Protokoll der Sitzung vom 01.02.2012

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, da kommen Sie nicht dazu.)

und ich erkläre das, gnädige Frau.

(Heinz Müller, SPD: Nein, das geht nicht, Herr Pastörs.)

Nicht auf Umwegen, sondern direkt.

… habe ich Folgendes vertreten und

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sprechen Sie zum Abstimmungsverhalten, warum Sie der Abstimmung ferngeblieben sind!)

weise da die Falschdarstellung von Herrn Heydorn zurück, weil ich gesagt habe: Unser erstes Augenmerk muss aber auf dem Gesunden und Starken liegen, damit wir auch morgen noch den Kranken und Schwachen Hilfe angedeihen lassen können.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Insofern werfe ich hier vor, dass der Vorredner bewusst durch Weglassen gelogen hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Heinz Müller, SPD: Und deswegen nehmen Sie nicht an der Abstimmung teil? Das können Sie doch einem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht!)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Für einen Mindestlohn von 10 Euro in Bund und Land, das ist die Drucksache 6/261.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Für einen Mindestlohn von 10 Euro in Bund und Land – Drucksache 6/261 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa drei Wochen hat der DGB Nord mitgeteilt, wie es nach Auswertung relevanter Daten um das Lohnniveau in den drei norddeutschen Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern 20 Jahre nach der Wiedervereinigung bestellt ist. Zudem wurde analysiert, wie viel Steuergeld pro Jahr im Vergleich von 2007 bis 2010 darauf verwendet werden muss, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Vollzeit, Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung oder in Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ihr Entgelt so aufzustocken, dass es überhaupt zum Leben reicht.

Die Ergebnisse sind mehr als ernüchternd und werfen ein etwas anderes Licht auf das auch in diesem Haus schon oft bejubelte Jobwunder, denn erneut wird der Nachweis erbracht, dass die sinkenden Arbeitslosenzahlen auch etwas mit der Umwandlung von Vollzeitbeschäftigung in prekäre Arbeitsverhältnisse zu tun haben. Zudem geht die Subventionierung eben dieser Arbeitsverhältnisse auch zulasten des Steuerzahlers im Land. Allein 2010 mussten nach Angaben des DGB mehr als 346 Millionen Euro aufgebracht werden, um die Entlohnung aus Billigjobs so aufzustocken, dass die Betroffenen über die Runden kommen. Damit wird einmal mehr deutlich, dass der einstmals so gern vorgetragene Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“ sich inzwischen überlebt hat.

Ich darf Ihnen einmal ein paar Zahlen für unser Land zur Kenntnis geben: 15.374 Vollzeitbeschäftigte benötigten im Jahr 2010 ganze 95 Millionen Euro unterstützende Hartz-IV-Leistungen. 8.000 Teilzeitbeschäftigte bekamen 48 Millionen Euro, 16.500 geringfügig Beschäftigte benötigten Hilfe im Umfang von 163,9 Millionen Euro und auch mehr als 4.000 Selbstständige – eine Gruppe, die sonst eher selten Erwähnung findet – erhielten noch einmal ganze 39,3 Millionen Euro Unterstützung durch ergänzende Hartz-IV-Leistungen.

Die Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse hat ganz sicher die Exportfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefördert, sie hat aber nachweislich auch die Binnenkaufkraft geschwächt. Dazu kommt, und das ist auch problematisch für unser Land, dass solche Beschäftigungsverhältnisse tendenziell weniger Steuereinnahmen und weniger Einnahmen für die Sozialversicherungen bedeuten. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Mecklenburg-Vorpommern 2011 dem bundesdeutschen Durchschnittsbruttolohn um 22,9 Prozent hinterherhinkte. Noch schlechter sieht es im Vergleich zum Nachbarn Hamburg aus, da waren es gar 30 Prozent. Damit wird deutlich, warum wir es nach wie vor mit der Abwanderung insbesondere junger Menschen zu tun haben und genauso, woher der Fachkräftemangel rührt.

Meine Damen und Herren, die Zahlen sind alarmierend und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Gewerkschaften für 2012 angekündigt haben, kräftige Lohnzuwächse in den Tarifrunden zu fordern und den Kampf um die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen

Mindestlohnes noch einmal zu verstärken. Und dies ist auch der Grund für meine Fraktion, das Thema hier heute erneut aufzuwerfen.

