stärken können, zum Beispiel an Schulen und Kitas.

Außerdem plädieren wir dafür, dass Maßnahmen wie immer nach einiger Zeit auf den Prüfstand gestellt werden, denn wie schon eingangs erwähnt, ist gut gemeint nicht immer gut gemacht. Darum bitte ich um die Überweisung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD – Vizepräsidentin Barbara Du- den übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort bekommt Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

Verehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als die Hälfte der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, ist traumatisiert, hat viel Gewalt und Angst erlebt und braucht psychologische Hilfe. Sie leiden meist an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer Depression. Oft kommt beides zusammen.

Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer ist jedes fünfte Kind an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt. Damit sind geflüchtete Kinder 15-mal häufiger betroffen als in Deutschland geborene, jedoch erhalten in Deutschland nur rund 4 Prozent der Geflüchteten eine Psychotherapie. Diese Situation ist absolut untragbar und es besteht dringender Handlungsbedarf.