Und, Herr Kollege Holter, mal völlig abgesehen davon, dass ich aus diesem Grund auch Ihrem Änderungsantrag heute nicht zustimmen möchte, kann ich Ihnen auf jeden Fall zusagen, wenn wir – Sie und ich oder Ihre Fraktion oder die Koalitionsfraktionen und Ihre Fraktion, das Angebot gilt gerne auch für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – uns zu diesem Thema Crowdfunding hier in Mecklenburg-Vorpommern noch dezidierter unterhalten möchten, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich natürlich die von Herrn Schulte in seiner Rede aufgeworfene Frage beantworten, inwieweit Mitglieder der Landesregierung von der Regierungsbank aus Zwischenrufe tätigen können. Natürlich hat Herr Schulte recht und Mitglieder der Landesregierung sollten von der Regierungsbank aus keine Zwischenrufe tätigen.
Allerdings steht es dem Präsidium nicht zu, außer entsprechende Hinweise zu geben, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um dieses zu verhindern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Waldmüller hat das Problem, mit dem wir uns heute beschäftigen, aufgemacht.
Auch wenn es in der Tat, Herr Holter, ein bundespolitisches Thema ist und keine gleichberechtigte Behandlung von Anträgen in diesem Hohen Hause geschieht, was mich wundert ist, dass es Sie wundert. Das ist quasi die Fortsetzung dessen, was wir so seit dreieinhalb Jahren hier erleben.
Nichtsdestotrotz ist ein wichtiges Thema aufgemacht worden, von dem ich glaube, dass es notwendig ist, dieses hier zu thematisieren und, da es eine Bundesratsinitiative ist, die dahintersteht, sich hier im Hause dazu zu verhalten. Der Problemaufriss, den Herr Waldmüller beschrieben hat, ist absolut richtig und korrekt. Ich will das noch mal untersetzen mit zwei Antworten aus der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der GRÜNEN-Fraktion im Bundestag aus dem Jahr 2014, dem Frühjahr 2014.
Meine Fraktion im Bundestag hatte dort seinerzeit die folgende Frage gestellt, unter anderem in einer längeren Anfrage, die sich um Risikokapital, Start-up-Unternehmen et cetera kümmerte. Frage 10 lautete, ich darf zitieren. „Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittliche Rendite eines europäischen VentureCapital-Fonds …?“ Das sollte entsprechend nach Ländern aufgegliedert werden. Bewegt sie sich da auf der europäischen Ebene? Es wird auch gleich deutlich, warum.
Die Antwort der Bundesregierung: „Zu den Venture-CapitalRenditen in Europa gibt es eine Studie des europäischen Verbandes EVCA mit Stichtag 31. Dezember 2012.“ Das sind die aktuellsten Zahlen, die ich gefunden habe. „Danach ergaben sich in Europa jährliche Nettorenditen im Früh- phasenmarkt … im vorherigen Fünfjahreszeitraum von minus 1,83 Prozent p. a., im Zehnjahreszeitraum von mi- nus 1,37 Prozent p. a. und im Zwanzigjahreszeitraum von minus 0,65 Prozent p. a.“
Die Antwort macht eines deutlich, auf das Herr Waldmüller hingewiesen hat: Im frühen Zeitraum eines Start-upUnternehmens lohnt sich eine Investition oftmals nicht. Die Investoren haben mit Minusrenditen zu kämpfen. Das macht es schwer, Investoren zu gewinnen, und da bedarf es in der Tat der Unterstützung der öffentlichen Hand.
Die Antwort ging aber noch weiter, und da wurden die Potenziale deutlich. Ich zitiere weiter: „Im Spätphasenwagniskapitalmarkt (Later Stages) ergaben sich in Europa jährliche Nettorenditen im vorherigen Fünfjahreszeitraum von plus 0,43 Prozent … Zehnjahreszeitraum von plus 0,26 Prozent … und im Zwanzigjahreszeitraum … 3,35 Prozent p. a.“ Leider gab es keine Zahlen, die man herunterbrechen konnte auf die Bundesrepublik Deutschland. Aber es wurde deutlich, wer in neue Unternehmen investiert, braucht einen langen Atem, damit sich diese Investitionen tatsächlich auch lohnen.
Das ist ein Problemkreis, auf den die CDU-Fraktion in der Tat richtigerweise hingewiesen hat. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Tat haben Sie auch
richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich auf Bundesebene zu wenig tut. Ich will in Erinnerung rufen, sie haben im schwarz-roten Koalitionsvertrag auf Bundesebene angekündigt, dass sie ein Venture-Capital-Gesetz anstreben. Dazu gibt es bisher keine Vorlage, und insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich beispielsweise ein Bundesland wie Hessen über eine Bundesratsinitiative bewegt und versucht, Initiativen zu initiieren.
