Protokoll der Sitzung vom 18.11.2015

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch ein bisschen in Zahlen gegossen werden kann: Im Jahr 1998 hatten wir etwa so viele Schüler wie heute und hatten eine Schüler-Lehrer-Relation von 16,7 : 1. Wir haben heute etwa so viele Schüler wie 1998 und wir haben eine Schüler-Lehrer-Relation von 13,4 : 1.

(Vincent Kokert, CDU: Das muss man doch mal zur Kenntnis nehmen!)

Das ist der niedrigste Wert in der Geschichte des Landes und diesen Wert halten wir, obwohl die Schülerzahlen wieder steigen und wir die Schüler-Lehrer-Relation erneut anpassen könnten, vielleicht sogar müssten.

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Dank dem Minister.)

Aber die drei Fraktionen haben gesagt, nein, wir sind bereit, diesen Weg zu gehen, weil wir damit die Spielräume haben, Inklusion zu finanzieren. Sie können es ja selbst mit dem Taschenrechner ausprobieren: Wenn wir heute dieselbe Schüler-Lehrer-Relation hätten wie 1989, würden wir nicht knapp 10.000 Stellen für Lehrer haben, sondern nur knapp 8.000 Stellen. Diese 3,3 Schüler je Lehrer machen fast 2.000 Lehrerstellen aus. Multiplizieren Sie das bitte mal mit 75 Euro pro Stelle! Das sind 150 Millionen Euro. Das ist ein Schulsystem mit einer Ausstattung, wie es das in diesem Lande noch nie gegeben hat, einer Ausstattung, die gemeinsam erkämpft und konsentiert wurde von LINKEN, CDU und SPD! Das ist unser Inklusionsfrieden.

(Vincent Kokert, CDU: Warum die LINKEN wohl immer zuerst genannt werden?!)

Wir sagen den Menschen in diesem Lande, dass wir bereit sind, über drei Legislaturperioden hinweg einen gemeinsamen Kurs in der Schulpolitik zu fahren – leider Sie nicht.

Und man darf noch ergänzen: Die LINKEN haben diesem Kompromiss nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass es darüber hinaus zusätzliche Stellen für die Flüchtlingsbeschulung gibt, damit die Ressourcen, die im System sind – die zusätzlichen Ressourcen für Inklusion –, nicht durch die Flüchtlingsbeschulung gebunden werden und am Ende nicht für bessere Inklusion zur Verfügung stehen. Deswegen gibt es jetzt eine monatliche Nachsteuerung. Diesem Vorschlag, den die LINKEN vorgebracht haben, sind wir gefolgt. Auf die Art und Weise konnten wir einen vernünftigen Inklusionsfrieden begründen, für den ich bis heute dankbar bin, auf den ich auch ein bisschen stolz bin.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das gibts im Sozialbereich nicht, ne?!)

Ich hoffe, Frau Berger, dass Sie vielleicht doch noch den Weg in den Inklusionsfrieden finden und dass Sie diese Schippchen- und Eimerchendiskussion, was ist dein Förmchen, was ist mein Förmchen, lassen und im Interesse der Sache und im Interesse der Menschen in diesem Lande mit an Bord kommen. Was meine Person angeht, würde ich das jederzeit begrüßen, allein mir fehlt der Glaube. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das eben schon sehr weitreichend vom Bildungsminister gehört. Ich kann ihn dabei auch nur unterstützen. Wir hatten uns mit vier Fraktionen auf einen sehr langen und zeitweise auch sehr mühsamen Weg im Inklusionsfrieden begeben, haben dort viele Tage und Abende zusammengesessen und um Kommas, Wörter und Wortgruppen gefeilscht,

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Um Zahlen.)

um Zahlen zum Schluss auch, und haben es immer wieder hinbekommen, auch, weil es immer wieder Vermittlungen gab, dass wir am Ende tatsächlich ein einvernehmliches Papier zwischen – ich soll die CDU zuerst nennen – CDU, SPD, LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten.

Auch ich kann mich noch an diesen letzten Tag erinnern, wo es am Ende nur noch um Geld und Stellen ging. Da war man sich auch nach meinem Gefühl eigentlich fast einig, und man kann sagen, gerade im letzten Atemzug hat es Frau Berger dann doch noch geschafft, den letzten Zug ganz hinten zu erreichen und konnte so den Inklusionsfrieden mit fadenscheinigen Begründungen verlassen. So richtig weiß heute keiner, warum.

(Heiterkeit bei Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da können Sie mal sehen, wie lange ich Ihnen eine Chance gegeben habe, Herr Reinhardt!)

Nein, also wenn Sie die Kollegen fragen, ich war schon Wochen vorher bereit, Sie aus dem Inklusionsfrieden zu entlassen – das gehört zur Wahrheit auch dazu –,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sich mir die Sinnhaftigkeit dieser einen oder anderen Unterredung da schon nicht mehr erschloss. Aber das sei mal dahingestellt. Am Ende sind Sie da freiwillig ausgestiegen.

(Heiterkeit und Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Die Begründung können Sie ja vielleicht dem Hause noch mal nahebringen. Ich habe sie bis heute nicht wirklich verstanden.

Am Ende stellen wir 240 Stellen zusätzlich zur Verfügung. Da sind auch die 50 Stellen mit drin, die der Bildungsminister genannt hat. Es sind unter anderem auch 30 Stellen mehr für die Gymnasien im Land, wofür sich die CDU-Fraktion sehr eingesetzt hat. So haben wir am Ende alle etwas davon abbekommen und, ich glaube, einen guten Kompromiss für dieses Land geschlossen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte, und ganz besonders Sie, Frau Berger, sollten aufhören, auf dem Rücken von Schulkindern jetzt schon Wahlkampf zu machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Andreas Butzki, SPD: So ist es.)

