Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

Antrag der Fraktion der NPD Keine Internetüberwachung von Empfängern von Arbeitslosengeld II – Drucksache 6/2418 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Petereit von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Zeit für den Wunschzettel, und auch die Bundesanstalt für Arbeit, die hat einen. In einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe reichte sie eine Liste von 124 Wünschen, Reformvorschläge genannt, ein. Nummer 95 läuft hinaus auf die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Daten im Internet, um die Bezieher von Arbeitslosengeld II und auch deren Familien, die Bedarfsgemeinschaften, zu überwachen. Man möchte gern eBay-Konten und andere E-CommercePlattformen ausspähen. Man strebt auch danach, den Datenabgleich mit anderen Behörden auszuweiten. Das Bundeszentralamt für Steuern soll noch mehr Daten liefern. Bei Versicherungen und Grundbuchämtern soll ebenfalls in noch höherem Maße herumgeschnüffelt werden, um herauszufinden, ob da vielleicht noch irgendwo Vermögenswerte versteckt sein könnten, mit denen man den Euro retten könnte.

Was die Bundesanstalt für Arbeit hier anstrebt, sind verdachtsunabhängige Ermittlungen – und das geht noch weit über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung hinaus –, im Koalitionsvertrag, Seite 147, deren Einführung in Gestalt der Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24 vereinbart worden ist. Das haben die SPD-Lobredner des Koalitionsvertrages am Mittwoch vergessen zu erwähnen, weil es nämlich ziemlich peinlich ist, wie die SPD sich in diesem Punkt von der CDU hat einwickeln lassen. Aber Vorratsdatenspeicherung und Bestandsdatenauskunft sind harmlos verglichen mit dem Vorhaben der Bundesanstalt für Arbeit.

Bei der Vorratsdatenspeicherung werden die Daten lediglich gespeichert und überhaupt erst dann angesehen, wenn gegen eine Person aufgrund eines vorliegenden konkreten Verdachts ermittelt wird. Hingegen will die Bundesanstalt für Arbeit die umfangreichen Datensätze nehmen, die über jeden Arbeitslosengeld-IIEmpfänger vorliegen, und das Internet ganz gezielt diese Personen betreffend auf Hinweise nach Sozialbetrug absuchen. Das sind klassische Ermittlungen, zumindest Vorermittlungen, und auch für Letztere gilt, dass sie nicht einfach willkürlich in Gang gesetzt werden dürfen. Es muss aufgrund vorliegender tatsächlicher Anhaltspunkte die Möglichkeit bestehen, dass eine Straftat vorliegen könnte. Wenn sich das zu einem Anfangsverdacht verdichtet, können die Ermittlungen aufgenommen werden.

Worin liegt nun der Anfangsverdacht gegen einen Hartz-IV-Empfänger? Dass sie Hartz-IV-Empfänger sind, das genügt, um Sozialbetrug unterstellt zu bekommen und bei eBay nach entsprechenden Beweisen zu suchen. Das darf nicht einmal die Steuerfahndung bei ihren Vorermittlungen. Selbst diese bedürfen eines begründeten Anlasses, konkrete Momente müssen dafür sprechen, dass jemand Steuern hinterzieht.

Nur Geheimdienste machen das, was die Bundesanstalt für Arbeit in ihrem Reformvorschlag wünscht, und das ist auch nur konsequent, denn die Bundesanstalt für Arbeit hat bereits Züge eines Geheimdienstes. Sie bespitzelt Leistungsempfänger systematisch mit sogenannten Sozialermittlern. Sie nutzt im großen Stil die Dienste von Denunzianten – das mag bei der LINKEN für Erheiterung sorgen –, sie nutzt im großen Stil die Dienste von De

nunzianten. Ermittlungen ohne Anlass und uferlose Datensammlung passen natürlich gut dazu, aber es kann nicht sein, dass man in eine datenschutzfreie Zone verbannt wird, sobald man einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellt, jedenfalls nicht in einem Staat, der sich Verfassungsstaat nennt. Seien Sie mal tolle Demokraten und Verfassungsschützer und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank.

(Beifall Tino Müller, NPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat der Abgeordnete Herr Foerster von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf im Namen der demokratischen Fraktionen dieses Hauses den erneuten untauglichen Versuch der NPD zurückweisen, sich als Biedermänner und Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeiten in diesem Land hervortun zu wollen. Es ist hinlänglich bekannt, das will ich an dieser Stelle gleich einfügen, dass die demokratischen Fraktionen in diesen wie in vielen anderen Punkten auch unterschiedliche Auffassungen vertreten, trotzdem, und das begrüße ich ausdrücklich, sind wir uns zumindest hier im Landtag einig, dass die NPD eine diskriminierende, menschenverachtende und deshalb aus unserer Sicht verfassungsfeindliche Politik vertritt und

(Zuruf von David Petereit, NPD)

deshalb verboten gehört.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – David Petereit, NPD: Das weise ich zurück! – Tino Müller, NPD: Von der CDU hat keiner geklatscht.)

