Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

Wenn man das System der öffentlichen Internetzugänge ausbaut, auch in Dörfern – es soll ja auch jetzt Dorfzentren geben und Dorfläden –, und wirklich die meisten Leute eine Chance haben, da hinzugehen, dann reicht das auch. Und bei wem das nicht geht aus irgendwelchen individuellen Gründen, bei dem kann man das dann machen. Aber flächendeckend, das schafft kein Staat,

solchen Aufwand zu treiben. Dann würde man wirklich den Bach runtergehen und das nützt den Hartz-IVEmpfängern auch nichts.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Stramm von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Da- men und Herren Abgeordnete! Der Rechtsanspruch auf einen eigenen internetfähigen Computer als Bestandteil des soziokulturellen Existenzminimums ist ein wichtiger Beitrag zur Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ein privater Zugang zum Internet bedeutet aber nicht nur Teilhabe, sondern er kann die Handlungsfähigkeit benachteiligter Menschen stärken, er kann ihnen ein Stück ihrer Würde zurückgeben, die sie vielleicht durch lange Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Einschränkungen oder berufliche und persönliche Enttäuschungen verloren haben.

Die Kommunikation mit anderen Menschen ist ein zentraler Bestandteil unserer Existenz und daher, Frau Friemann-Jennert, gibt es ja auch eine Landesinitiative „Breitband M-V“, die Sie als Regierungskoalition auf den Weg gebracht haben. Und daher habe ich in Ihrer Rede hier diesbezüglich schon irgendwie, das muss ich ganz ehrlich sagen, einen Widerspruch gesehen. Und mich würde jetzt mal an dieser Stelle interessieren:

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass der flächendeckende Zugang da ist?!)

Wie weit ist das mit der Landesinitiative eigentlich?

Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit führen nicht nur zu finanziellen Problemen. Häufig ist damit auch ein Verlust von Anerkennung und Selbstbewusstsein verbunden. In einer digitalisierten Gesellschaft, in der mehr als drei Viertel der Bevölkerung online sind, kann der fehlende Zugang zum Internet eine doppelte Ausgrenzung bedeuten – vom Erwerbsleben und von der digitalen Gesellschaft.

Eine repräsentative Umfrage im Rahmen der Innovationsinitiative „Chancenrepublik Deutschland“, die von Microsoft und der Gesellschaft für Konsumforschung im September dieses Jahres durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass 43,3 Prozent der Deutschen einen Rechtsanspruch auf Teilhabe an Informationstechnik und Internet unterstützen. Besonders interessant ist, dass gerade in strukturschwachen Bundesländern wie Brandenburg, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern die Zustimmung zu einem Rechtsanspruch auf Teilhabe an Informationstechnik und Internet deutlich über 50 Prozent liegt. Rund zwei Drittel der Befragten erhoffen sich mit einem eigenen Internetzugang Erleichterungen bei Behördengängen.

Arbeitslose haben über das Internet nicht nur die Möglichkeit, einen Job zu suchen, sie können ihn auch im Internet finden. Jeder Bedürftige ist ein Mensch, der Ressourcen benötigt, und zu diesen Ressourcen gehört

meines Erachtens heute ein internetfähiger Computer. Sie können nicht nur von den Arbeitslosen fordern, dass sie sich rund um die Uhr für ihre Integration im Arbeitsmarkt engagieren, Sie müssen mit dem Regelsatz auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Wenn nicht, dann meinen Sie es doch nicht so ernst mit dem Fördern und Fordern.

Die Potenziale, die im Zugang zum Internet stecken, sind enorm. Es können nicht nur mühsame Behördengänge reduziert werden, es verbessern sich auch die politischen Teilhabemöglichkeiten – Nachrichtenseiten, Medienportale, Informations- und Weiterbildungsmaterialien sind kostenlos verfügbar. Auch Onlinebanking, Onlinebibliotheken und vor allem Vergleichsportale wie Verivox oder Idealo sowie nützliche Informationen für Verbraucher stehen kostenlos im Internet zur Verfügung. Diese Informationen sind besonders dann wichtig, wenn man auf jeden Cent achten muss. Leider sind sie jedoch gerade für diejenigen häufig nicht verfügbar, die sich eben keinen Internetanschluss leisten können.

Und an dieser Stelle möchte ich Herrn Heydorn widersprechen, der keinen Zusammenhang der Internetbenutzung mit dem Bildungsstand sieht.

(Jörg Heydorn, SPD: Doch, den hätte ich gesehen. Das habe ich nicht gesagt.)

Dieses wurde jedoch selbst von der Sozialministerin in der Rede bejaht.

Internetanschluss und ein internetfähiger Computer müssen daher als Bestandteil des soziokulturellen Existenzminimums anerkannt werden, auch wenn der Zugang zum Internet keine Patentlösung für alle Probleme ist, die durch die Agenda-2010-Politik verstärkt oder gar hervorgerufen wurden, und diese Politik lehnt DIE LINKE bekanntlich ja auch ab. Die Ausgrenzung vom Internet ist ein weiterer Baustein für eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat Schuld?)

