Protokoll der Sitzung vom 22.04.2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahre 1789 war der Biber in Norddeutschland ausgestorben. Der letzte Biber wurde in einem Fischottereisen an der Elbe gefangen. 1971 wurden bei Templin, im einstigen Bezirk Neubrandenburg, und 1975 bei Gützkow an der Peene Biber ausgesetzt. Seitdem hat sich die Biberpopulation in Mecklenburg-Vorpommern positiv entwickelt, sodass sie sich seit Jahren in einem günstigen Erhaltungszustand befindet. Gerade in Vorpommern sind die Flüsse und Seen so stark besiedelt, dass mittlerweile kleine Vorfluter oder Stadtgebiete wie in Anklam erobert werden.

Was den einen freut, führt bei anderen zu erheblichem Frust, denn die Aktivitäten des Bibers führen in Hochwasser gefährdeten Gebieten wie zum Beispiel an der Elbe, Warnow, Peene oder der Trebel zu erheblichen Problemen. Gleichzeitig kommt es zu nicht zu unterschätzenden Nutzungskonflikten in den Bereichen der Gewässerunterhaltung, der Verkehrssicherheit, aber auch der Landwirtschaft. Nach Auskunft der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises VorpommernGreifswald gibt es bei einer Populationsdichte von geschätzt über 1.000, eher 1.200 Tieren über 200 Problemstandorte, an denen die Aktivitäten von Bibern zu Schäden an Hochwasserschutzanlagen, Verkehrsanlagen oder landwirtschaftlichen Flächen führen.

So schreibt einer der örtlichen Wasser- und Bodenverbände, der Wasser- und Bodenverband „Insel UsedomPeenestrom“, dass er im vergangenen Jahr 13 Problemstellen an Gewässern II. Ordnung und landwirtschaftlichen Deichen hatte, die durch Biber verursacht wurden. Eine Vielzahl von Schwerpunktbereichen mussten im Jahresverlauf 6- bis 17-mal angefahren werden. Insgesamt wurden im Jahr 2015 neue Schäden an 500 Metern

Deich und circa 12,8 Kilometern Gewässer II. Ordnung festgestellt. 7-mal mussten Durchlässe gereinigt werden, da hier die angrenzende Wohnbebauung von Überflutung gefährdet war.

Sehr geehrte Damen und Herren, obwohl der Biber derzeit gemäß FFH-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geschützt ist, können nach Paragraf 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz Ausnahmegenehmigungen zum Rückbau von Dämmen und zur Umsiedelung oder Entnahme von Bibern beschieden werden. Leider sind die von besonders hoher Biberpopulation betroffenen Unteren Naturschutzbehörden aufgrund der Fallzahlen derzeit nicht mehr in der Lage, eine in jedem Fall zeitnahe Abwicklung der Ausnahmegenehmigungen zu gewährleisten. Oft bewegen sich Landwirte, Wasser- und Bodenverbände, aber auch Träger der Verkehrslasten und Kommunen deshalb in einer rechtlichen Grauzone.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl der Biber immer noch nach den Anhängen 2 und 4 der FFHRichtlinie unter den Schutz des Artikels 12 der FFHRichtlinie fällt, bietet der Artikel 16 der FFH-Richtlinie den Ländern die Möglichkeit, im Zuge von Rechtsverordnungen Ausnahmen vom strengen Schutzregime zuzulassen. Dann können Eingriffe in die Population geschützter Arten zur Abwendung erheblicher land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden beziehungsweise im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit umgesetzt werden.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat mir in dieser Angelegenheit Folgendes empfohlen, ich zitiere: „Bayern und Brandenburg haben ein Bibermanagement realisiert, das im geltenden Rechtsrahmen Konfliktminimierung umsetzt.

