Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern glaube ich schon, man kann ja gerne Ihren Gesetzentwurf auf den Tisch legen und vielleicht wird sich die nächste Regierung, wie immer sie dann auch zusammengesetzt ist, im Rahmen von Koalitionsverhandlungen damit beschäftigen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Also insofern glaube ich, jetzt ist der falsche Moment, und ich muss Ihnen andeuten oder signalisieren, dass wir dieses Gesetz ablehnen werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Minister Harry Glawe: Das war hart. Das war hart. – Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Seidel.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Seidel, Sie brauchen mir nicht zu erklären, was der Unterschied zwischen Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern ist.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der Punkt ist, dass ich gefragt habe, was in diesem Gesetz nicht auf Mecklenburg-Vorpommern passt. Das ist eigentlich die Frage, um die es geht, und nicht, was ist der Unterschied zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.

(Heiterkeit bei Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

Und dann habe ich jetzt gelernt, auch zum wiederholten Male, bei der Rede des Ministers, dass Juristen Bedenkenträger und nie um Ausreden verlegen sind.

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber sehr pauschal. – Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

Ja, pauschal. Gut.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Beate Schlupp, CDU)

Das ist zumindest eine Schlussfolgerung, die ich aus der Rede gezogen habe.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Auf jeden Fall sind Sie nie um Ausreden verlegen, Herr Minister.

(Torsten Renz, CDU: Frau Borchardt ist auch Juristin. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Aber ich spreche Ihnen auch nicht die Kreativität ab, auch was die Verfassungskonformität betrifft, wenn es um Dinge geht, die Ihnen selbst wichtig sind.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt uns einen Gesetzentwurf zum Thema Klimaschutz vor. Zweck des Gesetzes soll es sein, verbindliche Klimaschutzziele für unser Bundesland festzulegen und einen rechtlichen Rahmen für die Belange des Klimaschutzes zu bestimmen. Dabei soll dieses Gesetz eine koordinierte Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Klimaschutz ermöglichen.

Gleich zu Beginn möchte ich sagen, dass wir, die Linksfraktion, der Überweisung in die Ausschüsse zustimmen.

(Egbert Liskow, CDU: Das war klar.)

Wir haben in der vergangenen Sitzung des Energieausschusses über den „Aktionsplan Klimaschutz“ gesprochen. Wir konnten sehr gut nachvollziehen, welche Maßnahmen nach Auffassung der Landesregierung bereits abgeschlossen sind beziehungsweise aus anderen Gründen gestrichen wurden. Aber wir konnten nicht erkennen, warum diese Maßnahmen gestrichen wurden, und eine Bewertung der Ergebnisse gibt es faktisch auch nicht. Kollege Buchta mühte sich wirklich redlich, den Aktionsplan in übergeordnete Klimaschutzziele einzuordnen, aber die Zielstellungen für unser Land bleiben nach wie vor schwammig und wenig ambitioniert. Daran ändert auch Ihre gegenteilige Beteuerung nichts, Herr Minister.

Das hat offenbar auch seinen Grund, wenn man sich die Entwicklung der CO2-Emissionen in den letzten Jahren ansieht. Die sind nämlich nicht zurückgegangen, trotz der großen Anstrengungen bei der Energiewende.

Mit anderen Worten, wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf zur Förderung des Klimaschutzes die Lücke zwischen gesetzlich verankerten Zielen, der koordinierten Umsetzung der Maßnahmen und deren Kontrolle sowie einem begleitenden Monitoring schließt. Der „Aktionsplan Klimaschutz“ wäre dann nicht mehr nur ein Maßnahmenpaket, dessen Umsetzung im Prinzip jedem Ressort und anderen Akteuren im Land überlassen bleibt und bei dem es auch nicht ganz so schlimm ist, wenn es mal nicht zur Umsetzung kommt, denn auch hier gilt, ohne Kontrolle und Bewertung der Wirksamkeit hilft der beste Aktionsplan nicht oder bleibt zumindest halbherzig.

Auch die Erarbeitung von Anpassungsstrategien an den nicht mehr zu verhindernden Klimawandel ist für uns sehr wichtig. Wie gesagt, ein Klimaschutzgesetz könnte diese Lücke schließen. Wir haben in einem unserer früheren Anträge ein solches Gesetz gefordert. Sie legen jetzt eines vor, liebe Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Ich wiederhole es noch mal: Wir stimmen der Überweisung in die Ausschüsse zu. Aber wie das meist bei Gesetzentwürfen der demokratischen Opposition ist, wird die Koalition – das ist ja schon deutlich geworden – nicht über ihren Schatten springen können. Und der Zeitpunkt bis zur Wahl, der ist dafür überhaupt kein Argument, Herr Seidel. Ich finde, dann gilt das zumindest für die sieben Gesetze, die gestern hier schon auf dem Tisch lagen, ebenso. Ich finde, das ist eine vertane Chance in Sachen Klimaschutz, und das stellt Ihnen kein sehr demokratisches Zeugnis aus, meine lieben Kollegen von der SPD und der CDU.