(Torsten Renz, CDU: Ich glaube, das hat andere Gründe. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ganz offensichtlich gehört zudem in zahlreichen Unternehmen die Kalkulation mit Niedriglöhnen, die später durch staatliche Transferleistungen aufgestockt werden müssen, zum Geschäftsmodell. Aufrufe und freiwillige Selbstverpflichtungen haben, so gut sie auch immer gemeint waren, in der Vergangenheit wenig bis gar keine Wirkung entfaltet. Aus unserer Sicht ist dies daher kein Modell für die Zukunft, denn analysiert und geredet wurde nun genug, jetzt muss gehandelt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Dies sieht übrigens auch eine überwältigende Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik so. Die letzte repräsentative Emnid-Umfrage zum Thema „Mindestlohn – ja oder nein?“ aus dem November 2011 ergab, dass sich ganze 86 Prozent aller Befragten für die Einführung eines solchen aussprachen. Und während DIE LINKE, ver.di und die NGG 2005 mit diesem Ansinnen noch allein auf weiter Flur standen, forderten Gewerkschafter und Kirchenvertreter bereits 2006 im Frankfurter Appell die Einführung von Mindestlöhnen. Sechs Jahre später hat sich in der Bevölkerung und auch im politischen Raum die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eines solchen Regulativs dringend bedarf.

Deshalb fordern wir im Unterpunkt a) unseres Antrages, dass die Landesregierung ihren Ankündigungen endlich Taten folgen lässt und auch tatsächlich Initiativen auf Bundesebene unterstützt, die einen solchen Mindestlohn zum Ziel haben. Denn, meine Damen und Herren, besonders kreativ waren Sie bisher da ja nicht. Da sind Ihnen andere Landesregierungen, wie die aus RheinlandPfalz, Baden-Württemberg und Hamburg, um einiges voraus,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wie deren Bundesratsantrag vom 09.12. auf Drucksache 816/11 zeigt.

Und um das auch noch einmal zu betonen, uns geht es nicht um einen Überbietungswettkampf, wie zuweilen aus SPD-Kreisen zu hören ist. Natürlich, und da sind wir uns einig, muss zunächst der sprichwörtliche Bock umgestoßen werden, um zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zu kommen. Dabei ist Ihnen DIE LINKE auch gern behilflich, wie der Beitritt der rot-roten Landesregierung in Brandenburg zu eben jener Bundesratsinitiative zeigt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Aber die Höhe des Mindestlohnes muss so gewählt werden, dass dieser auch die gewünschte Wirkung entfaltet. Vor allem geht es nämlich darum, neben der Absicherung der Existenz im Hier und Jetzt auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Altersarmut in Zukunft vermieden wird. Und diesbezüglich gibt es eben mittlerweile genügend seriöse Studien, wie zum Beispiel des

WSI oder der Arbeitnehmerkammer Bremen, die mit Blick auf die gesetzliche Rente deutlich machen, dass bei 45 Arbeitsjahren mit 8,50 Euro am Ende eben keine Rente rauskommt, bei der man ohne staatliche Unterstützung auskommt. Und zu dieser Erkenntnis kommen wir übrigens nicht exklusiv.

Ministerpräsident Erwin Sellering kam bereits 2008 mit seinem anhaltinischen Kollegen in einem Strategiepapier mit dem Titel „Auskömmliche Alterseinkünfte in Ostdeutschland?“ zu folgender Erkenntnis, ich zitiere: „Mit … zeitlichem Abstand zur DDR“ wirkt sich „die in den Neuen Ländern typische Kombination von überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlichem Lohnniveau … auf die Höhe der Alterseinkünfte“ negativ aus. Im Ergebnis seiner Analysen schlägt er unter anderem vor, flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne mit einem Anteil an Zahlungen einzuführen, die oberhalb des Niveaus der Grundsicherung liegen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer der Feststellung, dass eben für dieses Anliegen ein Mindestlohn von 10 Euro erforderlich ist. Erfreulich ist, dass DIE LINKE mit dieser Auffassung nicht mehr allein steht. Auch die Kollegen von ver.di wollen ihre Mindestlohnforderung auf 10 Euro anheben, freilich nachdem die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes Realität geworden ist.

