Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Als Nächste erhält das Wort Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Hier ist schon sehr viel Richtiges gesagt worden, und zwar von verschiedensten Seiten. Meine erste Feststellung mag Sie ebenfalls überraschen, genau wie Frau Suding, denn DIE LINKE hat recht mit Ihrer Forderung, der Senat sollte diesem Reformvorschlag nicht zustimmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat klare Vorgaben gemacht, welche Kriterien ein Erbschaftsteuergesetz erfüllen muss. Dazu gehört, vereinfacht ausgedrückt, vor allen Dingen die grundsätzliche Gleichbehandlung der zu vererbenden Vermögensarten Bargeld, Wertpapiere, Immobilien, Unternehmen. Und genau diese Vorgaben erfüllt der aktuelle Gesetzentwurf nicht. Vielmehr werden Privilegierungsregelungen von Firmenerben fortgeschrieben. Ein erneutes Kippen der Erbschaftsteuer durch das Verfassungsgericht erscheint wahrscheinlich.

Inhaltlich mag man dazu im ersten Schritt stehen, wie man will. Aber einem zum Scheitern geradezu verurteiltes Gesetz sehenden Auges zuzustimmen ist unverantwortlich und zeugt von fehlendem Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht.

In einem zweiten Schritt steht die Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Was ist gut, was ist schlecht an der Erbschaftsteuer? Wie kann man hier eine bessere und gerechtere Lösung erzielen? Die wichtigsten Kritikpunkte hat insbesondere die FDP schon genannt. Der Verwaltungsaufwand der Erbschaftsteuer ist erheblich. Und dieser Verwaltungsaufwand fällt sowohl in der Finanzverwaltung als auch bei den Steuerpflichtigen an. Außerdem sind langwierige Gerichtsverfahren vorprogrammiert. Die umständlichen Regelungen führen bei vererbten Unternehmen zu Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfindung, sie kosten im besten Fall Verwaltungsaufwand und Nerven, im schlimmsten Fall Arbeitsplätze und unternehmerische Existenzen. Dies würde sich natürlich bei einer stärkeren Gleichbehandlung der Vermögensarten noch stärker auswirken. Die Erbschaftsteuer ginge dann vollends zulasten des Mittelstands. Sie ist darüber hinaus ungerecht, weil es die wirklich Reichen kaum betrifft. Wer sich Spitzenberatung und teure Unternehmenskonstruktionen leisten kann und rechtzeitig vorsorgt, wird Wege zur Vermeidung der Erbschaftsteuer finden.

Und zuletzt sollten wir uns fragen, ob die Erbschaftsteuer in ein umfassendes Konzept eingebettet ist. Wenn man mit ihr auch einen Beitrag zur Gerechtigkeit leisten soll zwischen denjenigen, die erben, und denjenigen, die keine Erbschaft erhalten, dann fehlt ein Element. Es würde auf der

einen Seite weggenommen, auf der anderen Seite aber nichts zur Förderung von Vermögensaufbau getan. Ein möglicher Baustein war in der Vergangenheit die Eigenheimzulage. Den Reichen nehmen und den Ärmeren nicht geben, das ist ein schlechter Witz. Der Staat ist dann ein höchst eigennütziger Robin Hood. Unter diesen Umständen lehne ich eine Erbschaftsteuer in Gänze ab. Eine gerechtere, verfassungsfeste, mittelstandsfreundliche, möglichst unbürokratische Lösung hingegen verdient jederzeit, offen diskutiert zu werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort der Erste Bürgermeister.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Deutschland ist ein föderales Land. Hamburg profitiert davon, und die alte Stadtrepublik Hamburg hat es bis heute geschafft, dass sie ihre Eigenständigkeit bewahren kann als eines der 16 Länder in unserer Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet aber auch, dass wir den Föderalismus in jeder Hinsicht leben müssen und Kompromisse und Verständigungen zustande bringen müssen, gerade bei Gesetzgebungen, die für die Länder von allergrößter Bedeutung sind.

Es ist hier schon gesagt worden, die Erbschaftsteuer ist eine bundesgesetzlich geregelte Steuer, das Aufkommen steht aber den Ländern zu. Und deshalb haben die Länder ein eminentes Interesse daran, sich über die Frage, wie diese Besteuerung in Zukunft erfolgen soll, auch zu verständigen. Wenn man nun in einem solchen föderalen System wie der Bundesrepublik versucht, das hinzubekommen, dann braucht man eine Mehrheit im Deutschen Bundestag mit den jetzigen Regierungsparteien von SPD, CDU und CSU. Und man benötigt eine Mehrheit im Bundesrat, in dem viele Ministerpräsidenten unterschiedlicher parteipolitischer Zugehörigkeit sind und viele Parteikoalitionen die jeweiligen Regierungen tragen. Das ist nicht einfach. Insofern ist es etwas ganz Besonderes, dass nach einem langen Prozess für die Erbschaftsteuer, die so wichtig ist, eine Verständigung erreicht wurde. Und ich bin sehr froh, dass es, ich glaube, um halb zwei nachts, im Vermittlungsausschuss gelungen ist, eine Einigung zu erzielen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei André Trepoll CDU)

