Protokoll der Sitzung vom 22.10.2015

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst mal möchte ich feststellen, bevor der Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, haben wir schon mitgeteilt bekommen, was die Justizministerin hier sagt – durch die Presseerklärung. Das finde ich ja auch sehr bemerkenswert.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann konnten Sie sich besser darauf vorbereiten.)

Der Tagesordnungspunkt war noch nicht ganz dran, aber mal abgesehen davon.

Uns liegt der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, der sich mit der Ermittlungstätigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei weichen Drogen befasst. Laut Begründung ist das Ziel dieses Antrages eine Entlastung der entsprechenden Behörden.

Herr Kollege Silkeit, leider nicht im Raum, hat die Antragsteller daraufhin – und es ist heute auch schon durch die Justizministerin ein bisschen durchgesickert – gleich in der Presse mit dem Vorwurf konfrontiert, es ginge ihnen ja gar nicht um die Entlastung der Polizei, sondern um das Voranbringen einer Cannabislegalisierung. Selbst wenn das so sein sollte – das will ich an der Stelle sagen –, ändert das nichts an der grundsätzlichen Richtigkeit der Begründung. Man muss schließlich kein Prophet sein, um zu wissen, dass eine Zustimmung zu diesem Antrag tatsächlich eine Entlastung von Polizei und Staatsanwaltschaft mit sich bringen würde. Das zeigen zum Beispiel andere Länder ganz eindeutig.

Andererseits ist es aber auch nicht verwerflich, sich für eine Entkriminalisierung – und darum geht es – von Cannabis einzusetzen. Diese Debatte wird ja auch in der Bevölkerung sehr intensiv geführt. Auch meine Fraktion steht auf dem Standpunkt einer Entkriminalisierung. Dabei geht es gar nicht darum, Drogenkonsum schönzureden oder zu verharmlosen. Ich denke, das will auch keiner. Wir sind uns auch bewusst, dass Drogen Risiken in sich bergen, genauso wie die legalen Drogen Alkohol und/oder Nikotin. Sicherlich besteht bei Rauschmitteln die Gefahr einer Abhängigkeit. Die besteht aber auch bei Alkohol und Nikotin.

Drogenabhängige sind aber in erster Linie krank und nicht kriminell. Eine Kriminalisierung blockiert hier von Anfang an eine vernünftige Drogenpolitik. Ohnehin geht es bei der Entkriminalisierung von Drogen nicht darum, den Genuss von Drogen völlig freizugeben, sondern legal den Drogenkonsum einzuführen. Es geht darum, den Handel und Konsum in geordnete Bahnen zu lenken, und zwar auch die Beschaffungskriminalität zurückzudrängen und denjenigen, die mit Drogen handeln, das Geschäft abzuschnüren.

(Michael Andrejewski, NPD: Mit was für Drogen denn noch?)

Mit weichen Drogen, Herr Andrejewski. Sie haben irgendwas mit den Ohren. Ich habe es gesagt.

(Michael Andrejewski, NPD: Na ja. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Darüber hinaus ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass Cannabis auch zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird.

Die Schwerpunkte in der Drogenpolitik sollten deshalb aus unserer Sicht die Aufklärung und die Prävention sein. Das Verbot hat niemanden daran gehindert, wenn er es will, die Drogen zu nehmen. Das zeigen auch die Zahlen deutlich. Und deshalb: Entkriminalisierung, vernünftiger Umgang in der Bundesrepublik Deutschland damit, Aufklärung, Prävention verstärken – das wäre der richtige Weg.

Allerdings geht es ja im vorliegenden Antrag nicht um eine grundsätzliche Legalisierung, sondern lediglich um verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Verfolgung von Drogendelikten. Ich beschränke mich deshalb auf die im Antrag aufgeführten Punkte. Wir halten es für sinnvoll, diese in den Ausschüssen zu beraten. Ich denke nämlich, dass ein wesentlicher Knackpunkt hierbei nicht der Erlass einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift an sich ist, sondern ihre inhaltliche Ausgestaltung.

Innenminister Lorenz Caffier hatte im Juli im „Nordkurier“ mitgeteilt, dass er es begrüßen würde, wenn sich die Justizminister auf eine bundeseinheitliche Regelung zu dieser Geringfügigkeit einigen würden. Damit vertritt er grundsätzlich die Auffassung, dass eine Geringfügigkeitsschwelle und auch eine entsprechende Verwaltungsvorschrift sinnvoll wären. Frau Justizministerin Kuder sagte kürzlich der „Ostsee-Zeitung“, an der aktuellen Regelung wird nicht gerüttelt.

Das Problem, was wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, ist aber, wir haben keine Verwaltungsvorschrift. Wir nehmen die Verwaltungsvorschriften oder handeln danach, was gängig ist, nämlich nach den sechs Milligramm und mehr nicht.

(Udo Pastörs, NPD: Sechs Milligramm?! Wissen Sie, was sechs Milligramm sind? – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gramm.

Eine eigene Verwaltungsvorschrift haben wir nicht. Und das, glaube ich, ist an der Stelle einzufordern. Warum nicht? Denn offensichtlich gibt es auch zwischen Innenministerium und Justizministerium entweder keine Kommunikation oder Schwierigkeiten, diesbezüglich zu handeln.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Innenminister ist gar nicht da.)

Wie gesagt, ich weiß jetzt nicht, ob es zwischen den beiden Häusern nicht auch Widersprüche gibt.

