Protokoll der Sitzung vom 14.06.2017

Meine Damen und Herren! Hier wird Mittelstufenstoff – das Ablesen von Werten und das einfache Bruchrechnen – auf zwei DIN-A4-Seiten verklausuliert, wohl damit das Ganze nach einer abiturwürdigen Klausur aussieht. Das hat aber nichts mit mathematischer Kompetenz zu tun, das kann man allenfalls als Kompetenzvortäuschungskompetenz bezeichnen. Umso unfasslicher ist das schlechte Abschneiden der Hamburger Schüler bei dieser Arbeit gewesen, und die Ursachen wurzeln zu einem guten Teil in genau dem, was die Hochschullehrer in ihrem Brief thematisierten: sperrige Textgebilde und zu wenig Einübungsphasen, ganz kurz und knapp.

Lassen Sie uns deshalb unseren Antrag im Ausschuss diskutieren und lassen Sie uns – das wäre das Beste – schon jetzt einen Teil der Vorschläge aus dem Maßnahmenkatalog der Hochschullehrer umsetzen, ohne eine lange weitere Expertenkommission abzuwarten und das Offenkundige damit nur unnötig hinauszuschieben. Setzen Sie sich in

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

der Kultusministerkonferenz dafür ein, dass sich der Matheunterricht wieder stärker an fachlichen Inhalten orientiert. Schreiben Sie das Einüben zentraler Mathematikinhalte mit verbindlich einzuhaltenden Stundenvorgaben in den Bildungsplänen fest und beenden Sie die Praxis der verklausulierten Textaufgaben und beschränken Sie sich auf die konkreten mathematischen Probleme und Rechenverfahren. Das wären Maßnahmen, die Sie sofort zum Wohle der Hamburger Schüler umsetzen könnten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Duden von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD zeigt in ihrem Antrag zum Mathematikunterricht eigentlich vor allem eines, nämlich einen inhaltlich veralteten Ansatz von Mathematikunterricht. Die Beispiele, die Sie eben angeführt haben – das hat mir die Mathelehrerin, die neben mir sitzt, noch einmal bestätigt –, sind keine Beispiele aus dem Abitur gewesen, sondern Beispiele aus dem mittleren Bildungsabschluss. Von daher sollten Sie sich in dieser Frage noch einmal schlau machen.

(Beifall bei der SPD und bei Olaf Duge GRÜNE)

Sie hat mir übrigens auch angeboten, dass sie die Aufgaben holen kann; wir könnten also alle noch einmal draufschauen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Oh ja, bitte!)

wenn Sie mir das nicht glauben.

Um aufzuzeigen, wie Mathematikunterricht in Zukunft aufgebaut sein muss, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, haben wir in der letzten Sitzung der Bürgerschaft ein Ersuchen beschlossen, das uns allen deutlich machen muss, was man vielleicht ändern sollte im Mathematikunterricht. Es ist ja nicht so, dass wir alle hier stehen und sagen, das müsse alles immer so bleiben auf alle Ewigkeit, sondern wir sind durchaus zu der Diskussion gekommen, dass wir gesagt haben, wir wollen einfach noch einmal darauf schauen, weil es verschiedene Richtungen gibt, wie Mathematikunterricht durchgeführt werden kann, und wir werden ganz sicher über dieses Ersuchen in der Bürgerschaft noch einmal diskutieren.

Die Forderungen, die Sie aufstellen, beinhalten Dinge, die in den Rahmenplänen verbindlich geregelt sind – anders, als Sie uns in Ihrem Antrag deutlich machen wollen, und anders, als Sie vermuten. Kompetenzorientierung klingt, wenn Sie es

als Vokabel benutzen, immer so, als wenn das etwas sei, das völlig inhaltslos ist und Schüler wahnsinnig zurückwirft. Ich habe den Eindruck, dass Kompetenzorientierung nicht nur für Schülerinnen und Schüler Hamburgs wichtig ist, sondern auch für Abgeordnete.

