Wir haben gute Argumente und wir haben auch eine Haltung, nämlich eine andere. Von daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Strukturwandel in der deutschen, in der europäischen und in der Weltlandwirtschaft ist seit Jahren in vollem Gange. Dabei macht er natürlich gerade auch um Ostdeutschland keinen Bogen.
Diese Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf alle Betriebe in den verschiedenen Rechtsformen und Produktionszweigen. Hinzukommen die Auswirkungen eines globalisierten Agrarmarktes, der Konzentrationsprozess bei den Verarbeitern, Schlachthöfen, Molkereien und im Einzelhandel. Die Macht von Lebensmitteldiscountern und riesigen Verarbeitungskonzernen wächst weiter. Das haben wir in diesem Hohen Hause schon öfter diskutiert.
Am Ende der Kette muss heute der Landwirt agieren, gefangen zwischen immer höheren Auflagen aus der Politik, enormen Erwartungen und Forderungen aus der Mitte der Gesellschaft – oder ich könnte sagen, den Verbrauchern – und den Zwängen des Marktes. Selbstverständlich hat dies große Auswirkungen auf die Landwirtschaft insgesamt und die Tierproduktion und damit auf die Haltung von Nutztieren im Besonderen.
Wer hier grundsätzlich etwas ändern will, der muss an das System heran. So deutlich will ich das sagen. Sie kennen meine Aussage: Die Sicherung der Welternährung ist mit der reinen Marktwirtschaft nicht zu schaffen. Die beiden Demonstrationen am 16. Januar in Berlin am Rande der Internationalen Grünen Woche unter den Mottos: „Wir haben es satt!“ und „Wir machen Euch satt!“ sind der öffentliche Ausdruck dafür, dass die Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft in vollem Gange ist.
In diesem Zusammenhang ist noch einmal zu unterstreichen, dass wir mit dem Masterplan „Land- und Ernährungswirtschaft“ in unserem Lande auf einem guten Wege sind. Er muss nun in der Zukunft konkret umgesetzt werden. Ein großer Teil der Landwirte fühlt sich falsch verstanden und – ich meine, zu Unrecht – als Tierquäler und Umweltsünder an den Pranger gestellt. Auf der anderen Seite steht ein breites Bündnis aus Umweltschutzorganisationen, Tierschützern, Verbraucherschützern,
aber auch Bauern, die meist ökologisch wirtschaften – Bauern gegen Bauern. Es muss miteinander gesprochen werden, das ist meine feste Überzeugung. Kampfbegriffe, wie „Megaställe“, „Massentierhaltung“, „Agrarfabriken“, „Feldvergifter“ und „Tierquäler“, werden gegen die vorherrschende konventionelle Landbewirtschaftung verwendet. Deren Verbandsvertreter sprechen dann von „Realitätsverweigerern“, „Öko-Spinnern“, „Traumtänzern“ und „Öko-Romantikern“. Die gesellschaftliche Debatte wird immer erbitterter und immer unsachlicher geführt und der Druck wächst. Die Mehrheit der Verbraucher erwartet etwas von der Landwirtschaft.
Noch einmal, und das ist meine feste Überzeugung: Wir müssen miteinander und nicht übereinander reden! Für die öffentlichen Gelder, mit denen die Landwirtschaft in Europa unterstützt wird, soll diese unter anderem im Gegenzug die Haltungsbedingungen für jedes Nutztier verbessern, schonend mit Boden und Umwelt umgehen, auf Pflanzenschutzmittel und Tierarzneien wie Antibiotika verzichten, für eine Verbesserung der Biodiversität sorgen und ihre Waren möglichst nur noch regional anbieten. Die Liste an Forderungen ließe sich noch erweitern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wächst der Widerstand gegen den Bau von Ställen in der Nachbarschaft – ich betone, in der Nachbarschaft –, egal ob groß oder eher klein. Der Bezug zur Landwirtschaft ist den meisten Menschen, nicht nur in den großen Städten, völlig verloren gegangen. Aber Defizite und damit Aufgaben sind tatsächlich nicht zu übersehen. Die Eutrophierung der Oberflächengewässer in Mecklenburg-Vorpom- mern und anderswo ist immer noch zu hoch. Wir haben darüber gestern gesprochen. Das Grundwasser ist teils flächendeckend, wie in Niedersachsen, teils punktuell, wie bei uns, mit Nitrat belastet.
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 50 Prozent der Grundwasserkörper sind zu hoch mit Phosphat belastet. Das ist nicht punktuell!)
Eine große Debatte wird um die Schlachtung von trächtigen Kühen, das Schnäbelkürzen, das Schwänzekupieren und die Tötung von nicht lebensfähigen Ferkeln ohne Betäubung geführt. Zu Recht wird diese Debatte geführt. Die negativen Beispiele zeigen deutlich, dass wir etwas tun müssen.
