Protokoll der Sitzung vom 31.01.2020

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD – Thomas Krüger, SPD: Hören Sie sich eigentlich selbst mal zu?)

Ja, ich bin doch nicht taub. – Schönen Tag.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE fordert eine Beteiligung der Landesregierung an der Initiative #WirHabenPlatz, und das bedeutet, ich sage es an dieser Stelle noch mal, weil ich eben festgestellt habe, dass es da gewisse Schwierigkeiten beim Lesen des Antrages gegeben hat, die Landesregierung soll auf Bundesebene darauf hinwirken, „mindestens 1.000“ unbegleitete minderjährige Ausländer,

(Horst Förster, AfD: Genau.)

(Horst Förster, AfD: Nee, nicht Kinder.)

aus den Aufnahmelagern in Griechenland aufzunehmen.

Mehr als 4.000 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge befinden sich unter schlechtesten Lebensbedingungen in den griechischen Aufnahmelagern. Das ist furchtbar, natürlich ist es das. 1.000 Flüchtlinge beziehungsweise unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen ohne Aus

wahlkriterien von 4.000 ausgewählt werden. Wer entscheidet über das Schicksal von den 1.000 beziehungsweise der verbleibenden 3.000? Sie, Frau Larisch?

Und Herr Ritter hatte hier angemerkt in seiner Kurzintervention, es ist ein Akt der Menschlichkeit, wir müssen uns hier nicht über Kriterien, Regeln und Gesetzesverordnungen und was nicht alles unterhalten. Ja, doch, ganz genau, das müssen wir. Das ist nämlich hier unser Job!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Dr. Ralph Weber, AfD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir müssen hier Regeln, Kriterien, Gesetze und Verordnungen genau dafür finden und wir können nicht aus dem Bauch heraus entscheiden. Das habe ich zumindest in der Zeit, in der ich hier Abgeordnete im Parlament von Mecklenburg-Vorpommern bin, gelernt.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Hilfsorganisationen! – Peter Ritter, DIE LINKE: Dann muss man das mit Hilfsorganisationen vor Ort regeln!)

Welche Wirkung hat außerdem eine solche Vorgehensweise auf die im Aufnahmelager in Griechenland verbleibenden Flüchtlinge und auf die Menschen, die beabsichtigen, aus ihren Heimatstaaten zu flüchten, oder gar auf die Schlepper, die ich als eines der größten Probleme neben der eigentlichen Krise sehe? Und ja, Frau Tegtmeier hat es in Ihrer Rede gesagt, das sind die Täter. Die Schlepper sind die Täter.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Horst Förster, AfD: Ohne die kommen sie aber nicht dahin.)

Aber es ist unsere Aufgabe, genau dieses im Blick zu behalten und das nicht auch noch zu befeuern und zu unterstützen. Und ich habe ernsthaft Sorge um die zukünftige Entwicklung, und ich glaube, viele Bürgerinnen und Bürger haben Sorge um die zukünftige Entwicklung. Und diese Sorge ist bei allem Verständnis für die unhaltbare Situation der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge in den Aufnahmelagern in Griechenland und bei aller Bereitschaft, diesen Kindern und Jugendlichen zu helfen, auch nicht unberechtigt. Außerdem gibt es bereits vertragliche Vereinbarungen mit den EU-Ländern an den Außengrenzen Europas. Und hier ist auch Griechenland mit im Boot. Die Regierung dort muss die Verfahren deutlich beschleunigen, um Flüchtlinge mit Asylberechtigung von Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden und die Aufnahmeverfahren zu beschleunigen.

Der Bundesinnenminister hat zu Recht eine europäische Lösung bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU angemahnt. Die Bevölkerung versteht immer weniger, dass ein Thema, das unbestritten nur europäisch gelöst werden kann, nicht vorwärtskommt. Die Aufnahme von Flüchtlingen und auch von unbegleiteten minderjährigen Ausländern darf und kann kein Alleingang eines Staates sein. Es braucht langfristige überregionale und internationale Lösungen in der gesamten Flüchtlingsfrage, keine ungeregelten Alleingänge einzelner Bundesländer oder Kommunen. Und ja, dieser Regelung bedarf es schnell und jetzt. Ihren Antrag lehnen wir dennoch ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete.

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE Frau Bernhardt.