(Beifall bei Michael Kruse FDP)

Kompetenz ist nichts, was inhaltslos ist und von dem man sagen müsste: Das ist so ein neumodischer Kram, da lernen die Leute keine Mathematik mehr. Wir haben Diskussionen im Schulausschuss dazu geführt; ich habe nicht den Eindruck, dass Sie sich daran sehr aktiv beteiligt haben. Ich glaube, da sollten Sie noch einmal in sich gehen.

Eine von Ihnen gewünschte Beschränkung auf die Kompetenz, mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik umgehen zu können, würde eigentlich nur eines bedeuten: dass es zu einer drastischen Einschränkung von fünf der zurzeit sechs allgemeinen mathematischen Kompetenzen der Bildungsstandards führt. Das heißt, das wäre ein gewaltiger Rückschritt, weil nur noch ein Punkt unterrichtet wird und fünf einfach zur Seite gelegt werden und man sagt: Die sind jetzt gar nicht notwendig. Ich glaube, das wollen wir alle eindeutig nicht, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab und werden ihn natürlich auch nicht an den Schulausschuss überweisen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Prien von der CDUFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das eigentliche Trauerspiel ist, dass wir jetzt vor einem nahezu leeren Haus sitzen und dieses Thema miteinander besprechen,

(Michael Kruse FDP: Als Sie noch nicht da waren, war es noch voll! – Urs Tabbert SPD: Nicht von der CDU auf andere schließen!)

und die Gelegenheit, das Thema intensiv im Schulausschuss zu debattieren, schon im Anschluss an die letzte Sitzung gegeben gewesen wäre, wenn sich die Regierungsfraktionen dazu hätten durchringen können, die verschiedenen Anträge von der FDP, von der CDU und von den LINKEN, die deutlich detaillierter waren als das, was uns heute zur Debatte vorliegt, an den Schulausschuss zu überweisen. Es ist insgesamt eine wirklich außerordentlich bedauerliche Entwicklung, dass intensive Debatten über die schwierigen Probleme des Hamburger Schulsystems in dieser Legislaturperiode kaum noch möglich sind.

Liebe Frau Duden, es stimmt ja nicht, dass wir die Konsequenzen des Vorabiturchaos tatsächlich im

(Dr. Alexander Wolf)

Ergebnis und in den Konsequenzen im Schulausschuss diskutiert hätten. Wir haben eine erste Sitzung dazu gehabt; unser Vorschlag, das Thema weiter zu beraten im Schulausschuss, ist von Ihnen abgelehnt worden, und deshalb gibt es darüber eben keine intensive fachliche Diskussion. Es ist schon ein Trauerspiel, das wir dann auf Grundlage eines – Herr Dr. Wolf, Sie mögen es mir verzeihen – in der Durchdringung des Problems doch eher begrenzten Antrags darüber diskutieren müssen. Das, Frau Duden, müssen Sie sich leider sagen lassen, und da ist Ihr Antrag aus der letzten Bürgerschaftssitzung auch keine Glanzleistung. Man fragt sich, warum jetzt noch erst einmal evaluiert und wissenschaftlich begleitet werden soll. Es liegt doch inzwischen so viel schon auf dem Tisch. Es haben sich so viele wirklich Fachkundige zu diesem Thema geäußert. Warum beraten wir das nicht im Schulausschuss, und warum ergreifen Sie nicht jetzt die Maßnahmen, die erforderlich sind? Müssen es erst die Kinder sein, die heute noch in der Kita sind, die in den Genuss von weiteren Reformmaßnahmen kommen? Nein, ich denke es ist hohe Zeit, in dieser Frage zusammenzukommen.