Ich fand in der Anfrage der GRÜNEN-Bundestagsfraktion eine zweite Aussage der Bundesregierung bemerkenswert. Es gibt nämlich eine Statistik des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, und aus dieser Statistik wird deutlich, wie groß a) die Notwendigkeit ist, etwas zu tun, und wie die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eigentlich dasteht. Ich will auch hier zitieren: „Gemäß“ dieser „Statistik wurde 2013 in Deutschland Wagniskapital in Höhe von 673,89 Mio. Euro investiert. Im Vergleich zum Vorjahr …“, da waren es 567 Millionen Euro, „stiegen die VCInvestitionen … 2013 zwar an“, aber wir lagen in 2010/2011 schon mal deutlich über 700 Millionen Euro.
Sehr interessant fand ich die Aussage der Bundes- regierung, die dann sagte: „674 Mio. Euro entspricht ca. 0,02 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts … Länder, mit denen wir im Innovationswettbewerb stehen, weisen teilweise deutlich höhere Anteile auf: Israel ca. 0,39 Prozent, USA ca. 0,17 Prozent“, und so weiter, und zu dem Schluss kommt: „Der im Vergleich zu anderen führenden Innovationsnationen vergleichsweise niedrige Anteil von Venture-Capital-finanzierten Investitionen in Deutschland weist auf mögliches Verbesserungspotenzial im deutschen Innovationssystem hin.“ Dem, glaube ich, kann man auch als Oppositionsfraktion nichts hinzufügen.
Insofern kann ich nur feststellen, es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung dort in die Puschen kommt, dass sie das Problem anfasst, dass sie das angekündigte Gesetz angeht. Aus meiner Sicht kann da eine Initiative aus diesem Haus nur hilfreich sein, auch wenn sie zunächst mal auf eine Bundesratsinitiative orientiert. Aber ich glaube, es wird sich erst dann etwas bewegen, wenn auch die Länder deutlich machen, dass sich etwas bewegen muss.
Herr Holter, wir werden Ihrem Antrag auf Überweisung selbstverständlich zustimmen, weil einen Aspekt, den finde ich besonders wichtig. Ich würde nicht großartig im Ausschuss über die Frage reden, wie wir uns denn zur Bundespolitik bewegen. Das ist für mich sekundär. Aber für mich ist durchaus von Bedeutung, dass wir uns vom Wirtschaftsministerium einmal erläutern lassen, wie denn die Mittel eingesetzt werden sollen, wie wir Risikokapital generieren sollen und wie wir da möglicherweise mitgestalten sollen.
Wenn Ihnen das wichtig ist, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU- und der SPD-Fraktion, dann kann ich Sie nur dazu ermuntern und auffordern, diesen Antrag in der Tat in die Ausschüsse zu verweisen, damit wir uns wirklich seriös und fachlich fundiert damit beschäftigen können. Das ist ein wesentlicher Punkt.
(Jochen Schulte, SPD: Ein bisschen weiter habe ich den Antrag von Herrn Kollegen Holter schon aufgefasst.)
Ich glaube, es wird hier unter den demokratischen Fraktionen deutlich, das ist ein sinnvoller Vorstoß der Koalitionsfraktionen. Es ist aber auch sinnvoll, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir das ausgestalten. Wenn es Kritikpunkte gibt, dann kann man die im Ausschuss sehr wohl ausräumen, diskutieren oder möglicherweise auch beheben. Auch wenn es keinen Verweis gibt, wird meine Fraktion dem Antrag zustimmen. – Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Mich wundert schon, dass hier in diesem Zusammenhang bei keinem Redner das Problem der Wirtschaftsethik und der Moral eine Rolle gespielt hat
Und zwar ist die grundsätzliche Frage zunächst einmal zu klären: Was ist überhaupt die moralische, …
(Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Da haben Sie, glaube ich, eine etwas falsche Wahrnehmung. – Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)
Die moralische Berechtigung eines Unternehmens, mehr Einkommen zu erhalten, liegt grundsätzlich auf zwei Säulen. Die erste Säule ist, dass er bereit ist, das Risiko für sein Handeln bis hinein in sein Privatvermögen abzusichern beziehungsweise es einzusetzen. Die zweite Säule ist, dass er durch Talent und auch Wissen und Können dazu beiträgt, dass ein Unternehmen erfolgreich geführt werden kann. Das spielte bei Ihnen gar keine Rolle.