Und falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dann haben Sie ihn ja heute Vormittag selbst erbracht.

Dass sich durch ein Verbot die Probleme nicht in Luft auflösen, das ist völlig klar, aber ein demokratischer Staat muss seine Grundlagen und Werte schützen, über die Einhaltung von Gesetzen wachen und vor allem deren Einhaltung durchsetzen – so weit zum Grundsätzlichen. Aus eben diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus, das will ich auch gleich klarstellen, werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Tino Müller, NPD: Setzen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen, ich gehe davon aus, dass es unter uns unstrittig ist, dass der Missbrauch staatlicher Leistung, deren Erschleichung oder Inanspruchnahme ohne die Erfüllung entsprechender Voraussetzungen grundsätzlich abzulehnen ist. Das gilt für Menschen ohne Arbeit genauso wie für Ministerinnen und Minister, Staatssekretäre, Unternehmerinnen und Unternehmer, für uns Abgeordnete und sogar für den Bundeskanzler, denn nach Artikel 3 des Grundgesetzes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Wenn wir diesen Grund

satz konsequent auch auf diesen Sachverhalt anwenden wollten, dann müssten alle Bundesbürger im Internet überwacht werden – nun gut, durch den amerikanischen NSA werden wir das wohl schon. Aber kann das Aufgabe eben jenes demokratischen Staates sein, den wir gerade durch ein Verbot der NPD schützen wollen, dass er seine Bürgerinnen und Bürger, die arbeitslos sind, ausspäht?

Neben der Frage, welche Aufgaben die Arbeitsverwaltung und die Integrationsstellen, so will ich die Jobcenter mal bezeichnen, haben, geht es bei diesem Vorschlag natürlich auch um Fragen des Datenschutzes und der Einhaltung des Grundgesetzes in Fragen der Persönlichkeitsrechte. Darauf will ich aber an dieser Stelle nicht weiter eingehen und belasse es bei der aufgeworfenen grundsätzlichen Frage.

Die Bundesagentur für Arbeit hat am 6. November eine Liste von 124 Vorschlägen bestätigt, mit denen die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II anders als bisher umgesetzt werden sollen. Unter Punkt 95 ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Daten im Internet aufgeführt.

Meine Damen und Herren, im November 2013 befanden sich mehr als 6 Millionen Menschen im Grundsicherungsbezug, davon waren mehr als 4,3 Millionen erwerbsfähige Leistungsbezieherinnen und -bezieher, also 4,3 Millionen arbeitslose Frauen und Männer, und sogenannte Aufstockerinnen und Aufstocker. Weitere circa 1,7 Millionen Kinder, Jugendliche und andere nicht erwerbsunfähige Frauen und Männer bezogen ebenfalls Leistungen nach dem SGB II. Ich denke, das Problem bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit oder besser gesagt bei der Integration der Millionen Langzeitarbeitslosen in Arbeit und Gesellschaft ist nicht ein begrenzter Internethandel, den einige wenige Arbeitslose womöglich betreiben. Die Probleme liegen deutlich an anderer Stelle. Dass ich mit meiner Meinung nicht allein bin, soll der Verweis auf zwei vermeintlich unverfängliche Institutionen verdeutlichen.

Der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- tag haben ebenfalls im November ein sogenanntes Benchlearningpapier der Optionskommunen veröffentlicht. Dort finde ich keinen Hinweis oder Vorschlag auf die Bekämpfung des Internethandels von Arbeitslosen, dagegen aber zahlreiche Vorschläge, die mir sinnvoll erscheinen. Eine Forderung lautet zum Beispiel, die Stigmatisierung der Leistungsbezieher zu beenden, eine andere, statt kurzfristiger statistischer Erfolge langfristige Strategien sowohl für die Jobcenter als auch für die Integration der Langzeitarbeitslosen zu ermöglichen. Besonders gefällt mir natürlich Punkt 8, in dem für solche Personen, die den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht geschafft haben und die trotzdem Anspruch auf eine würdige Teilhabe an der Gesellschaft haben, die Forderung nach einem sozialen Arbeitsmarkt erhoben wird.

Meine Damen und Herren, ich denke, die circa 66.000 Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter in den 353 gemeinsamen Einrichtungen und den 69 Optionsmodellen haben genug zu tun, auch ohne Internetüberwachung. Gleichwohl bedarf es Ihrer Aufforderung und vor allem Ihrer Wortbeiträge nicht, meine Herren von der NPD,

(Zuruf von Tino Müller, NPD)

um die Arbeit der Jobcenter und der Optionsmodelle zu bewerten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun noch einmal der Abgeordnete Herr Petereit von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Foerster, inwieweit ein NPD-Verbot den Hartz-IVEmpfängern gegen ihre Bespitzelung helfen soll, das haben Sie offengelassen. Ich habe jetzt immer nur gehört: zicke, zicke, zicke, zicke.