Für Klamauk ist an dieser Stelle kein Platz. Kehren Sie zur Sacharbeit zurück! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Oldenburg von der Fraktion DIE LINKE.

Ich bitte noch um ein bisschen Ruhe.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Reinhardt, „bemüht“ ist Fünf, ne?

(Andreas Butzki, SPD: Ja, genau.)

Also nur noch mal, um das klarzustellen.

(Vincent Kokert, CDU: Meinen Sie damit, dass die GRÜNEN eine Fünf haben?)

Inklusion bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet werden. Inklusion bedeutet, dass man diesem gemeinsamen Unterricht auch eine gemeinsame Strategie zugrunde legt. Und Inklusion bedeutet, dass man dort, wo es möglich ist, Kinder mit und ohne Förderbedarfe ohne Unterschiede gemeinsam unterrichtet. Ohne Unterschiede heißt, dass Kinder per se nicht besser- oder schlechtergestellt werden. Ohne Unterschiede bedeutet auch, dass jedes Kind individuell gefördert wird. Inklusion bedeutet aber nicht, dass jedes Kind oder jeder Jugendliche genau die Stundenausstattung im gemeinsamen Unterricht erhält, die sie an der nicht inklusiven Förderschule erhalten haben. Inklusion bedeutet also Änderungen für jeden, der mitmacht.

Gern hätte ich heute über ein grünes Konzept zur Inklusion diskutiert. Das liegt aber nicht vor. Hier wird nur ein Teil rausgepickt, der dann auch noch falsch berechnet ist und eben nicht dem inklusiven Gedanken folgt. Der vorliegende Antrag fordert eine falsch verstandene und falsch untersetzte Besserstellung von Kindern mit den Förderbedarfen geistige Entwicklung, Hören und Sehen gegenüber allen anderen Schülern mit und ohne Förderbedarf. Dieser Antrag hilft nicht, er behindert, und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Butzki von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bildungsminister Mathias Brodkorb und meine Vorrednerinnen und Vorredner oder meine Vorrednerin und Vorredner haben Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits ausführlich erklärt, warum Ihr Antrag falsch ist. Mir persönlich sind aber einige Ablehnungsgründe, denke ich, doch wichtig, um noch mal einige Sachen hier zu wiederholen. Und Sie wissen ja, Wiederholungen sollen im Lernprozess hilfreich sein, aber mir fehlt auch ab und an der Glaube bei Ihnen, Frau Berger.

Jetzt liegt uns also dieser Antrag vor – Frau Oldenburg hat das auch schon gesagt –, es wird ein einziger Punkt herausgesucht und daraus wird dann unwahrscheinlich groß was gemacht. Eigentlich ist das ideen- und konzeptlos und ich kann Ihnen sagen,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie stiften nur Unruhe und Verwirrung bei den Schulen. Ich habe heute auch noch ein paar Gespräche geführt. Die haben nur mit dem Kopf geschüttelt. Und, Frau Oldenburg hat es schon gesagt, Sie haben bisher noch kein eigenes Inklusionskonzept vorgelegt, über das man wirklich mal öffentlich hätte diskutieren können. Es wäre ja auch eine spannende Sache, Ihr Inklusionskonzept zu sehen.

Sie haben sich nun wirklich aus dem Inklusionsfrieden verabschiedet. Alle vier demokratischen Fraktionen hatten eigentlich eingangs vereinbart, dass wir einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens erreichen wollen. Jede Fraktion musste Kompromisse machen, das hat der Bildungsminister vorhin schon gesagt, und ich bin deshalb auch froh, dass die drei großen Parteien, die seit 25 Jahren dieses Land hier gestalten, einen guten Vorschlag erarbeitet haben.

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Unser Ziel ist es wirklich, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler und auch die Eltern nicht vor vollendete Tatsachen stellen, und deswegen sind wir für eine breite Diskussion. Die ist schon am Laufen und es wird sicherlich noch einige Veränderungen geben. Wir sind auch gespannt, was es in der Anhörung am 20. Januar noch an Vorschlägen gibt, wodurch es vielleicht zu Veränderungen kommen wird.

Nach der Vorlage und Empfehlung der Expertenkommission und der Stellungnahmen der Begleitgruppe haben

die vier bildungspolitischen Sprecher in vielen Gesprächsrunden das Konzept erarbeitet. Sie, Frau Berger, wissen ganz genau, dass wir wirklich Punkt für Punkt besprochen, diskutiert und gegebenenfalls auch verändert haben. Alle Fraktionen konnten sich einbringen und sie haben sich auch eingebracht. Es war nicht immer leicht, aber, ich denke, es war ein guter Prozess. Alle Seiten sind Kompromisse eingegangen.

Dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zuletzt zu so einem Kompromiss nicht mehr willens oder fähig waren, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Dieser breite gesellschaftliche Konsens zur Einführung der Inklusion im Bildungsbereich ist notwendig und wird von allen, die mit Schule zu tun haben, sehr begrüßt. Sie, werte Bündnisgrüne sollten jetzt nicht irgendwelche schlechten Inklusionsanträge stellen, sondern sollten einfach zum Inklusionsfrieden zurückkommen.

Ich habe noch einige Sachen aufgeschrieben, aber gerade der Minister hat ja doch, denke ich, eine ganze Menge gesagt. Für die SPD-Fraktion kann ich nur sagen, dass die Umsetzung der gemeinsamen Inklusionsidee, der Konzeption und der Strategie von SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE für uns im Bildungsbereich oberste Priorität hat. Wir wollen alle mit einbeziehen in diesen Inklusionsprozess, die mit Schule zu tun haben. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.