Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die hier geführte Debatte um den Beschluss der Justizministerinnen und Justizminister vom 9. November 2011 ist strikt von der Debatte um die Zusammenlegung oder Standortreduzierung der Amtsgerichte hier im Land zu trennen.
Wir halten die hier im Land debattierte Amtsgerichtszusammenlegung für verfassungsrechtlich problematisch, da Richter nicht ohne Weiteres versetzt beziehungsweise an Zweigstellen verschoben werden dürfen. Das birgt die Gefahr der kalten Versetzung und würde die Unabhängigkeit der Richter gefährden. Die Einrichtung von mehreren Zweigstellen eines Amtsgerichts wäre ein Verstoß gegen Artikel 97 Absatz 2 Grundgesetz. Sowohl das Ob als auch das Wie der Amtsgerichtszusammenlegung ist für uns problematisch. Im Gegensatz dazu differenzieren wir GRÜNEN bei der Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten sehr wohl nach dem Ob und Wie. Hinsichtlich des Ob einer Zusammenlegung der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit sehen wir weniger Probleme als die Fraktion der LINKEN und andere hier im Hause.
Die fachliche Kompetenz und Erfahrung ist zwar wichtig, aber in den beiden Gerichtsbarkeiten gibt es schon heute viele Überschneidungen. Denn auch an den Verwaltungsgerichten wird Sozialrecht entschieden. Ich verweise hier auf das BAföG-Recht oder das Unterhaltsvorschussrecht. Auch unterscheiden sich die einzelnen Materien am Verwaltungsgericht untereinander nicht weniger als im Vergleich zum Sozialgericht. Das Verwaltungsgericht ist unter anderem zuständig für Baurecht, Kommunalrecht, Ausländerrecht, Schulrecht und Beamtenrecht, also bereits heute eine breite Palette.
Auch die ordentliche Gerichtsbarkeit bei den Amts- und Landgerichten fasst unter dem Hut einer Gerichtsbarkeit, also einer Gerichtsbarkeit, deutlich unterschiedliche Materien mit sehr viel unterschiedlicheren Verfahrensordnungen zusammen, zum Beispiel Strafrecht, Zivilrecht, Familienrecht, Betreuungsrecht. Hier wird täglich in hoher Qualität das praktiziert, wovor der vorliegende Antrag warnt.
Problematischer ist in der Praxis aber das Wie einer Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten. In MecklenburgVorpommern gibt es nur zwei Verwaltungsgerichte – in Greifswald und Schwerin – und vier Sozialgerichte – in Stralsund, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin –. Die Sozialgerichte bestehen an den Sitzen der Landgerichte. Diese Sitzstruktur sollte unserer Ansicht nach auf jeden Fall erhalten werden, da bei den Sozialgerichten viele Parteien selbst ohne Anwalt klagen und bei nur zwei Gerichten im Land schon die weite Anreise abschreckend wirken könnte. Zudem würden auch die Kosten bei der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe steigen.
Auch darf es in Zukunft nicht zwei Gerichte mit jeweils mehreren Zweigstellen geben, denn, wie ich gerade sagte, bei der Einrichtung von Zweigstellen ist die Un- abhängigkeit der Richter in Gefahr. Ihnen droht dann ein sogenanntes Gerichtshopping. Unbequeme Richter
Bei einer Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten könnten Richter innerhalb eines Gerichts flexibel eingesetzt werden, wenn sich der Arbeitsanfall aufgrund der Änderung in den Rechtsmaterien verschiebt. Dies würde zur Entlastung führen und wäre daher auch im Sinne vieler Richter. Früher gab es zum Beispiel sehr viele Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten, momentan gibt es sehr viele Hartz-IV-Verfahren bei den Sozialgerichten.
Dem Antrag der Fraktion DIE LINKE wird die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Wir würden ihn gerne im Ausschuss diskutieren, deswegen beantragen wir die Verweisung an den Rechtsausschuss und würden hier dann weiter diskutieren wollen, wie wir damit in Zukunft umgehen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen und um es kurz zu machen, wie einige meiner Vorredner auch schon: Dieses Antrags der Fraktion DIE LINKE bedurfte es nicht, meine Damen und Herren.