Und gestatten Sie mir noch den Hinweis an dieser Stelle: Bei allem Verständnis bei diesem schwierigen Thema und unterschiedlichen Auffassungen bitte ich doch, die parlamentarischen Gepflogenheiten zu wahren und auch entsprechend das Vokabular danach auszusuchen. Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich muss sagen, ich bin Ihnen dankbar für die gute Debatte, die wir heute hatten hier im Landtag zu diesem Thema. Bis auf zwei Redebeiträge empfand ich sie persönlich als gut. Insbesondere, das hatte mein Kollege Herr Ritter ja schon gesagt, möchte ich mich auch noch mal bei der SPD-Fraktion tatsächlich für die gute, für die menschliche Haltung für Kinder und Jugendliche einfach bedanken, für Menschlichkeit. Das gibt uns sozusagen auch Hoffnung, weiterhin hier tätig sein zu dürfen.

Zu dem Innenminister: Da bin ich ja schon mal froh, dass Sie sozusagen anerkennen, dass in den Flüchtlingslagern die entsprechend miserablen Umstände, die Situation dort vorherrscht, dass Sie auf langfristige Lösungen setzen. Das ist richtig, da sind wir auch dran interessiert. Aber wir sehen halt jetzt in den Flüchtlingslagern die Situation der Kinder insbesondere und sagen, bis diese endgültigen Regelungen getroffen sind, muss zumindest den Schutzbedürftigsten der Gesellschaft geholfen werden, denn zu gültigen Rechten gehören nicht nur Asylrechte et cetera, sondern insbesondere auch die UN-Kinderrechtskonvention. Über diese hatten wir zum 30-jährigen Bestehen hier im November berichtet.

Diese Konvention ist aus unserer Sicht für diese Kinder, für die Schutzbedürftigen in den Lagern in Griechenland das vorrangige Recht. Und da, daran möchte ich Sie alle noch mal erinnern, heißt es in Artikel 4 – eine Verpflichtung für uns alle, die Verwirklichung der Kindesrechte –: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel.“

Und darauf möchte ich noch mal sozusagen die Betonung auch legen, „unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel“. Und wenn wir als Deutschland, als Teil von Deutschland, als Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hier ein entsprechendes Zeichen setzen würden, dann muss ich einfach ganz ehrlich sagen, wir haben die verfügbaren Mittel und wir sollten alles tun, um diesen Kindern in diesen Aufnahmelagern zu helfen, Unterstützung anzubieten.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und, sehr geehrte Damen und Herren, ich konnte mir ja schon vorstellen, damals als wir diesen Antrag auch hier im Landtag eingebracht hatten, „30 Jahre Kinderrechtskonvention“, dass sie noch nicht bei allen bekannt ist. Dass sie noch nicht bei allen bekannt ist, das hat mir heute der Redebeitrag von Herrn Förster gezeigt, der gerne unter juristischen Spitzfindigkeiten versucht, Kinder

auf bis zu 14 Jahre zu reduzieren – Artikel 1 der UNKinderrechtskonvention.

Und, Herr Förster, Sie haben mir gestern juristisches Unwissen vorgeworfen. Ich kann Ihnen nur Artikel 1 UNKinderrechtskonvention empfehlen durchzulesen. Da heißt es ganz eindeutig,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Kinder sind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unter diesem Geltungsbereich der UN-Kinderrechtskonvention. Und da geht es eben nicht nur ums Überleben, da geht es auch um die Achtung und den Schutz von Kindern.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Nicht nur Herr Förster war sozusagen etwas, was mich beschäftigt hat. Beschäftigt hat mich auch ein Artikel zu Heiligabend, dem Fest eigentlich der Liebe, des Füreinanderdaseins, wo Politiker gerne Appelle an Mitmenschlichkeit an andere richten. Es hat mich einfach tatsächlich persönlich gefrustet, als ich diesen Artikel dann las auf Seite 4 der SVZ: „Zuflucht für Kinder? Schwesig geht in Deckung“. Ich las weiter – und das konnten wir auch heute wieder hier erleben von Herrn Caffier und von anderen –, dass eben Europa verantwortlich sei, dass der Bund verantwortlich sei, dass sozusagen alles getan wurde, um die Verantwortung ja von Mecklenburg-Vorpommern wegzudrücken. Ich kann Ihnen nur ganz herzlich sagen, und insofern muss ich auch sagen, war das von Frau Tegtmeier heute als Mitglied der SPD wohltuend zu erfahren, dass es Mecklenburg-Vorpommern gut zu Gesicht gestanden hätte, wenn wir an diesem Tag, auch zu Heiligabend, ein entsprechendes Zeichen an die Kinder in den Flüchtlingslagern gesetzt hätten.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Denn wir reden hier über hilfsbedürftige Kinder in Griechenland, Kinder, die auf den Inseln der Ägäis, vor allem Moria, auf Lesbos, Samos, auf Chios angekommen sind. Die meisten kommen halt aus Syrien, Irak, Afghanistan, wo sie schon in überfüllten Lagern lebten. Wir reden über Kinder, die schutzlos den Bedingungen wie Mangelversorgung, körperliche oder sexuelle oder psychische Gewalt ausgesetzt waren, die Missbrauch erlebt haben, Ausbeutung, Kälte, Traumatisierung, Kinder, die in überfüllten Unterkünften, auf der Straße oder in Haft unter menschenrechtswidrigen Bedingungen gelebt haben, denen circa 1.000 kinder- und jugendgerechte Unterbringungsplätze dann in Griechenland mehr als 4.000 – von Frau Larisch haben wir heute gehört, bis zu 5.000 – Kinder gegenüberstanden. Ich glaube, dann kann jeder von uns die Situation in den Flüchtlingslagern für die Kinder nur erahnen.