Im Zentrum der Debatte steht die Haltung von Nutztieren. Wir beraten heute auf Antrag der GRÜNEN einen Teilaspekt der Schweinehaltung, einen Produktionszweig, der sich gegenwärtig in großen Schwierigkeiten befindet. Das haben meine Vorrednerinnen und -redner bereits gesagt. Die im Antrag gestellten Forderungen wiederhole ich deshalb an dieser Stelle nicht. Die Fraktion der GRÜNEN bekam Ende letzten Jahres vom Oberverwaltungsgericht Magdeburg sogar Rückenwind für ihren Antrag. Mit einfachen Worten: Das Gericht sprach Sauen in Kastenstandhaltung mehr Platz zu. Dieses Urteil sehe ich in diesem Antrag aufgegriffen. Wir haben gehört, dass es im Augenblick noch nicht rechtskräftig ist.
Meine Fraktion folgt diesen Forderungen. Nur wenn Sauen genügend Platz im Kastenstand haben, ist diese Haltungsform für mich und meine Fraktion mittelfristig noch tragbar. Für mich ist es ebenso selbstverständlich, dass wir mittelfristig, das heißt nach einer angemessenen Übergangsfrist, von der Kastenstandhaltung abkommen
müssen. Das sage ich, der in den 1970er-Jahren viel auf diesem Gebiet wissenschaftlich gearbeitet hat. Wir waren damals teilweise der Auffassung, das Tier an die Haltungstechnik anpassen zu können, heute gilt es genau umgekehrt. Ich denke, die Landesregierung hat dies durchaus auch erkannt.
Wer den letzten „Schweinetag“ in Güstrow Ende Oktober 2015 besucht hat, konnte dort durchaus beachtenswerte Aussagen vonseiten der Landesregierung hören.
Frau Dr. Dayen – damals noch aktiv als Landestierärztin – empfahl den Schweinehaltern den Ausstieg aus der Kastenstandhaltung. Dies werde zumindest mittelfristig gesetzlich noch stärker reglementiert und hätte aus ihrer Sicht – die Kastenstandhaltung nämlich – keine Perspektive. Ebenso mahnte sie die Schweinehalter, die Abmessungen der Kastenstände zu überprüfen und sich streng an die rechtlichen Vorgaben zu halten. Das Urteil des OVG in Magdeburg war da noch nicht gesprochen.
Frau Dr. Dayen kündigte für 2016 ein eigenes Landesprogramm für die artgerechte Schweinehaltung an. Ich hoffe, es bleibt nicht nur bei der Ankündigung und Minister Dr. Backhaus legt dieses Programm bald vor. Wir brauchen eine Optimierung der Haltungsbedingungen für unsere Nutztiere, insbesondere für Schweine, aber auch für Geflügel und Rinder. Das Landesprogramm wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Aber eines steht für uns LINKE außer Frage: Jeder zusätzliche Aufwand bedeutet zusätzliche Kosten für den Tierhalter. Ein Mehr an Tierwohl ist nicht umsonst zu erhalten. Das bedeutet gleichzeitig für uns, dass jeder zusätzliche Aufwand auch zusätzlich vergütet werden muss. Hier gilt die alte Wahrheit, wer A sagt, muss auch B sagen. Das sage ich jetzt nicht nur angesichts der Krise auf dem Markt für Schweinefleisch. Am Ende müssen die Bauern – und das ist meine feste Überzeugung – von ihrer Hände Arbeit leben können und ihren Angestellten angemessene Löhne zahlen können, selbstverständlich über den Mindestlohn hinaus. Das wollen meine Fachkollegen auch.
An dieser Stelle kommt auch die Verantwortung der Verbraucher, der großen Lebensmitteleinzelhändler, der Lebensmittelverarbeiter und bei der Schweinehaltung auch die Verantwortung der Mäster ins Spiel. Nur wer über die gesamte Kette gemeinsam Verantwortung für die Art und Weise übernommen hat, wie wir unsere Lebensmittel produzieren, verarbeiten und vermarkten, kann etwas ändern. Wer es den Ferkelproduzenten zur Abnahmebedingung macht, dass die Ringelschwänze kupiert werden, der will eigentlich nichts an seinen Haltungsbedingungen ändern. DIE LINKE spricht sich ganz klar für das Verbot des Kürzens von Schwänzen aus.
Frau Dr. Dayen sagte auf dem „Schweinetag“ in Güstrow, dass ein Verbot in Mecklenburg-Vorpommern kommen wird und unser Land spätestens Ende 2017 aussteigen wird. Das unterstütze ich noch einmal ausdrücklich. Das bedeutet aber auch, dass dazu viele Investitionen bei den Schweinehaltern – genauso, was die Kastenstandhaltung anbetrifft – notwendig werden. Den guten Willen, mehr für den Tierschutz bei Schweinen zu tun, will ich niemandem absprechen, aber die Schweinehalter benö
Dass es funktionieren kann, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigen Beispiele aus anderen Ländern. Norwegen, Schweden, Finnland oder die Schweiz kupieren keine Ringelschwänze mehr. Auch dort war der Druck der Tierschützer und Umweltorganisationen, des Bauernverbandes sehr groß. Aber dort wurde wesentlich mehr für die Verbraucheraufklärung getan. Von heute auf morgen hat es in den besagten Ländern auch nicht funktioniert. Es dauerte über 20 Jahre, bevor das Verbot umgesetzt wurde. Es waren dazu auch langfristige und groß angelegte Kampagnen der jeweiligen Regierungen zusammen mit den Verbraucher- und Tierschutzorganisationen, aber auch mit dem Bauernverband erforderlich. Letztendlich fragten die Endverbraucher nur noch Fleisch nach, das nach Tierschutzaspekten produziert wurde. Gerade in der Verbraucheraufklärung und in der Zusammenarbeit von Verbraucherschützern, Tier- und Umweltschützern und der verantwortlichen Politik sehe ich in Deutschland noch ein großes Manko.
Und der Deutsche Bauernverband? Er behauptet für sich, dass er die Interessen von mehr als 80 Prozent aller Landwirte vertritt. Ich habe daran keinen Zweifel. Das Erste, was wir bei berechtigten Forderungen – bei berechtigten Forderungen! – aus Politik und Gesellschaft hören, sind häufig Abwehrkämpfe und der Ruf nach gar keinen Regulierungen für den Berufsstand. Genau deshalb wird der Verband in großen Teilen der Bevölkerung auch als ein Teil einer undurchsichtigen Agrarlobby wahrgenommen, die in enger Zusammenarbeit mit der sogenannten Agrarindustrie, mit Chemie- und Pharmakonzernen,
Handel, Schlachthöfen und Bundesagrarminister Schmidt alles unternehmen, um so billig wie möglich Fleisch und Futter zu produzieren und den Weltmarkt damit zu überschwemmen – leider, sage ich dazu.
Meine sehr verehrten Fachkollegen – und ich meine jetzt die Bauern –, mit einer Offensive, die die positiven Beispiele in der Landwirtschaft kommuniziert, ist es allein aber nicht getan. Wer wenn nicht der Deutsche Bauernverband hat so viel Einfluss und so viel Sachverstand, sich aktiv in Sachen „Tierschutz und Umweltschutz“ einzubringen? Er müsste sich an die Spitze setzen. Es gilt, alte Fehler nicht zu wiederholen und dem Mantra von „Wachse oder weiche“ etwas entgegenzusetzen. Er sollte ein breites Bündnis von Landwirten und Verarbeitern anführen, das gemeinsam tiergerechte Ställe entwickelt und für den regionalen Absatz von Produkten wirbt,
Ebenso kann ich nicht nachvollziehen, dass der Verbraucher bei uns keine Wahl hat, ob er nach Tierschutzkriterien
Solches Fleisch wird an der Ladentheke häufig gar nicht erst ausgezeichnet. Es ist unverständlich und zeigt, dass die großen Handelsketten gar kein Interesse daran haben, dass sich wirklich etwas in Sachen Tierwohl tut. Sie haben augenscheinlich nur Interesse an möglichst billig produziertem Fleisch und an einem hohen Gewinn. So wird die Initiative „Tierwohl“ wohl eher ein Feigenblatt für den Handel bleiben.
Und jetzt will ich auch mal einen Apell in Richtung meiner Kollegen von den GRÜNEN loswerden: Es reicht nicht, immer nur auf die ach so böse Agrarindustrie und die sogenannten Tierfabriken zu schimpfen.
Nehmen Sie bitte auch den Handel und die Verarbeiter in die Pflicht! Betreiben auch Sie mehr Verbraucheraufklärung! Nehmen Sie mehr Einfluss auf die europäische und Berliner Agrarpolitik! Immerhin gibt es in dieser Republik einige grüne Landwirtschafts- und Umweltminister.
Ich sehe den Verbraucher in der Pflicht, sich zumindest darum zu kümmern, wo sein gutes Schweinefleisch herkommt. Allein viele Nachfragen erhöhen schon den Druck auf den Handel, auf Schlachthöfe und Produzenten. Hierzulande sollte es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie in Sachen von mehr Tierwohl gehen!
Jetzt folgt ein Zitat: „Die Schweineproduktion in Deutschland ist eine ökonomische Erfolgsgeschichte, die zunehmend Schattenseiten hat“, Ende des Zitats. Das sagte Professor Dr. Blaha von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, der gleichzeitig Vorsitzender der Tierärztlichen Organisation für Tierschutz ist, auf dem „Schweinetag“ in Güstrow, den ich schon mehrfach angesprochen hatte.
Damit die Schweineproduktion in Deutschland wieder eine Erfolgsgeschichte wird und sie ihre Schattenseiten verliert, stimmt meine Fraktion dem vorliegenden Antrag zu. Es bleibt allerdings viel zu tun.
Abschließend wünsche ich meinen Fachkollegen, dass sich endlich die Preise auf dem Gebiet des Schweinemarktes verbessern. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Antrag ist zum gleichen Thema eine Kleine Anfrage des Fraktionsvorsitzenden Jürgen Suhr vorausgegangen.