Bedauern alleine hilft nicht, es muss gehandelt werden! Handeln Sie und stimmen Sie unserem Antrag zu, denn die Regierungskoalition ist es doch dann, die das als Erfolg verkaufen kann!
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2339 zur Beratung an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer stimmt diesem Überweisungsantrag zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen von SPD, CDU und NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2339. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2339 mit den Stimmen von SPD, CDU und NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Ausbildungsbedingungen verbessern – Mindestausbildungsvergütung einfüh- ren – Fachkräftenachwuchs sichern, Drucksache 6/2337.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Ausbildungsbedingungen verbessern – Mindestausbildungsvergütung einführen – Fachkräftenachwuchs sichern – Drucksache 6/2337 –
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es vorhin gehört, wenn wir über die Situation am Ausbildungsmarkt sprechen, dann scheint – oberflächlich betrachtet – alles gut. Die Zeiten, in denen es nicht genügend betriebliche Ausbildungsplätze gab und deswegen mit Sonderprogrammen von Bund und Land massiv gegengesteuert werden musste, sind vorbei. Stattdessen sank die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger und statistisch betrachtet kann heute jeder von ihnen auch einen Ausbildungsplatz finden. Und deswegen will ich am Anfang auch sagen, dass die jungen Leute damit prinzipiell eine größere Auswahl und bessere Chancen auf einen Berufsstart im eigenen Bundesland haben, das ist ohne jede Umschweife eine positive Entwicklung. Allerdings finden sie dennoch kein Schlaraffenland vor.
Wie Sie aus diversen Studien und aus den Anträgen meiner Fraktion wissen, ist der Berufseinstieg in den letzten Jahren immer prekärer geworden. Über die Situation auch junger Leute in Scheinpraktika, in befristeter Beschäftigung oder in Leiharbeit haben wir hier schon
häufiger diskutiert. Deswegen nur zur Erinnerung einige wenige Zahlen: 2011 konnten 61 Prozent der dualen Ausbildungsabsolventen bundesweit eine vollwertige Beschäftigung beginnen, 25 Prozent waren prekär beschäftigt und 13 Prozent anschließend arbeitslos.
Festzustellen bleibt weiterhin, dass etliche Betriebe noch immer nicht realisiert haben, dass die Ansprüche aus Zeiten eines Überangebotes am Bewerbermarkt vorbei sind. Statt demotivierend und den alten Zeiten nachtrauernd über eine mangelnde Ausbildungsreife zu klagen, sollte die Botschaft besser lauten: „Bleib hier, wir brauchen dich und wir helfen dir!“ Und sie müsste aus meiner Sicht zwingend noch um die Aussage „Wir bieten eine unbefristete Übernahme, faire Löhne und“ – immer vorausgesetzt, die Leistung stimmt – „auch gute Aufstiegsperspektiven“, ergänzt werden.
Zu meinen, es sei allein deshalb alles gut, weil es mehr Ausbildungsplätze als potenzielle Bewerber im eigenen Bundesland gibt, ist eine Milchmädchenrechnung und zeigt, dass bis heute nicht begriffen wurde, dass wir als Niedriglohnland auch in der Ausbildung keine Zukunft haben. 1.000 unbesetzte Lehrstellen sind ein deutlicher Ausdruck dafür. Deswegen wird es Zeit, die Lippenbekenntnisse aus der Präambel zum Fachkräftebündnis auf das praktische Handeln im Alltag zu übertragen. Unsere Unternehmen werden nämlich ihre unbesetzten Stellen künftig auch mit Jugendlichen aus anderen Bundesländern besetzen und damit in den Wettbewerb mit diesen treten müssen. Deshalb wollen wir mit unserem heutigen Antrag auch noch einmal deutlich machen, dass es die Ausbildungsumstände einschließlich einer angemessenen Ausbildungsvergütung sind, die darüber entscheiden, ob unsere Jugend auch weiterhin gen Westen abwandert oder ob sie ihre Zukunft tatsächlich im eigenen Land sieht.
Die Lebenssituation Auszubildender hat sich stark verändert. Jugendliche beginnen heute deutlich später eine Ausbildung als noch bei Einführung des Berufsbildungsgesetzes. Woran das unter anderem liegt, kann man dem DGB-Ausbildungsreport für unser Land entnehmen. 2011 kamen nur 46 Prozent der Bewerber aus dem aktuellen Schulabgangsjahr, bei 20 Prozent lag der Schulabgang ein Jahr, bei 34 Prozent mindestens zwei Jahre zurück. Dazu kommen freilich auch neue Möglichkeiten, sich auszuprobieren, zum Beispiel das System der verschiedenen Freiwilligenjahre.
Junge Leute sind heute mit grundlegend neuen Herausforderungen konfrontiert. Fast immer und überall wird ein Höchstmaß an Flexibilität und Mobilität vorausgesetzt. Wer auf den Zuschlag im Bewerbungsverfahren hofft, muss bereit sein, umzuziehen oder zu pendeln und dann eine eigene Unterkunft, ob als Internatszimmer, eigene Wohnung oder auf andere Art zu finanzieren. Dazu kommen Kosten für die An- und Abfahrt zum beziehungsweise vom Betrieb beziehungsweise zu der Berufsschule.
