Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst lassen Sie mich sagen, dass wir es begrüßen, wenn die Landesregierung das Legislativ- und das Arbeitsprogramm der Europäischen Union auswertet und den Landtag darüber unterrichtet. In Anbetracht der Tatsache, dass Maßnahmen und Entscheidungen auf europäischer Ebene auch für unser Land immer mehr Auswirkungen haben, ist, glaube ich, diese Tradition seit Jahren für uns sehr wichtig, denn auch wir als Land haben über die Maßnahmen und die Entscheidungen der Europäischen Union letztendlich zu befinden, welche Auswirkungen sie auf unser Land haben. Insofern ist das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission ein maßgeblicher Orientierungspunkt, wie wir unsere Arbeit in diesem Punkt zu den einzelnen Fragen ausrichten müssen. Und entsprechend ist auch die Unterrichtung der Landesregierung ein wesentliches Hilfsmittel für unsere weitere Arbeit.

Erfreulicherweise, und das muss ich ausdrücklich loben, sind hier die demokratischen Fraktionen sich überwiegend einig. Allerdings, und das zeigt auch die Beschluss- empfehlung des Ausschusses, ist die derzeitige Situation nach wie vor noch nicht zufriedenstellend. Da ist zum einen der zu enge Zeitrahmen. Den haben wir, denke ich, im Ausschuss ausgiebig beraten. Dieses Problem mag man zwar nicht der Staatskanzlei anlasten können, dennoch muss hier nach Möglichkeiten einer Beschleunigung gesucht werden. Und da möchte ich an dieser Stelle an die Rede meines ehemaligen Kollegen Andreas Bluhm erinnern. Im Zusammenhang mit der Beratung zu den Konsequenzen der Entschließung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage stellte er fest, ich zitiere: „… die Diskussion über die Rolle des Parlamentarismus in Deutschland hat in den vergangenen Jahren stetig an Umfang zugenommen, auch bei uns im Land. Diese Debatten haben aber nicht dazu beitragen können, mit Konsequenz zu einer Änderung der Situation zu kommen. Im Gegenteil!“

Wir alle kennen die großen Probleme. Die Fristen, um hier zum Beispiel zu den europäischen Fragen Stellung zu beziehen, sind so knapp, dass sie innerhalb unserer jetzigen Geschäftsordnung kaum eingehalten werden können. Es wäre deshalb wünschenswert – und deshalb begrüßen wir den Antrag oder die Festschreibung in der Beschlussempfehlung des Ausschusses –, dass wir uns auch aus eigener Kraft gewisse Punkte auf die Tagesordnung setzen können, um den Landtag frühzeitig mit einzubeziehen.

Meine Damen und Herren, in jedem Fall muss es unser Ziel sein, dass das Parlament in Bezug auf die Auswirkungen der gegebenenfalls gesetzlichen Konsequenzen für unser Land zeitnah in alle entsprechenden Angelegenheiten einbezogen wird. Hierfür haben wir uns im Ausschuss eingesetzt und auch die anderen Fraktionen teilen diese Auffassung. Die Aufforderungen an die Landesregierung sind ein Anfang, aber wir sollten uns auch selbst in die Pflicht nehmen. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, in den nächsten Monaten dem Parlament einen gemeinsamen Vorschlag, der weitergehend ist als das, was wir jetzt in der Beschlussempfehlung haben, zu unterbreiten. Das können wir nicht der Landesregierung und das sollten wir auch nicht der Landesregierung übergeben.

Nun hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Punkt 2 ihres Änderungsantrages schon einen ganz konkreten Vorschlag gemacht. Ich habe mich jetzt konsultiert mit unserem europapolitischen Sprecher. Auf der einen Seite sage ich, ja, wir sollten zustimmen. Aus meiner Kenntnis heraus gibt es aber in den Landtagen unterschiedliche Handhabungen. Einige Landtage machen das über einen Vertrag zwischen Landesregierung und dem Parlament. Andere Landtage haben schon Büros in Brüssel eingerichtet, die aus dem Landtag heraus mitfinanziert werden, ähnlich wie der Bundestag und die Bundesregierung. Und ich denke, dass wir hierzu, glaube ich, innerhalb des Europa- und Rechtsausschusses noch mal gemeinsam prüfen sollten, was denn in Bezug auf den Landtag Mecklenburg-Vorpommern die bevorzugte Maßnahme ist.