Dazu gehören Rechtsverordnungen mit Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten. Damit kann erleichtert gegen Biberbauten an Deichen und sonstigen Hochwasserschutzanlagen, Dämmen von Kläranlagen und erwerbswirtschaftlich genutzten Fischteichanlagen und unter weiteren Voraussetzungen auch gegen die Tiere selbst vorgegangen werden. Diese Möglichkeiten ergänzen weitere Maßnahmen wie Information, Prävention und Schadensausgleich.“ Zitatende.

Allerdings sind solche Verfahren in NATURA-2000Gebieten sehr aufwendig und kaum realisierbar. So geht die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg davon aus, dass „erhebliche wirtschaftliche Schäden erst dann vor(liegen), wenn der betreffende Betrieb durch die Anforderungen des Artenschutzes ,schwer und unerträglich‘ getroffen wird und darüber alle Anstrengungen unternommen hat, den Schäden durch Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken“.

Da hilft dann offensichtlich auch kein Bibermanagementplan, denn der brandenburgische Minister für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft hat sich am 29. Juni 2015 an das zuständige Bundesministerium gewandt und um die Prüfung der Aufnahme des Bibers in den Anhang 5 der FFH-Richtlinie gebeten. Erst dann wäre eine unbürokratische Bestandsregulierung möglich. Aber obwohl die Bundesumweltministerin bestätigt hat, dass sich der Biber in Deutschland in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, ist das Bundesministerium nicht bereit, entsprechende Maßnahmen zu er- greifen.

Begründet wird diese Untätigkeit von der Bundesumweltministerin mit dem hohen bürokratischen Aufwand eines solchen Antrages, ich zitiere erneut aus dem Schreiben des Ministeriums an mich: „Der Biber gehört zu den Tierarten, die in Deutschland inzwischen wieder eine günstige Erhaltungssituation nach den Kriterien der FFH-Richtlinie aufweisen. Dies gilt allerdings erst für ein Viertel der nach dieser Richtlinie geschützten Arten.“ Und weiter heißt es: „Ich möchte in der aktuellen Situation keine Initiative ergreifen, die Europäische Kommission aufzufordern, die Anhänge der FFH-Richtlinie wegen lediglich einer Tierart zu überprüfen. Das Verfahren wäre zu aufwendig.“ Zitatende.

Den Betroffenen vor Ort, die jeden Tag mit bürokratischen Anträgen ihr Hab und Gut oder die Verkehrssicherheit oder den Hochwasserschutz sichern müssen, stehen bei einer solchen Begründung sicherlich die Haare zu Berge.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Inkaufnehmen der Gefährdung betrieblicher Existenzen von Unternehmen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie der Verkehrssicherheit und des Hochwasserschutzes ist insbesondere vor dem Hintergrund der sehr positiven Bestandsentwicklung des Bibers nicht nachzuvollziehen. Gleichzeitig werden Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie zur durchlässigen Gestaltung der Gewässer, die mit Millionenaufwand umgesetzt wurden, durch Dämme und Burgen der Biber konterkariert. Das trifft vor Ort zunehmend auf Unverständnis.

Das ist bei Weitem nicht der einzige Zielkonflikt. Es gibt Beispiele, dass der Biber eine geförderte Aufforstungsfläche komplett vernichtet hat beziehungsweise sich an einer weit über 100 Hektar großen und ebenfalls geförderten Aufforstungsfläche, die mittlerweile mehr als zehn Jahre steht, zu schaffen macht. Hier wäre zu klären, wie man mit diesen förderschädlichen Tatsachen rechtssicher umgeht und zu wessen Lasten. Die Aufrechterhaltung des strengen Schutzstatus des Bibers ist aufgrund der Schäden Betroffenen nicht mehr zu erklären und schadet der allgemeinen Akzeptanz des Artenschutzes und des Schutzes von Lebensräumen. Aus diesem Grunde ist es aus Sicht meiner Fraktion zwingend notwendig, dass der Biber in den Anhang 5 der FFH-Richtlinie aufgenommen wird, um so eine praxistaugliche Regulierung des Biberbestandes zu ermöglichen. Zusätzlich ist es notwendig, dass von der Landesregierung den Unteren Naturschutzbehörden entsprechende Handlungsanweisungen an die Hand gegeben werden, um schnell und rechtskonform reagieren zu können. Oft ist Gefahr in Verzug, insbesondere wenn der Biber wieder einmal Straßen unterhöhlt oder Hochwasserschutz- und Bahndämme beschädigt hat.

