Protokoll der Sitzung vom 16.03.2012

(Udo Pastörs, NPD: Toll.)

Das heißt, man kann sich,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

man kann sich aus zwei Perspektiven dieser wesentlichen Frage nähern. Man kann zunächst einsteigen in eine intensive Analyse der Arbeit der Gerichte, wo man die Zukunft mit hineinpackt in die Einschätzung, was brauchen wir denn zukünftig für eine Struktur, wo man die Beteiligten ohne Vorgaben einbezieht und wo man dann anschließend zu einem entsprechenden Ergebnis kommt. Oder man kann sich – so, wie das die Landesregierung entschieden hat – nähern, indem man einfach schon mal Vorgaben definiert und beispielsweise sagt, der Korridor für die Richterstellen der Amtsgerichte liegt zwischen 10 und 39, und auf der anderen Seite sagt, ich habe das hier noch mal mitgebracht, Ihren Leitgedanken 2, die Orientierung soll an den neuen Kreisstrukturen erfolgen.

Ich will das mal zitieren, wie es im Leitgedanken heißt: „Die Struktur der Amtsgerichte soll sich an den Zentren orientieren, die sich durch die Kreisgebietsreform herausbilden,“

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

„soweit dies mit den Belangen der Rechtssuchenden und der Justiz in Einklang zu bringen ist.“ Genau dieses, sehr geehrte Damen und Herren, halten wir für den falschen Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man dem nämlich folgt, und das ist in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses ja auch durchaus zum Ausdruck gekommen, dann kann man zwei Schritte tun. Dann kann man zunächst mal hergehen und sagen: Wie wirkt sich denn unter dem Korridor 10 bis 39 Richterstellen pro Gericht das auf die derzeitigen Kreisstrukturen aus? Und dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass dies in jeden Landkreis hineinpasst – mit Ausnahme der

Mecklenburgischen Seenplatte. Wenn man das weiter herunterbricht, und die Fragen hatten wir auch im Rechtsausschuss, wie sich das denn auswirkt auf die Frage, wie viele Amtsgerichte werden wir denn noch haben, dann landen wir bei einer Größenordnung, Frau Ministerin, Sie haben das auch genannt, nicht mehr bei 8, weil Sie sagen, die Seenplatte braucht zumindest ein Amtsgericht mehr, sondern bei 9 bis 11.

Das ist nicht meine Aussage, sondern das ist die Aussage der Landesregierung im zuständigen Fachausschuss. Und wenn Sie davon ausgehen, dass Sie damit a) die Opposition konfrontieren, b) die Richter und Richterinnen und die Anwälte konfrontieren, dann müssen Sie davon ausgehen, dass es an dieser Stelle einen entsprechenden Widerspruch gibt, und ich finde auch richtig, dass es ihn an dieser Stelle gibt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Widerspruch gibt es aber nicht nur auf der Ebene der Anwälte und Richter, sondern diesen Widerspruch gibt es auch auf der Ebene der Landkreise, und zwar aus einem ganz anderen Aspekt heraus. Die Landkreise sehen, gerade in dieser sensiblen Zeit der Erfahrungen mit der Kreisstrukturreform, welche Auswirkungen es hätte, würde man auch die Gerichte so drastisch auf die Hälfte reduzieren.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Sie sehen den Aspekt der fehlenden Bürgernähe, sie sehen – Frau Borchardt hat richtigerweise darauf hingewiesen –, im bundesweiten Vergleich gibt es nicht annähernd, gibt es nicht annähernd diese Riesenentfernungen zu den Amtsgerichten,

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

wie sie herauskommen würden, wenn wir auf 10, 11 oder vielleicht 9 Amtsgerichte reduzieren würden. Da müssen doch die Alarmglocken schrillen, wenn sie derartige Perspektiven sehen. Und da ist es richtig, dass auch an dieser Stelle Kommunalpolitiker und Landkreise – übrigens aus allen Fraktionen, auch aus der CDU und aus der SPD – auf die Barrikaden gehen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich an die Landesregierung appellieren, das mit Taten auszufüllen, was Sie, Frau Kuder, gerade mit Worten hier erklärt haben, nämlich in der Tat einen offenen Prozess zu gestalten und die Beteiligten einzubeziehen. Aber einen offenen Prozess zu gestalten, würde bedeuten, ich nehme den engen Rahmen, den ich schon definiert habe, erst mal zurück und ich gehe in diesen Prozess in der Tat mit einer, …

Herr Abgeordneter Suhr, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

… mit einer realen Öffnung hinein.

