Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Hier ist wieder dieser Satz, sage ich mal hinzufügend: Angesichts des gestrigen Urteils des Berliner Sozialgerichts und unserer Verantwortung beantragen wir eine getrennte Abstimmung der Punkte.

Und zum Schluss noch etwas zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Den kann ich ganz ehrlich nicht verstehen. Sie unterstützen dem Grunde nach unser Anliegen, wollen aber auf die Normenkontrollklage gegen Hartz IV verzichten. Den Grund können wir nicht erkennen, hat Ihre Fraktion im Bundestag doch im Dezember 2010 gegen den Regelsatzentwurf von CDU/CSU und FDP gestimmt. Ebenso unverständlich ist die Herausnahme der Aufzählungszeichen. Beides ist aus unserer Sicht Grund, dem Änderungsantrag nicht zuzustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie wollten noch was sagen zur Pflege, zu den Mindestlöhnen.)

An einer anderen Stelle, Herr Dr. Nieszery, zu Mindestlöhnen und zur Pflege, darauf kommen wir ganz sicher noch mal zurück. Das ist heute nicht das Thema, nicht heute. Wir werden das auf alle Fälle noch behandeln, da …

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Nein, ich drücke mich nicht vor der Aussage. Ich verweise darauf, dass man das gediegen und vernünftig vorbereitet und dann hier noch mal die Positionen abgleichen kann. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/690 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen

wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/690 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und NPD bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/571. Die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, die Ziffern 1 und 2 des Antrages einzeln abstimmen zu lassen.

Wer der Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/571 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/571 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der NPD abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/571. Wer der Ziffer 2 des Antrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/571 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anrufung des Vermittlungsausschusses in Bezug auf die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Drucksache 6/687.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anrufung des Vermittlungsausschusses in Bezug auf die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Drucksache 6/687 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen, dass es möglich war, diesen Dringlichkeitsantrag heute hier noch zu behandeln.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nichts zu danken.)

Die Landesregierung soll mit diesem Antrag aufgefordert werden, im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen. Heute hat der Umweltausschuss des Bundesrates getagt, am 26.04., und hat mehrheitlich entschieden, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damit, könnte man sagen, wäre ja unser Antrag fast überflüssig, ist er aber leider nicht,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, schade!)

weil im Umweltausschuss des Bundesrates jedes Land einzeln vertreten ist. Das spiegelt nicht die Mehrheit im Bundesrat wieder. Im Bundesrat sind momentan 34 Stimmen für die Anrufung, der Rest ist unklar. Es

kommt also wirklich auf die 3 Stimmen von MecklenburgVorpommern an. Die werden entscheiden, ob das Gesetz beziehungsweise die Veränderung des Gesetzes noch einmal in den Vermittlungsausschuss geht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Christine Lieberknecht, Reiner Haseloff und Horst Seehofer sind drei CDU/CSU-Ministerpräsidenten/Ministerpräsidentinnen, die nach unserem Kenntnisstand mit dazu aufrufen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Rot-Grün- beziehungsweise SPD-geführten Länder sind sonst überall mehrheitlich dabei. Ausnahme ist momentan auch noch Berlin. Das ist das Problem, wie gesagt, deswegen kommt es darauf an.

Was wollen wir im Vermittlungsausschuss erreichen? Ein für uns zentraler Punkt ist, dass auch in Zukunft 100 Prozent der Stromproduktion bei Fotovoltaikanlagen vergütet werden. Ein weiterer, für uns sehr wichtiger Punkt ist, dass eine Lösung gefunden wird, dass auch in Zukunft in der ganzen Bundesrepublik Deutschland Fotovoltaikanlagen auf die Dächer gebracht werden können. Das bedeutet, dass sich das wirtschaftlich in ganz Deutschland noch rechnet.

Momentan sind die Absenkungen so stark, dass die Anlagen vor allem in Bayern und Baden-Württemberg stehen werden. Deswegen, auf das Argument noch mal eingegangen, warum stellen wir nicht alle Fotovoltaikanlagen nur noch in Bayern und Baden-Württemberg auf und machen hier oben gar nichts? Der wesentliche Punkt bei regenerativen Energien ist, dass sie die schwankenden Wetterlagen ausgleichen müssen. Sobald sie alle regenerativen Energien an einem Punkt konzentrieren, dann ist nur an oder aus angesagt. Wenn wir sie breit über die Bundesrepublik Deutschland, also dezentral, streuen, können wir sozusagen diese Flauten, jedenfalls zum Teil, umgehen und dadurch mehr regenerative Energien nutzen. Wir sparen außerdem auch beim Leitungsausbau.

