Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Herr Präsident! Angesichts der Tatsache, dass Frau Ministerin Trauernicht eben gesagt hat, dass sie den Integrationsplan in der Ausländerkommission vorgestellt habe - ich war dabei -, frage ich: Ist Ihnen inzwischen - damals wussten Sie es ja noch nicht - bekannt, welche finanziellen Auswirkungen eigentlich die einzelnen Maßnahmen Ihres Integrationskonzeptes auf die Kommunen haben? Können Sie uns das heute sagen?

Frau Trauernicht!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das war natürlich auch Gegenstand ausführlicher Erörterungen in der Kommission. Da Sie die Sitzung offensichtlich zeitweise verlassen mussten, können Sie das nicht nachvollziehen. Die Kommunen werden durch den Niedersächsischen Integrationsplan nicht zusätzlich mit Kosten belastet. So wird z. B. das Sprachförderungskonzept der Landesregierung für die Kindergärten eine 100-%-Finanzierung sein. Wir bereiten zurzeit die entsprechende Richtlinie vor und werden Anfang nächsten Jahres die Ausschreibung auf den Weg bringen, sodass sich die Kindergärten bewerben können. Wir bereiten jetzt schon die Anträge bzw. die Voraussetzungen und Ansprüche an die Anträge gemeinsam mit den Kindergärten vor und werden zum Kindergartenjahr 2003 die ersten Sprachfördermaßnahmen finanzieren. Aufgrund der Tatsache, dass das Kindergartenjahr erst zum August beginnt, gehen wir davon aus, dass wir im Jahre 2003 nur 3,4 Millionen Euro und im Folgejahr die Gesamtsumme im Umfange von 22 Millionen Euro, von der wir bereits gesprochen haben, zur Verfügung stellen.

(Frau Zachow [CDU]: Ich denke, das war für die Schulen! - Gegenruf von Groth [SPD]: Sowohl als auch! - Frau Vockert [CDU]: Ist das nun sowohl als auch, nur für die Schulen oder nur für die Kindergärten?)

Herr Kollege Schröder!

Frau Ministerin, bekanntlich sieht das Sprachförderungskonzept nach dem Zuwanderungsgesetz vor, dass das Land für die Finanzierung der 300 Aufbaustunden zuständig ist. Nun sollen diese 300 Stunden vollständig und ohne jede Mittelerhöhung aus dem bisherigen Ansatz für die Erwachsenenbildung finanziert werden. Ich frage: Welche Auswirkungen hat das auf die Träger der Erwachsenenbildung und auf ihr bisheriges Angebot?

Das erweitert das Thema. – Bitte!

Eigentlich können Sie es sich selbst denken. Es geht natürlich darum, dass in der Erwachsenenbildung gegenwärtig schon solche Sprachkurse angeboten werden. Wir wollen, dass Umschichtungen stattfinden und mehr Sprachkurse angeboten werden. Das kann auch nur in Ihrem Sinne sein.

(Frau Vockert [CDU]: Wo wollen Sie denn umschichten?)

Frau Zachow!

Nachdem Ministerin Trauernicht von 20 Millionen Euro für die Kindergärten und Ministerin Jürgens-Pieper von 20 Millionen Euro für die Schulen gesprochen hat, frage ich: Teilen Sie sich diese 20 Millionen Euro, oder hat jede sie in die Hand genommen?

(Schurreit [SPD]: Es ist eben die Fra- ge, ob man die Mengenlehre be- herrscht!)

Frau Ministerin Trauernicht!

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, dies haben wir sowohl in den Ausschüssen als auch in der Ausländerkommission als auch im Rahmen einer Presseinformation ganz präzise dargelegt: 8 Millio

nen Euro für Zusatzkräfte in Kindergärten und 13,6 Millionen Euro für die Sprachförderung vor der Einschulung. Aber ich möchte an dieser Stelle auch darauf aufmerksam machen, dass all diese Aktivitäten zur Integration und zur Sprachförderung, der eine große Bedeutung zukommt, über das Zuwanderungsgesetz und über Aktivitäten der Landesregierung auf den Weg gebracht worden sind. Sie hingegen stimmen diesem Zuwanderungsgesetz und damit auch der Sprachförderung ja überhaupt nicht zu.

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Das hat keiner gefragt!)

Wir kommen damit zur zweiten Dringlichen Anfrage:

b) Stromkonzerne unterlaufen Gesetz zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/3794

Wer stellt diese Frage? - Frau Harms!

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen können durch die gleichzeitige Produktion von Wärme und Strom viel Energie einsparen. Sie erreichen Wirkungsgrade von 80 % bis 90 %, während normale Großund Atomkraftwerke nur Wirkungsgrade von 30 % bis 40 % haben. Die Bundesregierung hat deshalb ein Gesetz zur Förderung der Kraft-WärmeKopplung erlassen, das im Jahr 2002 eine Bonuszahlung von 1,53 Cent/kWh bis 5,11 Cent/kWh für eingespeisten Strom aus kleinen dezentralen KraftWärme-Kopplungsanlagen vorsieht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dieser Bonusbetrag wird auf die Stromkunden umgelegt. Die Höhe der Umlage auf die Strompreise der Endverbraucher muss von der niedersächsischen Energiepreisaufsicht genehmigt werden.

Mittlerweile versucht die EAM, eine EON-Tochter mit kommunaler Minderheitsbeteiligung, die den südniedersächsischen Raum mit Strom versorgt, dieses Gesetz massiv zu unterlaufen. In neuen Vertragsentwürfen wird den Betreibern von Kraft

Wärme-Kopplungsanlagen nur noch eine massiv gesenkte Einspeisevergütung angeboten, die zu Preisabschlägen von 50 % bis 60 % der bislang üblichen Sätze führt. Alte Verträge hat die EAM mittlerweile gekündigt. Offensichtlich wird hier eine Senkung der Einspeisevergütung zum 1. Januar 2003 angestrebt. Im Ergebnis würden die Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen weniger Vergütung für den eingespeisten umweltfreundlichen Strom erhalten als vor In-KraftTreten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG).

Offensichtlich handelt es sich bei dem Vorgehen der EAM nicht um einen Einzelfall. Die EnergieAgentur Hessen vermutet eine abgestimmte Strategie der Stromkonzerne, um unliebsame Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Gleichzeitig kassiert die Strombranche aber die Umlage für den Bonus nach dem KWKG. Sollte die Strategie der Stromkonzerne aufgehen, würden auch mittelständische Produzenten von Blockheizkraftwerken ins Schwimmen geraten und Arbeitsplätze in dieser Zukunftsbranche verloren gehen.

Die niedersächsische Preisaufsicht genehmigt die Höhe der Umlage nach dem KWKG und stützt sich dabei auf Zahlen, die vom Verband der Netzbetreiber ermittelt werden. Die Höhe der Einspeisevergütung unterliegt nicht der Preisaufsicht. Bei der Bemessung dieser Einspeisevergütung müsste die Landeskartellbehörde aber prüfen, ob eine Monopolstellung am Markt ausgenützt wird.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die von der EAM beabsichtigte Halbierung der Einspeisevergütung für Strom aus umweltfreundlichen KraftWärme-Kopplungsanlagen?

2. Wird die Landesregierung die Genehmigung der Umlage für die Bonuszahlung nach dem KWKG verweigern, wenn die Stromwirtschaft das Gesetz unterläuft?

3. Sieht die Landesregierung in dem Vorgehen der EAM den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung?

Für die Landesregierung antwortet Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Förderung der umweltfreundlichen Kraft-WärmeKopplung hat der Bundestag im März 2002 das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz erlassen. Durch die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung soll die Kohlendioxidemission bis zum Jahr 2010 um 23 Millionen t reduziert werden. Um diese Ziel zu erreichen, sollen so genannten KWK-Anlagen zeitlich befristet geschützt werden. Bestehende Anlagen sollen modernisiert und der Ausbau von Klein-KWK-Anlagen und die Markteinführung von Brennstoffzellen sollen gefördert werden.

Dieses Gesetz sieht vor, dass die KWKAnlagenbetreiber vom Netzbetreiber eine Vergütung für den Strom und einen Zuschlag erhalten. Die Höhe des Zuschlags ist festgelegt und differiert nach Alter, Modernisierungsinvestition und Größe der Anlage. Das Gesetz bestimmt, dass sich der Netzbetreiber und der Anlagenbetreiber über den variablen Strompreis einigen müssen. Kommt eine Einigung nicht zustande, dann gilt der so genannte übliche Preis als vereinbart. In der Begründung zum Gesetz wird als Anhaltspunkt für diesen üblichen Preis der Börsenpreis genannt.

Von dieser neuen Regelung sind gerade die Betreiber von kleinen KWK-Anlagen negativ betroffen. Sie erhalten trotz des Zuschlags eine geringere Vergütung als vor der Einführung des Gesetzes.

Der Niedersächsischen Landesregierung ist in den letzten Monaten ein weiterer Fall bekannt geworden, in dem ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen den Betreibern kleiner KWK-Anlagen neue Verträge anbietet, die trotz des Zuschlags zu einer geringeren Vergütung führen als vor In-KraftTreten des Gesetzes. Dem Bundeswirtschaftsministerium ist diese Entwicklung bekannt. Es hat Gespräche mit den Verbänden angekündigt, die eine Selbstverpflichtung zur KWK eingegangen sind. Mit einem gemeinsamen Positionspapier dieser Verbände zur Vergütung von Stromlieferungen aus kleinen KWK-Anlagen, welches Anhaltspunkte für die Ermittlung des so genannten üblichen Preises liefern könnte, ist Mitte November zu rechnen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Bestrebungen seitens der Energieversorgungsunternehmen, die Vergütung von Strom aus KWK-Anlagen zu reduzieren, widersprechen

nach Auffassung der Landesregierung der Intention des KWK-Gesetzes, das gerade zu einer Absicherung der Vergütung der Anlagen beitragen sollte.

Zu Frage 2: Die Energieversorgungsunternehmen haben die Möglichkeit, die gezahlten Zuschläge über einen bundesweiten Ausgleichsmechanismus auf ihre Netznutzungsentgelte umzulegen. Die hieraus entstehenden Kosten müssen im Genehmigungsverfahren für die Tarifstrompreise von der Strompreisaufsicht anerkannt werden. Die Landesregierung kann eine Genehmigung für die EAM nicht verweigern, da die EAM nicht der niedersächsischen, sondern der hessischen Strompreisaufsicht unterliegt. In vergleichbaren Fällen wird die niedersächsische Strompreisaufsicht zwar die Zuschlagszahlungen nach dem KWK-Gesetz als Kosten der Energieversorgungsunternehmen anerkennen, jedoch darauf achten, dass die geringeren Kosten, die sich aus der verringerten Vergütung des KWK-Stroms ergeben, kostenmindernd angesetzt werden.

Für die Überprüfung eines etwaigen missbräuchlichen Verhaltens der EAM ist gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und aufgrund des geschilderten Sachverhalts das Bundeskartellamt zuständig, da EAM ihr Netz länderübergreifend betreibt. Der Landeskartellbehörde liegen keine Erkenntnisse über den üblichen Preis nach KWK-Gesetz vor, die aus ihrer Sicht den Verdacht eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bestätigen könnten. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass der so genannte übliche Preis nicht eindeutig definiert ist. Der KWK-Anlagenbetreiber hat übrigens auch die Möglichkeit, den an ihn gezahlten Preis gerichtlich überprüfen zu lassen.

Fazit: Das Problem ist bereits auf Bundesebene erkannt. Dort ist es auch zu lösen, da in Niedersachsen weder die Kartellbehörden noch die Strompreisaufsicht über die notwendigen Instrumente verfügen. Das Problem ist bewältigt, wenn sich die Verbände schnell auf eine auch für die Betreiber kleiner KWK-Anlagen auskömmliche Definition des üblichen Preises einigen. Anderenfalls kann der Bundesgesetzgeber von der im KWK-Gesetz verankerten Verordnungsermächtigung Gebrauch machen und den üblichen Preis definieren.

Die erste Frage stellt Herr Hagenah. Dann kommt Herr Wenzel.

Herr Minister, ich frage Sie: Welche Folgen hat das Vorgehen der Stromkonzerne für die mittelständischen Hersteller kleiner Blockheizkraftwerke, die in den vergangenen Jahren geboomt haben und eine wesentliche Stütze der Entwicklung des KWK-Stroms sind? Ich nenne als Beispiel die Energiewerkstatt Hannover.

Herr Jüttner!

Für den Fall, dass sich diese Tendenz ausweitet und der Politik keine angemessene Intervention gelingt, hätte dies fatale Folgen, weil eine doch boomende kleine Branche in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht werden könnte. Das gilt auch für das von Ihnen angesprochene Unternehmen, das sich in meinem Wahlkreis befindet und das seine Reputation u. a. auch dadurch öffentlich hat erlangen können, dass ihm der Niedersächsische Umweltpreis überreicht worden ist. Es handelt sich hierbei also um eine Sache, die nicht nur mit Klimapolitik, sondern auch gezielt mit Stabilität in bestimmten wirtschaftlichen Segmenten zu tun hat. Deswegen richten wir ein großes Augenmerk auf diese Frage.

Es folgt Herr Wenzel! Dann Herr Dr. Stumpf.

Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sowohl die EAM in Südniedersachsen als auch die Stadtwerke Hannover sowie zwei Regionalversorger in Hessen und auch die RWE offensichtlich in einem abgestimmten Verfahren zu flächendeckenden Preissenkungen gekommen sind, frage ich Sie: Wie viel Indizien brauchen Sie, um als Landeskartellbehörde feststellen zu können, dass es sich hierbei um illegale Preisabsprachen handelt?

Herr Minister!

Herr Wenzel, ich kann die von Ihnen vorgetragene Liste von möglichen Unternehmen, die sich einem solchen Verfahren anschließen, nicht bestätigen; das wissen wir nicht. Ich habe darauf hingewiesen, dass uns neben EAM mindestens ein weiterer Fall in Niedersachsen bekannt ist. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eines der von Ihnen genannten Unternehmen.

Die Entwicklung, die in der Dringlichen Anfrage der Grünen angesprochen ist, ist in der Tat problematisch, weil durch das Verhalten, das hier von Ihnen und von mir kritisch diskutiert wird, ein Bundesgesetz konterkariert werden könnte. Deshalb gehe ich davon aus, dass es eine zügige Reaktion der zuständigen Bundesbehörden gibt, um zu gewährleisten, dass den Intentionen des Bundesgesetzgebers Rechnung getragen werden kann.

Ich habe in meiner Antwort zwei Möglichkeiten aufgezeigt: Entweder es gilt das mitunter in der Energiewirtschaft praktizierte Prinzip der Verbändevereinbarung, also einer Form der Selbstverpflichtung - ich mache kein Hehl daraus, dass sich meine Begeisterung dafür eher in Grenzen hält -, oder aber - die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben - die Bundesregierung regelt das in einer Verordnung. Ich gehe davon aus, dass die Bundesseite noch in diesem Jahr auf jeden Fall abschließend reagieren wird, sodass den Intentionen des Gesetzes auch in Zukunft Rechnung getragen werden kann.