Ich bitte Sie um Zustimmung zum Antrag der LINKEN. Wir werden ihn unterstützen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Reformbedarf beziehungsweise Reformwille bei den Amtsgerichtsstrukturen unseres Landes liegt nicht erst seit gestern offen. Die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern soll ebenfalls auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren und auf ein langfristig tragfähiges Fundament gestellt werden.

In dem von der Landesregierung beschlossenen Strategiebericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“, über den der Landtag in der letzten Legislaturperiode auch unterrichtet wurde, wird unter anderem ein Reformbedarf bei der Justiz aufgezeigt. Nach dem Strategiebericht stellt das Schrumpfen der Bevölkerung auch die Justiz unseres Landes vor ganz erhebliche Probleme. Angesichts dessen ist die Forderung „Strukturen der Amtsgerichte erhalten“ eine zu einfache Antwort auf die vor uns liegenden Herausforderungen.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Bereits heute weist Mecklenburg-Vorpommern eine beachtliche Amtsgerichtsdichte auf. Auf ein Amtsgericht entfallen rund 77.000 Einwohner. Der demografischen Entwicklung, aber aus meiner Sicht vor allem den weniger werdenden finanziellen Mitteln und den daraus folgenden Vorgaben des Personalkonzepts 2010 ist auch im Bereich der Justiz Rechnung zu tragen, denn diese Faktoren führen dazu, dass schon 2020 nicht der gleiche Personalbestand wie heute vorhanden sein wird. Das bedeutet, dass die Gerichte kleiner werden. Andererseits müssen Amtsgerichte eine bestimmte Größe aufweisen, um effizient die ganze Bandbreite der Aufgaben abdecken zu können.

Die Gerichtsstrukturreform soll auch dazu dienen, den Einsatz der Richter flexibler und effizienter gestalten zu können.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist auch richtig so.)

Im Interesse der Bürger und der Wirtschaft soll die Dauer von Verfahren auch weiterhin möglichst kurz gehalten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, für die Landkreise und kreisfreien Städte des Landes sind mit der Kreisgebietsreform im Wesentlichen tragfähige Verwaltungsstrukturen geschaffen worden. Nachdem die kommunale Ebene ihre Strukturen reformiert hat, darf aber auch das Land nicht nachlassen, sich weiterhin den zukünftigen Entwicklungen zu stellen. Vor diesem Hintergrund wird das Justizressort bis Mitte des Jahres ein Konzept für eine neue Struktur der Amtsgerichte erarbeiten. Anschließen wird sich ein umfassendes Beteiligungsverfahren, in dem das Konzept mit allen Betroffenen abgestimmt werden soll. Ein Gesetzentwurf soll dem Landtag dann zum Ende des Jahres zugeleitet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass die Justizministerin in diesem noch sehr frühen Stadium der Planung das Verfahren für Betroffene und Öffentlichkeit so transparent und offen gestaltet hat und sich persönlich bereits im Europa- und Rechtsausschuss den Fragen der Abgeordneten gestellt hat.

Im Vorgriff auf das zu erstellende Konzept hat die Justizministerin im Februar Eckpunkte für die neue Gerichtsstruktur öffentlich präsentiert und zur Diskussion gestellt. Diese umfassen neben einem entsprechenden Leitbild einen ersten Entwurf für mögliche Standortkriterien. Diese Eckpunkte werden bereits jetzt sowohl innerhalb der Justiz als auch mit allen Betroffenen diskutiert. Entscheidend ist, dass im gegenwärtigen Stadium weder Festlegungen hinsichtlich einer Gewichtung der einzelnen Kriterien für eine Bewertung der jeweiligen Standorte getroffen worden sind, noch der vorgestellte Kriterienkatalog abschließend ist.

