Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ums Wort hat noch einmal gebeten der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Frau Ministerin, das ist ja eine sehr charmante Einladung. Ich kann Ihnen heute schon ver

sprechen, wenn ich dann noch im Amt bin, werde ich diese Einladung annehmen, aber unter der Bedingung, dass ich reden darf

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Herr Glawe, was ist das denn?! – Heinz Müller, SPD: Was ist das denn für eine Ankündigung?)

und dann auch als Redner ausgewiesen werde. Dann komme ich selbstverständlich.

(Barbara Borchardt, PDS: Das hätten Sie aber mal vorher sagen müssen. – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1625. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1625 bei Zustimmung durch die Fraktion der CDU und Ablehnung durch die Fraktionen der SPD und PDS sowie einer Stimmenthaltung in der Fraktion der SPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – BenchmarkingReport „Existenzgründung M-V“, auf der Drucksache 4/1622.

Antrag der Fraktion der CDU: Benchmarking-Report „Existenzgründung M-V“ – Drucksache 4/1622 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Liskow von der Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Präsident, ich kann Ihnen versichern, ich bin wieder etwas ruhiger geworden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Bundesrepublik stieg die Arbeitslosenquote zu Jahresbeginn auf traurige Rekordhöhe. Mecklenburg-Vorpommern ist seit Monaten Schlusslicht in der Arbeitslosenstatistik. Bei 26.729 arbeitslosen Jugendlichen und 85.170 Langzeitarbeitslosen, meine Damen und Herren, ist die Situation im Lande an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Die von der Bundesregierung eingeleitete Umsetzung der Reformpläne war bislang außerstande, die Wende am Arbeitsmarkt einzuleiten.

Einer der ersten Reformschritte war die Regelung über die Gründung einer so genannten Ich-AG, die staatlich geförderte Überführung von Arbeitslosen in die Selbstständigkeit. Doch von Anfang an gab es gebündelte Zweifel an der Wirksamkeit dieses arbeitsmarktpolitischen Instrumentes. Grundsätzliche Bedenken gegen die IchAGs fußen einerseits auf der Annahme, dass subventionierte Kleinstunternehmen gegründet werden und so eine Förderung am Rande der Wettbewerbsverzerrung aufgebaut wird. Andererseits könnten Firmen ihre Arbeitnehmer ausgliedern und als Ich-AGs weiterbeschäftigen, unter

Einsparung von Sozialabgaben, muss man logischerweise dann sagen.

(Angelika Gramkow, PDS: Wer hat denn die Ich-AGs beschlossen?)

Die Bundesregierung.

Und, meine Damen und Herren, allein bei den Befürchtungen …

(Angelika Gramkow, PDS: Ach, Sie waren wohl wieder im Bundesrat nicht dabei, Herr Liskow?)

Wir sind auch dabei, aber wir haben von Anfang an kritisch unser Wort zu Protokoll gegeben.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Regine Lück, PDS: Sachlich, kritisch? Na, na, na!)

Und, meine Damen und Herren, allein bei den Befürchtungen ist es nicht geblieben. Gerade aus dem Bau- und Handwerksbereich sind mir viele derartige Beispiele bekannt. Überall dort, wo Rot-Grün den Meisterzwang abgeschafft hat, ist dies gängige Praxis. Im Februar 2005 wurden insgesamt 9.253 Ich-AGs in Mecklenburg-Vorpommern von der Bundesagentur für Arbeit mit dem Existenzgründerzuschuss gefördert. Im März waren es dann 8.798 Existenzgründerzuschüsse. Allein im Jahr 2004 gaben gut 1.380 geförderte Personen wieder auf, im Januar und Februar 2005 waren das bereits 281. So steht es in meiner Kleinen Anfrage auf Drucksache 4/1567.

(Peter Ritter, PDS: In der Antwort steht es drin. – Dr. Margret Seemann, SPD: In der Antwort steht es.)

In der Kleinen Anfrage, in der Antwort darauf sozusagen.