Zum Schluss möchte ich ganz klar herausstellen: Der Antrag richtet sich nicht gegen den Biber an sich und es gibt viele Lebensräume, in denen er, weil konfliktarm, gern gesehen ist, auch bei meiner Fraktion. Es geht uns um einen Interessenausgleich in konfliktträchtigen Bereichen und es geht – und ich hoffe, das ist aus meinem Beitrag deutlich geworden – auch um die öffentliche Sicherheit. Von daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Danke, Frau Schlupp.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Den letzten Satz, dass es nicht gegen den Biber gehen soll, will ich mal so im Raum stehen lassen. Wenn man in den letzten Wochen und Monaten die Zeitung verfolgt hat, dann hat man schon wahrgenommen, worum es hier wohl gehen soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich finde es schon bemerkenswert, dass wir uns heute hier mit dem Biber befassen.

(Egbert Liskow, CDU: Koalitionsantrag.)

Wenn wir uns die Entwicklung unseres schönen Bundeslandes – für mich das schönste Bundesland der Welt – anschauen, dann nehme ich zur Kenntnis: Ja, der Biber ist wieder da. Das ist ein großer Erfolg auch der Landschaft, der Natur und dieses Geschöpfes als solches. Es ist so, wir haben zurzeit in Mecklenburg-Vorpommern 2.300 Biber. 2.300 Biber! Die Populationsdichte in Bayern oder in Brandenburg ist deutlich höher. Auch das nehmen wir, denke ich, zur Kenntnis.

Auch der Wolf ist wieder da. Auch darüber habe ich vieles gelesen in den letzten Wochen und Monaten.

(Egbert Liskow, CDU: Bloß der Mensch nicht mehr.)

Ja, auch der Nandu ist da.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU

und Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Der auch noch! –

Den nehmen wir

uns noch vor! Wir haben noch ein paar

Monate bis zur Landtagswahl! – Zuruf von

Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Kormorane sind wieder da. Oder die Kraniche, sie kommen im Frühjahr, sie kommen im Herbst,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ja, sie sind auch wieder da. Oder wenn ich Tierarten nehme, die vom Aussterben bedroht waren oder ausgestorben waren, gehen wir mal kurz in die Gewässer unseres Landes, der Stör – ein Segen –, ja, er ist wieder da.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Oder auch die Meerforelle, die es nicht mehr gab, ist wieder da. Oder auch der Schnäpel, der ausgestorben war, ist wieder da.

(Vincent Kokert, CDU: Keine Welt ohne den Schnäpel!)

Im Binnenland, ich bin sehr glücklich, ist die Schaalseemaräne, die so gut wie ausgestorben war, wieder da.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das zeigt – ohne das hier am Freitagmittag oder um die Mittagszeit herum ins Lächerliche zu führen –, und ich hoffe, Sie können mir folgen und wir nehmen zur Kenntnis: Unser Land gesundet aus sich heraus in Landschaft und Natur.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Ein großer, großer Erfolg!

Im Konflikt mit den Landnutzern und den -schützern ist uns das gelungen. Selbstverständlich gibt es an der einen oder anderen Stelle Konfliktfelder.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Natürlich ist das so.

Die FFH-Richtlinie, die NATURA-2000-Richtlinie, ist 1992 unter dem Vorsitz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet worden. Ich glaube, Sie wissen, wer 1992 in der Verantwortung war. Ich hoffe, Sie wissen es.

(Vincent Kokert, CDU: Können Sie uns das noch mal sagen? Wir haben da Gedächtnislücken.)

Ja, es ist die CDU gewesen.

(Vincent Kokert, CDU: Ach, Mensch!)