Protokoll der Sitzung vom 17.09.2014

(Heinz Müller, SPD: Immerhin, das haben sie erkannt.)

Und wenn dem so ist, wieso soll die Karenzzeit dann nicht beispielsweise zwei oder ein Jahr betragen?

Sehr geehrte Damen und Herren, auch wir Abgeordnete, auch die GRÜNEN-Mandatsträger sammeln Erfahrungen auf ihrem Fachgebiet, bauen Kontakte auf und haben einen besonderen Einblick in die Fachmaterie und die Funktionsweise von Politik. Schließlich sind wir es, die Abgeordneten, die Gesetze beschließen. Wir, nicht die Mitglieder der Landesregierung, sitzen in den Fachausschüssen, in denen nicht zuletzt auch der Inhalt von Gesetzentwürfen beeinflusst wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun mag es sein, dass GRÜNE-Politiker seltener Angebote aus der Wirtschaft erhalten, obwohl Joschka Fischer für BMW sicherlich eine interessante Funktion ausübt. Dabei von einem „Es kann jede Partei treffen“, Herr Suhr, zu sprechen, halte ich für unangebracht.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau das beinhaltet das doch. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Aber unabhängig von politisch motivierten Haltungen zu dem Thema geht es bei einer sachlichen Diskussion nicht zuletzt darum, die verfassungsrechtlichen Probleme nicht zu ignorieren, schließlich läuft es bei einer Karenzzeit faktisch auf ein zeitlich begrenztes Berufsverbot hinaus. Das hat nichts mit Rumkäsen zu tun und, Frau Rösler, die Botschaft der SPD-Fraktion noch mal ganz unsensibel: Wir sind gut beraten, die Ausgestaltung der auf Bundesebene avisierten Regelung abzuwarten und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob und welche Regelungen sinnvoll sind.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Wir lehnen die Überweisung des Gesetzentwurfes sowie den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft kann auf verschiedenen Wegen Einfluss auf die Politik nehmen. Wenn ihr das gelingt, kontrolliert sie den Staat, wie die Oligarchen in manchen osteuropäischen Staaten, denen es egal ist, wer die Wahl gewinnt, weil sie sowieso alle politischen

Akteure im Sack haben. Das geht ganz primitiv durch die Bestechung von Amtsträgern und Parlamentariern oder etwas eleganter durch die Vergabe von lukrativen Anschlussverwendungen nach der politischen Karriere, wobei die ganze Angelegenheit zwei Seiten hat:

Erste Seite. Jeder Politiker weiß, wenn er sich während seiner Zeit als Minister oder Abgeordneter massiv den Interessen einer Lobby entgegenstellt, wird er zumindest in dem ökonomischen Bereich, den diese Lobby kontrolliert, nie wieder Arbeit finden.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Wer sich mit den Großbanken anlegt, dürfte ganz aus dem Spiel sein und nur noch vor verschlossenen Türen stehen, wenn er wieder ins Berufsleben zurück will, es sei denn, er kann sich irgendwie selbstständig machen. Die einflussreichsten Lobbygruppen werden mit Sicherheit über jeden halbwegs relevanten Politiker und dessen Abstimmungsverhalten eine Akte führen. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist, wer immer brav die Wünsche einer Lobby erfüllt, Gesetze entsprechend gestaltet, Aufträge zuschanzt, kann auf Belohnungen rechnen, ganz besonders dann, wenn er über brauchbare Kontakte verfügt. Deshalb sind Karenzzeiten für ausscheidende Minister natürlich mehr als sinnvoll, weil sie dann wenigstens nicht aktuelle Insiderkenntnisse in den Dienst der Interessengruppe stellen können, von der sie eingekauft wurden. Andererseits muss aber auch der Lobbyismus eingedämmt werden, damit Politiker, die sich mit Lobbys anlegen, nicht völlig plattgemacht werden können, nachdem sie aus dem Dienst ausgeschieden worden sind.

Und es müssen natürlich auch die gesetzlichen Regelungen, wenn denn dieser Gesetzentwurf durchgehen sollte, wovon nicht auszugehen ist, genutzt werden. Die gibt es ja schon bei Beamten. Beamte sind nach dem Ausscheiden aus dem Dienst verpflichtet, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstiger Beschäftigungen außerhalb des öffentlichen Dienstes ihrem ehemaligen Dienstherrn zu melden, und falls dienstliche Belange durch den neuen Job beeinträchtigt werden, kann ihnen dessen Annahme auch untersagt werden.

Das wird aber häufig in der Praxis sehr lax gehandhabt, sodass man sich die Regelung auch hätte sparen können, was sogar bei in die Privatwirtschaft wechselnden Steuerfahndern häufig der Fall ist. Zwar bringt so ein Steuerfahnder dem Staat das 15- bis 20-Fache seines Gehaltes wieder ein, bei all den Steuern, die er sich wieder zurückholt, trotzdem wird immer noch zugelassen, dass Wirtschaftsprüfungs- und Beraterfirmen gerade die besten Steuerfahnder abwerben und deren Kenntnisse dann benutzen, um besonders kreative Steuervermeidungsstrategien auszuknobeln und neue Schlupflöcher auszumachen.

