Die Reformation hat eine kulturprägende Bedeutung nicht nur in Hamburg, dort aber in besonderem Maße. Ich bin davon überzeugt, dass gerade in Zeiten des schwindenden historischen Bewusstseins, in Zeiten, in denen das Wissen um die Zusammenhänge nicht mehr selbstverständlich ist, die Besinnung auf unsere kulturellen Wurzeln wichtig ist. Ich sehe darin auch einen Beitrag gegen den Versuch, nationalistisch-völkische Vereinnahmungen und Verfremdungen unseres kulturellen Erbes vorzunehmen. Dagegen hilft nur erinnern und Bildung.
Die Reformation hat das eigenständige Denken, den Vorrang des Gewissens vor der Obrigkeit in den Mittelpunkt gestellt. Wir alle kennen den Spruch: Hier stehe ich und kann nicht anders. Sie hat die Gleichheit der Menschen, völlig unabhängig von Amt und Stand proklamiert; sie war eine Bildungsbewegung – in Hamburg verdanken wir den Reformatoren die Schulordnung und das Johanneum – und ein wichtiger Vorläufer und Vorbereiter der Aufklärung. All das sind Prinzipien, die nicht nur in der Vergangenheit ihre Bedeutung haben, sondern auch heute noch wirken und in die Zukunft weisen. Deshalb schlagen wir vor, den Reformationstag dauerhaft als freien Feiertag zu verankern.
Es geht nicht darum, ein historisches Ereignis zu feiern, möge es noch so bedeutend sein. Es geht darum, den Kern des Reformationsgedankens auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft zu beziehen, und zwar nicht nur in religiöser Hinsicht. Wir erleben eine radikale Pluralität der Gesellschaft, so wie es Altbischof Huber einmal ausgedrückt hat. Wir erleben Veränderungen, die eine Bewährungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist aber nur möglich, wenn es ein gemeinsames Wertefundament gibt. Deswegen ist der Vorschlag des Reformationstages auch kein antikatholischer Feiertag. Wie wir wissen, wollte Luther keine eigene Kirche gründen. Als Luther nach Rom kam, war laut Papst Franziskus die Kirche nicht in einem vorzeigbaren Zustand. Wir wissen, dass dieses Thema längst ein ökumenisches Thema geworden ist. Auch in Hinsicht auf die religiöse Pluralität geht es nicht nur um das Christentum, es geht nicht um die Erscheinungsform des Glaubens, sondern um deren Kern: Die Würde des Menschen als gottgeschaffen, die Nächstenliebe und im Christentum auch die Feindesliebe – ehrlich gesagt, wohl das Schwierigste, liebe deine Feinde –, aber ein unverzichtbarer Baustein für Frieden und Gerechtigkeit im menschlichen Miteinander und nicht zuletzt hier in der Bürgerschaft.
Dieses Wissen um Reformation ist eine gute Basis für die Integration, für den interreligiösen Dialog. Aber es geht um weltliche, abstraktere Dinge. Reformation bedeutet schließlich, Dinge in ihre ursprüngliche Form zu bringen. Es ist nicht der Revolutionstag der ersehnten Weltrevolution mancher politischer Kräfte, aber er ist eben auch nicht nur ein einfacher Renovierungstag, sondern ein Tag, um die Dinge wieder auf den Kern zurückführen. Aus der historischen Erfahrung der Kirchenspaltung durch das Unterlassen von Reformation können wir auch noch heute viele Konsequenzen für unsere Demokratie ziehen. Wenn wir nicht ständig reformieren und nicht ständig gegen die Degeneration der Demokratie arbeiten, dann werden wir sie auch nicht erhalten.
Es gibt viel Kritik aus Teilen der Wirtschaft, von wegen ökonomischer Verluste. Ich finde, dass Feiertage auch Wirtschaftskraft entwickeln. Ich erinnere nur an Tourismus, Gastronomie und Kultur. Auch Süddeutschland mit bis zu fünf Feiertagen mehr versinkt nicht im ökonomischen Elend. Nein, ich finde, der ökonomische Blick allein erfasst und beurteilt Mensch und Gesellschaft nicht vollständig. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein, wie es in der Bibel heißt.
Deshalb ist unser Antrag heute eine Einladung an alle Fraktionen, diese Diskussion über das Fundament, über die Werte unserer Gesellschaft, zu führen. Wir freuen uns, dass sie schon in der Stadt intensiv geführt wird, und ich hoffe, dass am Ende ein breiter Konsens in der Bürgerschaft entsteht, den Reformationstag zum Feiertag zu machen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, die Einladung nehmen wir gern an. Ich glaube, die Überweisung in den Ausschuss ist die Begründung dafür, dass das, was Sie gesagt haben, sehr bedenkenswert ist.
