Protokoll der Sitzung vom 01.11.2018

Zweitens: Jede Schule muss mit einem Verwaltungschef ausgestattet werden, denn in Zeiten von Fachkräftemangel und Lehrerknappheit ist es opportun, Lehrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, damit sie sich auf das Wesentliche, auf die Lehrtätigkeit, konzentrieren können.

Das Tempo der Veränderungen in der Schule, bezogen auf Inhalte, Methoden und Organisation, hat sich seit Einführung des Lehrerarbeitszeitmodells enorm beschleunigt. Damals gab es noch keine selbstverantwortete Schule, es gab auch keine so starke Individualisierung und Vielfältigkeit des Un

terrichts wie heute. Die Anforderungen der Inklusion laut UN-Behindertenkonvention, aber auch die Bedarfe in der Sprachförderung sind stark gestiegen. Hier meine ich ausdrücklich nicht nur die Flüchtlingsbeschulung, sondern wenn wir ehrlich sind, besteht ein weiterer großer Bedarf in der allgemeinen Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Die große Chance hier, Lehrkräfte mit der Befähigung Deutsch als Zweitsprache vermehrt einzusetzen, müssen wir nutzen, aber das müssen wir auch zeitlich anerkennen und einpreisen.

Last, but not least möchte ich die enorme gesellschaftliche Veränderung durch den Ausbau des Ganztags nennen. Diese Entwicklung war bei Einführung des Arbeitszeitmodells noch nicht in diesem Ausmaß erkennbar. Doch auch hier benötigen Lehrer mehr Zeit, um die notwendige Abstimmung mit den Nachmittagsbetreuenden und den Förderkräften zu leisten. Ohne die Verzahnung des Ganztags mit der Schule bleibt die propagierte Chancengerechtigkeit eine Worthülse, und das darf nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Kurzum, hier sind große Aufgabenkomplexe für unsere Lehrkräfte hinzugekommen, die bisher nur wenig Berücksichtigung finden. Das, was Lehrerinnen und Lehrer heute zu leisten haben, wird immer anspruchsvoller und entspricht keineswegs mehr dem Modell von vor 15 Jahren. Da muss man sich doch als Behörde die Frage stellen lassen, ob die Lehrerinnen und Lehrer für alle zusätzlichen Aufgaben überhaupt die Zeit bekommen haben. Die Antwort ist klar und lautet, nein, die haben sie nicht bekommen. Sie müssen heute aufgrund der gestiegenen Anforderungen Aufgaben für die Gesellschaft leisten, für die sie nicht im Geringsten über die entsprechenden Ressourcen verfügen.

Die Folge ist, dass vieles zwischen Tür und Angel oder oftmals gar nicht stattfindet. Lehrer sind gezwungen, eine Auswahl dessen zu treffen, was sie leisten können, und da fällt das eine oder andere auch einmal hinten runter. Versprechungen von Schulsenator Rabe an die Eltern, was alles zusätzlich an Schulen erbracht wird, laufen entweder ins Leere oder werden auf dem Rücken der Lehrer ausgetragen, denn die notwendige Arbeitszeit hierfür ist bei den Lehrern nie angekommen.

Ich habe Hochachtung vor allen Lehrerinnen und Lehrern, denn diese arbeiten vielfach einfach mehr und länger, als sie es eigentlich müssten, weil sie das Wohl der Schülerinnen und Schüler im Blick haben. Bisher wird die Aufgabenzunahme bis hin zur Überforderung auf dem Rücken der Lehrer ausgetragen und damit auch auf dem Rücken der Schüler. Das muss sich schnellstmöglich ändern. Der notwendige höhere Arbeitsaufwand muss erhoben und im Lehrerarbeitszeitmodell verankert werden.

(Vizepräsidentin Antje Möller)

Die Schulbehörde darf die Augen vor der Realität nicht weiter verschließen. In den Jahren 2005 und 2008 haben bereits zwei Evaluationen stattgefunden, die aufgezeigt haben, dass ein höherer Arbeitsaufwand angepasst werden muss. Selbstkritisch hätte dieses auch schon zum Ende unserer Regierungszeit angeschoben werden können, doch ist das kein Freibrief, Senator Rabe, dass man notwendige Anpassungen bis heute einfach ignoriert. Und das Schlimme daran ist, auch die aktuellen Brandbriefe aus Lehrerschaft und Schulen sind bisher nicht zum Anlass genommen worden, das Arbeitszeitmodell zu überdenken. Verantwortliche Bildungspolitik sieht anders aus.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)

Was Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen leisten, ist allerhand und muss im Lehrerarbeitszeitmodell auch aufgeschrieben werden. Nur dann kann das System auf Dauer verlässlich funktionieren, ohne dass jemand, Lehrer oder Kinder, ins Hintertreffen gerät. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nun Frau Duden für die SPD-Fraktion. Und ich möchte noch einmal die Gelegenheit nutzen, um auf mehr Aufmerksamkeit auf der von mir aus rechten Seite hinzuweisen. Ich könnte jetzt auch Namen nennen.