Punkt b) des Antrages verweist auf die Einflüsse in unserem Bundesland. Ja, die Koalition hat eine Novelle des Landesvergabegesetzes angekündigt und die Vorgabe eines Mindestlohns von 8,50 Euro diesbezüglich zum zentralen Vorhaben erklärt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, schauen wir mal!)

Dass Sie sich hier gegenüber dem Frühjahr 2011 bewegt haben, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Meine Fraktion fordert jedoch zwei Elemente im neuen Vergabegesetz:

1. Aussagen zur Tariftreue und

2. für die Branchen, in denen diese mangels Tarifbin

dung nicht einzufordern ist, einen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro zur Grundlage der Auftragsvergabe zu machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Denn insbesondere in unserem Land ist mit Blick auf die drohende Altersarmut vieler Einwohner eine Mindestlohnhöhe erforderlich, die dabei hilft, dieses Risiko zu begrenzen.

Das Pestel Institut aus Hannover hat im Herbst vergangenen Jahres eine dramatische Zunahme von Altersarmut prognostiziert. Bei aktuell 5.400 armen Rentnerinnen und Rentnern, also Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, werden wir bis 2020 eine Vervierfachung dieser Zahl erleben müssen.

Kommen wir zu Punkt c) des Antrages: Wir wollen, dass möglichst viele Branchen vom Geltungsbereich des Vergabegesetzes erfasst werden. Im aktuell gültigen Gesetzestext wird Tariftreue bislang nur für Aufträge des Verkehrssektors eingefordert. Dies war auch einer der zentralen Kritikpunkte im Rahmen der Diskussion im vergangenen Jahr. Mit der nun von der Koalition für Juni

angekündigten Novelle sollen nach unserem Dafürhalten so viele Bereiche wie möglich erfasst werden, also beispielsweise alle Liefer-, Bau- und Dienstleistungen, die durch das Land vergeben werden.

Punkt d) verweist auf ein nach unserem Dafürhalten ebenfalls sehr wichtiges Thema: Ein novelliertes Vergabegesetz muss von potenziellen Bietern um Landesaufträge die Einhaltung der jeweiligen Tarifverträge einfordern, vor allem natürlich im sachlichen Geltungsbereich des Entsendegesetzes. Ist der für allgemein verbindlich erklärte Branchenmindestlohn geringer als 10 Euro, so soll nach unserer Auffassung der vergabespezifische Mindestlohn greifen. Zudem muss ein novelliertes Gesetz auch eine Regelung umfassen, die den Entgeltsatz regelmäßigen Überprüfungen zuführt, so, wie es beispielsweise im brandenburgischen Vergabegesetz nach spätestens zwei Jahren vorgesehen ist.

Damit zum letzten Punkt des Antrages: Unser Land ist auch in Sachen Tarifbindung Schlusslicht in der Bundesrepublik. Nur knapp die Hälfte aller Unternehmen fällt überhaupt noch unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen. Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich verstärkt dafür einzusetzen, die Tarifbindung im Land zu erhöhen, denn dies wäre ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Im Kontakt mit den Unternehmen muss stärker als in der Vergangenheit darauf verwiesen werden, welche Bedeutung Tarifverträge und die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden haben. Dies muss auch bei der Ausreichung von Fördermitteln künftig eine Rolle spielen. Unternehmen, die sich dem Prinzip „guter Lohn für gute Arbeit“ verpflichtet sehen, sollten im Zusammenhang mit dem Wettbewerb um Fachkräfte und geeignete Auszubildende wirkungsvoller präsentiert werden.

Die gemeinsame Erkenntnis bei Arbeitgebern, Gewerkschaften und Landespolitik mündete Anfang 2011 in den Abschluss des Fachkräftebündnisses für MecklenburgVorpommern. Wir werden demnächst konkrete Ergebnisse aus dem Bündnis, das wir ausdrücklich für richtig und wichtig halten, hinterfragen. Fest steht jedoch, angesichts der eingangs dargestellten Situation müssen die Bemühungen auch in diesem Rahmen verstärkt werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Renz, sagen Sie doch mal in der CDU-Fraktion Bescheid, der Minister redet gerade. – Torsten Renz, CDU: Das Protokoll geht erst los ab jetzt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorrangiges Ziel der Landesregierung ist es, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass den Men