Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Die Mindestgröße für Eingangsklassen ist einer der Klassiker unter den formalen Hürden. Sie führt zu längeren Schulwegen und dazu, dass manche Schulstandorte immer wieder infrage gestellt werden. Darauf haben wir schon in anderen Zusammenhängen hingewiesen. Starre Mindestgrößen dürfen nicht wichtiger sein als das Wohl und das Interesse der Schülerinnen und Schüler. Deswegen ist die Forderung, auch an dieser Stelle auf eine starre Mindestgröße zu verzichten, eine richtige Forderung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung von Schulen unabhängig davon, wie sie heißen, ist genauso richtig und notwendig. Damit unterstützen wir auch die Forderungen in den Punkten 2 und 3. Es ist nicht einzusehen, weswegen wir zwischen Berufsreife und Berufsreife unterscheiden sollen. Wenn ein Mensch in der Lage ist, einen Beruf auszuüben, sollten wir auf eine Diskriminierung nach Name und Art der besuchten Bildungsreinrichtung verzichten, denn die Ungleichwertigkeit ist hier nichts anderes als diskriminierend.

(Dietmar Eifler, CDU: Es sind alle gleich.)

Und auch für die Erprobung neuer Organisationsformen des Unterrichts kann es doch gar nicht darauf ankommen, wie die Schule heißt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen den Gedanken der Inklusion ernst nehmen. Und deswegen müssen wir uns in den meisten Fällen auch von der Idee von speziellen Förderschulen ohnehin verabschieden. Förderung, individuelle Förderung soll doch in der gesamten Bildungslaufbahn an allen Einrichtungen er- folgen.

(Torsten Renz, CDU: Steigen Sie aus dem Inklusionsfrieden auch aus?)

Die trennenden Barrieren im Schulsystem müssen somit eingerissen werden.

Wir verstehen den vorliegenden Antrag als ersten Schritt, die Unterschiede zwischen Schularten einzuebnen. Dadurch erkennen wir nämlich auch, die Unterschiede sind gar nicht nötig. Und im nächsten Schritt wird dann automatisch die Erkenntnis stehen, im Sinne der UNBehindertenrechtskonvention brauchen wir auch die ganze Trennung der ganzen Schularten in der jetzigen Form nicht mehr. Wir unterstützen gern jede Initiative, die uns auf diesem Weg dorthin weiterhilft.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Renz, CDU: Sagen Sie mal was zum Inklusionsfrieden!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Butzki.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eines unserer wichtigsten Ziele in der Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern ist es, die Schulabbrecherquote in unserem Bundesland zu senken. Dazu haben die vier demokratischen Fraktionen dieses Landtages einen Schulfrieden beschlossen,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Den haben sie nicht beschlossen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Keinen Schulfrieden, einen Inklusionsfrieden!)

um gemeinsame Lösungen zu besprechen, die kurz-, mittel- oder langfristig umgesetzt werden können,

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Torsten Renz, CDU)

denn dieses Thema betrifft den Kern, worüber wir ja gerade in der Begleitgruppe der Expertenkommission „Inklusive Bildung in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2020“ sprechen.

Wir Abgeordneten von den demokratischen Fraktionen arbeiten gemeinsam an der Umsetzung der UN-Behin- dertenrechtskonvention im Bereich Bildung, denn uns eint das Ziel, dass wir die Bildungschance für alle durch die Umsetzung der inklusiven Bildung erhöhen wollen. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass die demokratischen Oppositionsfraktionen im Rahmen des Schulfriedens sich bereit erklärt haben, ihre Ideen in die Arbeit der Begleitgruppe zur Expertenkommission einzubringen. Das ist nicht selbstverständlich und ich will das hier wirklich noch einmal besonders betont wissen. Ich schätze auch die klugen und praxisnahen Vorschläge von Frau Oldenburg. Und aus diesem Grund hätte ich diesen Antrag lieber als einen Beitrag in unserer Begleitgruppe gesehen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das kann ich mir vorstellen.)

Dieser Antrag hat sehr diskussionswürdige Ansätze, die wir hoffentlich in einer der nächsten Sitzungen noch intensiv diskutieren werden.

(Regine Lück, DIE LINKE: Aber bedauerlich ist doch, dass Sie nicht zustimmen können.)

Wenn ich eines wirklich kritisch sehe, dann das, dass mit diesem vorliegenden Antrag eine Zwischenlösung erreicht werden soll. Das wäre durchaus berechtigt, wenn die Expertenkommission erst in einigen Jahren Vorschläge unterbreiten würde beziehungsweise die Umsetzung der Vorschläge erst 2020 erfolgt. Dies ist aber nicht der Fall. Die Expertenkommission wird in den nächsten Wochen ein Konzept vorstellen, wie der Weg zur inklusiven Schule gestaltet werden soll. Danach liegt es an uns Abgeordneten, wie wir diesen Weg gehen wollen. Es wird ein schrittweiser Weg sein, der kurzfristige Umsatzmaß

nahmen vorsieht, aber auch Maßnahmen, die langfristig gut vorbereitet werden müssen und in einigen Jahren erst umsetzbar sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vor allen Dingen Geld kosten.)

