Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat aus der Bundestagsdebatte schließen. So teilte der SPD-Abgeordnete Martin Dörmann mit, ich zitiere: „Der beste Weg, um Netzneutralität nachhaltig zu sichern, bleibt allerdings eine klare gesetzliche Regelung hierzu. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass die rot-grüne Koalition im Land NRW eine entsprechende Bundesratsinitiative angekündigt hat.“ Zitatende.
Wir begrüßen es selbstverständlich sehr, dass sich die SPD in Berlin im Bundestag so ausdrücklich für Initiativen auf Länderebene zum Thema Netzneutralität positioniert. Ich würde mich freuen, wenn wir aus unserem Landtag ähnliche Signale nach Berlin senden könnten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Grundsätzlich, Herr Ritter, kann ich dem Antrag, den Sie gestellt haben, folgen. Ich werde darauf im Folgenden noch eingehen. Im Übrigen, Sie haben ja angedeutet, von Nordrhein-Westfalen ist die Bundesratsinitiative. Ich will da mal gleich hinzusetzen: In der vergangenen Woche hat die Verbraucherschutzministerkonferenz sich mit dem Thema befasst und es ist trotz langer Debatten gelungen, einen Beschluss herbeizuführen, dass die Länder sich ausgesprochen haben, dass die Bundesregierung aufgefordert worden ist, sich diesem Thema wirklich aktiv zuzuwenden.
Bevor wir uns aber mit diesem Antrag auseinandersetzen, glaube ich, ist es auch wichtig, Sie haben das ja angedeutet, sich über die Frage Gedanken zu machen, was „Netzneutralität“ eigentlich bedeutet. Kerngedanke der Netzneutralität ist das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Dateninhalte, -mengen, aber auch der Übertragungsgeschwindigkeiten, und zwar in beide Richtungen, also Informationen, Dienste, Anwendungen und so weiter, ohne eine inhaltliche Zugangsbeschränkung abzurufen, anzubieten oder wechselseitig zu kommunizieren.
Dahinter steckt natürlich auch der Gedanke, dass der freie und uneingeschränkte Zugang zum Internet so etwas wie ein Grundrecht der Informationsgesellschaft heute darstellt.
Das war im Übrigen ja auch der Gedanke der Landesregierung, die Breitbandinitiative der Bundesregierung zu unterstützen und letzten Endes damit große Fortschritte zu erzielen. Aber wir können natürlich heute schon erkennen, dass, wenn die Telekom sich hier durchsetzen sollte als Mehrheitsgesellschafter der Bundesrepublik Deutschland, dann kommen wir zu einer Zweiklasseninformationssituation, und das können wir nicht akzeptieren.
Dabei gilt es für mich und unser Land, einen möglichst uneingeschränkten Gleichheitsbehandlungsgrundsatz für alle Regionen durchzusetzen. Wir erinnern uns im Übrigen auch, der Bund hat zwar nach dem Grundgesetz die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die
Telekommunikation nach dem Grundgesetz Artikel 73, aber die Länder müssen über die Grundsätze und die Gebühren für die Benutzung der Einrichtung, das heißt eben auch der Telekommunikation, nach Artikel 80 mit einbezogen werden. Deswegen haben wir auch die avisierte Bundesratsinitiative unterstützt.
Kombiniert man dies mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes, sehen wir, wo eigentlich das Problem liegt. Jeder, egal wo er wohnt, soll den gleichen Zugang zum Internet haben in Deutschland. Das ist die Forderung und von der werden wir uns auch nicht abbringen lassen. Dies hat im Übrigen auch die Bundeskanzlerin für den gesamten ländlichen Raum der Bundesrepublik Deutschland in Aussicht gestellt, weil damit die faktische Ungleichbehandlung zwischen Stadt und Land abgebaut wird. Doch das steht auf einem anderen Blatt Papier.
Zurück zum eigentlichen Thema: Es gibt mittlerweile kaum noch etwas, was man nicht über das Internet regeln, bestellen oder austauschen kann, darunter so manches, wie wir alle zusammen wissen, auch am Rande der
Legalität und darüber hinaus. Nicht umsonst müssen sich Verbraucher und insbesondere die Justizministerin und Minister des Bundes und der Länder oder auch der Datenschutz damit beschäftigen, zum Beispiel mit Abmahnungen wegen illegaler Downloads oder ausufernder Geschäftsmodelle, sodass letzten Endes mit windigen Geschäften Anwälte in Heerscharen heute mit dem Thema befasst sind.
Was aber hat gerade dieses Downloadproblem mit der Netzneutralität zu tun? Vor einigen Wochen, und Sie haben darauf hingewiesen, Herr Ritter, hat die Deutsche Telekom AG angekündigt, sie wolle die Geschwindigkeiten ihrer DSL-Zugänge drosseln. Deswegen heißt die Telekom ja auch schon im Volksmund mit einem neuen Begriff gewählt „Drosselkom“. Ich weiß nicht, ob Sie das auch schon so wahrgenommen haben.
