Protokoll der Sitzung vom 29.08.2002

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: „Respekt vor dem Parlament“ haben wir bei der Gesetzesberatung erlebt!)

Nun folgt Frau Mundlos! Danach Frau Vockert.

Frau Ministerin, wenn, wie Sie selbst ausgeführt haben, Niedersachsen im gymnasialen Bereich Platz 2 errungen hat und trotzdem insgesamt nur im unteren Mittelfeld angesiedelt ist, wann benennen Sie endlich die dramatischen Verhältnisse an den Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen, damit auch diese Schülerinnen und Schüler künftig echte, faire Bildungschancen haben?

(Beifall bei der CDU)

Frau Jürgens-Pieper!

Frau Mundlos, ich habe, glaube ich, in mehreren Debatten hier schon gesagt, dass wir davon ausgehen müssen, dass es dann, wenn ein solcher Mittelwert vorliegt, im Haupt- und Realschulbereich schlechter aussieht. Wir werden uns deshalb die Schulen ansehen. Wir haben die gleichen Erkenntnisse aus den Leistungsüberprüfungen gewonnen, die wir ja schon vor drei Jahren eingeführt haben. Deshalb wird es notwendig sein, dass man sich jetzt die Schulen ansieht. Sie können ja aus einer solchen Stichprobe nicht die Qualität einer einzelnen Schule erkennen. Sie werden aus dieser Stichprobe auch nicht erfahren, wie der Schulformvergleich zwischen Hauptschulen oder Realschulen im Lande ist. Wir werden im Dezember - danach

haben Sie mich gefragt - die Datensätze über unsere niedersächsischen Schulen erhalten, die untersucht worden sind. Das ist vom PISA-Konsortium zugesagt worden. Wir werden an dieser Stelle aber keinen Schulformvergleich unter den Bundesländern bekommen, weil die Experten sagen, dass sie dies aufgrund der unterschiedlichen Schulstrukturen nicht leisten können. In einigen Bundesländern gibt es die Hauptschule nicht mehr. Das wissen Sie. Deshalb wundere ich mich ja immer so über Ihre Diskussionen in Niedersachsen darüber. Gerade in CDU-geführten Bundesländern gibt es die zusammengeführte Haupt- und Realschule als Regelschule, Mittelschule bzw. Sekundarschule. Von daher kann man diesen Schulformvergleich über die Bundesländer nicht ziehen; das sagt Professor Baumert. Das heißt, Sie werden niedersächsische Daten bekommen, die wir dann sicherlich auch gemeinsam betrachten werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Vockert! Danach Frau Vogelsang.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich frage Sie vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, wann Sie ernsthaft bereit sein werden, sich mit der Kritik der Verbände auseinander zu setzen, und entsprechende Maßnahmen einleiten werden. Sie haben nach meiner Einschätzung eben die Kritik noch einmal wiederholt, indem Sie gesagt haben, Sie erwarten schon ein wenig Respekt. Ist Ihnen denn überhaupt nicht bekannt, dass hier die Hilflosigkeit der Lehrerinnen und Lehrer deutlich wird, die sich überhaupt nicht mehr zu helfen wissen? Schulleiter bitten Eltern und Großeltern - -

Das waren zwei Fragen!

- - - um Hilfe. Lehrerpulte bleiben weiterhin leer.

Frau Kollegin, das ist eine Fragestunde!

(Zuruf von der SPD: Das ist Pole- mik!)

Deswegen frage ich Sie, wann Sie bereit sind, hier ganz konkrete einstellungspolitische Maßnahmen vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Jürgens-Pieper!