Im Land Mecklenburg-Vorpommern wurden im letzten Jahr Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 130 Megawatt aufgebaut. Nach meiner groben Schätzung, die liegt etwas unter der des Bundesverbandes, sind das etwa 400 Millionen Euro Investitionssumme. Wenn Sie davon ausgehen, dass etwa 10 Prozent für die Handwerksbetriebe abfallen, die diese Anlagen hier auf die Dächer bringen, dann sind das etwa 800 Arbeitsplätze, die wir verlieren, wenn wir im nächsten Jahr diese Anzahl nicht mehr aufbauen können. Dazu kommen die Industriearbeitsplätze, zum Beispiel bei CENTROSOLAR mit 350 Arbeitsplätzen, plus 40 Zeitarbeitsplätze.

Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen, damit es möglich wird, dass das Land MecklenburgVorpommern erreicht, dass dieses ganze Gesetz noch einmal in den Vermittlungsausschuss geht. Wie die Lösung dort konkret aussehen wird, können wir hier natürlich nicht vorhersagen, aber wir erhoffen uns eine Situation, die bedeutet, dass die Fotovoltaik auch in Zukunft ein ganz, ganz wesentlicher Baustein der Energiewende in Deutschland, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern sein kann. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Herr Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Jaeger, ich verstehe natürlich, dass Sie diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht haben. Das ist die letzte Gelegenheit vor dem Bundesrat, die Fragen hier zu debattieren, aber ich sage Ihnen natürlich auch: Wir bleiben bei unserem Zeitplan. Wir werden am 8. Mai Kabinettssitzung haben und dann darüber entscheiden, wie wir abstimmen werden.

Ich muss Ihnen sagen, inhaltlich gilt nach wie vor für mich das, was ich hier schon einmal in der Aktuellen Stunde gesagt habe. Es ist völlig klar, dass wir zu einer schrittweisen Absenkung der Förderung bei der Fotovoltaik kommen müssen. Das ist klar, aber das muss ein Abschmelzen mit Augenmaß sein, auch mit Verlässlichkeit für die verschiedenen Unternehmen, die sich auf uns verlassen haben, auf die Rahmensetzung der Politik verlassen haben, und es darf nicht so abrupt sein, wie es jetzt geplant ist. Also für mich geht das, was da im Moment beschlossen wird, zu weit. Dadurch werden Arbeitsplätze gefährdet in der Solarbranche, die sich ja ohnehin in einer schwierigen Wettbewerbssituation befindet. Und das gilt nicht nur für die Solarbranche direkt, sondern das gilt auch für Aufträge an Handwerker, für Aufträge an die Betriebe, die sich auf die Montage spezialisiert haben. Ich bin auch davon überzeugt, dass dieses sehr weitgehende Zurückfahren, dass das ein falsches Signal ist.

Wir haben im letzten Jahr den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Wir haben gesagt, wir wollen eine Energiewende haben und wir müssen uns darüber klar sein, das ist eine große nationale Aufgabe. Deshalb müssen wir alles tun, um den Ausbau der erneuerbaren Energien so weit wie möglich zu beschleunigen. Das ist klar.

Ich weiß, dass jetzt einige sagen: „Die Solarenergie in Mecklenburg-Vorpommern spielt ja nun nicht so eine große Rolle. Insofern, wenn man über das Abstimmungsverhalten des Landes nachdenkt, von welcher Wichtigkeit ist das denn eigentlich?“ Da ist es natürlich richtig, dass für uns, wenn wir über erneuerbare Energien reden hier im Land, vor allem die Windkraft eine große Rolle spielt, aber auch Biomasse, vor allem kleine dezentrale Anlagen. Aber auch bei uns gibt es natürlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf dem Gebiet der Solarenergie tätig sind und sich jetzt Sorgen machen. Die Arbeitnehmer von CENTROSOLAR in Wismar beispielsweise, die hoffen auf unsere Unterstützung. Man muss natürlich auch sagen, dass jede Solarzelle auf einem Dach oder jeder Bürgersolarpark am Rande einer Gemeinde einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leistet, nicht nur durch die Energie, die da erzeugt wird, sondern, ich glaube, in der Diskussion über Fragen wie: Funktioniert das denn alles? Geht das denn? Wie überzeugen wir die Menschen? Da ist es das Überzeugendste, dass man sagt, ich mach mir was aufs Dach und kann damit Geld verdienen. Das ist ein klares Argument dafür, dass die Leute sagen: „Ja, mit der Energiewende, das geht so.“

Ich denke, wir brauchen alle Bereiche der erneuerbaren Energien und wir sollten sie da nicht gegeneinander ausspielen. Und es geht vor allem auch darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt zu beschleunigen – jetzt komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt –, das ist ein gemeinsames Interesse der ostdeutschen Länder. Ich habe das damals schon gesagt, wir im Osten beziehen unsere Wirtschaftskraft sehr viel weniger aus traditionellen Industriezweigen. Wir sind darauf angewiesen, auf neue Felder zu setzen, auf Zukunftstechnologien, die langfristiges Wachstum versprechen und qualifizierte Arbeitsplätze, und all das trifft bei den erneuerbaren Energien zu, und deshalb haben sie für uns eine besondere Bedeutung.