(Zurufe: Ja, bitte!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Lehrerarbeitszeitmodell, hat Frau Stöver gesagt, ist 2003 eingeführt worden. Man muss auch deutlich machen, das ist in den Ausführungen von Frau Stöver ein bisschen zu kurz gekommen, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte immer auch Anteile umfasst, die unterrichtsbezogene Aufgaben betreffen wie zum Beispiel funktionsbezogene Aufgaben und allgemeine Aufgaben. Hier sind auch deutlich die Fortbildung und die Vertretungsstunden mit beinhaltet.

Bei den Ausführungen von Frau Stöver ist nicht so deutlich geworden, dass das Lehrerarbeitszeitmodell von folgendem Grundsatz ausgeht: Es gibt immer, bei jeder Zuweisung von Lehrerstellen, ungefähr 33 Prozent, die nicht auf die Unterrichtszeit angerechnet werden, sondern die pauschal für weiteren Unterrichtsbedarf berechnet werden. Das heißt, dass es bei 30 zugewiesenen Lehrerstellen immer auch einen Anteil von zehn Lehrerstellen gibt, die für diese funktionsbezogenen Aufgaben berechnet werden. Das macht deutlich, dass neue unterrichtliche Aufgaben wie zum Beispiel Inklusion oder der Ganztag auch hier automatisch bei der Lehrerzuweisung mit 33 Prozent der Arbeitszeit extra berechnet werden. Es gibt pauschale Zuwei

sungen, weil der Zeitbedarf für außerunterrichtliche Aufgaben nicht immer im Einzelnen festsetzbar ist. Das alles findet sich in keiner anderen Lehrerarbeitszeitverordnung Deutschlands. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen dürfen.

Die Behauptung, dass zusätzliche Aufgaben für Lehrkräfte nicht mit Entlastung an anderer Stelle einhergehen, ist schlichtweg falsch. Zusätzlich gab es eine Reihe von Maßnahmen zur Entlastung von Lehrkräften, ich zähle nur ein paar auf. Die zentralen Abiturarbeiten bedeuten eine Reduzierung von individuellen Vorbereitungen zu Themen. Es gibt eine Verringerung von Unterrichtsstunden für Lehrkräfte der Stadtteilschulen, die so viel unterrichten wie jetzt auch Gymnasiallehrer. Es gibt kleinere Klassen, es gibt weniger Klassenarbeiten.

Ganztag und Inklusion, zwei weitere Aufgaben, die auch Frau Stöver erwähnt hat, sind dazugekommen, und es gibt seit 2010 rund 1 900 Lehrerstellen mehr, auch hier ist automatisch ein Drittel der Stellen für funktionsbezogene Aufgaben berücksichtigt worden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Danke, danke.

Die Schulen haben die Möglichkeit, das muss man in dieser Deutlichkeit noch einmal sagen, Lehrerstellenanteile in Stellen anderer Professionen umzuwandeln, das heißt in Stellen, für die keine Lehrerqualifikation notwendig ist. Davon wurde in den letzten Jahren durchaus Gebrauch gemacht. Und die Schulbehörde ist zurzeit im Gespräch mit den Leiterinnen und Leitern der Hamburger Gymnasien, um zum Beispiel die Möglichkeit zu schaffen, dass Verwaltungsleiter in Schulen installiert werden können.

Sie sehen, eine Neufestsetzung der Lehrerarbeitszeit ist vor dem von Ihnen dargestellten Hintergrund nicht erforderlich, und deshalb werden wir auch den Überweisungswunsch ablehnen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Herr Duge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorweg vielleicht ein Wort: Ich hätte mir vor zwei Wochen, am 17. Oktober, nicht träumen lassen, dass ich heute zu schulpolitischen Themen sprechen werde.

(Jörg Hamann CDU: Wir uns auch nicht!)

Ich habe mit Bedauern eben erfahren, dass Stefanie von Berg ihr Mandat niederlegen wird, und ich habe gesagt, gut, dann übernehme ich die Aufgabe, hier auch die schulpolitischen Themen mit zu debattieren.

(Birgit Stöver)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für uns ist es – nicht nur für die GRÜNEN, glaube ich – ein großer Verlust, weil sie sich mit großem Engagement in diese Thematik eingebracht hat. Ich denke, sie hat auch über dieses Haus hinaus in die Schulpolitik gestrahlt.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Thema!)

Insofern ist es absolut bedauerlich, wie ich sagte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Kommen wir aber nun zum Thema. Das Lehrerarbeitszeitmodell ist eigentlich schon seit seiner Einführung immer heiß diskutiert worden, das ist nicht neu, aus unterschiedlichen Gründen. Ich weiß gar nicht mehr, ob das Modell, das damals eingeführt wurde, durch Senator Lange, Senator Soltau oder Frau Dinges-Dierig entstanden war, denn das wechselte damals in einer Tour. Es wurde damals eine Unternehmensberatungsgesellschaft engagiert, die sich zwar in der Wirtschaft gut auskannte, aber weniger Kenntnisse über die Realitäten in der Schule hatte und über Tätigkeiten von Lehrerinnen und Lehrern. Das war dann auch der Grund, warum diese Anpassungen in 2005 und in 2008 durchgeführt wurden, um es ein bisschen dem Schulbetrieb entsprechender zu machen.