Sie können davon ausgehen, dass das konstruktive Gespräch mit den Lehrerverbänden und der Gewerkschaft zu meinen Aufgaben gehört. Dass ich das auch regelmäßig wahrnehme, ist selbstverständlich. Dass Lehrerverbände einzeln, wenn Sie dies wünschen, bei mir Termine bekommen, dass wir gemeinsame Termine zu bestimmten Runden vereinbaren, dass ich verabredet habe, über die Leistungsüberprüfungen mit den Lehrerverbänden auch Auswertungsrunden zu machen, das findet alles statt.. Es mag sein, dass manchmal terminlich bestimmte Dinge nicht so schnell abgearbeitet werden können. Aber die Lehrerverbände sind durchaus mit der Landesregierung und insbesondere mit mir im Gespräch. Das ist, meine ich, das ganz normale Geschäft eines jeden Interessenverbandes. Das geschieht in anderen Ressorts entsprechend. Sie können davon ausgehen, dass ich mich auch ernsthaft mit der Kritik auseinander setze, die dort besteht. Ich habe auch nicht Respekt vor mir gefordert - den erwarte ich in der Tat auch -, sondern ich habe Respekt vor dem Parlament gefordert. Wenn man sich die Protokolle über die Anhörungen ansieht, wird man dem wohl zustimmen können.

Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir haben durch die riesige Einstellungsrunde einen so hohen Prognosewert - die Statistik liegt noch nicht vor -, dass es in diesem Jahr so viel besser an den Schulen aussehen wird als in dem vergangenen. Wir haben dank der 700 Einstellungen einen Prognosewert von über 99 %. Das ärgert Sie offensichtlich. Freuen Sie sich doch darüber!

(Beifall bei der SPD)

Frau Vogelsang! Danach Herr Pörtner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich möchte an die Frage der Kollegin Mundlos von vorhin anknüpfen und frage Sie: Geben Sie zu, dass die Tatsache, dass Haupt- und Realschüler seit dem letzten Jahr der CDURegierung 17 % weniger Unterricht an den Hauptschulen, Realschulen und Schulen für Lernbehinderte bekommen haben, der Grund für das miserable Abschneiden von Hauptschülern und Realschülern in Niedersachsen sein kann?

Frau Ministerin!

Frau Vogelsang, das ist genau das, was ich vorhin mit den immer gleichen Diskussionen meinte. Wir können diesen Zusammenhang nicht herstellen. Sie werden auch keinen PISA-Experten finden, der diesen Zusammenhang herstellt. Im Gegenteil; Sie haben ja Professor Baumert hier im Landtag gehört. Er hat diese Diskussion gerade entkoppelt. Sie können das auch in Artikeln von Andreas Schleicher, dem internationalen Experten, nachlesen. Die ewig gleichen Diskussionen, ob 1 % mehr Unterrichtsversorgung, ob drei oder vier Stunden für mehr Qualität sorgen, sind mit der PISA-Studie vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Sie können das nachlesen. Ich kann Ihnen auch gerne die Seiten nennen. Das ist entkoppelt. Die Frage „Sind Klassengrößen für die Qualität von Unterricht entscheidend?“ ist obsolet. Ich erinnere gern an das, was Professor Baumert hier im Landtag bei der Veranstaltung des Landtagspräsidenten gesagt hat. Er hat gesagt: Es ist eine gigantische Verschwendung von Bildungsressourcen in diesem Land, dass man alles in diese quantitativen Dinge hineinsteckt und nicht darauf achtet, was eigentlich im Unterricht stattfindet und wie man da die Qualität verbessert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Pörtner! Danach Herr Behr.

Frau Ministerin, welche konkreten Konsequenzen beabsichtigt die Landesregierung aus der Tatsache zu ziehen, dass laut PISA-Studie ein Drittel der niedersächsischen Eltern die Meinung vertritt, dass die Leistungsanforderungen an den niedersächsischen allgemein bildenden Schulen zu niedrig - wörtliches Zitat - oder viel zu niedrig sind? Sie werden diesbezüglich nur von der Zahl der unzufriedenen Eltern in Bremen übertroffen.

(Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: Also zwei Drittel sind zufrieden! - Gegenruf von Pörtner [CDU]: Aber ein Drittel nicht!)

Frau Ministerin!

Ich kenne diese Stelle in dem Gutachten nicht. Vielleicht sind Sie so nett, sie mir zu benennen. Ich habe keine Aussage über niedersächsische Eltern in diesem Ausmaß in Erinnerung. Ich weiß aber, dass Elternzufriedenheit in der Studie eine Rolle gespielt hat - auch übrigens in unserer DIPFStudie - und dass Eltern in der Tat auch meinen, dass die Leistungsanforderungen höher sein können. Als ich das einmal hier zur Grundschule gesagt habe, gab es schäumende Empörung. Übrigens habe ich auch schäumende Briefe aus den Schulen bekommen. Solche Wahrheiten müssen ausgesprochen werden, Herr Pörtner. Ich freue mich, dass Sie das auch mit vertreten.