Das gilt für die Erwachsenen, aber auch für die Kinder und Jugendlichen in den betroffenen Bedarfsgemeinschaften. Wenig hilfreich in dieser Debatte ist dabei der Verweis auf diejenigen, die knapp über dem Hilfesatz liegen und deshalb durch eine Förderung der Hilfebezieher benachteiligt werden. Da kann ich nur auf die Mindestlohndebatte vom Mittwoch verweisen.

(Henning Foerster, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig.)

Ebenfalls ist hier der Verweis der Ministerin auf das Suchtpotenzial nicht hilfreich, denn dieses trifft alle Internetnutzer und nicht nur die sozial Schwachen.

(Zuruf von Ministerin Manuela Schwesig)

Die Parteien in Regierungsverantwortung müssen für angemessene Löhne und armutsfeste und teilhabesichernde Familieneinkommen Sorge tragen.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Solange Sie sich dieser Verantwortung nicht stellen, ist ein Ausspielen der einen gegen die anderen nur ein

untauglicher Versuch, die Verantwortung einfach von sich zu schieben.

(Torsten Renz, CDU: Ich frage mich, warum Sie dann immer nur 16 Prozent bei den Landtagswahlen bringen.)

Eine Überweisung in den Sozialausschuss, wie von den GRÜNEN beantragt, finden wir sachdienlich. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1223 zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie einer Gegenstimme aus der NPD und zwei Enthaltungen aus der NPD abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1223. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1223 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und einer Stimme der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ansonsten Enthaltung abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 37: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Melderecht datenschutzkonform gestalten – Vermittlungsausschuss im Sinne der Bürgerinnen und Bürger nutzen!, Drucksache 6/1235.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Melderecht datenschutzkonform gestalten – Vermittlungsausschuss im Sinne der Bürgerinnen und Bürger nutzen! – Drucksache 6/1235 –

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD – Drucksache 6/1279 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie erinnern sich sicherlich, dass meine Fraktion bereits wenige Tage nach der Bundesratssitzung am 21. Sep- tember diesen hier vorliegenden Antrag als Dringlichkeitsantrag eingebracht hatte, und zwar in die Septembersitzung. Das Hohe Haus folgte damals meiner Begründung der Dringlichkeit nicht, obwohl zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar war, ob unser Anliegen in der heutigen Oktobersitzung noch rechtzeitig debattiert und beschlossen werden kann oder ob bis dahin vom Vermittlungsausschuss schon Fakten geschaffen worden wären.

Vermutlich zur Freude aller hier im Landtag hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat aber zwischenzeitlich noch nichts zum neuen Meldegesetz verabschiedet und auch noch nicht getagt, sodass der vorliegende Antrag daher weiterhin aktuell ist und wir ihn hier debattieren können.

Meine Damen und Herren, allen hier im Hause wird die Berichterstattung zur Verabschiedung des sogenannten Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens im Bundestag vom 28. Juni 2012 in Erinnerung geblieben sein, zeitgleich war ja bekanntlich das Fußballspiel Deutschland gegen Italien. Wir erinnern uns auch alle noch, dass die Welle der Empörung sehr hoch schlug, weil der von der Bundesregierung vorgelegte und von der Regierungskoalition abgewandelte Gesetzentwurf Tür und Tor für einen zügellosen Adresshandel in Deutschland geöffnet hätte. Die Meldeämter hätten die Daten der Bürgerinnen und Bürger für Werbung und Adresshandel ohne vorherige konkrete Einwilligung des Bürgers verkaufen können.

Aber damit leider nicht genug – falls Unternehmen bereits über unvollständige oder veraltete Datensätze verfügt hätten, hätte selbst ein zuvor erlassener, konkreter Widerspruch des Bürgers die Weitergabe seiner aktuellen Daten nicht verhindern können. Man muss sich das mal vorstellen: Man sammelt dann aus allen möglichen Quellen halbe Datensätze und lässt sie dann amtlich vervollständigen. Das war so vorgesehen, zum Glück kam es aber nicht so weit.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bürgerinnen und Bürger hätten, wie gesagt, die Verbreitung ihrer eigenen Daten nicht mehr in der eigenen Hand gehabt, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wäre in meinen Augen einem ungeheuerlichen Datengeschachere zum Opfer gefallen.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser schwarz-gelbe Ausverkauf der Privatadressen hatte selbst die EU-Justizkommissarin Viviane Reding auf den Plan gerufen. Sie fragte uns völlig zu Recht hier in Deutschland: Wie will der Staat von Facebook und Google Datenschutz verlangen, wenn er selbst Daten verkauft?

So schlimm ist es dann bekanntlich nicht gekommen. CDU und FDP haben im Bund rechtzeitig ihren Gesetzesmurks erkannt und die Kurve zur allerletzten Ausfahrt vor der vollendeten Blamage noch genommen,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gerade noch geschafft.)

indem sie SPD und GRÜNE im Bundesrat gebeten haben, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Und wie Sie wissen, das ist am 21. September auch erfolgt.

So viel also zur Vorgeschichte des Antrages, jetzt zum Antrag selbst.

Wir GRÜNE fordern erstens den Landtag auf, sich der Entschließung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern vom 22. August anzuschließen, und zwei