Wenn ich jetzt den Antrag der CDU lese und sehe, was da verändert werden soll, dann habe ich den Eindruck, irgendwie ist die CDU immer noch nicht so richtig in der Schulrealität angekommen.

(Beifall bei Farid Müller GRÜNE – Zuruf)

Ja, Sie kennen mich doch und wissen auch,

(André Trepoll CDU: Sie müssen sich noch einarbeiten!)

dass es wenig nachvollziehbar ist, wenn Sie sagen, Ganztagsschule, selbstverantwortete Schule, Inklusion und was Sie dann alles aufzählen, und dabei wirklich unterschlagen, dass hierfür zahlreiche Stellen, allein 1 900 Stellen für Ganztag und Inklusion und 30 Stellen für Berufs- und Studienorientierung, eingeführt wurden. Ich habe das selbst miterlebt: Die Reduzierung der Klassenarbeiten war eine deutliche Arbeitserleichterung, kleinere Klassen, die dazugekommen sind, das habe ich am eigenen Leib gespürt. Gerade wenn man etwas älter wird, ist das, glaube ich, noch besonders bemerkbar, weil man dann diese Belastung doch immer wieder mit sich zieht. Das sind Maßnahmen, die wirklich gut gewirkt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Duden hat es schon angeführt, ein Drittel der Stellen sind für allgemeine und funktionsbezogene Tätigkeiten für Lehrerinnen und Lehrer im Arbeitszeitmodell eingerechnet. Wenn Sie also 30 Stellen zusätzlich haben, sind da 10 Stellen Verwaltungs

tätigkeit mit eingerechnet, also allgemeine und entsprechend auch funktionale Tätigkeiten. Eine Steigerung der Verwaltungstätigkeiten, also der funktionalen und allgemeinen Tätigkeiten, wie es dann offiziell heißt, ist auch nicht das Ziel. Das haben Sie durchaus gesagt. Und dann müssen die Schulen – und die Möglichkeiten haben die Schulen – entsprechend auch das, was an Kontingenten in diesem Drittel da ist, personell einsetzen, indem sie zum Beispiel Verwaltungsstellen einsetzen können. Ich kenne das noch aus der Verwaltungsschule, in der ich die ersten 14 Jahre Verwaltungspersonal ausgebildet habe. Da hatten wir auch jemanden, der dort als Verwaltungsleiter gearbeitet und diese Verwaltungsaufgaben übernommen hat. Das sind alles Möglichkeiten, die die Schulen haben. Sie haben da durchaus einen Spielraum, entsprechend heranzugehen. Es ist doch nicht das Ziel, dass wir die Verwaltungstätigkeit aufbauen in der Art der Lehrertätigkeit, das ist doch klar, sondern dass sie ihre unterrichtliche Tätigkeit voranbringen und dort auch ihren Schwerpunkt haben. Und die Möglichkeiten bestehen, dass man die Verwaltungstätigkeiten entsprechend ausgliedern kann.

Dazu kommen technische Möglichkeiten, um das zu vereinfachen, strukturelle, organisatorische Möglichkeiten, all das habe ich in Schulen übrigens miterlebt. Insofern muss ich ehrlich sagen, dass dieser Antrag in eine falsche Richtung geht. Wir haben diese Dinge auch personell wirklich gut in den Variationsmöglichkeiten, die die Schulen haben, aufgebaut. Ich denke, das ist zu nutzen. Und insofern geht Ihr Antrag an dieser Stelle völlig fehl.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Boeddinghaus das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Duge, erst einmal herzlich willkommen im Schulausschuss. Ansonsten hätte ich gern meiner Kollegin Stefanie von Berg auch persönlich noch einmal etwas zum Abschied gesagt. Das haben Sie jetzt zwar für sich in Anspruch genommen, aber wir alle anderen Kolleginnen hatten leider diese Möglichkeit nicht. Ich bedaure das sehr, auch ich werde sie hier sehr vermissen.

Jetzt aber zum Thema. Ich glaube, dass Rot-Grün es besser weiß, als Sie das in Ihren Reden kundtun. Das Lehrerarbeitszeitmodell ist nach wie vor an den Schulen ein Riesenthema. Es ist ein absolut neuralgischer Punkt, und ich gehe einmal die Wette ein, es gibt keine einzige Lehrkraft in Hamburg, die sagt, dass das Lehrerarbeitszeitmodell ausreichend ist, den Bedarfen angemessen und gesundheitsförderlich.

(Olaf Duge)

(Jens-Peter Schwieger SPD: Das sehe ich nicht so!)