Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

Wir GRÜNE fordern erstens den Landtag auf, sich der Entschließung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern vom 22. August anzuschließen, und zwei

tens fordern wir den Vertreter unseres Landes, ich glaube, das ist Herr Sellering, im Vermittlungsausschuss auf, die von den Datenschützern von Bund und Ländern gemachten konkreten Verbesserungsvorschläge im Vermittlungsausschuss aufzugreifen und einzubringen. Das ist dann, finde ich, eine logische Konsequenz, wenn man sich diesen Punkten anschließt.

Im Mittelpunkt der Entschließung der Datenschutzbeauftragten steht bekanntlich die Forderung nach einer umfassenden datenschutzrechtlichen Überarbeitung des Gesetzentwurfes im Vermittlungsausschuss. Insbesondere sollen eben die einfachen Melderegisterauskünfte für Zwecke der Werbung und des Adresshandels ausnahmslos der Einwilligung des Bürgers bedürfen. Das soll auch für die Weitergabe der Daten an Adressbuchverlage und die Aktualisierung solcher Daten gelten, über die der Anfragende eben bereits vielleicht mit rudimentären Bruchstücken verfügte.

Sie sehen also, es handelt sich bei diesem Antrag, den wir Ihnen hier vorgelegt haben, nicht etwa um eine parteipolitisch verfärbte Forderung zum Meldegesetz, sondern ganz im Gegenteil handelt es sich um Empfehlungen der Datenschutzbeauftragten, die vom Bund und den Ländern selbst berufen wurden und überparteilich die Politik in dieser Angelegenheit beraten.

Warum sollte sich nun aber der Landtag den Forderungen der Datenschützer anschließen? Sind sich nicht Bund und Länder schon im Wesentlichen über die Beseitigung der gröbsten Schnitzer im schwarz-gelben Meldegesetz einig? Warum bedarf es dieses Antrages noch?

Dazu sage ich, nur gut, dass wir die Datenschützer haben. Sie verweisen nämlich auf eine ganze Reihe weiterer Defizite im Gesetzentwurf, die über die öffentlich bekannt gewordenen Skandale hinausgehen und denen nun leider droht, dass sie im Vermittlungsausschuss wieder keine entsprechende Beachtung finden.

Und in der Tat werden diese weiteren Defizite im Anrufungsbeschluss des Bundesrates für den Vermittlungsausschuss nicht benannt, der liegt uns ja schon vor, der auch die Grundlage bildet, über den der Vermittlungsausschuss dann berät. Sie müssen also in der Verhandlung zusätzlich angesprochen werden, ansonsten fallen sie unter den Tisch.

Ich stelle diese konkreten und zusätzlichen Verbesserungsvorschläge der Datenschutzbeauftragten aus der genannten Entschließung im Einzelnen vor:

Erstens. Melderegisterauskünfte in besonderen Fällen, wie zum Beispiel für Auskünfte an Parteien zu Wahlwerbungszwecken, sollten im Interesse des Bürgers ebenfalls nur mit seiner konkreten Einwilligung zulässig sein.

Zweitens. Der Bürger muss auch sonstigen einfachen Melderegisterauskünften widersprechen können, sofern der Anfragende kein rechtliches Interesse geltend machen kann.

Drittens. Die Zweckbindung der bei Melderegisterauskünften übermittelten Daten muss verstärkt werden. Die im Gesetzentwurf nur für Zwecke der Werbung und des Adresshandels vorgesehene Zweckbindung muss auch auf die Verwendung für sonstige gewerbliche Zwecke erstreckt werden. Genaue Kenner des Anrufungsbe

schlusses werden jetzt insistieren, zu Recht, das steht nämlich schon so im Anrufungsbeschluss des Bundesrates für den Vermittlungsausschuss, das heißt aber eben leider noch lange nicht, dass diese Ausweitung auf alle gewerblichen Zwecke auch tatsächlich am Ende im Kompromissentwurf steht. Deswegen habe ich hier das noch mal explizit angeführt, weil es mir ein sehr wichtiges Anliegen ist.

Viertens. Angesichts der Sensibilität der Daten, die im Rahmen einer erweiterten Melderegisterauskunft mitgeteilt werden, und der relativ niedrigen Voraussetzungen, die an die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses gestellt werden, sollte anstelle des berechtigten Interesses ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der einzelnen Daten vom Datenempfänger glaubhaft gemacht werden müssen.

Fünftens. Die Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte im Wege des Abrufs über das Internet oder des sonstigen automatisierten Datenabrufs sollte wie bisher nur zulässig sein, wenn die betroffene Person ihr nicht widerspricht. Die Wahl des Übertragungsmittels der Daten und damit die Wahl über die Datensicherheit gehört nämlich auch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Sechstens. Die Hotelmeldepflicht sollte entfallen, weil es sich dabei um eine sachlich nicht zu rechtfertigende Vorratsdatenspeicherung handelt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)

Hotelgäste dürfen nicht schlechthin als Gefahrenquellen oder potenzielle Straftäter angesehen und damit in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden.

Siebtens. Die erst vor wenigen Jahren abgeschaffte Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der Anmeldung des Mieters darf nicht wieder eingeführt werden.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, genau.)

