Antrag der Fraktion DIE LINKE Für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Bund und in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 6/81 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat kommt im Rahmen seiner Beratung selbst zu dem ernüchternden Ergebnis, dass der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt seinem Namen nicht mal ansatzweise gerecht wird.
In Drucksache 556/1/11 ist das auch für jedermann nachlesbar dargelegt, denn zentrale Vorhaben wie eine höhere Flexibilität, Individualität oder Qualität werden nicht umgesetzt. Stattdessen werden die Möglichkeiten aktiver Arbeitsmarktpolitik eingeschränkt, denn enorme Einsparungen sind das eigentliche Ziel. Die insgesamt positive Entwicklung am Arbeitsmarkt rechtfertigt diese Kürzungen nicht.
Diese Einschätzung namentlich des Arbeits- und Sozialministers aus Nordrhein-Westfalen, Guntram Schneider von der SPD, teilt meine Fraktion ausdrücklich und empfiehlt daher dem Ministerpräsidenten unseres Landes, das Gesetz auch mit den zu erwartenden und mit den von Frau Ministerin Schwesig schon angekündigten höchstens minimalen Änderungen abzulehnen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird auch durch mögliche geringfügige Änderungen nicht besser.
Der SPD-Arbeits- und Sozialminister aus NordrheinWestfalen geht sogar noch etwas weiter. Ich zitiere ihn aus der Bundesratssitzung vom 14. Oktober wie folgt: „Das ,Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt‘ bewirkt in der Realität genau das Gegenteil, es ist ein Gesetz zur Verschlechterung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt.“ Ich denke, dem ist auch nichts hinzufügen.
Damit bin ich auch schon bei Punkt 2 unseres Antrages. Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene für die Aufstockung der Mittel zur Integration in den Arbeitsmarkt einsetzen, um unter anderem auch existenzsichernde sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finanzieren zu können.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass die Zahl der offiziell gemeldeten und als solche gezählten arbeitslosen Frauen und Männer in den letzten Monaten gesunken ist. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen, auch meine Fraktion freut sich nachhaltig über jeden neuen Arbeitsplatz, sofern er existenzsichernd ist. Allerdings darf ich Sie an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, dass neben den im Oktober allein in MecklenburgVorpommern offiziell registrierten 94.074 arbeitslosen Frauen und Männern bundesweit fast 2,7 Millionen arbeitslose Frauen und Männer existieren.
Dazu kommen noch weitere 1,1 Millionen, die gar nicht erst als arbeitslos gelten, darunter mehr als 370.000 über 58-Jährige und immer noch mehr als 180.000 in den sogenannten Ein-Euro-Jobs. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr ein Kürzungsprogramm für die Jahre 2011 bis 2014 im Umfang von insgesamt 82 Milliarden Euro beschlossen. Davon sollen allein 30 Milliarden Euro bei der Arbeitsmarktförderung gekürzt werden.
Allein bei den Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeitslose bedeutet das für unser Bundesland eine Kürzung um 20,7 Prozent binnen eines Jahres. Und betrachtet man die Jahre 2010 und 2012 in der Vorschau, beträgt die Kürzung voraussichtlich sogar 44,6 Prozent der Mittel, und das, obwohl wir alle hier im Raum wissen, dass gerade die Langzeitarbeitslosen von der sich langsam abflauenden Konjunktur der letzten Monate eben nicht profitieren und deren Integration in den Arbeitsmarkt schwieriger und damit auch kostenaufwendiger ist.