Meine Damen und Herren, richtig entsetzt war ich über die Antwort zu Frage 3 meiner Kleinen Anfrage. Ich wollte erfahren, in welcher Branche Ich-AGs aktiv sind beziehungsweise waren, und da heißt es in der Antwort: „Hierzu liegen … keine Erkenntnisse vor.“ Verblüffend, denn nachdem die „Ostsee-Zeitung“ und die „Schweriner Volkszeitung“ das Thema aufgegriffen hatten, lagen auf einmal doch Daten vor.

(Angelika Gramkow, PDS: Da sehen Sie mal, was Kleine Anfragen bewirken.)

Nicht die Kleinen Anfragen, sondern die Öffentlichkeit in der Presse.

(Angelika Gramkow, PDS: Die Antworten der Kleinen Anfragen.)

Der Bestand und der Zugang an Existenzgründerzuschüssen nach Wirtschaftsabteilungen und -gruppen konnte nun doch differenziert aufgezeigt werden. Kleiner Schönheitsfehler am Rande: Die Abgänge werden in dieser Form leider nicht aufgezeigt. Hinzu kommt, dass nach einer aktuellen Analyse aus dem Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit über die Hälfte derjenigen, die aufgeben, anschließend erneut arbeitslos werden. 53,6 Prozent waren nach Förderabbruch wieder arbeitslos, lediglich 33,6 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt und nur 4,5 Prozent anderweitig nicht gefördert selbständig.

Und jetzt das Fatale: Bei einem Drittel der Fälle war die Aufgabe der Ich-AG mit zusätzlichen Schulden verbunden. Drei Viertel hatten Verbindlichkeiten bis zu 5.000 Euro und

16 Prozent hatten sogar Schulden bis zu 10.000 Euro aus der selbständigen Tätigkeit. Seit Januar 2003 wurden bis zum heutigen Tage weit über eine viertel Millionen Ich-AGs mit Existenzgründerzuschuss unterstützt. Fast ein Fünftel davon ist schon wieder aus der Förderstatistik verschwunden. Die berechtigte Frage ist doch, was aus diesen Gründungen oder Gründern wurde.

Eine wichtige Analyse der IAB-Studie war, dass die Abbrecheranalyse die Schattenseite des Gründungsgeschehens ein wenig erhellen kann. Nur dann muss man dieses auch tun. Danach fehlt nur noch der Aufruf „Einfach anfangen!“ mit so einer Studie. Eine Diskussion über Erfolg oder Misserfolg des Förderinstrumentes wird dadurch konterkariert, dass keine Aussagen zur Branchenstruktur aus der Förderung ausgeschiedener Existenzgründer gemacht werden können. Jemand, der seinen Antrag nicht rechtzeitig erneuert, wird genau wie alle, die gescheitert mit Schulden aufgeben, ausgewiesen. Auch die Abbrecheranalyse ist somit faktisch unmöglich. Diese wird jedoch benötigt, um Gründungswillige vor zusätzlichen großen Belastungen aus Fehlschlägen zu bewahren. Eine sachliche Erfolgsanalyse ist das, was wir erreichen wollen. Damit aus dem „Einfach anfangen!“ nicht ein breites „Jammervoll aufhören“ wird, ist es notwendig, die Effektivität und die Effizienz aller staatlich geförderten Existenzgründerprogramme zu durchleuchten.

Es kommt auch das Wirtschaftsministerium in der Presseinformation 56/05 vom 03.02.2005 zu dem Ergebnis, dass sich die derzeitige Form der Ich-AG nicht bewährt hat. „Zu leichtfertige Beratung hat viele Gründer in die Krise geführt: Nach dem ersten geförderten Jahr der beruflichen Selbstständigkeit haben sich viele Gründer wieder arbeitslos gemeldet. Grund dafür ist das niedrige Anforderungsprofil und die Möglichkeit, ohne Unternehmenskonzept und Qualifikationsnachweis an den Markt zu gehen“, so wörtlich in dieser Pressemitteilung.