Meine Damen und Herren, Ziel der künftigen Reform wird in erster Linie sein, im Hinblick auf das Aufgabenspektrum der Gerichte dauerhafte, tragfähige, aber vor allem bedarfsgerechte und effiziente Strukturen zu schaffen. Der Schwerpunkt an sich muss sein, die Justizaufgaben auch künftig bürgerfreundlich zu erfüllen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Bürgernah.)

Die verschiedenen Geschäfte eines Amtsgerichts sind durch einen unterschiedlich starken regionalen Bezug gekennzeichnet. Es gibt Aufgaben eines Amtsgerichts, die ortsunabhängig erledigt werden können, andere erfordern einen engen persönlichen Kontakt zu den Bürgern und von den Bürgern. Hier gilt also keine schematische Herangehensweise, auch keine, die strikt an den neuen Kreisstrukturen festhält, sondern es gilt, differenzierte Lösungen zu finden.

Wir werden diesen Prozess als SPD-Fraktion konstruktiv begleiten und unsere Vorstellungen mit den Betroffenen und dem Ministerium beraten und diskutieren. Vorstellung bei uns ist es unter anderem, gerade vor dem Hintergrund vergangener Gerichtsstrukturreformen, dass das Parlament zukünftig über das Bestehen oder eben auch Nichtbestehen von Zweigstellen zu entscheiden haben könnte.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Dr. Margret Seemann, SPD: Sehr gut.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht keine gute Idee, aus einer Stadt das Amtsgericht abzuziehen und dafür einen Demokratieladen hinzustellen. Letzterer steht, wie selbst der „Nordkurier“ in einem lichten Moment schrieb, wie ein gelandetes Ufo in der Stadt herum und die Leute fragen sich, was das soll. Die Amtsgerichte hingegen haben Tradition. Einige gibt es schon seit den Zeiten des alten Preußen, seit über 100 Jahren.

Wenn eine Stadt Gerichtsort ist, verleiht ihr das Bedeutung. Das ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität.

Ihr das wegzunehmen, wirkt nicht wie eine coole neue Reform, es sieht eher aus wie der Rückzug der Amerikaner aus Vietnam und das haben die damals auch schöngeredet. Es läuft auf ein Zurückweichen des Staates hinaus. Wie Marx prophezeit hat, stirbt der Staat ab, nur dass darauf nicht das marxistische Paradies folgt, in dem man nach Lust und Laune jagen, fischen oder kritisieren kann. Jagen und fischen muss man höchstens, um sich über Wasser zu halten, wenn die wirtschaftliche Entwicklung so weitergeht und der Verfall des ländlichen Raumes. Zum Kritisieren ist es dann zu spät.

Es ist die Erfahrung der Menschen vor Ort in vielen kleinen Städten, dass ständig etwas dichtmacht – in Anklam beispielsweise in letzter Zeit eine Berufsschule, die Schule für Grafik und Design, die nach Greifswald abgewandert ist, demnächst das Landratsamt, wovon dann auch nur noch eine Zweigstelle übrig bleibt, wenn man Glück hat, und gerade eben auf dem Gebiet der Wirtschaft auch noch der letzte Schlecker-Markt. Die Stadt wird immer weniger. Und jetzt auch womöglich noch das Amtsgericht, das vielleicht erst zur Zweigstelle degradiert wird, bevor es ganz verschwindet.

Wie wollen Sie denn Regionen für Ihr politisches System gewinnen, wenn Sie sie fallenlassen? Da können Sie noch so viele Missionare schicken, die den verstockten Eingeborenen Demokratie und Toleranz predigen sollen. Je weniger der Staat den Bürgern zu bieten hat, desto mehr Leute werden auf diejenigen hören, die sagen: Vergesst dieses System, orientiert euch neu, seht her, die anderen ziehen ab, aber wir bleiben! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Texter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ja, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, ich nehme es gleich mal vorweg: Wir werden Ihren Antrag ablehnen.