Die grundsätzliche Basis für diese Finanzierung muss eine angemessene Ausbildungsvergütung sein, und was das ist, darüber kann man trefflich streiten. Ich für meinen Teil stelle fest, dass einem das Berufsbildungsgesetz an dieser Stelle jedenfalls keine Hilfe ist. Warum sehe ich
das so? Dort heißt es in Paragraf 17 lediglich, dass neben die Forderung nach Angemessenheit noch ein mindestens jährlicher und mit fortschreitender Berufsausbildung zu realisierender Anstieg tritt. Eine konkrete Zahl findet man dagegen dort nicht. Für Auszubildende ist die Zahlung einer angemessenen Vergütung aus unterschiedlichen Gründen aber sehr wichtig. Zum einen ist sie, zuverlässig und pünktlich gezahlt, ein Ausdruck der Anerkennung der geleisteten Arbeit, zum anderen ist sie notwendig, um ein vom Elternhaus oder staatlichen Transferleistungen weitgehend unabhängiges Leben führen zu können. Für tarifgebundene Ausbildungsbetriebe sind die tariflichen Vergütungen verbindliche Mindestbeträge, das heißt, niedrigere Zahlungen sind unzulässig. Sind die Ausbildungsbetriebe jedoch nicht tarif- gebunden, dürfen die nach Branche und Region ortsüblichen Ausbildungsvergütungen um maximal 20 Prozent unterschritten werden.
Und um das mal plastisch zu machen, gestatten Sie mir, Ihnen einen kurzen Einblick in das Tarifregister unseres Landes zu geben. Dort finden Sie dann beispielsweise den Friseur-Azubi.
Die tarifliche Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr nach Tarifregister beträgt 158,50 Euro, wenn Sie da noch 20 Prozent abziehen, macht das dann 126,80 Euro pro Monat. Oder nehmen Sie den Gebäudereiniger mit 500 Euro, 20 Prozent weniger, dann sind wir bei 400 Euro.
Und dann braucht mach sich nicht zu wundern, das Mecklenburg-Vorpommern im Bundesdurchschnitt auch bei den Ausbildungsvergütungen im unteren Drittel rangiert. Mehr als die Hälfte unserer Azubis verdiente 2011 zwischen 250 und 500 Euro pro Monat, im Bundesschnitt dagegen waren es weniger als ein Drittel. Nur jeder vierte Azubi hierzulande erhielt allerdings zwischen 500 und 750 Euro monatlich, während im Bundesschnitt dagegen die Hälfte der im Ausbildungsreport befragten Jugendlichen auf diese Werte kam.
Neben den Unterschieden zwischen den Bundesländern gibt es auch noch deutliche Unterschiede zwischen den Branchen. Besondere Probleme sind im Hotel- und Gaststättenbereich zu verzeichnen. 93,9 Prozent aller für den DGB-Ausbildungsreport befragten Auszubildenden als Hotelfachfrau und Hotelfachmann gaben an, lediglich zwischen 250 und 500 Euro monatlich zu bekommen, und das, obwohl laut Tarif 480 Euro zu zahlen wären. Folgerichtig finden sich unter den Top Five der unbesetzten Ausbildungsstellen seit Monaten die Berufe Koch, Restaurant- und Hotelfachmann sowie Fachkraft im Gastgewerbe. Zur Entlohnungsproblematik kommen hier noch anspruchsvolle Arbeitszeiten mit Teildiensten und Schichtsystemen sowie An- und Abfahrtswege hinzu, weil oft am Hotelstandort gar keine erschwinglichen Unterkünfte zur Verfügung stehen, und das Problem, Herr Glawe, das lösen Sie auch nicht mit einem verbesserten Ausbildungsmarketing.
Deshalb sage ich für meine Fraktion, wer als Arbeitgeber seinen Fachkräftenachwuchs sichern will, der muss gute
Ausbildungsbedingungen sowie bezahlbare Unterkünfte in der Nähe des Ausbildungsortes beziehungsweise der Berufsschule bieten und eine tatsächlich angemessene Ausbildungsvergütung zahlen. Damit komme ich zu den Forderungen in unserem Antrag.
Wir wollen, dass die Situation in der dualen Ausbildung bezogen auf die tatsächliche Höhe der durchschnittlich gezahlten Ausbildungsvergütungen analysiert wird.
Alle Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, entstammen dem DGB-Ausbildungsreport, der eine repräsentative Befragung, aber natürlich keine amtliche Statistik darstellt. Und ich habe ja erläutert, auch das, was man im Tarifregister findet, ist nicht wirklich allein repräsentativ, wenn man weiß, dass nur jeder vierte Betrieb im Land überhaupt tarifgebunden ist.
denn es ist doch nicht vermittelbar, dass wir, mittlerweile in großer Übereinstimmung, einen Mindestlohn als untere Haltelinie im System befürworten, die Probleme im Bereich der Ausbildungsvergütung aber ignorieren und darauf hoffen, dass die Tarifparteien das Problem schon lösen werden.