Also, meine Damen und Herren, einen weiteren Beratervertrag brauchen wir keinesfalls. Sachkundige Kompetenz scheint im Hause des Wirtschaftsministeriums vorhanden zu sein. Diese Sachkompetenz, so habe ich die Befürchtung, wird aber wohl wieder einmal zwischen zwei Kapitänen zerrieben und der untergehende linkslastige Tanker mit dem Namen „zweiter und dritter Arbeitsmarkt“ wird sie mit in die Tiefe reißen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Streben nach größtmöglicher Effektivität der knappen Fördermittel ist es unbedingt notwendig, eine breite Transparenz zu schaffen, um die Basis für dauerhafte Arbeitsplätze zu generieren. Ein Vergleich der Landes- und Bundesinstrumente wird über die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen Aufschluss geben. Und so ist es für mich unverständlich, dass es sofort aus dem Ministerium ächzt und dieser Benchmarkingansatz wegen eines zu großen Arbeitsaufwandes abgewimmelt wird. Es kann doch nicht sein, dass Kleine Anfragen wie folgt beantwortet werden: „Eine exakte Beantwortung der Frage nach dem beruflichen Verbleib von geförderten Teilnehmern verschiedener Maßnahmen ist nur mit erheblichem Aufwand möglich“. Und weiter heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Strenz: „Aufgrund dieses Aufwandes ist zumindest kurzfristig eine umfassende Beantwortung der gestellten Frage nicht möglich“, nachzulesen in der Drucksache 4/965.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Der Skandal ist, dass aber auch langfristig eine Antwort nicht gegeben wurde. Zwischenbewertungen sind also unmöglich. Als Ziel wurde das Jahr 2007 genannt. Na dann mal immer weiter raus mit dem Geld! Scheinbar ist es der Landesregierung egal, wie hier mit Steuergeldern umgegangen wird. Eine Sache ist es, auf Parteiveranstaltungen zu mosern, etwas anderes aber, auch die notwendigen Schlüsse im Kabinett zu ziehen. Augenscheinlich hat es wenig Gewicht, wenn der SPD-Landesvorsitzende und Agrarminister Dr. Backhaus und der gesamte SPDLandesparteitag einen effektiveren Einsatz der Arbeitsförderung verlangen. Bis ins Arbeitsministerium dringt nichts durch und die Schaffung von Transparenz bedeutet dort zu viel Arbeitsaufwand.

(Angelika Gramkow, PDS: Sie tun ja gerade so, als wenn das Arbeitsministerium Ich-AGs fördert, oder was?!)

Meine Damen und Herren, allerorts hört man, dass die Bundesagentur und die Sozialämter zusammen in einer Arge nicht harmonisieren. Hier hat die CDU-Fraktion schon einmal vorgearbeitet. Mit unserem Antrag können wir den Versuch starten, ob nicht eine Bundes- und Landesbehörde zusammenarbeiten können. In einem Telefonat mit der Regionaldirektion Nord sind wir sehr schnell auf einen Nenner gekommen, quasi Bund und Land Hand in Hand. Lassen Sie mich bitte aus einem Schreiben der Bundesagentur zitieren: „… grundsätzlich steht die Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit Ihrem Anliegen positiv gegenüber“.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Also lassen Sie uns für Transparenz, Effektivität und Sicherheit für Gründer sorgen! Legen Sie die Daten offen! Dazu gehören auch die Höhe der geleisteten Zuschüsse jedweder Art an Existenzgründer und die Förderung sämtlicher Existenzgründerbüros.

Meine Damen und Herren, einfach anfangen mit Offenheit und Transparenz, ansonsten können wir uns jährlich die 1 Million Euro für Kampagnenkosten sparen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Liskow.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Abgeordnete der SPD-Fraktion Frau Schildt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Existenzgründung in Mecklenburg-Vorpommern ist in erster Linie ein wirtschaftspolitisches Thema.

(Siegfried Friese, SPD: Richtig.)