Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Jetzt haben wir das Problem, dass Dürre oder Frost eben Flächenschäden sind, das sind nicht einzelne Ereignisse wie Hagel, sondern das kann sich über große Flächen erstrecken, und jede Versicherung, die eine Police oder ein entsprechendes System aufsetzt und überschaubare Prämien verlangt von den Landwirten, geht ein enormes Risiko ein. Das ist nämlich schlichtweg das Problem: Wenn nicht genug Rückstellungen aufgebaut wurden, bis das erste Mal ein größerer Schadensfall eintritt, dann hat die Versicherung ein ganz großes Problem. Das ist in der Wirklichkeit sozusagen die Hürde, die übersprungen werden muss. Man könnte das auch überspringen dadurch, dass die Landwirte, wie Sie sagten, eben sehr hohe Prämien zahlen, aber das ist ausgeschlossen, das wird nicht funktionieren, deswegen kommt das System ja nicht in Gang.

Und deswegen hätte ich, Herr Kliewe, ergänzend zu den Vorschlägen, die hier schon stehen, auch den Hinweis jetzt mal als Finanzminister zu geben – ich springe jetzt mal in die andere Rolle rein –, dass zwischen diesen Optionen, die hier bestehen, natürlich noch eine andere besteht, nämlich dass der Staat darüber nachdenkt, dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft folgend lediglich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und nicht Subventionierungen zu machen von privaten Aufwendungen von Landwirtschaftsbetrieben. Das könnte darin bestehen, dass der Staat sich entschließt, Versicherungsunternehmen anzubieten, in Bürgschaft zu gehen, eine Bürgschaft zu gewähren, nämlich für den Fall, dass, solange noch keine richtigen ausreichenden Rückstellungen aufgebaut sind in einer Versicherung für ein bestimmtes Modell, dass in dem Fall, wenn der Schadensfall eintritt, eben das Unternehmen darauf nicht sitzen bleibt, sondern das die Allgemeinheit trägt oder jedenfalls zu einem angemessenen Anteil.

(Sandro Hersel, AfD: Es gibt doch Rückversicherer.)

Bitte?

(Sandro Hersel, AfD: Es gibt doch Rückversicherer.)

Zu einem angemessenen Anteil. Auch da ist es doch so, schauen Sie, wenn Sie das privat organisieren, müssen Sie trotzdem irgendwo die Prämien wiederum bezahlen. Es gibt ja wohl kein Privatunternehmen, das sagt, okay, also der Versicherungskonzern, der verlangt jetzt natürlich nicht viel Geld dafür oder verlangt viel Geld, aber der Rückversicherer, der macht es ganz billig. Der arbeitet ja auf denselben ökonomischen Grundlagen.

Also Sie brauchen am Ende – ich glaube, Herr Kliewe, da sind wir uns einig – irgendeine Form des Engagements der öffentlichen Hand. Das ist in anderen Ländern auch der Fall. Und so ein Bürgschaftssystem wäre eigentlich ein ganz elegantes Modell, dann könnte eine Versicherung in der Lage sein, so etwas aufzusetzen zu vertretbaren Preisen. Wenn der Schadensfall eintreten sollte, haftet die öffentliche Hand in einem gewissen Umfang, das rege ich an noch mit zu prüfen. Wenn wir Glück haben, kann ein solches System sogar ohne öffentliche Zuschüsse auskommen, weil einfach das Risiko anders verteilt wird und auf die Art und Weise unsere Landwirtinnen und Landwirte in die Lage versetzt werden, eben so etwas auch tragen zu können, zusammen mit der Versicherungswirtschaft.