Das ist kein Thema, das sich für polemische Debatten in der Bürgerschaft eignen würde, deshalb werden Sie so etwas von mir heute auch nicht hören. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass die doch zum Teil sehr detaillierten Vorschläge, die in der letzten Sitzung vorgelegen haben, dann auch zum Gegenstand einer intensiven Beratung geworden wären. Ich bin Ihnen, Herr Dr. Wolf, trotzdem dankbar, dass Sie das Thema heute noch einmal auf die Tagesordnung gebracht haben. Das kann man nämlich nicht oft genug machen. Und wenn wir es denn aufgrund Ihres Antrages im Schulausschuss im Detail beraten, ist mir das auch recht; mir ist da eigentlich fast alles recht, Hauptsache, wir machen es überhaupt. Insofern werden wir einer Überweisung Ihres Antrages an den Schulausschuss zustimmen und würden dann natürlich unseren Antrag in die Beratungen dort mit einbringen. Ich kann nur hoffen, dass Sie, Frau Duden, und Ihre Kollegen aus der Regierungsfraktion sich im Sinne eines verbesserten Mathematikunterrichts in Hamburg an diesen Vorhaben beteiligen und der Überweisung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Duge von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat, das Thema steht nicht das erste Mal auf der Tagesordnung, wir haben es schön häufiger gehabt. Die AfD springt auf einen Zug, der schon angefahren ist, der allerdings von der CDU in die falsche Richtung gelenkt worden ist.

Wir haben mit der Mathematikoffensive, beginnend schon vor zwei Jahren, und dem Beschluss in der letzten Sitzung der Bürgerschaft, die Schwächen, die vorhanden sind, zu evaluieren und zu verbessern – dazu sind einige Maßnahmen bereits eingeleitet –, den richtigen Weg eingeschlagen, und den wollen wir auch weitergehen.

(Beifall bei Christiane Blömeke GRÜNE und der SPD)

Das, was uns jetzt vorliegt, ist genau das, was uns wieder in die Mathematik des letzten Jahrhunderts zurückführt, eine Strukturmathematik, die nicht anwendungsbezogen ist, sondern ein geistiges Elaborat sich selbst, ein Elfenbeinturm aus wissenschaftlichen Vorzeiten, wenig anwendungsbezogen und nicht lebenstauglich nützlich, wie es eigentlich eine solche Hilfswissenschaft, wie die Mathematik es ist, sein sollte. Deswegen ist es richtig, dass wir Schülerinnen und Schüler eben auch mit kombinierten, anwendungsbezogenen Fragestellungen in der Mathematik konfrontieren, damit sie die Dinge, die sie lernen, entsprechend anwenden können und nicht nutzloses Wissen mit sich herumtragen. Es ist eben nicht die Aufgabe der Schule, beliebig komplizierte Wurzelgleichungen zur Lösung zu bringen, sondern es ist Aufgabe der Schule, Mathematik anwendbar zu machen, im Beruf, in der Natur oder in ökonomischen Fragen, und sie entsprechend sinnvoll rüberzubringen. Dafür sind meines Erachtens die richtigen Weichen gestellt.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Und lassen Sie mich noch ein Wort sagen. Lassen Sie doch die Kompetenzen der Lehrer entscheiden, wann sie einen Taschenrechner einsetzen. Müssen wir denn das hier sozusagen staatlich determinieren, wann ein Lehrer sinnvollerweise Taschenrechner einsetzen kann? Ich glaube, da sind die Lehrkräfte viel wichtiger, wenn es darum geht, eine solche Entscheidung zu treffen. Das müssen wir nicht hier beschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Duge. – Als Nächste erhält das Wort Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist alles Notwendige gesagt worden.

(Michael Kruse FDP: Ja!)