Was wir daher brauchen, ist auch kein kostenintensiver Schauspielunterricht, wie man ihn kürzlich in Form so- genannter Kaufmannslädenprojekte aus Hamburg in den Medien bewundern konnte, sondern wir brauchen eine Förderung von Projekten mit sozialpädagogischer und gegebenenfalls auch therapeutischer Betreuung. Um Ihnen das auch noch mal in Zahlen und Prozenten deutlich zu machen: Die Anzahl der beschäftigungsschaffenden Maßnahmen einschließlich der nach Paragraf 16e SGB II und einschließlich der Bürgerarbeit nahm im Vergleich von Oktober 2009 zu Oktober 2011 um 11.017 geförderte Personen ab. Die Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nahm im gleichen Zeitraum von 3.004 Förderfällen auf 2.108 Förderfälle ab, und das trotz der 888 neu geschaffenen Bürgerarbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, durch die Kürzungspolitik des Bundes können weniger Menschen bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt werden. Das ist die klare und die wahre Botschaft, das ist die Politik insbesondere der CDU im Bund gegen die Menschen, die unsere Unterstützung am allermeisten benötigen.
(Torsten Renz, CDU: CDU-Politik ist, dass die Arbeitslosigkeit extrem gesunken ist. Das ist CDU-Politik. – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)
Herr Ministerpräsident, die Aussage, wir brauchen jede und jeden und wir wollen niemanden zurücklassen und ausgrenzen, war richtig. Sie kann aber bei einer ausschließlichen Orientierung auf den ersten Arbeitsmarkt zur Worthülse verkommen. Damit bin ich bei Punkt 3 unseres Antrages.
Meine Damen und Herren, ich weiß ja nicht, wie viel Gehirnschmalz der Kollege Kokert in die sieben Koalitionsziffern zur Arbeitsmarktpolitik nun tatsächlich investiert hat. Mir kommt es so vor, als ob man bemüht war, mit vielen Worten möglichst nichts zu sagen, denn außer Selbstverständlichkeiten, wie in Ziffer 243 zur Ausbildung oder den mit der Ziffer 242 verteilten Allgemeinplätzen zur Berufsorientierung, findet sich recht wenig Substanzielles.
Ich darf Ihnen diese Ziffer zur Erinnerung einmal vor- lesen, weil sie Ihnen so gut gelungen ist. Da heißt es: „Unsere Volkswirtschaft braucht jeden Schulabgänger. Berufsfrühorientierung soll Schülerinnen und Schüler sowie deren Familien frühzeitig auf die Berufswahlentscheidung zum Ende der Schulzeit vorbereiten, um eine qualifizierte, persönlichkeitsorientierte Berufswahl treffen zu können. Das gilt für Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund gleichermaßen.“
Wer hätte das gedacht?! Wer hätte gedacht, dass die Berufsfrühorientierung die Schülerinnen und Schüler auf die Berufswahlentscheidung vorbereiten soll und dass
Meine Damen und Herren, allgemeiner und unkonkreter geht es nimmer. Ausgerechnet in dem vorhin beschriebenen Dilemma der Kürzung der Förderung für Lang- zeitarbeitslose fällt Ihnen nichts Besseres ein, als Ihre Hoffnung in den Ziffern 241 und 244 auf den Bund zu konzentrieren. Entschuldigung, aber das ist schon ein Stück weit absurd. Wie die Erfolgsaussichten dieser Koalitionsziffern sind, macht unter anderem der Kommentar des ehemaligen CDU-Landtags- und jetzigen Bundestagsabgeordneten Rehberg unmissverständlich klar.
Dieser hat interessanterweise die insgesamt mehr als 30 schielenden Blicke Ihrer Koalitionsvereinbarung in Richtung Bund als mangelnde Loyalität der Landes-CDU gegenüber der Bundesregierung ausgelegt. Im Klartext: Hier haben wir nicht allzu viel zu erwarten.
Herr Ministerpräsident, Frau Arbeitsministerin, nicht nur meine Fraktion möchte wissen, mit welchen kon- kreten Maßnahmen Sie die einzelnen Ziffern Ihrer Vereinbarung wann untersetzen. Was wollen Sie denn konkret zur Integration von langzeitarbeitslosen jüngeren oder älteren arbeitssuchenden Frauen und Männern wann unternehmen? Ich denke, die Menschen im Land da draußen haben ein Recht darauf, dies zu erfahren.