(Pörtner [CDU]: Ich beziehe mich auf die PISA-Studie! Schade, dass Sie sie nicht kennen!)

Herr Behr! Danach Frau Trost.

Frau Ministerin, wie bewerten Sie den Umstand, dass in Stade an den Hauptschulen in den 8. Klassen zum Teil nur noch 23 Wochenstunden unterrichtet werden, dass in den Hauptschulen am Chemiestandort Stade im Wesentlichen Physik und Chemie, aber auch Religion ausfallen, und wie würde normalerweise die Stundentafel in den 8. Klassen aussehen?

(Busemann [CDU]: Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen!)

Können Sie auf diese Details eingehen?

Das finde ich ja so schön in den letzten Jahren - Herr Landtagspräsident, Sie können das sicherlich nachvollziehen -, dass man auch als Kultusministerin immer sofort im Parlament über einzelne Schulen, deren Stundenplan und deren Unterrichtsversorgung Auskunft geben soll. Ich kann es nicht. Aber ich kann Ihnen einige allgemeine Ausführungen machen.

(Klare [CDU]: Aber Sie können es doch bewerten, Frau Ministerin! Es sind doch 23 Stunden!)

- Ich kann es bewerten und kann einige allgemeine Ausführungen machen. Wenn das an dieser Schule bei hinreichender Sollstundenzuweisung so ist, dann hat der Schulleiter unseren Erlass nicht beachtet.

(Lachen bei der CDU - Klare [CDU]: Frau Ministerin, das ist langsam schä- big, was Sie machen!)

- Ich bitte um Entschuldigung¸ geben Sie mir die Werte. Dann können wir das auch konkret beantworten. Sie finden ja auch immer heikel, dass ich überprüfe. Aber das geht nur so. Sonst kann ich Ihnen die Fragen nicht beantworten.

Die Schulleiter haben die Schule und damit die Schülerinnen und Schüler zunächst einmal so zu versorgen, dass die Stundentafel garantiert wird, dass das, was in der Stundentafel steht, umgesetzt wird. Das sind für die Hauptschule für diesen Jahrgang 30 Stunden, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Wenn das in der Stundentafel steht, dann soll das Kind auch 30 Stunden haben. Das ist als Erstes in der Schule sicherzustellen.

(Frau Vockert [CDU]: Das ist an ein- zelnen Schulen nicht möglich!)

- Wenn das an einzelnen Schulen nicht möglich ist, Frau Vockert, dann sagen Sie mir, wo das so ist. Dann sage ich jedem Elternteil und Ihnen hier auch: Dann gibt es nach dort eine Lehrerstelle,

wenn die Stundentafel wegen fehlender Lehrerstundne nicht unterrichtet wird.

Wir reden aber meistens über die Zusatzbedarfe. Da ist allerdings in diesem Erlass eine Freiheit vorgesehen, die auf die Dauer ein Problem darstellt. Der Landesrechnungshof hat das auch schon thematisiert. Da wollen wir auf die Dauer Veränderungen schaffen.

Die Leistungsvereinbarung mit der Schule muss heißen: Das, was in der Stundentafel steht, hat das Kind anschließend auch im Stundenplan stehen. Es ist im Normalfall - wenn Sie andere Schulen kennen, bitte! - auch der Fall, dass ein Schulleiter das, was da an Ist-Stunden steht, auch in seiner Schule hat und das dem Kind zur Verfügung steht.

Dann streiten wir uns über das, was er außerdem und zusätzlich noch mit Stunden machen kann, wie viele AGs er anbieten kann, wie viele Teilungsstunden er hat, wie viele Stunden für Schwimmunterricht verwendet werden, und anderes. Aber bitte, erstrangig ist, dass die Kinder den vorgesehenen Unterricht bekommen. Da würde ich gern wissen, welche Schule das ist, um das zu überprüfen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)