Ich will das um einige, mir besonders wichtige Aspekte ergänzen. Die Reformation war und ist für uns ein Anstoß zur Individualität und Meinungsfreiheit, letztlich ein Beispiel dafür, welche Macht das Aufbegehren Einzelner gegen scheinbar festgefügte göttliche Ordnungen haben und entwickeln kann. Es ist eigentlich auch ein Beispiel für Zivilcourage.
Die Anstöße aus der Reformation – Herr Wersich hat darauf verwiesen – prägen unsere heutige Weltsicht und unser heutiges Menschenbild, übrigens auch derjenigen, die dem christlichen Glauben nicht angehören oder ihn sogar ablehnen. Auch wir Sozialdemokraten begründen unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität auch aus der christlichen Lehre, insbesondere zum Beispiel aus der Bergpredigt. Aufgrund dieser Bedeutung gerade für Hamburg haben wir uns damals für den einmaligen Feiertag entschieden. In den nächsten Tagen wird das durch verschiedene Veranstaltungen, die am 31. Oktober ihren Höhepunkt finden, verdeutlicht werden. Ein Kompliment übrigens auch für die Veranstalter dieser verschiedenen Veranstaltungen, die sie sehr ökumenisch und sehr interreligiös aufgestellt haben. Dies ist für Hamburg als Hauptstadt des interreligiösen Dialogs von sehr großer Bedeutung. Und so müsste, wenn wir uns dafür entscheiden sollten – deswegen sind wir auch für eine Überweisung an den Ausschuss –, für uns dieser Tag dementsprechend angelegt sein.
Ein vorläufiges Fazit lässt sich schon heute ziehen: Durch die Veranstaltungen und Feiern sind weitere Impulse für Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit gegeben worden. Nach dem 31. Oktober sollten wir alle gemeinsam Bilanz ziehen, wie dies insgesamt gelungen ist.
Dieser Tag weist mit dem Ansatz Brückenschlag zwischen den Religionen und als Tag der interreligiösen Zusammenarbeit darauf hin, wie wir mit Religion und mit religiösen Themen auch in Zukunft umgehen sollen. Insofern sollten wir in der Befassung im Ausschuss noch einige wichtige Punkte beachten und den Diskussionsstand in den anderen norddeutschen Ländern einbeziehen. Wie Sie wissen, wird zurzeit vielfältig darüber diskutiert, in Schleswig-Holstein ist es im Ausschuss, in Niedersachsen werden wir wohl nicht umhin kommen, die Wahl am 15. Oktober 2017 abzuwarten, damit sich die Lage dort auch klärt, denn auch dort gibt es vielfältige Auffassungen. Auch in Bremen wird es im Moment sehr heftig diskutiert. Ziel wäre eine gemeinsame Feiertagsregelung. Es gibt auch wirtschaftliche Aspekte – Herr Wersich hat darauf hingewiesen –, es gibt die Möglichkeit, im Ausschuss auch Vertreter aus der Wirtschaft zu hören.
Der Artikel, der heute im "Hamburger Abendblatt" veröffentlicht wurde, hat sich beim Kontra zu diesem Feiertag tatsächlich nur auf wirtschaftliche Aspekte bezogen. Dieser Artikel könnte ein Beleg dafür sein, dass wir vielleicht einen Anlass brauchen, um solche Feiertage genauer zu diskutieren, denn dieser Artikel hat sich nur auf die rein ökonomischen Verhältnisse kapriziert, und ich glaube, dass dieser Ansatz überhaupt nicht trägt.
Letztendlich wäre das Ziel auch meiner Fraktion, eine größtmögliche Übereinstimmung auch hier im Parlament zu erzielen. Deswegen nehmen wir die Einladung von Herrn Wersich und dann im Ausschuss natürlich gern an. Ich möchte alle darum bitten, zu prüfen, ob dieser Feiertag auch für diejenigen unter uns, die keine Christen sind, ein Angebot sein könnte, sich damit auseinanderzusetzen, was unsere Gesellschaft trägt und prägt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Wersich, vielen Dank für den interessanten Vorschlag und für die Einladung, die auch wir gern annehmen. Wir finden, dass es ein Aufschlag für eine breite gesellschaftliche Diskussion ist. Auch daran, dass die Medien dieses Thema in einer breiten, sehr differenzierten und durchaus sachlichen Debatte aufgegriffen haben, sieht man, dass es uns tatsächlich bewegt. Nichtsdestotrotz sollten wir diese Diskussion weiterhin breit aufgestellt in der Stadt führen. Wir müssen das mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen.