Jetzt könnte man sagen, na ja, aber in dem Fall kann es passieren, dass dann eben, wenn ein Schaden eintritt, die Öffentlichkeit haftet und Geld verliert. Da würde ich aber nur sagen, wir müssen uns entscheiden, was wir wollen. Wenn wir keine Systeme aufbauen, dann werden wir immer wieder Situationen haben wie in diesem Jahr, dann werden wir als öffentliche Hand auch helfen müssen, um den Untergang von Unternehmen zu verhindern. Und wenn wir sowieso Geld ausgeben müssen, jedenfalls ab und zu, wenn ein Schadensfall eintritt, dann, finde ich, kann der Staat auch darüber nachdenken, eine etwas größere Lösung zu unterstützen, die dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft auch noch etwas nähertritt als Steuerermäßigungen oder andere Dinge. Auch das sind sicherlich Modelle, die man diskutieren kann, aber wie gesagt, ich schlage vor, dieses andere Modell auch noch mit in die Prüfung aufzunehmen.

Es ist ansonsten ein äußerst guter Antrag und ich darf im Namen von Herrn Backhaus empfehlen, ihn aus tiefster Überzeugung anzunehmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Hersel.

Wertes Präsidium! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste und Zuschauer! Da ich aus gesundheitlichen Gründen noch etwas angeschlagen bin, werde ich mich heute sitzungsökonomisch etwas kurzhalten und mich auf das Wesentliche beschränken.

Im Grunde liegen hier heute zwei Maßnahmen vor, die versuchen, über unterschiedliche Lösungen eine Mehrgefahrenabsicherung für Landwirte herbeizuführen. Herr Brodkorb hat eben noch eine dritte Möglichkeit mit ins Spiel gebracht, die können wir aber jetzt erst mal außer Acht lassen, sie ist ja im Wesentlichen eine Mischform aus beidem.

Zum einen wird die Anregung eines solidarischen Ausgleichsfonds vorgeschlagen. Diese Idee begrüßen wir ausdrücklich, natürlich unter den Voraussetzungen, dass sie auf Freiwilligkeit basiert und – hier kommt dann unsere Kritik – ohne Steuerzuschuss auskommt. Vor auf den Tag genau – ich habe extra noch mal nachgeschaut –, vor auf den Tag genau drei Monaten diskutierten wir hier unseren Vorschlag zur Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Landwirte. Der Kollege Gundlack zählte damals eine Latte von steuerbegünstigten Maßnahmen auf und rechnete vor, dass bei einem Gesamtvolumen von 12,4 Milliarden Euro für alle was dabei ist, das der Risikovorsorge dienen kann. Warum Sie nun einen Schadensausgleichsfonds mit staatlicher Beteiligung anregen, erschließt sich meiner Fraktion deshalb nicht.

Der zweite Vorschlag lautet nun, Versicherungsunternehmen von der Versicherungssteuer zu befreien. Das ist nicht wirklich innovativ und ich vermute – und Herr Kliewe hat es schon bestätigt –, dass dieser Vorschlag eher aus der Feder der CDU stammt, denn schon heute gibt es eine Mehrgefahrenabsicherung.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Insbesondere die Schäden, die durch Hagel, Sturm, Starkfrost, Starkregen und Überschwemmungen im Agrarbereich versichert werden, sind nahezu steuerfrei. Ihr Ziel, auch hier noch die anhaltende Trockenheit mit in den Katalog aufzunehmen, ist ehrbar, aber schwierig. Während Hagel, Sturm, Frost und Regen eher punktuell auftreten, ist Dürre ein Flächenphänomen. Versicherer sprechen in diesem Zusammenhang von einem Kumulrisiko. Vereinfacht gesagt, tritt der Schadensfall, also eine Dürre, ein, so trifft sie alle gleichermaßen. Stellen Sie sich vor, Sie tragen einen Krug voll Wasser vor sich her. Der Krug ist der Versicherer und das Wasser sind die Prämien der Versicherten. Straucheln Sie und schwäppern dabei etwas Wasser aus dem Krug, können Sie dies problemlos am Wasserhahn nachfüllen. Fällt der Krug hingegen zu Boden und zerbricht, ist nicht nur das Wasser futsch, sondern auch der Krug.