(Egbert Liskow, CDU: Na, na, na!)

Dabei gäbe es aus Sicht unserer Fraktion durchaus einiges, was man diskutieren müsste. Zum Beispiel der Paragraf 2. Hier werden die Treibhausgase definiert, die in Mecklenburg-Vorpommern entstehen. Diese Definition entstammt dem Kyoto-Protokoll. Dabei fehlt zum Beispiel das seit 2012 reglementierte Stickstofftrifluorid. Auf indirekte Treibhausgase nach dem Montreal-Protokoll wird nicht eingegangen. Darunter fallen zum Beispiel die berüchtigten Stickoxide aus den Dieselabgasen, heiß diskutiert seit dem VW-Skandal.

Ebenso müssen aus Sicht meiner Fraktion die konkreten Klimaschutzziele in Paragraf 3 diskutiert werden. Gut finde ich das differenzierte Herangehen. Aber wie realistisch sind die Ziele? Und vor allem, was passiert, wenn sich die sektoral festgelegten Ziele als nicht erreichbar herausstellen beziehungsweise nicht erreicht werden? Sind Sanktionsmöglichkeiten angedacht beziehungsweise möglich oder bleibt das dann doch eher unverbindlich? In Paragraf 4 steht zwar, dass die Erreichung der Klimaschutzziele für die Landesregierung verbindlich ist, wenn aber zum Beispiel der festgelegte Beitrag für die Landwirtschaft nicht kommt, was geschieht dann?

Ein sehr heißes Eisen ist für mich und meine Fraktion der Paragraf 6 „Anschluss- und Benutzungsgebot“. Ich selbst komme aus Greifswald und nicht nur da hat es eine lange und ausführliche Diskussion um den Anschluss- und Benutzungszwang der Fernwärme gegeben. Wir haben dort zum Beispiel hineingeschrieben – und ohne das wäre es auch gar nicht gegangen –, dass wir Fortschritte bei der Dekarbonisierung erwarten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig.)

Außerdem ist es für mich fraglich, ob der Anschluss- und Benutzungszwang an Nah- und Fernwärmenetze extra in diesem Gesetz geregelt werden muss. Die Regelungen, die die Kommunalverfassung in Paragraf 15 „Anschluss- und Benutzungszwang“ trifft, sind aus meiner Sicht ziemlich ausreichend und geben den Gemeinden die rechtliche Grundlage an die Hand, so etwas für ihr Gebiet inklusive Ausnahmeregelungen festzulegen. Auch darüber wäre zu reden.

Der Paragraf 7 „Aktionsplan Klimaschutz“ dieses Gesetz- entwurfes findet die Zustimmung meiner Fraktion. Das in

Paragraf 8 festgelegte Ziel einer klimaneutralen Landesverwaltung bis zum Jahr 2030 finden wir richtig, es ist sehr ambitioniert. Den Paragrafen 9 „Klimafreundliche Beschaffung“ finde ich sehr gut. Da könnte die Landesregierung tatsächlich ihre Vorbildrolle erfüllen. Auch dazu haben wir schon mehrere Anträge gestellt, es hat Versprechen gegeben, ohne nennenswerte Wirkung. Auf die anderen Paragrafen möchte ich jetzt gar nicht weiter eingehen. Auch hier gibt es Zustimmungswürdiges und Regelungen, die man sich im Einzelnen noch mal anschauen müsste.

Angesichts der Beschlüsse von Paris, die aber nichts wert sind, wenn sie nicht verbindlich in nationales Recht umgesetzt werden, ist es Zeit, auch in Mecklenburg-Vor- pommern vorwärtszukommen. Meine Fraktion fordert die Regierungsfraktionen auf, über ihren Schatten zu springen und ebenso wie wir dem Gesetzentwurf die Überweisung zu gestatten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Renz, CDU: In diesem Fall ist der Schatten zu groß.)

Vielen Dank, Frau Dr. Schwenke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rudolf Borchert für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Passend zum heutigen Tag und passend zum heutigen Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Deutsche Wetterdienst am Dienstag dieser Woche die neuesten Temperaturdaten veröffentlicht. Die Mitteltemperatur in Deutschland in den letzten 25 Jahren liegt inzwischen bei 9,2 Grad. Die erste Messung 1881 lag noch bei 7,8 Grad. Das heißt, wir haben eine Erwärmung von 1,4 Grad von 1881 bis 2015.

(Udo Pastörs, NPD: Hat es immer gegeben.)

Man mag da meinen, das ist ja nicht so viel, aber ich glaube, wer so etwas sagt, hat die Problemlage überhaupt nicht erfasst. Wir befinden uns nach wie vor auf einem ganz, ganz offensiven, expansiven Kurs der Erderwärmung, ein Prozess, der weiter voranschreitet, und die Hauptursache dafür ist von Menschen gemacht, die Hauptursache dafür ist die Verbrennung fossiler Energieträger und die damit verbundene CO2-Emission. Das ist die Ausgangssituation, meine Damen und Herren, und insofern haben wir auch die entsprechende Aktualität zum heutigen Thema.