Die Frage ist: Wer entscheidet darüber, ob ein Beamter oder, falls der Gesetzentwurf durchgehen sollte, Minister bei einem privaten Unternehmer anfangen darf? Welchen Einfluss haben die Lobbys auf diese Entscheider? Und was ist mit Selbstständigen und Freiberuflern? Man kann sich als ehemaliger Beamter oder Minister von geneigten Wirtschaftsmächten auch in der Weise belohnen lassen, indem man sich von ihnen etwa als Rechtsanwalt oder Unternehmensberater lukrative Aufträge zuschieben

lässt. Auch hier wäre eine Meldepflicht mit Genehmigungsvorbehalt vonnöten, denn ob der Ex-Politiker nun einen hoch dotierten Vorstandsposten bei einem Konzern erhält oder für diesen als Selbstständiger für viel Geld ein mehr oder weniger substanzielles Gutachten erstellt, das kommt aufs selbe raus. Noch bedenklicher sind Minister oder gar Kanzler, die ihre Politik so gestalten, dass fremde Mächte, um es mal ganz deutlich auszudrücken, voller Wohlgefallen auf ihr Tun blicken

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und dieses Wohlgefallen Politikern hinterher im Geschäftsleben nicht gerade schadet.

Beispiel, ich zitiere den Wikipedia-Eintrag über Herrn Joschka Fischer von den GRÜNEN, Zitatanfang: „2007 gründete er eine Beraterfirma mit dem Namen Joschka Fischer Consulting. Er ist Gründungsmitglied und Vorstand des European Council on Foreign Relations, das von dem Milliardär und Mäzen George Soros finanziert wird. Im September 2008 nahm er einen Beratervertrag (Senior Strategic Counsel) bei der Madeleine Albright gehörenden Firma The Albright Group LLC an.“ Zitatende.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Freunde.)

Da wurde jemand belohnt, der in den Augen der Amerikaner wohl eher deren Interessen vertrat als die deutschen, und das ist natürlich extrem bedenklich. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Verglichen damit ist Schlotmann ein kleiner Fisch, aber natürlich muss man auch da genau hinsehen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was hat er denn gemacht, der Herr Schlotmann?)

muss man auch da genau hinsehen und verhindern, dass nicht gewählte Mächte gewählte Politiker kontrollieren, auf welche Weise auch immer, entweder, indem sie sie hinterher belohnen oder indem sie sie hinterher bestrafen. Und wenn Politiker in der Zwickmühle sind, wenn ich nicht mache, was die Lobby will, machen die mich fertig, und wenn ich mache, was sie will, dann belohnen sie mich reich. Das ist das Prinzip der Mafia – „plata o plomo“ heißt das, glaube ich, im Spanischen. So sagt die Mafia zu den Polizisten – Silber oder Blei. Und das ist leider das Prinzip, das auch hier herrscht, wenn auch etwas versteckter.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lenz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landtagsmitglieder hier im Hause haben unterschiedliche Biografien. Vor mir sitzen jetzt Biologen, Landwirte, Busfahrer, ehemalige Geschäftsführer von Selbsthilfekontaktstellen oder Arbeitslosenverbänden, Lehrer, Unternehmer aus dem Energiebereich, ich selbst bin ja Kapitän.

Meine Damen und Herren, ich denke, das wissen Sie auch alle, wir sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, kein geschlossener, hochelitärer Zirkel. Unter uns sitzen Handwerker ebenso wie Akademiker, Studenten und Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst, einige sind auch selbstständige Unternehmer. Es ist doch genau dieses

Abbild der Gesellschaft, welches wir in der Politik eigentlich dringend benötigen, um eine Politik für alle zu machen und der Politikverdrossenheit vorzubeugen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, ich gebe Ihnen recht, wenn ein Mitglied der Landesregierung aus dem Amt scheidet und in die Wirtschaft wechselt und es hierbei an notwendiger Sensibilität mangelt, kann dies ebenso zur Politikverdrossenheit führen.

Die Opposition schafft hier nun wieder einen Generalverdacht und möchte diesen mit einer gesetzlichen Regelung von Karenzzeiten gleich wieder beseitigen.

(Michael Andrejewski, NPD: So ein Quatsch!)

Während die LINKEN die Landesregierung lediglich bitten, einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, haben sich die …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Höflich sein.)

Danke, Herr Ritter.

… Bündnisgrünen die Mühe gemacht, einen Gesetzentwurf einzubringen. Ich halte beide Wege nicht für zielführend. Zum einen vergleichen die GRÜNEN, das hatte der Minister ja auch schon gesagt, in ihrem Gesetzentwurf Äpfel mit Birnen, was ja gesund sein mag, aber was hier nicht sachdienlich sein wird. Sie wollen die beamtenrechtlichen Regelungen auch auf die Mitglieder der Landesregierung anwenden. Das würde allerdings eine Vergleichbarkeit voraussetzen, die es gar nicht gibt. Die Beamtentätigkeit erfüllt in der Regel ein ganzes Berufsleben. Bei Ministern, Sie wissen es alle, ist dies bereits kraft Natur der Sache nicht so, denn ihre Amtsdauer ist auf die Wahlperiode beschränkt. Das …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht immer.)

Aber immer erst mal beschränkt auf eine Wahlperiode.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das kann auch mehrere Perioden sein.)

Herr Ritter, Sie wissen das doch auch.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber es gibt ja Minister, die sind schon seit gefühlten hundert Jahren dabei. Der ist gerade nicht da.)

So alt sind Sie schon?

Das Ministerleben stellt anders als bei den Beamten lediglich einen Abschnitt in ihrer Erwerbsbiografie dar.

Ja, liebe GRÜNE, Äpfel sind eigentlich nicht gleich Birnen. Übrigens gilt das auch für den Antrag der Fraktion DIE LINKE, die zu diesen Ministern dann die Staatssekretäre miteinbeziehen will.

(Zuruf vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nee, die Staatssekretäre.

Sehr geehrte Damen und Herren, problematisch ist auch die geforderte Regelung zur Karenzzeit. Es wurde auch von meiner Kollegin Drese schon angesprochen.

(Heinz Müller, SPD: Die hat das gut gemacht.)