Versicherungsleistungen mit einem Kumulrisiko, wie beispielsweise der Dürre, überhaupt anzubieten, ist daher unattraktiv oder nur gegen sehr hohe Prämien realisierbar. Experten gehen hier von bis zu 10 Prozent der Versicherungssumme aus. Das kann sich auch jeder selbst vor Augen führen. Nehmen wir an, Sie besitzen ein Kraftfahrzeug im Wert von 20.000 Euro, und diesen Wert wollen Sie mit einer Mehrgefahrenversicherung versichern.

(Beate Schlupp, CDU: Das ist überhaupt nicht vergleichbar.)

Dafür zahlen Sie dann jährlich 10 Prozent, also 2.000 Euro,

(Beate Schlupp, CDU: So soll das auch nicht funktionieren.)

plus aktuell 19 Prozent Versicherungssteuer. Summa summarum zahlen Sie dann also etwa 2.400 Euro für den Fall,

(Zuruf von Ralf Borschke, Freie Wähler/BMV)

dass die weltweiten Ölvorkommen plötzlich versiegen und eh keiner mehr fahren kann. Ob diese 400 Euro Steuergeschenk aus diesem Beispiel also wirkungsvoll sind, sofern sie denn überhaupt eins zu eins an den Kunden weitergegeben werden, bezweifelt meine Fraktion ebenfalls.

(Beate Schlupp, CDU: So soll das doch gar nicht funktionieren.)

Kurzum, Schröpfung der Steuerzahler und Günstlingswirtschaft für Versicherungskonzerne machen wir nicht mit.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Holger Kliewe, CDU: Er hat das Problem nicht verstanden.)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Aßmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das Problem ist uns allen bekannt, worum es geht, dass

es nämlich darum geht, einfach unsere Landwirtschaftsbetriebe in Krisenfällen auf solidere Füße zu stellen. Wir haben dieses Thema hier mehrfach diskutiert. Wir haben auch in vergangenen Redebeiträgen als Fraktion klargemacht, dass wir uns ganz klar einsetzen für ein solidarisches System, weil Risikovorsorge ist und bleibt einfach in erster Linie unternehmerische Aufgabe. Dem widerspricht auch dieser Antrag nicht, sonst wäre er ja auch nicht durch die Koalitionsfraktionen eingebracht worden.

Wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt, Herr Hersel, dann sollte man sich ein Stück weit tiefer einarbeiten. Dann versteht man auch, worum es geht. Nun war ich gerade draußen, als unser Brodi/Backi-Finanzund-Landwirtschaftsminister heute gesprochen hat,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

aber ich gehe davon aus, dass er klargestellt hat, dass, wenn man die Versicherungssteuer bei der Mehrgefahrenversicherung begünstigen würde, wir jetzt nicht in das volkswirtschaftliche Chaos abdriften würden. Ich denke, das ungefähr wird der Tenor gewesen sein. Von daher gehe ich davon aus, dass dieser Antrag so solide aufgestellt ist, dass Sie dem auch problemlos, selbst wenn Sie nicht bereit sind, sich damit weiter auseinanderzusetzen, zustimmen können und dass wir dann gestärkt mit Rückenwind unseren Minister oder unsere beiden Minister nach Berlin schicken können und sagen können, bitte, liebe Bundesebene, sei doch bereit, auch noch mal zu prüfen, wie können wir weitere Instrumente der Risikovorsorge als Nationalstaat etablieren. Nichts anderes wollen wir. Ich denke, das ist sehr ehrbar, und deswegen sage ich, herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin kein Freund von Spekulationen, aber wie fast alle Mathematiker bin ich durchaus ein Freund von Science-Fiction und gefühlt bin ich bereits auf der Enterprise geboren worden.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD – Heiterkeit bei Maika Friemann-Jennert, CDU)

Deswegen ist es für mich auch ein Leichtes, Sie einfach mal einzuladen zu einer kleinen Zeitreise,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

zu einer kleinen Zeitreise, sagen wir mal, so 25 Jahre zurück. Stellen Sie sich mal vor, genau dieser Antrag wäre vor 25 Jahren vom damaligen agrarpolitischen Sprecher der Linken Liste/PDS, wie sie damals hieß, von Johann Scheringer, eingebracht worden. Ich glaube, manch einer in diesem Landtag damals – ich denke beispielsweise an die FDP-Fraktion – hätte gesagt, die haben den Rums nicht gehört, als die Mauer umgefallen ist. Manch einer, vielleicht die CDU-Fraktion, hätte sich halb totgelacht – so, wie ich meinen damaligen Freund und Kollegen Alfred Gomolka kenne, durchaus wahrscheinlich. Aber so ist das eben: Wenn zwei das Gleiche tun, dann ist das noch lange nicht dasselbe.