Wie auch DIE LINKE der Pressemitteilung der Justizministerin vom 9. November dieses Jahres entnehmen konnte, hat sich die Landesregierung über die Ministerin Kuder auf der Justizministerkonferenz im Ergebnis genau so positioniert, wie es im Antrag der LINKEN formuliert wurde. Frau Kuder hat auf der Justizministerkonferenz dargelegt, dass sie gegen eine Länderöffnungsklausel eintritt, die eine Zusammenlegung öffentlich-rechtlicher Fachgerichtsbarkeiten ermöglichen soll. Die Ministerin hat ebenfalls in ihrer Rede erläutert, warum sie gegen eine solche Öffnungsklausel ist.
Die Argumente gegen die Zusammenlegung konnten Sie zusammengefasst in der bereits eingangs erwähnten Pressemitteilung nachlesen. Die Ministerin hatte dort, wie auch eben in ihrer Rede, ausgeführt, dass die Zusammenlegung von öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten auf Länderebene eine Grundgesetzänderung voraussetzt. Das Grundgesetz fordert auf der Ebene des Bundes eine Trennung zwischen den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeiten und ebenso ist es daher geboten, eine Trennung auch bei den unteren Gerichten durchzuhalten. Also man müsste hier eine Grundgesetzänderung herbeiführen, wenn man ein solches Ansinnen hätte. Diese weitreichende Änderung herbeizuführen, um auf unterschiedliche Belastungsentwicklungen in den bislang getrennten Gerichtsbarkeiten flexibler reagieren zu können, erscheint nicht gerechtfertigt.
Mecklenburg-Vorpommern hat hier ganz deutlich Flagge gezeigt, genau in die Richtung, wie es der Antrag der Fraktion DIE LINKE verlangt. Insofern sind wir in der Sache vollkommen in Übereinstimmung. Diese Positionierung hat die Landesregierung über die Ministerin aber
schon herbeigeführt, bevor der Antrag der LINKEN überhaupt das Licht der Welt erblickt hatte. Insofern, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, hat es dieses Antrages wirklich nicht bedurft. Sie sollten dieses Hohe Haus nicht mit überflüssigen Anträgen überziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, daher bitte ich Sie im Namen meiner Fraktion, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einen Aspekt ansprechen, der bisher nicht erwähnt worden ist.
Schon seit Jahren schleicht die Bundespolitik wie die Katze um den heißen Brei um ein Vorhaben herum, an das sie sich aus Angst vor dem Wähler bisher noch nicht so recht herangetraut hat. Das wäre die Einführung von Gerichtsgebühren für Sozialgerichtsverfahren in Verbindung mit der Einschränkung bei der Prozesskostenhilfe.
Das könnte man natürlich sehr elegant und lautlos erreichen, wenn man in einem ersten Schritt die Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbindet
und dann in einem zweiten Schritt möglichst lautlos und unbemerkt von der Öffentlichkeit die Kostenregelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überträgt auf die Sozialgerichtsbarkeit, das heißt, es fallen Gerichtsgebühren an, das heißt, dass die Hartz-IV-Empfänger faktisch wehrlos wären gegenüber den Jobcentern. Da muss man in der Tat wachsam bleiben.
Da allerdings jetzt die Justizministerin kundgetan hat, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern schon die Zusammenlegung nicht übernehmen will, geschweige denn die Übertragung der Gerichtsgebührenpflicht auf die Sozialgerichtsbarkeit, halte ich den Antrag im Augenblick auch erst mal für überflüssig. Aber wie gesagt, man muss wachsam bleiben. Die Landesregierung kann ihre Meinung auch mal ändern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer bemerkenswert, welche Argumente die Koalitionsfraktionen suchen, um Anträge abzulehnen.