Ich bin durchaus der Hoffnung, dass auch bei den Unternehmen Bewegung in die Sache kommen wird, im Zweifel, sage ich allerdings ganz deutlich, ist mir eine verbindliche Festlegung lieber und wir können auch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.
Wir könnten uns vorstellen, dass man als Größenordnung für eine Mindestausbildungsvergütung den Durchschnitt aller tariflich festgelegten Ausbildungsvergütungen zum Maßstab nimmt. Das wären dann für das erste Ausbildungsjahr circa 500 Euro. Wir sind eben nicht der Meinung, dass bereits bei der Ausbildungsvergütung so starke Differenzen zwischen den zu erlernenden Berufen existieren sollten, denn ich sage, das eine Lernen ist nicht anstrengender und damit wertvoller als das andere. Wie aufwendig eine Berufsausbildung ist, wird vor allem in Zeit gemessen und eben nicht allein in Geld. Deswegen ist jeder duale Ausbildungsgang übrigens auch zwischen zwei- und dreieinhalb Jahre lang.
Im Land haben wir nicht zuletzt wegen der Konzentration sogenannter Landesfachklassen an bestimmten Standorten bereits in der letzten Legislatur dafür gestritten, die auswärtige Unterbringung von Berufsschülern wieder zu bezuschussen. Wir haben es auch begrüßt, dass seitens des Bildungsministeriums 100.000 Euro für die Unterstützung von bedürftigen Berufsschülern zur Verfügung gestellt wurden.
Dabei wird die Notwendigkeit einer auswärtigen Unterbringung anerkannt, wenn der Schulweg mehr als drei Stunden beträgt. Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, dieses Unterstützungsangebot war bislang ein Flop. 20 Anträge im ganzen Jahr, davon einer bewilligt, nur 250 von 100.000 Euro wurden ausgereicht. Die Richtlinie bedarf daher dringend einer Überarbeitung und ganz offenbar ist das pünktlich zur Landtagssitzung ja nun auch beim Bildungsminister angekommen. Die vorsichtiger formulierte Entschließung von SPD und CDU im Bildungsausschuss wird damit wohl ausnahmsweise mal tatsächlich etwas bewirken. Ich freue mich auf eine sachliche Diskussion. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten zu vereinbaren. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Vertretung für die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielleicht gestatten Sie mir trotzdem, zu Beginn noch selbst zu sprechen, bevor ich in die Rolle von Frau Schwesig schlüpfe. Nur was die von Ihnen zum Schluss angesprochene Richtlinie angeht, „Flop“ haben Sie es genannt, ich würde sagen, es ist erst mal ein gutes Angebot, wenn die Koalition 100.000 Euro zur Verfügung stellt, um Berufsschüler zu unterstützen, die lange Wege hinter sich zu bringen haben. Allerdings haben die Koalitionsfraktionen und die Regierung darauf bestanden, dass sich bei dieser Maßnahme Auszubildende, Staat und Unternehmen die Kosten im gleichen Umfang teilen. Und es sind mir schon viele Unternehmen begegnet, die darauf hingewiesen haben, dass es da Probleme gibt, dass die Wege zu weit sind. Nun könnte man natürlich mal über eine Anhebung der Ausbildungsvergütung reden, dann gäbe es diese Probleme nicht. Wenn Unternehmen geltend machen, wie wichtig ihnen der Nachwuchs und ihre Arbeitskräfte der Zukunft sind, dann sollte man doch erwarten, dass sie in der Lage sind, ein Drittel von 250 Euro aufzubringen oder auch ein Drittel von 500 Euro. Da scheint es eine unterschiedliche Bereitschaft zu geben.
Insofern will ich Ihnen sagen, dann scheint die Not so groß nicht zu sein. Auch uns haben 20 Anträge überrascht. Wir hätten eigentlich gedacht, dass es mehr Anträge gibt von Berufsschülern. Mag auch sein, dass es noch nicht genug bekannt ist, dass wir noch mal daran arbeiten müssen, dass das alle kennen. Aber es war doch für uns überraschend, nicht nur, dass es nur einen Fall gab, bei dem es eine Förderung geben konnte, sondern auch, dass es nur 20 Anträge waren.
Insofern wird die Richtlinie jetzt überarbeitet, aber auf eins möchte ich schon mal hinweisen: Auf den Arbeitgeber- oder Unternehmeranteil werden wir nicht verzichten, sondern das ist für uns Ausdruck sozialer Marktwirtschaft, dass sich alle beteiligen. Trotzdem kann man
natürlich die Anspruchshürden für die Antragsteller verringern, aber für die Unternehmen, glaube ich, sollte man das nicht tun. Die können das ja immerhin auch als Ausgaben verbuchen.