Ich weise auf einen Sachverhalt hin, der die geplanten Schnüffeleien der Bundesanstalt für Arbeit in einem noch ungünstigeren Licht erscheinen lässt. Wenn Empfänger von Arbeitslosengeld II Gegenstände bei eBay verkaufen, dann ist das ein Zeichen zunehmender Verarmung – die Regelsätze sind viel zu niedrig. Viele Betroffene sind gezwungen, nach und nach ihre Habe zu veräußern. Das ist zwar traurig, aber, was der Bundesanstalt für Arbeit wohl nicht bekannt ist, das ist auch legal. Gegenstände des Hausrats sind geschütztes Sachvermögen. Werden sie veräußert, wandeln sie sich in geschütztes Geldvermögen, also in Schonvermögen um. Sie gelten gar nicht als Einkommen, das dem Jobcenter gemeldet und zum Lebensunterhalt eingesetzt werden müsste. Die geplante Spitzelei ist nicht nur abscheulich, sondern auch vollkommen unsinnig. – Vielen Dank.

(Beifall Tino Müller, NPD)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2418. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. –

(David Petereit, NPD: Wir haben es gesehen, danke.)

Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2418 mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Der Energiewende im Nordosten nicht den Wind aus den Segeln nehmen – Beschlüsse der Arbeitsgruppe Energie im Rahmen der Koalitionsgespräche dringend nachverhandeln, Drucksache 6/2376. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2569 vor.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der Energiewende im Nordosten nicht den Wind aus den Segeln nehmen – Beschlüsse der Arbeitsgruppe Energie im Rahmen der Koalitionsgespräche dringend nachverhandeln – Drucksache 6/2376 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/2569 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleich zum Anfang die Erklärung, warum ein Änderungsantrag zum eigenen Antrag. Das hängt schlicht damit zusammen, es ist ein Dringlichkeitsantrag, der heute wieder auf die Tagesordnung – jetzt regulär – gekommen ist, der sich natürlich in bestimmten Abschnitten erledigt hat, weil die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind,

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Na, da wären wir großzügig drüber hinweggegangen.)

und wahrscheinlich werden die SPD-Mitglieder mit breiter Mehrheit zustimmen, sodass wir aber gesagt haben, auch wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, es stehen eine Menge Prüfaufträge in diesem Koalitionsvertrag drin und es soll noch verhandelt werden über die konkrete Ausgestaltung, deswegen ist es richtig und sinnvoll, heute über diesen Koalitionsvertrag zu beraten.

An den Anfang will ich ein Zitat eines Schriftstellers stellen und in der Regel ist das dann immer Oscar Wilde – ich weiß es nicht genau, wer es gesagt hat –, der hat über das Buch eines Konkurrenten gesagt, in diesem Buch stände viel Richtiges und Neues, allerdings sei das Richtige nicht neu und das Neue nicht richtig, und das trifft durchaus in Teilen auf das Kapitel Energiepolitik in diesem Koalitionsvertrag zu. Es ist interessant, dort zu lesen, wie sich die zwei Gruppierungen, die eine, die die Energiewende tatsächlich voranbringen will, und die andere Gruppierung, die sagt, wie können wir die schlimmsten Auswüchse verhindern, wie können wir das Ding irgendwie so stark wie möglich abbremsen, bekämpft haben.

Ich will auch deutlich sagen, dass ich nicht sehe, dass das ein Konflikt zwischen CDU und SPD gewesen ist, sondern da haben beide Parteien innerparteiliche Konflikte, wie auch wir anderen demokratischen Parteien, das kann man deutlich sagen. Die SPD, und da bin ich natürlich ein Stück weit besonders enttäuscht, das muss ich auch ehrlich sagen, die SPD ist halt die Partei von Hermann Scheer und Wolfgang Clement.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Wolfgang Clement ist selber aus der Partei ausgetreten, Hermann Scheer ist leider zu früh gegangen. Das spiegelt sich aber auch in den Diskussionen wider, die man dort finden kann im Vertrag. Ich fange mal mit der aus meiner Sicht schwierigsten Stelle des Koalitionsvertrages zum Thema Energie an, und das ist eine Stelle, die den meisten überhaupt nicht aufgefallen ist. Sie ist auch mit großer Sicherheit nicht durch die SPD hineingekommen,

(Jochen Schulte, SPD: Da bin ich ja beruhigt.)

ich vermute stark, dass sie aus Bayern und Sachsen reingekommen ist. Aber das ist die Stelle, die weit über

den jetzigen Koalitionsvertrag hinausreichen kann, und ich hoffe sehr, dass es da noch eine Korrektur gibt. Wenn das nicht korrigiert wird, das muss man ganz ehrlich sagen, wird es eine hundertprozentige Stromversorgung aus regenerativen Energien in Deutschland nicht geben können, so hart ist ihr Ausdruck.