Das ist auch deshalb wichtig, weil die Erbschaftsteuer unmittelbar etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat. Und um Gerechtigkeit geht es doch, nämlich in demokratischer Politik dafür zu sorgen, dass die Dinge in unserem Land sich auf eine vernünftige Weise erledigen und entwickeln. Klar ist aber auch,

dass die Vorstellungen, was in dieser Hinsicht gerecht ist, völlig auseinandergehen. Und insofern war es eben auch sehr schwierig, eine Lösung zustande zu bringen. Für mich war auch, als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses, sehr wichtig, dass wir eine verfassungskonforme Lösung erreichen. Da war ich mir nicht so sicher, ob der Gesetzentwurf, den der Bundestag schon beschlossen hatte, das vollständig garantiert hat. Es gab begründete Zweifel. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir mit dem Kompromiss, den wir jetzt erreicht haben, den Korridor des Verfassungsgemäßen auch beschritten haben und deshalb hoffen dürfen, dass dieses Gesetz nicht wieder aufgehoben wird vom Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung sehr klargestellt, dass das, was dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat, dem Gesetzgeber in Deutschland, bei der Erbschaftsteuer wichtig war, auch künftig wichtig bleiben kann, dass es aber richtig gemacht werden muss. Sie haben gesagt, es sei ein völlig akzeptabler Grund zu sagen, wir wollen Arbeit und Beschäftigung in Deutschland erhalten, und deshalb darf es für Betriebe und Vermögen, das in den Betrieben zur Arbeitsplatzsicherung steckt, auch Begünstigungen geben. Diese finden sich in der jetzigen Reform. Die durch die neue Gesetzgebung des Bundestages und die Veränderung, die der Vermittlungsausschuss zustande gebracht hat auf Wunsch der Länder, wurde erreicht, dass es auch tatsächlich Betriebsvermögen ist, das im Betrieb bleibt. Es wurde erreicht, dass nicht etwas hineingetan wird, was gar nicht real der Beschäftigung und den Arbeitsplätzen dient. Das ist auch ein wichtiger Fortschritt, denn wir alle wollen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicher sein können, dass ihre Arbeitsplätze nicht gefährdet werden, weil das Geld, das im Unternehmen steckt, herausgezogen werden soll. Das Verfassungsgericht hat gesagt, geht so, jetzt ist es auch auf richtige Weise gemacht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, es sei in Ordnung zu berücksichtigen, dass ein Unternehmen ein Familienunternehmen ist. Die Frage ist, was man darunter versteht. Und für die Beratungen des Vermittlungsausschusses war wichtig, das muss dann schon etwas sein, das man als solches begreifen kann und nicht als Vorwand dient, eine Steuervergünstigung für sich in Anspruch zu nehmen. Zum Beispiel ist gesagt worden, es müsse sich auf die Familienangehörigen und bisher schon am Unternehmen Beteiligte, das sind zum Beispiel Manager, Geschäftsführer, beschränken. Zum Beispiel ist gesagt worden, man darf aus dem Unternehmen nicht alles, was an Gewinn anfällt, herausholen. Zum Beispiel ist gesagt worden,

wenn man einen Unternehmensanteil veräußert, dann darf das nur mit einer langen Veränderung erfolgen, und generell muss es die Regel geben, auch vor dem Erbfall, für viele, viele Jahre, nicht das gesamte Geld zu bekommen, das man sonst für einen solchen Unternehmensanteil bekommen würde, also dass man für weniger Geld aussteigt, damit das Geld im Unternehmen bleibt. Das ist immer ein berechtigtes Kriterium, und dies haben wir gewissermaßen zustande gebracht.

Ich glaube, das ist auf diese Weise eine ordentliche, vernünftige Reform geworden, zu der man stehen kann und die dazu beitragen wird, dass die Familienunternehmen, die in unserer Stadt aktiv sind und von denen es sehr viele gibt, auch in Zukunft erfolgreich ihre Tätigkeit verrichten können, und die dazu beitragen wird, dass Arbeitsplätze, die sich in Betrieben weiterentwickeln sollen, erhalten bleiben. Mehr kann man nicht wollen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Thilo Kleibauer und Michael Westenberger, beide CDU)

Zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde liegen keine …

(Heike Sudmann DIE LINKE: Halt, halt!)

Ja, ich bin auf dem linken Auge blind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE, bitte.

(Zuruf)

– Es sei meinem Kollegen gegönnt. Dass er auf dem linken Auge blind ist, das kenne ich.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das übernimmst du ja für ihn!)

Herr Scholz, es geht etwas anderes, ist meine Auffassung. Sie haben jetzt in gewisser Weise zwei Sachen gesagt. Sie haben einige inhaltliche Argumente genannt, haben aber im Wesentlichen dargelegt, dass man in der gegenwärtigen Konstellation mit Bundesrat und Bundestag nichts anderes hinbekommen könne, weil verschiedene Interessen bestehen.