Ich halte es für sehr wichtig, dass wir Länder, zum Beispiel Sachsen-Anhalt, die ein Hauptinteresse an Solarenergie haben, dass wir die auch in diesen Fragen unterstützen, wenn das für uns nicht die allererste Priorität hat.

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr richtig.)

Ich war jetzt in Hamburg bei der Metropolregion. Mecklenburg-Vorpommern ist ein ostdeutsches Land und es ist ein norddeutsches Land und wir haben die große Chance, dass wir unsere Interessen einbringen können in den Zusammenhalt der norddeutschen und den Zusammenhalt der ostdeutschen Länder. Und wenn wir über die Energiewende reden und die Chancen, die wir als Land da wahrnehmen wollen, dann müssen wir uns klar sein, wir geraten in einen starken Interessengegensatz zu anderen Bundesländern, die nicht im Osten und nicht im Norden liegen, und wenn wir uns da durchsetzen wollen, weil die sehr stark sind, dann müssen wir zusammenhalten.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wollen wir Unterstützung geben, wenn die Landesregierungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt oder in Brandenburg, wenn die um ihre akut gefährdeten Arbeitsplätze kämpfen. Das ist auch eine Frage ostdeutscher Solidarität und, ich sage Ihnen, deshalb wird der sozialdemokratische Teil der Landesregierung am 8. Mai empfehlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen, allerdings – jetzt komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt –, allerdings eben auch unter der Voraussetzung, dass es bis dahin nicht zu substanziellen Änderungen kommt.

Ich habe vor einigen Tagen noch mit Lieberknecht und Haseloff am Rande der ostdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz gesprochen und ich finde es sehr beeindruckend, wie mannhaft beide – auch gegen ihre Kanzlerin – die Interessen des Landes vertreten.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Ist ja richtig. Aber ganz klar ist dabei, das muss man auch sagen, es geht ja bei der Solarenergie, bei dem, was da jetzt vorliegt, geht es ja nicht um ein Ganz-odergar-nicht, um ein Ja oder um ein Nein, sondern es geht ja darum, dass wir sagen: Abschmelzen ja, aber nicht so abrupt. Und deshalb ist das ein politisches Feld, bei dem wir zufrieden sind – egal in welchem Verfahren –, wenn

wir es hinbekommen, dass das Abschmelzen nicht so abrupt geschieht wie jetzt.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja, wir brauchen konkrete Nachbesserungen.)

Und ich habe überhaupt nichts dagegen, dass unser Koalitionspartner, das hatten wir Lorenz Caffier sehr deutlich signalisiert, dass unser Koalitionspartner sich das Abstimmungsverhalten im Bundesrat so lange wie möglich offenhalten will, sodass wir wahrscheinlich auch in der Kabinettssitzung am 8. Mai das nicht endgültig festlegen. Es gibt ja immer die Möglichkeit, dass man sagt, wir warten ab und entscheiden das gemeinsam am Tag selbst, wenn wir da sitzen im Bundesrat, die sogenannte freie Hand des Stimmführers, weil die Möglichkeit dann besteht, sich noch in den SPD- und in den CDUKreisen vorher abzustimmen. Und ich glaube, dies ist eine Frage, bei der sich das aufdrängt, weil es einfach darum geht, bis zum letzten Augenblick zu versuchen, die Interessen derjenigen, die sich für Solar einsetzen, doch noch zum Durchbruch zu bringen. Und da ist natürlich hilfreich, wenn jemand wie Lieberknecht und Haseloff sagen: „Wir werden auf keinen Fall zustimmen, wenn sich nichts ändert.“

Insofern kann man sagen, ja, wäre schön, wenn wir das hier auch täten. Das werden wir wohl nicht erreichen – klare Linie des sozialdemokratischen Teils, aber ich habe den Eindruck, der Koalitionspartner sagt, ich setze darauf, bis zum Ende der Abstimmung Gespräche zu führen, und ich denke, auch das ist etwas, womit man leben kann.