Ab 2016 will danach die Deutsche Telekom mehrheitlich im Bundesbesitz echte Flatrates und damit quasi diese abschaffen und bei einem Datenvolumen tatsächlich von mehr als 75 Gigabyte pro Monat zusätzlich Gebühren und auch für den Highspeedzugang erheblich oder aber die Geschwindigkeit drastisch reduzieren. Das hört sich zunächst erst einmal an wie ein Rückfall in die Anfangsjahre des Internetzeitalters. Zwar verbraucht jeder DSL-Kunde im Durchschnitt zurzeit nur etwa 15 bis 20 Gigabyte im Monat, also etwa ein Viertel von dem, was die Telekom avisiert hat. Nach eigenen Angaben der Telekom reichen 75 Gigabyte gegenwärtig aus, um alle folgenden Datenumfänge herunterzuladen beziehungsweise entsprechende schnelle Verbindungen, auch Internetverbindungen aufzubauen, Bearbeiten aller E-Mails, normales Surfen im Netz bis zu 5 Stunden am Tag, 60 Stunden Internetradio, 10 Videostunden am Tag oder die besonders hohe Auflösung von Videofilmen, in Form von drei verschiedenen Möglichkeiten bis zu 400 Fotos in Höchstauflösung oder 16 Stunden Onlinespiele. Hochrechnungen der Telekom hätten im Übrigen auch ergeben, dass schon ab 2015 die traditionellen DSL-Anschlüsse die wachsenden Kundenanforderungen nicht mehr erfüllen können.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ursache dieses Dilemmas sind klar und deutlich die unzureichenden – und da liegt eigentlich das Versagen der Deutschen Telekom – Investitionen der letzten Jahre in die neuen Glasfasertechniken. Da hat man sich ja auch vergaloppiert, das wissen Sie alle zusammen. Das gilt vor allen Dingen für die Deutsche Telekom in Deutschland. Ich erinnere hier auch noch mal ausdrücklich an die Bundeskanzlerin, die einen gleichwertigen Netzausbau gefordert hat.
Um diese Defizite nun aufzuarbeiten und gleichzeitig rentabel zu bleiben, muss die Telekom also nach eigenen Angaben die Tarifstruktur nun reformieren, und da ist der Kunde dann wieder gut genug. Dabei denkt man an ein Modell nach dem Prinzip: Wer viel surft, wer viele Daten bewegt, der soll dafür auch mehr bezahlen. Dies erscheint mir zunächst erst einmal legitim, mit dem Blick auf Verbraucherinnen und Verbraucher auch als gerecht.
Warum bricht also ausgerechnet jetzt dieser regelrechte Proteststurm aus? Es ist ja sogar von der „Drosselkom“ tatsächlich in Deutschland die Rede. Nun, die Telekom hat auch angekündigt – das haben Sie noch nicht angedeutet, wahrscheinlich werden Sie das noch machen oder heute noch darstellen –, ein eigenes TV-System
aufzubauen oder Videoangebote oder ein völlig neues Segment zu entwickeln, nämlich Entertain, um damit von der angekündigten Datenbegrenzung dann Alternativen für sich selbst aufbauen zu können.
Kritiker, die ich sehr ernst nehme, fürchten nun eine Zweiklasseninternetgesellschaft, weil bestimmte Angebote damit quasi Vorfahrtregelungen bekommen.
Und die Telekom wird das natürlich genau vornehmen. Das ist genau der Punkt, weil damit riesige Datenmengen bewegt werden können, und die, die bezahlen, bekommen den Zugang, und die, die das nicht können, sind ausgeschlossen. Das ist aus meiner Sicht eben diese Zweiklassengesellschaft, und die wollen wir nicht.
Ganz nebenbei könnte im Übrigen auch die Telekomstrategie zum echten Bumerang zu den Konzernen werden, wenn sich nämlich herausstellt, dass damit die Attraktivität der eigenen Angebote gefährdet wird, insbesondere im Wachstumsmarkt, bei den sogenannten Clouds.
Auch das ist nicht ganz unwichtig, denn die Cloudsprodukte brauchen hohe Datenraten, sonst funktionieren sie nicht. Und wenn diese Clouds dann nicht mehr anwendbar sind, ist ein nächstes Problem vorprogrammiert.
Womit wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der dritten Frage wären, nämlich ob es unmittelbar einer gesetzlichen Lösung – darauf haben wir hingewiesen – zur Regelung der Netzneutralität bedarf. Aktuell gibt es weder im deutschen noch im europäischen Raum ein Recht auf ungebremstes Surfen im Netz. Lediglich, und wahrscheinlich werden Sie darauf auch noch hinweisen, haben zurzeit die Niederlande diese Netzneutralität, allerdings auch nur beschränkt auf den Mobilfunk gesetzlich vorgeschrieben, und das kann bei Verstößen zu hohen Geldbußen geführt werden und wird auch vorgenommen. Und als zweites Land sind seit 2009 die Norweger dabei, eine Branchenvereinbarung zur Netzneutralität, also eine Selbstverpflichtungslösung umzusetzen.