Dementsprechend sind das natürlich zwei verschiedene Herangehensweisen. Das eine ist, ist überhaupt etwas anderes denkbar und überhaupt etwas anderes möglich? Man muss sich aufgrund der Debatte, die vorher geführt worden ist, einmal deutlich klarmachen, dass die Situation Folgende ist: Wir reden hier nicht davon, dass ich gern die Erbschaftsteuer noch etwas erhöhen möchte. Es geht hier um die Frage von Ausnahmeregelungen,

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

die wir besprechen, von Menschen und Vermögen, die nicht ordentlich herangezogen werden und nicht die normale Erbschaftsteuer bezahlen wollen. Das ist die Diskussion, um die es sich gegenwärtig handelt.

Da hat Frau Suding in einem Punkt recht, um das einmal wieder zurückzugeben, dieses Gesetz ist natürlich ein Eldorado für alle Finanzberater und Steuerberater, die man sich so vorstellen kann. Sie freuen sich auch schon, das bekommt man in der gegenwärtigen Situation mit. Und, Herr Scholz, Sie werden das ebenfalls festgestellt haben, weil diese Regelungen zum Teil so kompliziert sind und so viele Ausnahmemöglichkeiten da sind, sind sie wieder in der Lage, etliche Steuerbefreiungen dort zu erreichen, wo sie an und für sich dafür nicht vorgesehen waren. Das ist das eine negative Moment.

Das andere große Moment ist die Frage, wie das mit den Ausnahmeregelungen ist bei dieser kleinen Erbschaftsteuer, die doch nun kein großer Teil ist gerade für diejenigen, die richtig in der Familie arbeiten. Die einfache Situation der Ausnahmeregelung wäre doch zu sagen, dass man in dem Augenblick, wo das Unternehmen das braucht, es so lange stundet und so lange darauf wartet in dem Moment, in dem es Schwierigkeiten gibt mit dem Unternehmen. Dass man so lange die Erbschaftsteuer stunden kann, ist doch auch eine Möglichkeit, die bisher vorgesehen worden ist, und dass es nicht dazu führen kann, dass man diese Erbschaftsteuer überhaupt nicht bezahlen muss. Das ist gerade die Ungerechtigkeit, die dabei geschieht, denn alle großen Vermögen, die wir haben, sind doch im Zusammenhang mit Betriebsvermögen versehen, obwohl sie zum Teil natürlich gar nicht mehr etwas mit Betrieben zu tun haben. Meinetwegen, meine sehr geschätzte Familie, weil ich für die eine ganze Zeit lang immer gearbeitet habe, da weiß ich sehr genau, was dort vorhanden ist. Ein Unternehmen, also eine Familie, die praktisch kein einziges Unternehmen mehr führt, nur noch Kapitalbeteiligungen führt, dies natürlich als Betrieb in irgendeiner Form praktisch organisiert hat und die aufgrund dieser Regelung bei den Erbschaftsteuern durchaus positiv von diesen Ausnahmeregelungen profitieren kann. Und das ist der Punkt, den wir kritisieren. Den halten wir nicht für richtig und den muss man verändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Und Herr Scholz, wenn wir …

(Jörg Hamann CDU: Haben die wenigstens gut gezahlt oder geht so?)

Es geht so. Wollen wir darüber noch einmal extra reden?

Herr Scholz, in dem Augenblick, in dem Sie als Sozialdemokrat nicht mehr aufrechterhalten, dass wir uns für eine gerechtere Republik einsetzen kön

nen, und zwar dafür, dass die größeren Vermögen stärker herangezogen werden müssen für das, was Sie an Steuern und für gesellschaftliche Aufgaben in diesem Land brauchen, und wo wir merken, dass da eine wichtige Stimmung in diesem Land ist, wo sollen wir dann eine Hoffnung auf eine Veränderung haben? Woher soll denn dort eine Veränderung für mehr soziale Gerechtigkeit kommen? Oder meinen Sie, die ist nicht mehr notwendig? Bei Ihren Worten habe ich keine Hoffnung auf Rot-Rot-Grün. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei André Tre- poll CDU)

Jetzt hat das Wort Herr Quast von der SPD-Fraktion.

(Heiterkeit bei der CDU und der AfD – Zuruf von Jörg Hamann CDU)

– Zu der Hoffnung sage ich jetzt nichts, ich weiß gar nicht, wer davon mehr hat.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hackbusch, das Problem ist, die Gesellschaft verändern wir nicht durch theoretische Vorträge. Die Gesellschaft verbessern wir durch praktisches Handeln, und dafür sind wir angetreten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dazu gehört es eben, dass wir die Mittel haben, um unseren Staat so weiterzuentwickeln, um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen und an vielen Stellen den Menschen zu helfen, dort, wo es nötig ist. Und dazu brauchen wir auch das Steueraufkommen der Erbschaftsteuer, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ging auch immer darum, Regelungen zu finden – und das ist gelungen –, die sicherstellen, dass Unternehmen fortbestehen, auch im Erbschaftsfall. Es geht also auch um Arbeitsplätze und Beschäftigung. Und dies war ebenfalls ein wichtiger Punkt, den wir mit den Regelungen, die wir jetzt am Freitag im Bundesrat beschließen werden, erreicht haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)