Protokoll der Sitzung vom 17.09.2014

(Heinz Müller, SPD: Die hat das gut gemacht.)

Eine solche Frist ist zu starr, um eine gerechte Lösung darzustellen. Wie lange soll die Karenzzeit dauern? Fünf Jahre oder drei? Die LINKEN haben es sich einfach gemacht und fordern einfach in ihrem Antrag eine angemessene Frist. Was ist angemessen? Sind drei Jahre angemessen, wenn das Ministeramt fünf Jahre angedauert hat? Ist ein Jahr angemessen, wenn ein Minister bereits nach sechs Monaten aus dem Amt scheidet? Genauso schwer, das hatte Frau Drese auch schon gesagt, wie eine gerechte Antwort hierzu dürfte es sein, ein rechtlich nicht angreifbares Gesetz zu schaffen.

Meine Damen und Herren, ich sehe aber noch eine weitere Gefahr bei den Karenzzeiten. Meine nächsten Worte werden nur einige wenige von Ihnen nicht tangieren, nämlich diejenigen, die in ihrer Berufsbiografie vor der Landtagstätigkeit lediglich einen Berufsschulabschluss oder den Besuch einer Universität aufführen können. Alle anderen werden von dem Folgenden betroffen sein, denn es geht um die Frage, wie sollten sich zukünftig Menschen für eine Stelle in der Politik interessieren, sei es als Abgeordneter, Staatssekretär oder auch als Minister. Karenzzeiten würden doch dazu führen, dass die Politik nicht mehr ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Vielfalt ist, sondern nur noch mit Personen des öffentlichen Dienstes besetzt ist, die nach ihrer Zeit als Abgeordneter wieder auf ihren alten Arbeitsplatz zurückkönnen. Das ist, das wissen Sie, gesetzlich fixiert.

Stellen Sie sich vor, ein Landwirt würde als Landwirtschaftsminister berufen, er dürfte anschließend für eine bestimmte Zeit nicht mehr als Landwirt tätig sein.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann muss er Betriebshelfer einstellen.)

Er würde sich doch nie für eine politische Karriere interessieren. Er müsste ja den Betriebshelfer bezahlen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich weiß das doch alles.)

Ein selbstständiger Pflegedienstleiter – wir trauen ihm alle Kompetenz im sozialen Bereich zu –, wäre er als Staatssekretär im Sozialministerium, dürfte er anschließend nicht in seinen Beruf zurückkehren. Also wird er nie in die Politik wechseln, auch dieser Sachverstand würde der Politik fehlen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Er müsste vor allem ein Jahr warten, bevor er ins Ministerium geht.)

Meine Damen und Herren, ich gebe zu, es waren ja abstrakte Beispiele, aber viele unter Ihnen hätten ein Problem, wenn sie in die Ministerien wechseln würden. Das betrifft unter uns Projektentwickler im Bereich der regenerativen Energien, betrifft Busfahrer, ehemalige Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft, der Selbst- hilfekontaktstellen, zuletzt stellvertretende Geschäftsführer im Landesverband eines Arbeitslosenverbandes, Geschäftsführer eines AWO Kreisverbandes, Biologen, die beim BUND tätig sind, oder Zahntechniker.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wieso Zahntechniker?)

Meine Damen und Herren, ich selbst bin Kapitän, und warum sollte ich nicht mein Wissen in die Politik einbringen dürfen, ohne anschließend ein Berufsverbot fürchten zu müssen. Die Politik ist auf Praktiker angewiesen. Ohne das Fachwissen aus der Praxis säßen hier doch nur Akademiker. Ich will es nicht als Elfenbeinturm Schwerin bezeichnen, aber dann würden nur noch Akademiker hier in Schwerin sitzen, die von der Außenwelt so wenig wie gar nichts wissen.

(Heiterkeit bei Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, der Wissenstransfer in die Politik ist keine Einbahnstraße. Wissen wird in die Politik mit eingebracht und dort auch gern aufgenommen. Am Ende der politischen Karriere, das wurde auch schon gesagt, findet natürlich auch ein Wissensabfluss statt, der bestimmt teilweise genutzt werden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Generalverdacht bei einem Wechsel von der Politik in die Wirtschaft hilft in der Sache nicht weiter, schon gar nicht, wenn man ihn auch gesetzlich fixieren will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, auch sollte man darüber nachdenken, wie dann die Regelung zum Übergangsgeld entsprechend geregelt wird, von der Sie ja immer fordern, dass dieses doch so monströse und so umfangreiche Übergangsgeld gekürzt werden soll. Darüber sollte man dann in dem Fall auch noch mal nachdenken, wenn Sie Karenzzeiten einfordern.

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle aber stimmen in einem überein: Politische Entscheidungen dürfen nicht dazu getroffen werden, um sich den Weg für die Zeit nach der Politik zu ebnen. Doch weder der Antrag der LINKEN noch der Gesetzentwurf der GRÜNEN ist hierfür ein geeignetes Mittel.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig, Herr Kollege.)

Wir lehnen deshalb beides ab. – Recht schönen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeord- nete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte beginnen, indem ich auf die Stellungnahme des Innenministers eingehe, weil, Herr Caffier, Sie in Ihrem Beitrag erneut unterstellt haben, die Opposition – und ich nehme das jetzt für uns als Opposition in Anspruch – würde hier unterstellen, dass in irgendeiner Form aufgemacht werden würde, dass irgendjemand korrupt gehandelt oder korrupt agiert habe. Das habe ich an dieser Stelle, und zwar sehr bewusst, nicht getan.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber schön, dass Sie es noch mal herausstellen.)

Sehr bewusst nicht getan, weil ich finde, das kann man in der Tat nur dann tun, wenn man dafür auch Belege und Beweise hat.