Deshalb möchte ich auch noch weiterhin an unsere Verantwortung aus der UN-Kinderrechtskonvention aus Artikel 6 erinnern, die da heißt: „Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.“ Vor diesem Hintergrund von rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für Ort und Zeit war es einfach nur ein falsches Zeichen, was wir als Mecklenburg-Vorpommern zu Heiligabend ausgesetzt haben.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Nein, wir bleiben dabei: Auch Mecklenburg-Vorpommern hat eine Verantwortung gegenüber diesen Kindern und Jugendlichen und uns hätte es wirklich gut zu Gesicht gestanden, wenn wir an diesem Abend ein Zeichen für die Kinder, für Menschlichkeit, für Gesetzlichkeit gesetzt hätten. Das war nicht nur eine rechtliche, sondern aus unserer Sicht vor allem auch eine moralische Pflicht.

Um noch mal zu der Debatte heute zu kommen, und das durften wir heute wieder erleben: Herr Förster von der AfD hat wieder versucht, sozusagen das Große aufzumachen, dass es ja nicht nur um die 20 Kinder ginge, sondern, wenn wir erst für 20 Kinder die Grenzen aufmachen würden, dann ungehindert die Zuflucht von Kindern nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben sei. Da, Herr Förster, sieht man wieder, wie Sie versuchen, Ängste zu schüren bei der Bevölkerung.

(Heiterkeit bei Horst Förster, AfD: Ach, jetzt kommt das! – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das war niemals in diesem Antrag zu lesen. Sie verdrehen hier wieder die Tatsachen.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Das kann man ganz deutlich nicht aus diesem Antrag herauslesen. Es geht um den Kompromiss der Innenminister, von dem auch Frau Tegtmeier jetzt mehrfach ausgeführt hatte. Und dann hier von „ungehinderter Zuflucht“ zu sprechen, ist einfach wie immer Ihre typische Argumentation, Ängste zu schüren.

Wir sagen, nein, wir hätten ein Zeichen setzen können. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag, dass 20, und ich betone es noch mal, wir gehen von 20 Kindern und Jugendlichen aus, zu uns kommen. Damit setzen wir ein Zeichen für Offenheit und Menschlichkeit. Und gerade in dieser Woche wäre das auch ein umso bedeutsameres Zeichen gewesen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wer macht denn da die Auswahl? Und was ist mit den anderen? – Peter Ritter, DIE LINKE: Mensch, wer trifft da die Auswahl?!)

Herr Förster, um da noch mal drauf einzugehen, Deutschland sei dafür nicht verantwortlich,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

die Verantwortlichkeiten liegen in anderen Ländern. Herr Förster, solange wir Waffen in andere Länder liefern und wir Bundeswehreinsätze im Bundestag beschließen, haben wir als Deutschland eine Verantwortung. Auch die Kinder kriegen die Folgen dieser Entscheidung zu tragen. Und deshalb: Auch vor diesem Hintergrund hätte es uns gut zu Gesicht gestanden, diese Kinder hier aufzunehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)