Nicht zuletzt ist auf europäischer Ebene bis auf Weiteres wohl nicht mit einer umfassenden gesetzlichen Regelung zu rechnen. Der zuständige Kommissar hatte sich erst im Januar dagegen ausgesprochen, Internetanbieter per Gesetz zur Netzneutralität zu verpflichten.
Im Übrigen lässt das Europäische Rahmenrecht aber zum Glück wenigstens die nationalen Regelungen zu. So könnte die nationale Regelungsbehörde eine Mindestqualität des Internetzuganges vorschreiben, was allerdings in Deutschland schwierig bleibt, solange die Netze noch nicht durchgängig über entsprechende Breitbandmöglichkeiten verfügen. Insofern haben wir hier leider, ich betone „leider“, längst auch die befürchtete Situation der Zweiklassengesellschaft zu konstatieren, denn nach wie vor ist der größte Teil der ländlichen Räume gerade auch in den dünn besiedelten Regionen Deutschlands, und das ist nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, vom Highspeedinternet abgekoppelt.
Zurück zur Netzneutralität: Faktisch besteht also bereits heute die Möglichkeit, dass die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zur Wahrung der Netzneutralität treffen kann. Genau hier haben wir als Verbraucherministerinnen und -minister der Länder auf unserer Jahreskonferenz in der vorletzten Woche angesetzt mit dem Ziel, einen einstimmigen Beschluss der Bundesregierung vorzulegen und sie aufzufordern, bereits heute Regelungen vorzusehen, die ein sachlich ungerechtfertigtes Verlangsamen, Benachteiligen oder Blockieren von Diensten im Internet untersagen.
Ich gehe davon aus, dass, wenn das jetzt nicht unverzüglich kommt, Herr Ritter, dann die Bundesratsinitiative der SPD-geführten Länder kommen wird, und letzten Endes gibt es damit in Paragraf 41a Absatz 1 Telekommunikationsgesetz die Ermächtigung – Sie haben darauf hingewiesen –, im Rahmen einer Rechtsverordnung entsprechende Details zu regeln. Dass die Bundesregierung hiervon bisher nicht Gebrauch gemacht hat, bedauern wir als SPD-geführte Länder ausdrücklich.
Allerdings hätte eine solche Regelung im Moment überwiegenden vorsorgenden Charakter. Auch das haben Sie hier angedeutet, denn bisher halten sich die Verletzungen der Netzneutralität offensichtlich auch in Grenzen. Insofern gehe ich davon aus, dass die Bundesregierung hier am Zuge ist. Und ich betone noch einmal: Wenn die Regelung jetzt nicht kommt, dann wird es die Bundesratsinitiative geben. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Fraktionsvorsitzender hat mir eben gesagt, meine Rede wäre fertig, da ich ja ohnehin den Worten des Ministers nichts hinzuzufügen hätte.
Das ist natürlich grundsätzlich immer richtig, aber gestatten Sie mir an dieser Stelle dann vielleicht doch ein, zwei Anmerkungen noch in der Sache, weil es ist ja nun von dem Minister – und der ist ja auch Verbraucherschutzminister – zu Recht aus der Verbraucherschutzperspektive bewertet worden. Aber es kommt natürlich, und das ist aus meiner Sicht genauso wichtig, eine kartellrechtliche, wettbewerbsrechtliche Perspektive dazu, die ja auch das sichtbar macht, was die Telekom tut. Und es ist übrigens nicht nur die Telekom. Ich glaube, vor zwei Jahren ist es Kabel Deutschland gewesen, nicht ganz so groß als Anbieter, die dann immerhin ähnliche Vorstellungen gehabt haben. Nur, dass …
Es geht, wenn man den Begriff „Netzneutralität“ sieht, nämlich nicht nur darum, dass der Kunde der Telekom darüber entscheiden muss, ob er jetzt möglicherweise – Herr Ritter sprach von 20 Euro, ich will den Betrag auch völlig dahingestellt sein lassen – im Monat mehr bezahlen muss. Es geht um einen anderen Punkt. Der Kunde kann sich rein theoretisch noch überlegen, ob er den Festnetzanbieter für seinen Internetzugang wechselt. Der muss nicht bei der Deutschen Telekom sein, der kann auch zu irgendeinem anderen Anbieter gehen, und deswegen ist es ein kartellrechtliches Problem.
Wer sich das nicht aussuchen kann, ist der Informationsanbieter, der darauf angewiesen ist, über die Telekom an die Kunden der Telekom zu kommen. Nur über die Telekom kommt er nämlich an diese Kunden. Und insofern ist die Telekom, was dieses Verhältnis angeht, dann auch wettbewerbs- beziehungsweise marktbeherrschend. Da kommt es auch nicht mehr darauf an, dass es drei, vier, fünf, sieben, acht andere Anbieter gibt. Im Verhältnis zwischen dem Kunden der Telekom und demjenigen, der über die Telekom Informationen an diese Kunden bringen will, gibt es keinen anderen Anbieter.