(Heinz Müller, SPD: Manchmal liegen die ja auch auf der Straße. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Jochen Schulte, SPD)
Aber nicht nur das. Mit Ihren Argumenten widersprechen Sie sich selbst, erinnern wir uns mal: Gestern meinten Sie zu dem Antrag „Bahnstrecke Rostock – Berlin“, der Landtag muss unbedingt den Minister in seiner Position auf europäischer, auf Bundes- und auf Landesebene unterstützen.
Frau Kuder zu einem Antrag in der 5. Wahlperiode, zu dem das Kabinett am Dienstag eine Position beschlossen hat – am Donnerstag, also danach, befasste sich der Landtag mit einem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU: „Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches“ –: „Mit Ihrem Antrag“, so Frau Kuder, ich zitiere, „rennen Sie bei der Landesregierung offene Türen ein. Das Kabinett hat am Dienstag beschlossen, der Bundesratsinitiative der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt zur Änderung der Paragrafen 46, 47 und 56 des Strafgesetzbuches beizutreten.“
„Damit wird morgen der Gesetzesantrag der drei Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vor- pommern in den Bundesrat eingebracht. Dennoch ist dieser Antrag der Regierungsfraktionen in unserem gemeinsamen Kampf gegen extremistisch motivierte Gewalttaten richtig und wichtig“ und so weiter und so fort. Zitatende von Frau Kuder – also fadenscheinig.
Das andere: Die große Botschaft am Mittwoch bei der Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten war, alle demokratischen Oppositionsfraktionen einzuladen, um das Land voranzubringen.
Nun machen wir Anträge, wo wir Sie nicht beschimpfen, wo wir sagen, hier wollen wir eine gemeinsame Position nach außen tragen –
ich habe versucht, das in der Antragsbegründung darzustellen –, einfach auch, um den Richterinnen und Richtern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein deutliches Signal zu zeigen, der Landtag MecklenburgVorpommern lehnt diese Position ab und wird sozusagen daran auch festhalten. Überraschend, das sage ich auch ganz offen, ist das für uns nicht. Nun will ich keine Mutmaßungen anstellen, aber es liegt doch etwas nahe,
dass die Auffassung der Justizministerin Frau Kuder, und ich hoffe, dass es nicht so ist, vielleicht doch nicht so von der Landesregierung insgesamt und von den Koalitionsfraktionen getragen wird,
Im Jahre 2004, damals war der heutige Ministerpräsident Justizminister dieses Landes, und damals hat der Jus
tizminister Herr Sellering sehr wohl für eine Zusammenlegung der Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte hier im Landtag geworben, in der Koalition geworben, auch damals haben wir es abgelehnt.
Also es stellt sich die Frage: Was heißt eigentlich Ihre Botschaft, diesen Antrag abzulehnen? Es würde doch nicht viel passieren, wenn Sie sich einig sind in der Regierung und in der Koalitionsfraktion, dieses Vorhaben im Land Mecklenburg-Vorpommern auch für die Zukunft nicht weiterzuverfolgen. Oder will sich ein Partner hier die Tür aufhalten, sie auflassen – vielleicht unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Haushaltes hier in Mecklenburg-Vorpommern? Alle, die im Rechtsausschuss sind, wissen es: Auf das Justizministerium kommen in den nächsten Jahren hohe Kosten zu! Wie wir das alles finanzieren wollen, ist zumindest aus jetziger Sicht noch fraglich. Wenn es dann irgendwie Einsparpotenziale geben sollte – und damit begründen ja zum größten Teil die Justizminister das Vorhaben, dass es Einsparpotenziale geben kann bei der Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten –, dann wird vielleicht doch dieser Weg aufgemacht. Also die Frage ist: Was wollen Sie selbst?
Und ob das Grundgesetz wirklich geändert werden muss, ist ja auch noch in der Diskussion, denn es wird zurzeit geprüft, ob es überhaupt notwendig ist oder ob nicht durch die Hintertür über einen anderen Gesetzentwurf, über eine andere gesetzliche Regelung diese Länderklausel geöffnet werden kann. Ich möchte an dieser Stelle nur eins sagen: Wir werden das weiter beobachten.