Kurz zusammengefasst: Ich finde, der Senat steht in einer hohen Verantwortung, den Schülerinnen und Schülern das Fach Mathematik möglichst angstfrei und möglichst erlebbar entgegenzubringen und dafür zu sorgen, dass man da gut lernen

(Karin Prien)

kann. Auf der Grundlage des AfD-Antrages vermag ich diese Diskussion nicht zu führen, denn Ihr Bildungsbegriff ist wirklich noch im letzten Jahrhundert verhaftet und auch Ihre Kenntnisse über modernen Unterricht und moderne Unterrichtsmethoden bedürfen, glaube ich, einer deutlichen Auffrischung.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal das unterstützen, was Sie gesagt haben, Frau Prien. Es ist nicht in Ordnung, dass wir im Schulausschuss, dort, wo die Fachlichkeit stattfinden soll, nicht die Gelegenheit bekommen haben, einmal wirklich vertiefend darüber zu sprechen, was eigentlich nicht rund läuft und was noch zu tun ist im Mathematikunterricht. Das war zu wenig, was im Schulausschuss passiert ist. Wir haben viele Anträge dazu gestellt, wir haben viele Anregungen gegeben. Wir haben zum Beispiel gefordert – was man auch aus den Schulen selbst hört –, dass Expertinnen und Experten – aus dem Landesinstitut, aus der Wissenschaft, die Praktikerinnen und Praktiker aus den Schulen – zusammengerufen werden und man ein Konzept aus einem Guss konzipiert. Das, was jetzt ist und unter dem Label Mathematikoffensive läuft, ist Stückwerk. Das habe ich immer wieder gesagt, das hört man aus vielen Schulen. Deswegen gibt es wirklich noch Nachholbedarf. Ich würde vom Senat erwarten, dass wir das im Schulausschuss noch einmal in aller Gründlichkeit aufrufen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Vielen Dank. – Als Nächstes erhält das Wort Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Volles Haus in Sachen Matheabitur. Wie kann ich euch alle wieder aufwecken? Da habe ich jetzt auch keine Idee.

Eine Sache ist Mathematik jedenfalls nicht: Mathematik ist keine Hilfswissenschaft. Wer das denkt, der muss sich dann vielleicht auch nicht wundern, wo wir in Hamburg stehen.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos und Dr. Alexander Wolf AfD)

Richtig ist, da beißt die Maus keinen Faden ab, dass wir hier vor einem Riesenproblem stehen. Selbst wenn es die AfD ist, die auch einmal einen richtigen Antrag einbringt, sollten wir dem schon einmal eine Debatte widmen.

Ich will diese Sache – weil meine Fraktion mich sonst, glaube ich, erhängen würde – nicht noch einmal aufrollen. Ich möchte aber eine Sache sehr klar sagen, und das ist jetzt an Sie gerichtet, liebe Freunde von der SPD – und schon sind Sie alle

wieder wach, das ist doch wunderbar –: Wir haben hier natürlich ein Riesenmathematikproblem, und das weiß Herr Rabe auch. Wenn er nicht gerade unter uns ist, sondern in einem kleineren Kreis, dann wird er das sicherlich auch besprechen. Die Offensive, die sogenannte, hat bis jetzt nicht gezogen und sie wird auch weiterhin nicht ziehen, wenn sie denn immer nur weiter evaluiert, evaluiert und noch einmal evaluiert wird, bis sie so lange evaluiert ist, dass die Erkenntnisse dann auch schon nicht mehr richtig sind. Wir brauchen jetzt eine Offensive, und wir brauchen noch etwas völlig anderes: Wir brauchen Beendigung des Unterrichtsausfalls. Das flankiert mit mittelmäßigen Matheergebnissen wird den Bildungsweg unserer Schüler nicht nur erschweren, sondern sie an Universitäten scheitern lassen. Und nur, weil heute ein Antrag von der AfD vorliegt, heißt es noch lange nicht, Frau Duden, dass Sie sich hinstellen und sagen können: Ja, wir haben auch gesehen, es läuft ein bisschen was schief, wir wollen da mal ein wenig draufschauen.

(Barbara Duden SPD: Das habe ich nicht gesagt!)