Dennoch, auch unter den von mir gemachten Bemerkungen werden wir dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zustimmen. Und ich hoffe, dass wir die Möglichkeit finden, in den nächsten Wochen ganz explizit uns diesen Fragen zuzuwenden. Das Subsidiaritätsprinzip liegt uns am Herzen. Ich weiß, dass wir alle damit so bestimmte Bauchschmerzen haben, aber ich denke schon, dass wir es nur hinkriegen, wenn der Europa- und Rechtsausschuss hier ein Initiativrecht erhält, auch in Bezug auf die anderen Fachausschüsse, damit sie schneller informiert werden, dass sie hier auch schneller handlungsfähig sind und dementsprechend hier im Landtag entsprechende Beschlüsse fassen. Es kann nicht sein, dass wir die Aufgabe, die wir eigentlich als Landtag haben, nämlich die Gesetze für MecklenburgVorpommern mit zu beschließen, auf der Ebene zwischen Bundesrat und Europa ausschließlich der Landesregierung überlassen. Ich denke, da sollten wir uns gemeinsam in die Pflicht nehmen. Und ich hoffe, dass wir das auch hinkriegen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs sagen, wir haben die Beratungen nicht nur zu diesem Tagesordnungspunkt im zuständigen Fachausschuss immer als sehr konstruktiv empfunden. Das liegt sicherlich auch an der Führung des Ausschusses durch Herrn Müller. Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken.

Auch wenn wir uns da …

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wenn selbst Herr Ritter klatscht, dann muss es definitiv einen wahren Hintergrund …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Mich verbindet eine tiefe Freundschaft mit Herrn Müller. – Jochen Schulte, SPD: Das ist verdächtig.)

Sehen Sie, dann freue ich mich, dass es gelungen ist, diese tiefe Freundschaft hier im Rahmen der Parlamentsdebatte mal herauszuarbeiten.

Wir haben uns gleichwohl mit einem Änderungsantrag nicht durchsetzen können. Es wird uns nachher nicht davon abhalten, auch hier insgesamt zuzustimmen. Wir haben uns im Ausschuss enthalten. Hier werden wir nachher zustimmen, auch wenn wir uns nicht durchsetzen können.

Wir finden es aber richtig, dass wir, und das ist der erste Teil des Antrages, noch mal auf zwei Punkte aufmerksam machen, die uns ganz besonders wichtig erscheinen. Uns ist wichtig, dass der Landtag unterstreicht die Bedeutung von Vorhaben, die mit der EU-Strategie zum Thema Umwelthormone zu tun haben und – noch wichtiger aus meiner Sicht – der Einbeziehung der Emissionen des Seeverkehrs in die Verpflichtungen der Europäischen Union zur Senkung der Treibgasemissionen. Diese beiden Punkte möchten wir gern aufgenommen wissen. Und dieses soll nachher einzeln, also als ein Punkt 1 abgestimmt werden.

Auf den zweiten Punkt möchte ich noch mal eingehen, weil sowohl Frau Borchardt wie auch Herr Müller durchaus hier im Einklang mit unserem Ansinnen artikuliert haben, dass das Beratungsverfahren optimierbar ist. Und das hat etwas damit zu tun, wie wir das im Augenblick handhaben. Wir sind da als Landtag in einer Situation, aus der heraus der Landtag gegenüber der Landesregierung in einer „benachteiligten“ Situation ist. Dafür kann die Landesregierung nichts. Dafür kann auch der Ausschuss nichts, aber es ist die Frage, inwieweit wir das in der Tat optimieren sollen und welche Möglichkeiten es in diesem Zusammenhang gibt.

Frau Borchardt hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass der im Punkt 2 gefasste Prüfauftrag, den wir formuliert haben, eine mögliche Variante ist, dieses Beratungsverfahren zu verbessern und diese wichtige Aufgabe verantwortlicher und zeitnah wahrzunehmen. Ich habe auch den Ausschussvorsitzenden so gehört, dass wir durchaus einmal gemeinsam darüber nachdenken sollten, wie wir das gestalten können.

Und ich will an dieser Stelle auch in Richtung der die Landesregierung tragenden demokratischen Fraktionen signalisieren, wir würden uns wünschen, dass Sie diesen Prüfauftrag in den zuständigen Ausschuss verweisen und dass wir dann mit einer gewissen Offenheit auch für andere Alternativen, die in anderen Landesparlamenten angewandt werden, oder möglicherweise für eine eigene Idee, aber mit einer großen Offenheit dort diskutieren, weil ich glaube, dass die Zielsetzung unter den demokratischen Fraktionen sehr, sehr einvernehmlich ist. Wir wollen ein zeitnahes, ein bewussteres Verfahren für die immens wichtige Aufgabe. Und ich

glaube, dass die Bedeutung dieser Aufgabe in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren noch zunehmen wird.

Insofern mein herzlicher Appell in Richtung CDU- und SPD-Fraktion, darüber nachzudenken, ob sie diesem Prüfauftrag sehr weich formuliert mit dem Aspekt Offenheit für andere Alternativen folgen können. Daher, Frau Präsidentin, bitte ich um getrennte Abstimmung der Punkte 1 und 2 unseres Änderungsantrages. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man nur die Überschriften der Themenblöcke des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für das Jahr 2012 liest, könnte man fast meinen, dort hätte man gute Ideen für die Bewältigung der Eurokrise. „Ein Europa der Stabilität und Verantwortung“ lautet die Überschrift zum ersten Themenblock. Das müsste ja heißen, dass die Europäische Kommission alles tut, um die Europäische Zentralbank davon abzuhalten, unbegrenzt Staatsanleihen bankrotter Krisenstaaten aufzukaufen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Stefan Köster, NPD: Leider nur ein Traum.)