Was ich hier herausgehört habe, ist eine Tendenz, die aus meiner Fraktion und aus nationaldemokratischer Sicht so nicht funktionieren darf, weil die Tendenz, dass immer mehr Risiko weg vom Unternehmer hin zum Steuerzahler delegiert wird, eine Tendenz ist, die langfristig nicht funktionieren kann und auch nicht darf. Denn wenn ich das Risiko so lange delegiere, bis ich merke, dass Erträge kommen, und dann versuche, die Erträge privat als Unternehmer in die eigene Tasche zu wirtschaften, läuft etwas schief.
Warum ist denn das Problem da, dass Unternehmen kein Geld bekommen? Das liegt doch nicht daran, dass kein Geld vorhanden wäre, sondern das ist ein Beweis, dass das Bankensystem nicht funktioniert, total versagt. Die Märkte sind geflutet mit Geld, aber Mittelständler und kleine Unternehmen gehen zur Bank und man sagt ihnen, du bekommst nichts, hier: Basel II, Finanzierung ist nicht gegeben, geh nach Hause, du hast keine Sicherheiten. – Das ist die Realität in diesem Land. Das muss geändert werden!
Aber gegen diese Institutionen sind Sie machtlos. Und nicht nur machtlos, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern Sie beteiligen sich geradezu an dieser Praxis, indem sich, als Beispiel, die Landesbanken – Mecklenburg-Vorpommern hat keine, aber andere Länder haben sie – brutal an Spekulationen und an Verirrungen am Kapitalmarkt beteiligt haben, indem sie zum Beispiel Filialen nach Irland ausgegliedert, dort gegründet haben und dort mitgezockt haben – Dresden ist ein Beispiel, aber auch andere Landesbanken könnte ich hier nennen – und damit ihrer Aufgabe, nämlich die Wirtschaft mit Liquidität zu versorgen, überhaupt nicht nachgekommen sind. Das ist ein Faktum.
Und weil das Geld dann knapp ist, obwohl es inflationär gedruckt wird für Unternehmer, kommt man jetzt auf die Idee, dass man sagt, wir machen eine Internetplattform und da sollen sich mal die kleinen Leute in MecklenburgVorpommern aus ihrem Privatbereich mehr oder weniger auf ein Spielkasino einlassen. Wir haben es ja von den GRÜNEN gehört, was selbst in professionell gemanagten Fonds mit Risikokapital passiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme noch auf die Fristen zu sprechen: EAP-Mittel, zehn Jahre nach Gründung gibt es keine Möglichkeit mehr, bei KfW-Mitteln drei Jahre. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Definition müsste erst mal her: Was ist überhaupt Risikokapital? Und dann darf ich Sie darauf hinweisen, dass die KfW nicht originär Risikokapital bereitstellen darf, das darf sie gar nicht, sondern sie darf nach Risikoabwägung als öffentlicher Geldgeber indirekt – weil es ja eine mehr oder weniger öffentliche Institution ist – nur Geld ausreichen, wenn ganz bestimmte Sicherheitsstandards eingehalten werden. Das ist auch richtig so. Also die KfW hier zu einer Zockerbank zu machen, das wäre das Letzte, was wir unterstützen.
Dann noch eines: Neugründungen. Wissen Sie, es ist heute schon so, dass mittlere und größere Firmen, wenn sie etwas Neues anfassen, immer Neugründungen machen. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme. Eingehend ist Ihnen das ja bestimmt auch bei der Werftenpleite vor Augen geführt worden, der P+S-Werftenpleite, wo man
doch selbst bei den Beratungsfirmen, die man jetzt versucht in Haftung zu nehmen, bemerkt hat, dass die hier nur Tochterunternehmen einer in London eingetragenen Muttergesellschaft sind, und die man jetzt mal schnell davon gelöst hat, um überhaupt nicht zu haften. Wir sind hier in einem Bereich, wo die Wirtschaftsethik überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wir sind hier im Spielkasino und das wissen Sie.
Da helfen dann auch 10 Millionen, die der Herr Wirtschaftsminister hier avisiert hat, überhaupt nicht weiter. Ihr Wirtschaftssystem ist nicht nur korrupt, sondern Ihr Wirtschaftssystem ist, was die Gestaltungsmöglichkeit vonseiten des Staates angeht, vollkommen, aus Ihrer Sicht, gar nicht mehr zu regulieren oder zu beherrschen. Sie haben längst die Kontrolle über das verloren, was man früher einmal Volkswirtschaft nannte, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. Und es ist schon verwunderlich, wenn ein gescheiteter Unternehmer hier fordert, dass man nicht verteufeln sollte, wenn einer gescheitert ist.