Wir werden mit den Kirchen sprechen müssen, mit anderen Religionsgemeinschaften, denn wir sind tatsächlich die Hauptstadt des interreligiösen Dialogs. Wir werden mit den Schulen, Kitas, Universitäten und Bildungseinrichtungen sprechen müssen, natürlich auch mit der Tourismusbranche, mit den Gewerkschaften und letztendlich natürlich auch mit der Wirtschaft. Kurzum, das ist kein Entschluss, den man eben einmal so fassen kann, sondern wir müssen das breit diskutieren. Das Gute ist, dass wir es dieses Jahr ausprobieren können. Das machen wir und können daraus durchaus unsere Schlussfolgerungen ziehen.
Ich persönlich – das möchte ich hier deutlich sagen – bin diesem Vorschlag sehr zugeneigt. Natürlich freue ich mich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über einen weiteren freien Tag, das will ich nicht verhehlen, auch wenn ich als Religionspolitikerin an diesem Tag nicht frei habe. Noch mehr als in kirchen- oder religionspolitischer Hinsicht finde ich diesen Tag in gesellschaftspolitischer Hinsicht sehr relevant, denn der Reformationstag beziehungsweise die Reformation an sich
ist der Einstieg in eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft, wie wir sie heute kennen. Es ist auch der Einstieg in unseren säkularen Staat; das dürfen wir nicht vergessen. Deswegen finde ich schon, dass wir diesem Tag sehr viele Gedanken zollen sollten.
Fazit ist, dass wir dieses Jahr Erfahrungen sammeln. Wir werden mit der Stadtgesellschaft sprechen, wir werden das deswegen auch an den Verfassungsausschuss überweisen. Ich betone sehr deutlich, wir werden es sicherlich ergebnisoffen innerhalb der Fraktionen diskutieren. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Meine persönliche Haltung habe ich hier bereits kundgetan. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch DIE LINKE ist selbstverständlich für einen weiteren freien Tag,
und zwar schon allein deshalb, weil es eine gesellschaftliche Provokation ist, dass es im Süden viel mehr Feiertage gibt als im Norden. Darüber kann es keine kirchliche Diskussion geben. Herr Kruse und die FDP sollten das im Zusammenhang mit den anstehenden wichtigen ökonomischen Diskussionen einmal einsehen. Das ist doch der wichtigste Hinweis darauf, dass Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich vernünftig und ökonomisch tragfähig ist und dementsprechend genutzt werden sollte.
Volkswirtschaftlich stelle ich fest, dass die Bayern viel weniger Arbeitstage haben und trotzdem ökonomisch gut dastehen. Dagegen gibt es einzelwirtschaftliche Interessen, die nicht in der Lage sind, mit wirtschaftlichen Fragestellungen wie Arbeitszeitverkürzung gut umzugehen. DIE LINKE ist ökonomisch sozialpolitisch orientiert und deswegen für einen weiteren freien Tag.
Nun geht es um die Frage, welcher Tag Sinn macht. Wir als DIE LINKE haben dazu schon einmal einen Antrag gestellt. Wir haben den 8. Mai, den Tag der Befreiung dieses Landes, vorgeschlagen.
Dieser Tag ist auch deswegen so wichtig, weil er eine neue Bedeutung durch den rechten Teil bekommen hat, den wir auch in diesem Parlament haben und der diesen Diskurs über den Tag der Befreiung infrage stellt. Ich finde, dass dieser Punkt eine sinnstiftende Existenzfrage dieser Gesellschaft ist. Wie verhalten wir uns dazu? Wie ist unser Verhältnis zur Nation? Wie ist unser Verhältnis zur internationalen Gesellschaft? Dabei spielt meiner Meinung nach die Bewertung, dass dieser Tag der Tag der Befreiung ist, eine sehr bedeutende gesellschaftliche Rolle.
Von daher steht für mich außer Frage, dass der 8. Mai der richtige Tag wäre, den man dafür befassen sollte. Wir sollten das gesellschaftlich austragen und diskutieren, auch deshalb, weil es schon viele kirchliche Feiertage in dieser Gesellschaft gibt. Wir müssen uns auf eine Gesellschaft einstellen, die stärker auch gesellschaftliche Fragen behandeln sollte, die auch überkulturelle, überkirchliche Fragestellungen behandeln sollte. Von daher ist das mein zweites Argument: ein neuer, gesellschaftlicher, wichtiger Feiertag. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte es sehr kurz machen: Die FDP ist für eine strikte Trennung von Staat und Kirche, und deshalb kann die FDP auch nicht dafür sein, dass es einen weiteren kirchlichen Feiertag gibt – Punkt.