Heute stellt sich doch eher die Frage, wie solch eine multiple Risikovorsorge in einer kapitalistischen Marktwirtschaft und in einem Versicherungssystem funktionieren soll und ob so etwas für einen normalen landwirtschaftlichen Familienbetrieb oder für eine genossenschaftlich organisierte landwirtschaftliche Betriebseinrichtung bezahlbar wäre. Nun, bei genauer Betrachtung des Antragstextes war uns schnell klar, dass es neben einem Versicherungssystem nach dem Willen der Koalition einen solidarischen Fonds mit finanzieller Beteiligung des Staates geben soll. Das wäre also neben der bereits solidarisch organisierten Tierseuchenkasse ein drittes Element einer Risikovorsorge für landwirtschaftliche Unternehmen, zwei davon staatlich unterstützt. Solidarische Fonds, ein typisches SPD-Thema, lange in den Programmen vorhanden und genau genommen fast wortgleich mit den programmatischen Positionen der LINKEN. Das hat nichts mit Staatssozialismus zu tun,

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

und ich denke, so haben wir den Minister auch verstehen dürfen, es handelt sich um ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und eben nicht zur freien Marktwirtschaft.

Man könnte sich jetzt also hinstellen und fragen: Was hat das noch mit Marktwirtschaft zu tun, wenn man außer Acht lässt, dass die Landwirtschaft in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie frei gewesen ist von dirigistischen Eingriffen und Vorschriften, die letztlich, sagen wir ruhig, oftmals im Widerspruch zu verschiedenen anderen Systemen in dieser Gesellschaft stehen würden? Genau da haben wir nämlich ein Problem. Wenn diese Vorschläge greifen, können nämlich auch beliebig andere Wirtschaftszweige, die ebenfalls Mehrfachrisiken ausgesetzt sind, ähnliche Sicherungssysteme für sich einfordern. Ich erinnere an dieser Stelle an Forderungen, und, Herr Glawe, Sie werden mir zustimmen, bei der Tourismuswirtschaft ist das genauso, dass dort erhebliche Risiken existieren, die eben auch beispielsweise vom Wetter abhängig sind und manchmal nicht nur vom Wetter.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Da reicht ja manchmal ein außenpolitischer Wind und schon verändern sich Tourismusströme. Die Tourismuswirtschaft in unserem Land ist davon überhaupt nicht ursächlich betroffen, aber in der Wirkung.

Ich will das nicht weiter ausführen. Wichtiger ist – und da lege ich hier zum wiederholten Mal ein klares Bekenntnis meiner Fraktion zur Landwirtschaft in diesem Land ab –, dass die Landwirtschaft eben kein Wirtschaftszweig wie jeder andere ist. Sie versorgt unsere Menschen mit gesunden und wertvollen Lebensmitteln. Sie hat gerade in Mecklenburg-Vorpommern große Aufgaben beim Schutz unserer natürlichen Ressourcen Luft, Boden, Wasser, Biodiversität, dem Erhalt unserer Kulturlandschaft, unserer Gesundheit, der Insekten. Sie leistet nach wie vor einen bedeutenden Teil unseres Bruttosozialproduktes, sie ist Grundlage für ganze Veredlungsketten und nicht zuletzt ist die Landwirtschaft für uns das Rückgrat für einen lebenswerten ländlichen Raum, kurz und gut, wie es in der Programmatik der Landesregierung heißt, für ein Land zum Leben. Ich hoffe, ich war jetzt nicht zu pathetisch.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, es ging gerade so.)