Meine Damen und Herren, die grundlegende Stoßrichtung, weiche Drogen in gewissem Umfang zu entkrimina

lisieren, teilen wir ausdrücklich. Das haben meine Fraktion und ich auch immer wieder gesagt und bei dieser Auffassung bleiben wir auch. Mit dem vorliegenden Antrag muss man sich deshalb intensiv beschäftigen – intensiver, als es hier nur in dieser einzigen Debatte möglich ist.

Bei der Regelung derartiger Probleme durch eine Verwaltungsvorschrift ist nämlich viel Fingerspitzengefühl gefragt. Natürlich kann man solche Vorschriften erlassen, viele Bundesländer haben das ja auch getan, entscheidend ist aber der Inhalt dieser Vorschrift. Wie gesagt, die meisten Bundesländer haben Verwaltungsvorschriften, die sich mit Verfahrenseinstellungen in Fällen der Geringfügigkeit befassen. Sie haben damit kein Problem und sind zufrieden damit.

Im Jahre 2009 gab es zum Beispiel im Niedersächsischen Landtag zu diesem Thema eine Große Anfrage durch die Linksfraktion. Die Regierung stellte in ihrer Antwort fest, ich zitiere: „Die Justiz in Niedersachsen hat überwiegend gute Erfahrungen mit der Verfahrenseinstellung bei ‚geringen Mengen‘ gemacht. Die Landesregierung ist überzeugt, dass das Absehen von der Strafverfolgung bei einer Bruttomenge von bis zu sechs Gramm Cannabis ein geeignetes Mittel darstellt, um der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität einschließlich der regelmäßig einhergehenden sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten sowie der effizienten Strafverfolgung und der Vermeidung unverhältnismäßiger Pönalisierung gerecht zu werden.“ Zitatende. Diese Auffassung wird auch von vielen anderen Fachleuten vertreten. Das haben die GRÜNEN in ihrer Begründung auch dargestellt.

Im vorliegenden Antrag wird der Knackpunkt wahrscheinlich die 10-Gramm-Regelung sein, und zwar aus zwei Gründen: Zunächst mag man zu einer Legalisierung weicher Drogen stehen, wie man will, ich persönlich könnte mir diese durchaus vorstellen.

(Udo Pastörs, NPD: Das glaub ich.)

Tatsache ist aber, dass der Gesetzgeber nach wie vor von der Strafbarkeit ihres Besitzes ausgeht. Unabhängig von einer persönlichen Auffassung muss man das, glaube ich, respektieren. Aus rechtsstaatlicher Sicht – ich meine hier nur die rechtsstaatliche Sicht – muss man aufpassen, dass Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers nicht durch extensive Verwaltungsvorschriften der Exekutive de facto konterkariert werden.

In diesem konkreten Einzelfall hätte ich persönlich kein Problem mit dem Ergebnis, aber das ist nicht der springende Punkt. Das ist eine Prinzipienfrage. Wenn der Gesetzgeber eine Entscheidung trifft, steht es der Exekutive nicht zu, diese Entscheidung per Verordnung praktisch aufzuheben. Ich glaube, das ist die Aufgabe des Landtages aufzupassen, dass dies nicht erfolgt. Ob das bei einer 10-Gramm-Regelung der Fall ist, muss geprüft werden.

Weiterhin gibt es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994. Unter anderem wurden hierin die Länder zu einer im Wesentlichen einheitlichen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften bei Paragraf 31a Betäubungsmittelgesetz aufgefordert. Die meisten Bundesländer – das habe ich gesagt und es

wurde hier genannt, auch in der Einbringung und durch die Ministerin – haben sich daraufhin verständigt, sich auf die Grenze von sechs Gramm festzulegen. Einige wenige haben auch eine 10-Gramm-Grenze. Würde eine 10-Gramm-Grenze bei uns in Mecklenburg-Vor- pommern zu einer Veruneinheitlichung der Regelungen beitragen oder ist das unwesentlich? Die Frage muss man sich stellen. Wir könnten uns vorstellen, dass das unerheblich ist, würden die Frage aber trotzdem gerne intensiver erörtern.

Wie bereits angekündigt, plädieren wir aus den genannten Gründen für eine Überweisung in die Fachausschüsse. Sollte es keine Überweisung geben, werden wir uns aufgrund der aufgeworfenen Fragen enthalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Silke Gajek bezeichnete gestern eine Aussage des Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit seiner Regierungserklärung als eine Frechheit.

(Udo Pastörs, NPD: Das hab ich auch getan.)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wie würden Sie Ihren Antrag charakterisieren?

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Innovativ. – Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Innovativ?!)

Da wird Ihr Bundesvorsitzender straffällig

(Unruhe vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

und schon stimmen die Bündnisgrünen landauf und landab in eine erneute Drogenlegalisierungsarie ein.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Für den Haushalt gut.)

Ausgerechnet Sie, wo Sie anderen Parteien immer den Spiegel Ihrer angeblich hohen moralischen Ansprüche entgegenhalten, ausgerechnet Sie, meine Damen und Herren,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wo ist denn dieser Antrag unmoralisch, Frau Friemann-Jennert?)

wollen uns eine Debatte zur Legalisierung von Drogen aufdrängen!

Die platte Ausrede Ihres Bundesvorsitzenden, seine HanfZurschaustellung sei als ein, ich zitiere, „sanftes politisches Statement“ zu verstehen, erinnerte mich an ein anderes schwarzes Kapitel der GRÜNEN-Parteigeschichte, die manch grüner Spitzenpolitiker, wie zum Beispiel Jürgen Trittin, gerne verdrängen möchte.

(Unruhe vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN und Wolf-Dieter Ringguth, CDU –

Wollen wir

die von der CDU jetzt auch alle aufführen? –

Jetzt müssen Sie aber ganz tief graben,

um Zusammenhänge herzustellen.)