Maßnahmen, die zu einer Reduzierung der Schulabgänger ohne Schulabschluss führen, werden sicherlich zu den Vorschlägen gehören, die wir schnell umsetzen können und, ich denke, auch müssen. Dafür bedarf es aber keiner Zwischenlösung. Wir sollten also gemeinsam an langfristigen Lösungen arbeiten und nicht an Zwischenlösungen, die einem Konzept zur inklusiven Bildung vorgeschaltet und nicht in dieses eingebettet sind. Allein aus diesem Grund wäre ein Zurückziehen des Antrages sinnvoll. Dies wäre ein Zeichen an die Schüler, Eltern und Lehrkräfte im Land, dass wir Abgeordneten der demokratischen Fraktionen gemeinsam beim wichtigen Thema Inklusion zusammenarbeiten.

Wir Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktionen wollen dies. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass wir dieses sensible Thema im Sinne des Schulfriedens

(Torsten Renz, CDU: Des Inklusionsfriedens.)

gemeinsam diskutieren, gemeinsam zu Lösungsvorschlägen kommen und gemeinsam die bevorstehenden Reformen mit den Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern besprechen. Die Menschen in unserem Land müssen sehen, dass wir in der Bildungspolitik zu unseren Worten stehen. Nur so werden sie in die bevorstehenden Reformen Vertrauen fassen. Dieses Vertrauen brauchen wir, damit unser gemeinsames Vorhaben gelingt. Ich denke, daran sind wir alle interessiert.

Da Sie mit großer Wahrscheinlichkeit Ihren Antrag nicht zurückziehen werden, möchte ich auch inhaltlich begründen, warum die SPD-Fraktion diesen uns vorliegenden Antrag nicht ablehnen wird.

In Punkt …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nicht ablehnen wird? – Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht ablehnen wird? Sehr gut, sehr gut.)

Ah, ich habe mich …, Entschuldigung – ablehnen wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gesagt ist gesagt.)

In Punkt 1 Ihres Antrages und in der Begründung dazu haben Sie die Förderverordnung richtig, aber nicht ganz vollständig zitiert.

Der Paragraf 11 Absatz 7 der Förderverordnung Sonderpädagogik ermöglicht auch eine schulübergreifende Bildung von Vorlaufklassen. Dadurch haben Schülerinnen und Schüler auch an kleineren Förderschulen die Möglichkeit, schulübergreifende Vorklassen in der Klassenstufe 7 zu besuchen und die Berufsreife zu erlangen. Es ist also nicht so, dass Schüler heute durch die Mindestschülerzahlen durchs Netz fallen. Inwieweit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Experten

kommission „Inklusive Bildung“ eine Mindestschülerzahl von 33 zur Bildung einer Vorklasse zukünftig noch Sinn hat, können wir gerne mit den Experten in der Begleitgruppe diskutieren. Aber dazu gilt es, die Vorschläge der Kommission erst mal abzuwarten.

Inhaltlich braucht man zu Punkt 2 kaum etwas zu sagen, denn die Berufsreife ist gleichwertig, egal wo man sie erwirbt, ob an einer Regionalen Schule, Gesamtschule, Förderschule oder beruflichen Schule. Bei der Statistik spielt es eher eine Rolle, an welcher Schulart die Berufsreife erlangt wird. Hier nehmen die beruflichen Schulen eine Sonderstellung ein.

Ohne es schönreden zu wollen – ich möchte es beto- nen –: Einer der Gründe für die erhöhte Quote der Schulabgänger ohne Schulabschluss in unserem Bundesland liegt in der Statistik begründet, da die meisten Förderschüler ihre Berufsreife an den beruflichen Schulen erlangen. Trotzdem ist die Schulabgängerquote ohne Schulabschluss in unserem Land zu hoch. Das ist ein klarer Fakt, das wissen auch die Koalitionsfraktionen.

Und in Punkt 194 der Koalitionsvereinbarung kann man auch das gerne nachlesen. Wir haben für diese Legislaturperiode uns vorgenommen, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die nicht mindestens die Berufsreife haben, zu reduzieren, und das müssen wir und das werden wir auch erreichen.

Abschließend möchte ich noch auf Punkt 3 des Antrages eingehen. Es bestehen heute schon Möglichkeiten

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Illegal.)

für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“, die Berufsreife zu erreichen. Sie können zum Beispiel am Projekt „Produktives Lernen“ an den Regionalen Gesamtschulen teilnehmen, denn eine Durchlässigkeit zwischen den Schularten ist im Schulgesetz geregelt. Die Rahmenkonzeption zum „Produktiven Lernen“ vom 27.04.2009 begrenzt den Schülerkreis nicht auf die Schularten.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Doch.)

Darüber hinaus gibt es auch das ein- und zweijährige Berufsvorbereitungsjahr an den beruflichen Schulen. Die Förderschüler können Produktionsschulen und die Vorlaufklassen an den Förderschulen besuchen.

Sie sehen also, dass es heute schon viele Wege gibt, die es einem Förderschüler ermöglichen, die Berufsreife zu erlangen.

Aus den von mir genannten Gründen wird die SPDFraktion diesen Antrag ablehnen. Wir werden uns aber weiterhin intensiv mit dieser Thematik beschäftigen und auch daran arbeiten.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Persönlich hätte ich auch eine Art Überweisung gesehen, aber wir werden es erst mal ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Da fehlt jetzt Applaus. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Petereit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion und ich stehen der sogenannten Inklusion ablehnend gegenüber.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!)