Die Verpflichtung des Meldepflichtigen, den Vermieter zu beteiligen, basiert auf einer Misstrauensvermutung gegenüber der Person des Meldepflichtigen, das ist nämlich die Position der Datenschutzbeauftragten. Der Gesetzgeber hat die damalige Abschaffung der Vermietermeldepflicht unter anderem damit begründet, dass die Erfahrungen zeigen, dass die Zahl der sogenannten Scheinmeldungen zu vernachlässigen ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich dies zwischenzeitlich geändert hat. Ferner steht der Aufwand hierfür – wie auch bei der Hotelmeldepflicht – außer Verhältnis zum Nutzen.

Meine Damen und Herren, die fachlich hochwertigen Vorschläge der Datenschützer von Bund und Ländern sollten dringend in die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses aufgenommen werden. Ich bitte also den Landtag, sich der Entschließung der Datenschützer anzuschließen und ihr damit mehr Gewicht zu verleihen. Stimmen Sie also bitte dem Antrag der GRÜNEN zu.

Dem vorliegenden Änderungsantrag von SPD und CDU stimmen wir GRÜNE auch zu. Wenn der Vertreter von Mecklenburg-Vorpommern im Vermittlungsausschuss,

also Herr Sellering, bereits von der Wichtigkeit der Entschließung der Datenschützer überzeugt ist, dann,

(Heinz Müller, SPD: Das ist er.)

ja, wunderbar, dann braucht der Landtag in der Tat ihn nicht mehr dazu aufzufordern, sondern nur noch darin zu bestärken.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1279 vor.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten durchzuführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der intensiven Diskussion um Tierschutz und „jedem sein Computer“ möchte ich es zu dem Tagesordnungspunkt sehr kurz machen.

Wir haben schon getagt, der Vermittlungsausschuss – nicht, wir tagen erst, wir haben schon getagt. Wir haben in Anrufung des Vermittlungsausschusses für Mecklenburg-Vorpommern genau den existenziellen Punkt zur Anrufung eingetragen, der von den Datenschützern in Gänze kritisiert wird. Das ist die Frage, ob man eine Widerspruchslösung oder die Einwilligungslösung sucht. Die Bundesregierung hatte in ihrer Vorabfassung die Widerspruchslösung, die Bundesländer haben die Einwilligungslösung favorisiert. Das wird im Ergebnis auch mehrheitlich, wenn nicht einstimmig, das Ergebnis aus dem Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss sein.

In Gänze kann man den Empfehlungen des Datenschutzes nicht folgen, weil sie nicht in jedem Fall in sich schlüssig sind beziehungsweise selbst widersprüchlich sind. Das gilt zum Beispiel für die Frage der erweiterten Melderegisterauskunft nur bei Darlegung eines rechtlichen Interesses. Bisher ist lediglich ein berechtigtes Interesse erforderlich. Die Notwendigkeit der Verschärfung hier ist fraglich, sie würde in der Praxis kaum zu weniger Melderegisterauskünften führen.

Ich zitiere da mal den Datenschutzbeauftragten des Bundes, der sagt, ich zitiere: „In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle liegt ohnehin nicht nur ein berechtigtes, sondern auch ein rechtliches Interesse vor.“ Zitatende. In solchen Diskussionen, wo es offensichtlich rechtliche Fragen gibt, muss die Diskussion im Vermittlungsausschuss abgewartet werden. Das gilt auch beispielsweise zur Frage der Hotelerfassung, weil dann möglicherweise die Kurpauschalen wegfallen würden in den jeweiligen Regionen, weil die Daten dazu auch erfasst sein müssen.

Das sind rechtliche Diskussionen, die derzeit in der Arbeitsebene geführt werden.

Gehen Sie bitte davon aus, dass das Land MecklenburgVorpommern die Interessen des Datenschutzes auch im Interesse der Datenschützer verfolgt und dass wir dementsprechend auch einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss verabschieden, der nach meinem jetzigen Kenntnisstand einstimmig von den Ländern getragen wird. Und insofern ist auch das Ziel dessen, was gewünscht worden ist, nämlich eine datenschutzkonforme Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, eingehalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Werdegang der Situation, wie wir sie vorfinden hier, hat Herr Saalfeld, glaube ich, alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Die Zeit ist heute sehr fortgeschritten, sodass ich mich auch in aller Kürze hier äußern werde.

Ich freue mich, dass Sie den Änderungsvorschlag von CDU und SPD mittragen. Das war der Kompromiss, dass die CDU unseren Wunsch, diesem Antrag zuzustimmen, mittragen kann. Der Minister hat das eben schon ausgeführt. Ich freue mich, dass wir eine breite Mehrheit für diesen Antrag hier heute haben, und das war eigentlich alles, was dazu zu sagen ist, dass wir ihn unterstützen müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was hier jetzt eigentlich stattfindet.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Auf eine Frage des Kollegen Jaeger, nein, Entschuldigung, Saalfeld, ob der Ministerpräsident als verhandlungsführend im Vermittlungsausschuss die Intentionen der Stellungnahme der Datenschützer aufnimmt, sagt Herr Müller in seinem Zwischenruf im Brustton der Überzeugung, ja, natürlich. Eine Sekunde später tritt der Innenminister hier ans Pult

(Heinz Müller, SPD: Sie haben nicht genau zugehört, Herr Ritter.)

und sagt,

(Heinz Müller, SPD: Sie haben nicht genau zugehört.)

tritt der Innenminister ans Pult und sagt, also so ganz sind wir für die Entschließung der Datenschützer ja doch nicht.

(Minister Lorenz Caffier: Weil es nämlich rechtlich falsch ist.)