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

Aber Sie unterstellen das und setzen Ihre Argumentation fort, die Sie, ich glaube, im April bei der Debatte um den LINKEN-Antrag auch schon vorgetragen haben, und ich will da mal zitieren. Es steht: „Was Sie hier machen, ist, den Regierungsmitgliedern von vornherein zu unterstellen, dass sie Unfrieden schaffen, dass sie korrupt sind und dass sie nur darüber nachdenken, wie sie sich persönliche Vorteile schaffen.“ Das unterstelle ich nicht. Ich will das hier noch mal deutlich machen, da bitte ich auch darauf zu achten, uns dies nicht vorzuwerfen, dass wir das hier an dieser Stelle tun werden.

Aber ich finde sehr wohl, dass diese Abwägung, die hier auch deutlich geworden ist, in der Debatte durch uns noch mal zu führen ist. Es ist nämlich die Debatte, die ebenfalls, oder die Abwägung, die der Innenminister und andere Redner hier vorgetragen haben. Das ist nämlich auf der einen Seite die Frage, sehr verkürzt, des Berufsverbotes oder der begrenzten Möglichkeit, nach einer Tätigkeit als Regierungsmitglied wieder beruflich tätig zu werden,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

und auf der anderen Seite der besonderen Sorgfalt, die wir, glaube ich, alle an den Tag zu legen haben, wenn wir über Ämter reden, die davon getragen sind, dass dort wesentliche Entscheidungen getroffen werden und eine wesentliche Verantwortung wahrgenommen wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal aus einer Kurzstudie von LobbyControl zitieren, die, glaube ich, das relativ konkret trifft, mit welcher Verantwortung wir hier umzugehen haben. Zitat: „Ehemalige Spitzenpolitiker/innen sind für Unternehmen als Lobbyisten, Berater oder Mitglieder im Vorstand oder Aufsichtsrat deshalb so beliebt, weil sie zwei unbezahlbare Ressourcen mitbringen: erstens detaillierte Kenntnisse über interne Abläufe in politischen Prozessen und zweitens noch warme Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern. Damit sichern sich die Unternehmen einen besonderen Zugang zur Politik, der sie gegenüber anderen Interessen privilegiert.“

Unser Antrag, unsere Gesetzesinitiative orientiert sich in allererster Linie darauf, genau das ernst zu nehmen und damit umzugehen. Weil wenn Sie das nicht tun, und es deutet sich ja an, dass Sie hier noch nicht mal bereit sind, unseren Gesetzentwurf zu verweisen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, haben Sie das etwa gehofft?!)

wenn Sie das nicht tun, dann wage ich zu prognostizieren, wird die Zeit wieder kommen, in der dann ohne Karenzzeit oder ohne ausreichende Übergangszeit der Verdacht entsteht, dass jemand seine Kenntnisse, seine Netzwerke nutzt, um sie einem Wirtschaftsunternehmen zugutekommen zu lassen. Und genau diesem Vorgang möchten wir gern vorbeugen.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch sagen in Richtung SPD, wir haben ja ein ganz neuerliches Beispiel, wo sich auch die SPD daran beteiligt, sich in Spekulationen zu ergehen. Und ich habe das hier mal mitgebracht, eine dpa-Meldung: „Massive Kritik an Niebel-Wechsel“, hieß die Überschrift, „SPD will Karenzzeit-Regelung“.

Da kritisieren Sie, und da bin ich absolut bei Ihnen, das Engagement von Herrn Niebel, dem ehemaligen Entwicklungshilfeminister, beim Rüstungskonzern Rheinmetall. Das Fatale daran war, Sie forderten die einjährige Karenzzeit. Die hat er nun mal eingehalten. Aber was deutlich wird an dieser Stelle, ist doch, dass Sie sich zumindest auch anders als hier in der Debatte im Landtag mit dieser Frage auseinandersetzen. Sie setzen sich mit der Frage auseinander, ob das gerechtfertigt ist. Und, liebe Kollegen von der CDU,

(Burkhard Lenz, CDU: Wir sind da.)

die Tatsache, dass das im Koalitionsvertrag steht, die Tatsache, dass es im Augenblick in der Koalition verhandelt wird, die Tatsache, dass darüber ernsthaft auf Bundesebene nachgedacht wird, sollte Sie doch dazu bringen, nicht hier in Bausch und Bogen den LINKEN-Antrag oder den Gesetzentwurf der GRÜNEN abzulehnen, sondern zumindest mal Diskussionsbereitschaft zu zeigen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das tun Sie aber noch nicht mal an dieser Stelle. Und Sie haben doch eine gute Übung darin, Initiativen der Opposition in den Ausschüssen auf die lange Bank zu schieben, über Monate, Jahre hinweg auszusitzen. Das können Sie doch damit auch machen und abwarten, was der Bund regelt, und das der Landesregelung entsprechend anpassen. Warum stellen Sie sich denn nicht dieser Diskussion? Und warum harmonisieren wir denn nicht das, was wir auf Landesebene tun können, mit dem, was im Augenblick auf Bundesebene auch angestoßen wird?

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sie verweigern sich hier einer Debatte um ein Thema, was gesellschaftlich in erheblichem Maße beachtet wird, und Sie verweigern sich einer Debatte, von der heute schon zu prognostizieren ist, dass der nächste Fall wieder auf uns zurollen wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was für ein Fall denn?)

Und dann wird es genau das geben, was Herr Caffier an dieser Stelle befürchtet. Deshalb wollen wir gesetzliche Regelungen, um genau dem vorzubeugen.

Bitte springen Sie über Ihren Schatten

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee, das machen wir nicht.)

und lassen Sie zumindest in den Ausschüssen die Diskussion zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Rösler von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine erste Feststellung: Sie sind keine guten Zuhörer

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Doch!)