Denn etwas Verantwortungsloseres gibt es ja gar nicht, als die Notenpresse anzuwerfen und unbegrenzt Geld zu drucken.

Heute wirft man dem damaligen Reichskanzler Brüning – Brüning sage ich, nicht einen anderen Reichskanzler – und dem US-Präsidenten Hoover vor, dass sie auf diesen Gedanken nicht gekommen wären, einfach Geld zu drucken und in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen, und schon läuft die Konjunktur, Weltwirtschaftskrise abgehakt. Aber vielleicht hatten diese Politiker ja mehr Verantwortungsbewusstsein als die, die heute am Ruder sind, wie die Herren Barroso, Draghi, Obama und Frau Merkel. Vielleicht war ihnen klar, dass es besser war, die Wirtschaftskrise durchzustehen, als den Wert des Geldes zu unterminieren und sich damit langfristig eine viel schlimmere ökonomische Katastrophe einzuhandeln. Barroso, Draghi, Obama und Merkel verschaffen sich für ihre Zeit durch hemmungsloses Gelddrucken einen Scheinaufschwung beziehungsweise in den USA eine etwas abgemilderte Krise und nennen das verantwortliches Handeln. Mit etwas Glück sind sie aus dem Amt, wenn die unvermeidlichen Folgen dieser Scharlatanerie eintreten, und bekommen einen Job bei Gaz- prom, wobei Genosse Schröder ihnen vielleicht behilflich sein kann.

Die nächste Überschrift: „Schaffung einer Union des nachhaltigen Wachstums und der Solidarität“. Das ist etwas ehrlicher. Beschönigend wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die auf Pump lebenden Staaten keine Lust zum Sparen mehr haben und Deutschland ihnen gefälligst die Konjunkturprogramme zu finanzieren hat.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Unter Frankreichs Führung haben die Südeuropäer ohnehin in den EU-Organen und in der EZB die Mehrheit und stimmen Deutschland einfach nieder. Als diese Länder den Euro übernahmen, hatten sie, wie es ein Wirtschaftswissenschaftler im „Spiegel“ einmal ausdrückte, das Gefühl, nun endlich reich geheiratet zu haben. Die deutsche Braut war blöd genug, sich auf ein gemeinsames Konto einzulassen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

und nun wird fröhlich abgehoben.

„Mehr Gewicht für die Stimme der EU auf der Weltbühne“ wünscht sich Überschrift Nummer drei. Das dürfte sich etwas schwierig gestalten, wenn man von einer Krise zur anderen taumelt. Auf der Weltbühne dürfte sich der Respekt für das Chaosgebilde EU in Grenzen halten. Eine Massenflucht aus dem Euro hätte schon längst eingesetzt, wenn die USA im Augenblick nicht auch an Schwindsucht leiden würden und China eine frei konvertierbare Währung hätte.

Vierte Überschrift: „Intelligente Rechtsetzung und konkrete Umsetzung“. Damit ist wohl eher gemeint: Raffinierte Umgehung bestehender Rechtsvorschriften im Namen eines Dauernotstandes, den man selber ver- ursacht hat. Die Politik der EU und der EZB basiert auf permanentem Rechtsbruch. Die No-Way-OutKlausel, wonach es EU-Mitgliedsländern verboten ist, für die Schulden anderer EU-Staaten aufzukommen, wird mit tausend Tricks ausmanövriert, mit einer Ge- sinnung totaler Rechtsverachtung auf dem Niveau von Trickbetrügern. Etwas anderes ist die EU auch nicht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

ein Politikerkomplott zur Errichtung einer autoritären Herrschaft der Lüge und des Betrugs.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Wer das nicht kennt, ist kein Demokrat und muss verboten werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!

Lieber Herr Kollege Suhr, vielen herzlichen Dank für die freundlichen Worte zu meiner Person.

(Udo Pastörs, NPD: Tja.)

Schade, dass der Fraktionsvorsitzende meiner Fraktion nicht da war.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Wir erzählen ihm das, Detlef. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielleicht könnten Sie ihm das ja noch mal übermitteln.

Zum Thema:

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich hatte ja bereits bei meiner Einbringung das eine oder andere zur vorliegenden Beschlussempfehlung schon gesagt. Und auch in meinem schriftlichen Bericht können Sie das eine oder andere noch mal nachlesen. Insofern gestatten Sie mir nur ganz kurz noch mal einige Anmerkungen zur Beschlussempfehlung aus Sicht meiner Fraktion.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)