Übrigens, den sozialen Arbeitsmarkt, den Sie, meine Damen und Herren von der SPD, noch in Ihrem Wahlprogramm versprochen hatten, oder die beiden für den 1. Januar 2014 von der CDU im Wahlkampf angekündigten Integrationsprogramme „Arbeit statt Hartz IV“ und „Ausbildung statt Hartz IV“ sucht man im Koalitions- vertrag vergebens.
Damit komme ich zum Punkt 4. Kollege Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hat auf dem 14. Erwerbslosenparlament am 28. Oktober im Festsaal nebenan sehr eindringlich die Folgen der Kürzungen der Arbeitsmarktpolitik beschrieben und der Verband der Beschäftigungsgesellschaften hat sich schon im Dezember des vergangenen Jahres mit diesen Folgen befasst. Mit den Mittelkürzungen werden nämlich weniger Maßnahmen mit weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmern bewilligt, durchgeführt und finanziert.
Und jetzt kommt das eigentliche Problem: Bisher waren nämlich die Trägerpauschalen eine wesentliche finanzielle Säule zur Finanzierung auch von Overheadkosten der Träger und wenn diese nun in Größenordnungen austeilen, dann werden die Träger nicht mehr in der Lage sein, diese Manpower und die materiellen Voraussetzungen vorhalten zu können. Die Folge könnte sein: Personalabbau, Kündigung von Räumlichkeiten, Abschaffung von Technik. Im Zweifelsfall betrifft dies eben ganze Einheiten, also Gesellschaften oder Vereine. Und an dieser Stelle müssen wir gegensteuern, so, wie es auch das Erwerbslosenparlament in seinem Appell, den Sie ja alle kennen, der Ihnen allen schriftlich zugegangen ist vom 28.10., beschlossen hat.
Herr Ministerpräsident, Frau Arbeitsministerin, es ist Zeit zu handeln. Wir erwarten Ihre aussagekräftigen und konkreten Antworten. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als neue Arbeitsministerin des Landes MecklenburgVorpommern werde ich vor allem meine Kraftanstrengungen darauf ausrichten, dass Menschen in unserem Land in Arbeit sind, in guter Arbeit, von der sie leben können und von der sie später eine gute Rente haben. Die Bedeutung der Rente hatten wir heute schon in einer anderen Debatte.
Es ist wichtig für die Existenz von Männern und Frauen, dass sie gute Arbeit haben, aber es ist für mich auch eine Frage der Würde, dass Menschen in Arbeit sind, in Arbeit, die anerkannt wird, materiell und gesell- schaftlich. Es ist eine Frage der Menschenwürde, denn jeder möchte dazugehören. Und Arbeit ist eben nicht nur eine Frage, dass ich Geld verdiene, sondern Arbeit hat auch im Wesentlichen mit sozialer Teilhabe zu tun.
Ich habe es drei Jahre lang als Sozial- und Gesundheitsministerin zu oft erlebt, dass ich an vielen Problemen rumreparieren muss, weil Eltern nicht in Arbeit sind, weil Eltern in prekärer Arbeit sind, weil viele gebrochene Erwerbsbiografien haben. Wir haben viele Menschen im Land, die krank sind, weil sie unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, weil sie zu viel Arbeit haben, und wir haben viele Menschen im Land, die krank sind, weil sie keine Arbeit haben. Wir haben viele Kinder, die in Kinderarmut aufwachsen, weil ihre Eltern keine oder schlechte Arbeit haben.
Und an diesen vielen Folgen der schwierigen Arbeitswelt doktern wir herum und deswegen ist es mir auch aus sozialpolitischer Sicht ganz wichtig, meinen Einsatz zu leisten, dass Menschen in unserem Land in guter Arbeit sind, wobei Politik die Arbeitsplätze nicht schaffen kann. Aber wir müssen unseren Beitrag leisten, dass die Rahmenbedingungen stimmen.