Aber wie ist die Ausgangssituation bei der CO2-Emission in Mecklenburg-Vorpommern? Oder besser gesagt, wie war sie 1990? Laut CO2-Bericht der Landesregierung lag die CO2-Emission 1990 in Mecklenburg-Vorpommern bei 16,7 Millionen Tonnen. Das letzte Jahr, das jetzt praktisch gemessen ist und vorliegt – wir werden das am 6. April im Energieausschuss im Rahmen des aktuellen CO2Berichtes zur Kenntnis bekommen –, ist das Jahr 2014 mit 10,78 Millionen Tonnen. Das heißt also, wenn ich 1990 mit dem Jahre 2014 vergleiche, dem letzten aktuellen Wert, habe ich eine Entwicklung von 16,7 Millionen Tonnen zu 10,78 Millionen Tonnen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Wir haben auch keine Industrie mehr.)

Wie bewerten wir das und wie müssen wir das bewerten? Dazu muss man erst Folgendes wissen: Es ist wichtig, bereits 1995 waren wir runter auf 10,27 Millionen Tonnen. Was will ich damit sagen? Seit 1995 bis heute ist die CO2-Emission in Mecklenburg-Vorpommern relativ konstant. Gerade in den letzten Jahren gibt es leider keine Reduzierung der CO2-Emissionen in Mecklenburg-Vor- pommern, sondern wir befinden uns praktisch knapp unterhalb der 11 Millionen Tonnen. Ich halte diese Entwicklung für problematisch, weil eigentlich eine Reduzierung von CO2 angesagt sein müsste und nicht eine konstante Fortschreibung, die tendenziell auch leicht zu einem Anstieg führen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geholfen haben uns die erneuerbaren Energien. Durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in MecklenburgVorpommern haben wir eine CO2-Vermeidung seit 1995 von sage und schreibe 5 Millionen Tonnen. Was will ich damit sagen? Ohne den Ausbau der erneuerbaren Energien würden wir jetzt wieder bei der CO2-Emission liegen im Jahr 1990. Insofern haben wir natürlich eine wichtige Stellschraube mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien bei uns in Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise auch zu anderen Ländern sehr gut vorangetrieben. Das ist auch sicherlich einer der Gründe, warum die CO2Emissionen in Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise niedrig sind.

Der Hauptgrund allerdings ist natürlich die bekannte geringe Industriedichte von Mecklenburg-Vorpommern. Vergleichen wir uns mal mit Deutschland insgesamt, wo wir stehen, auch interessante Zahlen: Wir haben in Deutschland eine CO2-Emission von circa 960 Millionen Tonnen. Da möchte man meinen, bei uns sind es nur knapp 11, dieses Thema geht uns eigentlich nichts an. Das könnte dazu verleiten. Pro Kopf liegen wir bei 8 Millionen, bundesweit bei 12. Auch daraus könnte man ableiten, wir sind doch Klimaschutzweltmeister, was geht uns das Thema an. Ich möchte dem entschieden entgegentreten. Auch wir in Mecklenburg-Vorpommern müssen unseren Beitrag leisten für die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele, und die sind klar definiert: bis 2020 minus 40 Prozent zu 1990 und 2050 minus 80 Prozent gegenüber 1990. Ich gehe davon aus, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung – das ist angekündigt – noch mal korrigiert werden müssen aufgrund der Beschlüsse von Paris, die ja vorsehen, dass wir nicht 2 Grad Erwärmung halten wollen, sondern die 1,5 Grad anstreben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das so ist, muss man schon feststellen – das haben wir im Energieausschuss auch gemacht, übrigens Redner aus allen Fraktionen –, dass die jetzige Zielsetzung 40 plus, das heißt, die Minimierung um 40 Prozent gegenüber 1990, kritisch zu hinterfragen ist, weil sie zum einen fast erfüllt ist, also die Reduzierung um 40 Prozent. Minus 7 Millionen, wenn ich mal runde, dann müssten wir jetzt bei 11 Millionen liegen. Wir liegen knapp bei 11 Millionen, dann wären wir ja schon fast bei dem, was wir in unserer eigenen Zielsetzung haben. Die Frage ist: Was wollen wir dann noch leisten zwischen 2040 und 2020, wenn wir jetzt schon fast das Ziel erreicht haben? Das ist allemal ein Grund zu hinterfragen, ob 40 plus wirklich noch zeitgemäß ist.

Und es gilt auch die Frage zu beantworten: Ist es denn nicht vielleicht notwendig, eine weitere Zwischenzielsetzung vorzunehmen? Wir haben momentan nur das Ziel 2020 und dann, abgeleitet aus der bundesdeutschen Ziel

setzung, 2050. Ich bin der Meinung, wir müssen über Zwischenschritte diskutieren, eine Klimaschutzzielsetzung für 2030 möglicherweise, auch für Mecklenburg-Vorpom- mern, denn es wird nur in Schritten geschehen können.