Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Und ich sage Ihnen, das geht nur im Komplex mit einer Steuerpolitik, mit einer Arbeitsmarktpolitik.

Insofern sind wir dafür bereit und ich glaube, dass die CDU dann auch im Bund dort ihrer Verantwortung gerecht werden wird, da habe ich überhaupt keine Zweifel. Die letzte Umfrage – ich glaube, von gestern – bestärkt mich, dass die Menschen das nicht nur in MecklenburgVorpommern, sondern in der gesamten Bundesrepublik auch so sehen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: In der ganzen Welt, Herr Renz, in der ganzen Welt.)

dass die Leute dort einen guten Job machen. Und deswegen sage ich Ihnen: Bleiben Sie ganz ruhig und wir diskutieren in der Sache hier hart weiter! – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

(Torsten Renz, CDU: Keine Substanz, aber viel heiße Luft. So ist das, wenn man Zusammenhänge nicht erkennen will. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie waren schon mal ein besserer Erklärbär.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In zahlreichen Medienartikeln wird gerade zehn Jahre Hartz IV gefeiert, was auch zum Gesamtpaket gehört, das sei eine mutige Reform gewesen, …

(Unruhe bei Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Einen Moment, Herr Andrejewski.

Ich bitte doch, hier keine Zwiesprache zwischen den Bänken zu halten.

Ich entschuldige mich, die Diskussion zu stören.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

Ich rede aber trotzdem weiter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Stört uns nicht, wenn Sie weiterreden, Herr Andrejewski.)

… Hartz IV sei eine mutige Reform gewesen, die die Grundlage für den angeblichen augenblicklichen Wirtschaftserfolg der BRD gelegt hätte. Die gleichen Leute preisen auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Minijobs, auch wenn sie reguläre Beschäftigung verdrängen. Geringe Löhne oder Lohnzurückhaltung, wie es verharmlosend heißt, würden deutsche Produkte billiger machen und damit den Export stärken.

Irland und Portugal werden gerade sehr gelobt, weil sie die Lohnstückkosten gesenkt hätten. Das sind die auf eine bestimmte Leistungseinheit entfallenden Lohnkosten. Die sind umso geringer, je extremer die Armutslöhne ausfallen. Der Preis für einen möglicherweise steigenden Export ist in diesen eher armen Ländern wie Irland und Portugal soziales Elend und die Abwanderung der jungen Leute. Und auch in Deutschland haben die niedrigen Löhne Folgen, die wir gerade jetzt in der Eurokrise überhaupt nicht gebrauchen können. Die Krisenländer können nämlich nicht mehr so viele deutsche Güter abnehmen, auch wenn diese dank der Lohndrückerei billig sind.

(Udo Pastörs, NPD: Das geht alles nach China jetzt.)

Und andere europäische Länder beschweren sich auch zu Recht darüber, dass wir durch Lohndrückerei unsere Exporte in ihre Märkte reindrücken, während sie anständigere Löhne zahlen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist asozial.)

Auf der anderen Seite können sich die Niedrigverdiener in Deutschland nichts leisten. Dadurch ist der Binnenmarkt zu schwach. In der jetzigen Situation benötigen wir aber einen starken Binnenmarkt mit mehr Kaufkraft.

Während andere europäische Staaten wegen zum Teil durch uns erzwungene Sparprogramme als Kunden in erheblichen Teilen ausfallen, erweist sich unsere Exportabhängigkeit als fatal. Hartz IV, Billiglöhne und Eurokrise zusammen sind in dieser Situation eine Belastung für unsere Wirtschaft. Der Schwerpunkt muss daher weg vom Export und hin zum Binnenmarkt gelegt werden. Und deshalb müssen Hartz IV und Armutslöhne weg. Deswegen muss auch der Missbrauch aufhören mit Minijobs, nicht die Minijobs selber – die sind als Zuverdienst für Studenten und Rentner natürlich sehr gut –, sondern der Missbrauch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einiges gehört hier in der Debatte. An der einen oder anderen Stelle gab es durchaus auch Wortmeldungen, die darauf schließen lassen, dass es ein gewisses Problembewusstsein zu dem Thema gibt. Manche Dinge waren auch etwas verworren. Ich will versuchen, auf das eine oder andere dann auch einzugehen.

Es gab hier zum Ersten sozusagen Irritationen, was den Titel dieses Antrags anging, nämlich „Förderung prekärer Beschäftigungsverhältnisse stoppen“. Selbstverständlich sind Minijobs nur ein Instrument aus dem Katalog der prekären Beschäftigungsverhältnisse. Ich darf daran erinnern, dass wir unter anderem schon mal über das Thema „Leiharbeit“ diskutiert haben, dass wir über Werkverträge diskutiert haben. Heute reden wir über Minijobs und seien Sie sich gewiss, wir werden auch über Teilzeitbeschäftigung in diesem Parlament noch diskutieren.

(Regine Lück, DIE LINKE: Richtig.)

Zudem darf ich mich darüber freuen, dass die SPD sozusagen in den letzten zehn Jahren auch einen Erkenntnisprozess durchlaufen hat und heute wieder an der Seite der Gewerkschaften ist, wenn es darum geht, den Missbrauch von Beschäftigungsverhältnissen, insbesondere im prekären Bereich, einzudämmen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schon länger, schon länger.)

und dementsprechend auch wieder tätig zu werden.