Und deswegen gestatten Sie mir als Vorbemerkung einige Fakten zum aktuellen Arbeitsmarkt. Wir haben derzeit 94.100 Arbeitslose. Es ist erfreulicherweise der niedrigste Stand in einem Oktober seit der Wende, aber es sind 94.100 Schicksale, Menschen, die nicht in Arbeit sind. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit gegenüber Oktober 2010 beträgt 1.300 Arbeitslose. Wir haben einen überproportionalen Rückgang bei jüngeren Arbeitslosen zu verzeichnen, minus 9 Prozent. Wir haben außerdem mehr Stellenmeldungen, 3.700 Stellen mehr als noch im Vorjahr. Und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat um 5.100 Stellen im Vorjahresvergleich zugenommen. Es ist immer noch schwierig, älteren Arbeitslosen den Neueinstieg zu geben. Ich glaube, die Zahlen sprechen für sich.
Wir haben die Arbeitslosigkeit weiter bekämpft, aber es sind auch noch zu viele Männer und Frauen im Land arbeitslos. Berücksichtigt man dann noch, dass wir im Vergleich zum Oktober 2010 10.900 arbeitslose Frauen und Männer weniger in Arbeits- oder Qualifizierungsmaßnahmen haben, wäre die Arbeitslosigkeit statistisch deutlich geringer.
Es haben aber leider immer noch zunehmend ältere Menschen es sehr schwer, im Land eine neue Arbeit zu finden. Mit 32.600 Arbeitslosen unter den über 50-Jährigen liegen wir auch weiterhin über dem Wert vor der Wirtschaftskrise.
Mehr als 28.000 Menschen im Land sind bereits über ein Jahr arbeitslos und zählen damit zu den Langzeitarbeitslosen. Hinzu kommen dann noch 7.800 Arbeitslose in Qualifizierungsmaßnahmen und 10.800 in Arbeitsgelegenheiten. Das sind dann faktisch 46.700 Langzeitarbeitslose hier im Land.
Bezüglich der strukturellen, das heißt der verfestigten Arbeitslosigkeit, sagt die Zahl der arbeitslosen Frauen und Männer in der Zuständigkeit der Jobcenter deut- lich mehr aus als die statistische Zahl der Langzeit- arbeitslosen. Von den aktuell 94.000 Arbeitslosen sind 69.000, also 73 Prozent, bei den Jobcentern. Während die Arbeitslosenquote im Rechtskreis des SGB III, also in alleiniger Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent sank, ging diese Quote bei den Jobcentern nur um ein Prozent zurück. Und damit ist auch klar, wer zusätzliche Hilfen zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt braucht, das sind vor allem die Langzeitarbeitslosen. Und darauf müssen unsere Anstrengungen liegen, älteren Arbeitslosen und den Langzeitarbeitslosen die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt des Bundes wird seinem Namen dabei nicht gerecht. Im Ergebnis werden hier die Eingliederungschancen am ersten Arbeitsmarkt nicht verbessert, sondern Einschränkungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorgenommen. So sollen bis 2015 allein zu Lasten von Langzeitarbeitslosen rund 15 Milliarden Euro eingespart werden. Damit ist diese sogenannte Instrumentenreform größtenteils lediglich eine Anpassung der Instrumente an die Sparvorgaben der Bundesregierung.
An dieser Stelle teile ich die Kritik der Fraktion DIE LINKE. Es wäre gerade wichtig in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, die Anstrengung zu unternehmen, die in den Arbeitsmarkt zu bringen, die es besonders schwer haben, anstatt in diesen Zeiten hier die Mittel zu kürzen, denn in schwierigen Zeiten wird es für diese Leute nicht besser, sondern noch schlechter. Und dieser Aufschwung, der eben größtenteils an Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Gruppen vorbeigeht, wird gerade nicht genutzt für diese Gruppen, und das macht die Situation für diese Gruppen besonders schwierig. Deshalb sind bei sinkender Arbeitslosigkeit höhere Pro-KopfAufwendungen für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt nötig. Nicht weniger, sondern zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik muss der Anspruch sein.
Deshalb ist es gut, dass unser Land im Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hat. Es ist aber so, dass es nur zu bestimmten Punkten eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gab: