Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal vorweg: Wir werden bei der von uns angekündigten Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen bleiben. Das ist aber nicht der Grund, weshalb wir eine Aussprache wünschen. Die Frage ist vielmehr, ob von der Landesregierung sämtliche Standortinteressen berücksichtigt worden sind.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Plaue [SPD])

- Ich habe mir das sehr gut durchgelesen. - Hier ist sehr viel von Hannover die Rede. Die Stadt Hannover war größter Aktionär. Deshalb hatte sie auch den richtigen Hebel. Die Landesregierung hat sich in ihrer Begründung dann auch auf die Verhandlungen der Stadt Hannover berufen. Wenn ich mir das hier durchlese, geht es aber eben nur um Hannover. Die Gilde hält aber auch anderswo Arbeitsplätze vor. Beispielhaft erwähnen möchte ich nur einmal das Hofbräuhaus Wolters, eine große Brauerei in Braunschweig. Über eine Standortgarantie für diese Brauerei lese ich hier aber nichts.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle kritisch anmerken, dass das nicht angehen kann; denn Arbeitsplätze - ganz gleich, ob in Hannover, Braunschweig oder anderswo - haben überall den gleichen Wert. Angesichts des ganzen Pressetamtams, das der Ministerpräsident in Hannover veranstaltet hat, hätte ich vom Ministerpräsidenten eigentlich erwartet, dass er sich auch um die Arbeitsplätze bei Wolters in Braunschweig kümmert. Das hat er aber nicht getan. Ich kritisiere das hier.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sechs Punkte erreicht, wenn ich das einmal so sagen darf. Wir begrüßen das für Hannover. Aber wie gesagt: Hier ist nur etwas für Hannover erreicht worden, aber nicht für Braunschweig. Verräterisch ist in diesem Zusammenhang der letzte Satz in der Begründung:

„Ein wesentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Beteiligung ist unter Berücksichtigung der verhandelten Standortgarantien nicht mehr gegeben.“

Das muss ich an dieser Stelle bezweifeln. Für Hannover konnte etwas erreicht werden, für Braunschweig nicht. Unsere Kritik bleibt, obwohl wir zustimmen werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Plaue hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre besser gewesen, wenn wir bei der Verabredung des Ältestenrates geblieben wären;

(Möllring [CDU]: Das wäre Ihnen wohl lieb gewesen? - Coenen [CDU]: Können Sie gar nicht beurteilen!)

denn die Debatte, die Sie jetzt vom Zaun gebrochen haben, wird hier am falschen Ort geführt, meine Damen und Herren. Der Landtag hält noch nicht einmal 2 % der Aktienanteile. Von daher sind wir als Verhandlungspartner überhaupt nicht im Boot gewesen. Die Landeshauptstadt war anders positioniert und hat verhandelt. Sie hat das Maximum für die Arbeitsplätze herausgeholt.

(Schünemann [CDU]: In Hannover!)

Das hat der Betriebsrat ausdrücklich lobend erwähnt. Deshalb war Ihr Wortbeitrag eben absolut daneben. Er war nach hinten gerichtet. Wir aber gucken nach vorn

(Zurufe von der CDU: Braunschweig! Braunschweig!)

und wollen versuchen, das Beste daraus zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Der Dritte im Bunde ist Herr Kollege Hagenah. Bitte sehr!

(Zurufe - Unruhe)

- Herr Kollege Plaue, man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Ich habe eben aber nur dem Kollegen Hagenah das Wort erteilt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei allen Fraktionen bedanken. Wenn ich mich richtig erinnere, hat sich in der Auseinandersetzung um die für uns alle sicherlich überraschend gekommenen Verkaufsdebatten auch die CDU-Fraktion ganz eindeutig auf die Seite der Arbeitnehmer gestellt. Wir haben um den Erhalt des Standortes in Niedersachsen geworben. Wohl alle Fraktionen haben mit den Betriebsräten gesprochen. Mit diesen Gesprä

chen und auch mit Unterschriftenlisten ist auf einem Feld, auf dem die Politik eigentlich keinen direkten Einfluss hat, versucht worden, einen gemeinsamen Schulterschluss zu üben. Das ist meiner Meinung nach richtig gewesen. Jede Intervention, die man auf diese Art und Weise auf einem Feld, auf dem man keinen direkten Einfluss hat, vorgenommen wird, beinhaltet natürlich das Risiko des Scheiterns oder zumindest des teilweisen Scheiterns.

(Behr [CDU]: Ihr müsst euch doch gar nicht anbiedern!)

Aus unserer Sicht ist versucht worden, gemeinsam mit dem Hauptaktionär, also mit dem, der am meisten gebündelt hat, einen Teil dessen, was wir uns gemeinsam gewünscht hätten - eine Arbeitsplatzgarantie für alle Standorte -, ins Trockene zu bringen; denn dort gab es ein echtes Druckpotenzial durch die Klageandrohung und durch den relativ hohen Aktienanteil, der durch die Landeshauptstadt und ihre Töchter gebündelt worden ist. Angesichts eines Aktienanteils von nur 2 % können wir uns in dieser Auseinandersetzung nur auf eine gemeinsame politische Intervention beschränken. Wir müssen jetzt darüber entscheiden, ob das von den Handelnden erzielte Ergebnis abgelehnt werden muss und wir aus Protest unsere 2 % behalten sollen oder ob wir hinnehmen sollen, dass dieses Ergebnis an anderer Stelle ausgehandelt worden ist, wir registrieren, dass ein Teil unserer gemeinsamen Intervention Erfolg hatte, und wir uns angesichts des Verkaufs dem Schicksal fügen sollen. Ich meine, so rational kann man das Ganze abhandeln. Es wird hier nicht von der einen oder der anderen Seite eine Schuldzuweisung vorgenommen. Wir waren mit unseren 2 % nicht Akteure, sondern Betroffene dessen, was herausgekommen ist.

Angesichts der Ausgangslage ist meiner Meinung nach für den Betrieb mit all seinen Standorten in Niedersachsen eine Menge herausgekommen. Letztendlich hat auch der Gesamtbetriebsrat hierzu Stellung genommen. Ich hoffe, dass es auch für Wolters in Braunschweig eine langfristige Perspektive gibt. Meines Wissens handelt es sich bei jener Brauerei nicht um einen defizitären Bereich der Gilde-Brauerei. Insofern wüsste ich nicht, was aus betriebswirtschaftlichen Gründen dafür sprechen würde, diesen Bereich zu schwächen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen. Wer ihr zustimmen will und damit den Antrag der Landesregierung annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Ich frage nach Stimmenthaltungen. - Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein und sehen uns um 14.30 Uhr wieder.

Unterbrechung: 12.47 Uhr.

Wiederbeginn: 14.30 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause. Wir fahren in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 31: Zweite Beratung: Haftplätze in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten effektiv nutzen: Modellversuch elektronische Fußfessel - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3589 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/3967

und

Tagesordnungspunkt 32: Besprechung: Situation der Justiz in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der CDU Drs. 14/3891 - Antwort der Landesregierung Drs. 14/4045

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3589 wurde in der 113. Sitzung am 29. August 2002 an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen.

In der Beratung erteile ich zunächst Herrn Kollegen Stratmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der großen Resonanz ist man fast geneigt, jeden namentlich zu begrüßen.

(Frau Körtner [CDU]: Wir sind unter uns!)

Davon sehe ich aber doch ab.

Bevor ich auf die Antwort auf unsere Große Anfrage zu sprechen komme, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums bedanken. Sie haben uns in sehr kurzer Zeit diese Fleißarbeit vorgelegt. - Ihrem Nicken entnehme ich, dass wahrscheinlich auch ein gewisser Druck eine Rolle gespielt hat. Aber wir sind dankbar, dass wir noch in dieser Legislaturperiode über dieses Thema sprechen können. Damit hatte ich selbst fast nicht mehr gerechnet, weil wir so viele Fragen eingereicht haben. Also ganz herzlichen Dank für diese Arbeit in Rekordzeit!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die vorliegende Antwort stellt eine sehr umfassende Bestandsaufnahme der aktuellen Situation der niedersächsischen Justiz dar. Ich bin sicher, dass sie zur Bewältigung der vielen Probleme, die wir im Justizbereich haben und die wir gemeinsam bewältigen wollen und müssen, durchaus hilfreich sein kann. Die Bewältigung dieser Aufgaben erfordert einen gewissen Ideenreichtum, Durchsetzungskraft und eine enorme Kraftanstrengung.

Herr Minister, ich bin mit dem Lob jetzt schon am Ende. Ich bin der Auffassung, Sie hätten die Chance gehabt, in der Antwort auf die Anfrage deutlich zu machen, wie Sie sich den Herausforderungen stellen wollen, die sich insbesondere aus der dramatischen Haushaltslage ergeben. Das ist in der Antwort aber leider in keiner Weise zu erkennen.

Worum geht es, meine Damen und Herren? - Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der niedersächsischen Justiz trotz der schwierigsten Haushaltslage, die wir wohl in der Geschichte unseres Landes haben. Herr Minister, aus der Antwort wird erneut deutlich, dass Sie nach unserem Verständnis falsche Schwerpunkte setzen. Sie versäumen es deshalb, die Entscheidungen zu treffen, die jetzt in Niedersachsen notwendig wären, um sich auf die Haushaltskatastrophe einzustellen. Ab und zu hat man sogar das Gefühl, dass die dramati

schen Haushaltsprobleme und z. B. die Stellenkürzungen, die noch auf uns zukommen - das ist ja bereits mit dem Haushaltsführungserlass beschlossen, wenngleich die Zahlen jetzt immer korrigiert werden -, bei der Beantwortung unserer Anfrage gar keine Rolle spielen und womöglich negiert werden sollen. Es wird so getan, als gebe es das alles gar nicht. Das wundert uns nicht nur, sondern das spiegelt ein Stück weit auch Ihre Symbolpolitik wider, die Sie seit Jahren betreiben.

Meine Damen und Herren, wer wünscht sich nicht eine flächendeckende Einrichtung von Opferhilfebüros? Wer wünscht sich nicht eine geringere Belastung unserer Gerichte durch gerichtsnahe Mediation? Wer wünscht sich nicht einen OpferhilfeStiftungsfonds, der wirklich gut ausgestattet ist? Das sind alles Wünsche, die wir mit Sicherheit alle unterstreichen können. Nach unserem Dafürhalten sind diese Wünsche aber nachrangig zu erfüllen. Sie sind dann zu erfüllen, wenn wir uns die Erfüllung dieser Wünsche leisten können. Das ist zurzeit in der Tat nicht der Fall.

Deshalb wünschen wir uns zuallererst eine Stärkung der Funktionsfähigkeit unserer Gerichte und Staatsanwaltschaften. Wir wünschen uns, dass die Bürger unseres Landes ihre Rechte schnell durchsetzen können und dass Straftäter zügig verurteilt werden. Herr Minister, wir wünschen uns, dass Sie sich in schwierigen Zeiten auf eine Stärkung und Verbesserung der unabweisbar vorhandenen Aufgaben der Justiz konzentrieren, anstatt Projekten hinterherzulaufen, die wünschenswert sein können - darüber habe ich gesprochen -, die aber zurzeit weder in finanzieller noch in personeller Hinsicht überhaupt erfüllt werden können, weil dies jedes Mal zulasten des Kernbereiches gehen würde. Dabei geht es nicht nur um die Verteilung der Mittel, sondern auch darum, dass Sie durch Ihr Verhalten ständig den Anschein erwecken, es ginge es Ihnen nur um Ihre Lieblingskinder und weniger um die eigentlichen Kernbereiche der niedersächsischen Justiz.

Meine Damen und Herren, der Niedersächsische Richterbund, andere Spitzenverbände sowie Praktiker weisen seit Jahren darauf hin, dass die Grenze der Belastbarkeit der niedersächsischen Justiz längst erreicht ist und mancherorts überschritten wurde. So etwas hört man als Minister natürlich nicht gerne. Es wird dann versucht - ich habe dazu eine interessante Zeitungsnachricht gefunden; in der Nordwest-Zeitung vom 7. Dezember lautet eine Überschrift „In geheimer Mission“ -, den Schaden

zu begrenzen und Meckerer zu beschwichtigen. Die NWZ schreibt ziemlich süffisant, es habe Gespräche mit Richtern gegeben, die sich über die Situation beklagt haben. Sie haben versucht, in diesen Gesprächen den Schaden aus Ihrer Sicht zu begrenzen. Ich zitiere nicht aus dem Artikel, weil das ein ziemlich langwieriges Zitat würde.