Meine Damen und Herren, die SVZ hat schon im vergangenen Sommer folgerichtig getitelt „Ohne Nebenjob reicht der Lohn nicht!“, denn das niedrige Lohnniveau ist es, was dazu führt, dass immer mehr Beschäftigte gezwungen sind, neben ihrer regulären Arbeit einen Minijob auszuüben. Und die Zahlen, auf die man sich da berufen hat, hat sich auch nicht irgendein Redakteur aus den Fingern gesaugt, sondern die entstammten einer Studie der Bundesanstalt für Arbeit. Fakt ist doch, schon 2011 reichte für ein Viertel aller Beschäftigten hier im Land der Verdienst in ihrem regulär ausgeübten Vollzeitjob – und da gibt es überhaupt keinen Dissens, dass das die anzustrebende Variante ist – nicht mehr aus, um über die Runden zu kommen. Der Minijob ist nämlich eine Notlösung, um nicht auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein, und nichts anderes. Das ist die Realität für viele Beschäftigte in unserem Land. Das war sie in 2011 und das ist sie eben leider auch nach wie vor in 2012. Das ist belegt durch Studien des DGB.

Fast sieben Millionen Arbeitsverhältnisse oder 20 Prozent aller Beschäftigten verdienen nämlich nicht mehr als 200 Euro im Monat. Der Durchschnittsverdienst der Minijobber liegt im Osten real bei etwa 200 Euro. Das heißt umgerechnet, dass sie kaum über einen Stundenlohn von 4,99 Euro hinauskommen. Und ich denke, das muss man einfach auch in diesem Hohen Hause hier kritisieren, denn in Mecklenburg-Vorpommern reden wir immerhin auch über eine Zahl von mehr als 90.000.

Und wenn wir als verantwortliche Politiker um diesen Missstand wissen, dann sind wir, das ist jedenfalls mein Verständnis, in der Verantwortung, diesen zu verringern und schließlich auch zu beseitigen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Renz sieht das nicht so. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ich war doch schon ein Stück weit optimistisch, denn die Pressemitteilungen aus dem Sozialministerium in der vergangenen Woche haben diese These ja gestützt. Ich darf mal zitieren: „Unsere Erfahrungen mit dem Instrument der Minijobs zeigen, so, wie sie derzeit sind, tragen sie zur Erosion der Normalarbeitsverhältnisse bei und schwächen die sozialen Sicherungssysteme.“ Also es ist offensichtlich schon ziemlich schwer gewesen, heute hier zu konstruieren, warum man diesem Antrag nicht zustimmen kann.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und ich darf weiter zitieren, in dem Fall auch Frau Ministerin: „Ich sage klar Nein dazu, die Verdienstgrenze anzuheben, um damit nicht noch mehr Minijobs zu schaffen.“ Dem kann man inhaltlich nur zustimmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben wir Herrn Renz vorher nicht gefragt. Der hat sich mit einem Einzelbeispiel beschäftigt.)

Eine Aufwertung der Minijobs, weil darum geht es im Kern bei dem, was als Gesetzesvorhaben im Bund diskutiert wird und was im November nach der jetzigen Zeitplanung dann den Bundesrat erreichen wird, das ist also auch nach Auffassung der Bundes- und Sozialministerin der falsche Weg, in dem Zusammenhang kann man ihr nur zustimmen, und zwar, der falsche Weg nicht nur bundesweit, sondern auch der falsche Weg in Mecklenburg-Vorpommern. Und insofern könnten Sie diesem Punkt doch tatsächlich zustimmen.

Wenn das geringe Einkommensniveau in allen belastbaren Studien als Ursache auszumachen ist, dann muss die Politik den Hebel auch genau dort ansetzen. Und nun erzählen Sie den Leuten immer, dass das verabschiedete Vergabegesetz ja sozusagen Ausdruck dessen sei, dass Sie diesbezüglich auf dem richtigen Weg sind. Also ich sage es noch mal ganz klar: Das Vergabegesetz war ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Minischritt.)

Und jetzt gestatten Sie mir noch mal eine Replik auf den gestrigen Tag. Da wurde dann ja ausgeführt im Zusammenhang mit der Mindestlohndiskussion, und ich wurde persönlich angesprochen, dass ich doch hier in Schwerin erst mal dafür sorgen möge, dass 8,50 Euro gezahlt werden. Wissen Sie, das Problem dabei ist ja folgendes: Die Kommunen haben durchgehend darauf gehofft, dass Konnexität im Gesetz festgeschrieben wird,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

auch als Sie – übrigens unabhängig von der Tatsache, wer welches Parteibuch hat –

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

in den einzelnen kommunalen Parlamenten entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Und nun stehen Sie vor der Situation, dass Sie auf den Mehrkosten sitzenbleiben und deswegen überlegen müssen, wie Sie das in Ihren Haushalten im nächsten Jahr darstellen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das bleiben wir doch auch.)

Und ich bin schon sehr gespannt darauf …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wenn man was will, muss man auch dafür bezahlen.)

Ja, da stimme ich Ihnen im Grundsatz zu.