Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

petenzen in die Holding, mit der Gewährleistung einer umfassenden Aufsichtstätigkeit vereinbar ist.

Dieser Konflikt ist noch in der Bearbeitung, er ist noch nicht abgeschlossen. Mit Sicherheit wird er in absehbarer Zeit beendet, weil es Sache der Aufsicht ist, sich gegenüber dem Betreiber durchzusetzen.

Die andere Frage kann ich Ihnen nicht abschließend beantworten. Sie haben gefragt, welcher Gutachter beauftragt wird.

(Frau Harms [GRÜNE]: Und mit wel- chen Fragen!)

- Und mit welchen Fragen. - Hier wird es um eine Begutachtung gehen, die quer liegt zu einem technischen Gutachten und quer liegt zu einem Organisationsgutachten. Sie geht davon aus, dass sich die Reorganisation der Energiewirtschaft fortsetzt. Wir werden in wenigen Monaten ein Unternehmen haben, dass von Hannover aus zehn Kernkraftwerke steuern wird. Natürlich ist der Satz, dass dort Synergieeffekte herbeigeführt werden sollen, so richtig und so folgenreich auch für die Atomaufsicht. Deshalb werden wir klären müssen, wie die Atomaufsicht aufzustellen ist, um mit diesen neuen Strukturen fertig zu werden, und wie das Binnenverhältnis zu den Gutachterorganisation ist, ob es da gegebenenfalls noch Lücken gibt und ob das, was wir an Kompetenz vorhalten - das kann man auch zu den anderen Ländern abgleichen - ausreicht, um die Arbeit umfassend zu gewährleisten.

Ich finde, das ist eine legitime Geschichte. Dabei handelte sich aber nur um einen Teil des Problems. Der andere Teil des Problems besteht darin, dass sich auch die niedersächsischen Aufsichtsbehörden und auch die für Niedersachsen tätigen Gutachter im Rahmen eines Regelwerkes bewegen, das nicht durch Niedersachsen geprägt und nicht durch Niedersachsen zu verantworten ist. Die Lehre, die ich aus der letzten Monaten ziehe - über das hinaus, was Sie als Skandal begreifen -, ist eigentlich: Ich habe den Eindruck, der Skandal besteht darin, dass die Normalität so ist, dass ein Skandal nicht zu verhindern ist. Das macht mir Sorge, weil es in der Konsequenz bedeutet, dass selbst eine optimierte Aufsicht kaum in der Lage sein wird, die Gefährdungspotentiale, über die wir hier reden, so zu steuern, dass Fehlverhalten und Skandale ausgeschlossen werden können.

Übrigens ist das auch einer der Gründe dafür, warum es in dieser Gesellschaft zum Thema Atom

nutzung und Gentechniknutzung so kritische Vorbehalte gibt. Ich will aus der Atomenergie aussteigen, weil ich sie nicht für verantwortbar halte, und zwar sowohl hinsichtlich der Endlagerung - da geht es übrigens um Mengenprobleme; deshalb ist es auch ganz wichtig, das möglichst bald hinzukriegen - als auch hinsichtlich des Umgangs im Alltag mit radioaktivem Material, weil das nicht so kontrollierbar ist wie anderes und nicht so folgenlos ist.

Gleichwohl - der Verantwortung bin ich mir bewusst - habe ich als Minister für die Atomaufsicht dafür zu sorgen, dass das, was nur irgendwie geht, unter Gesichtspunkten der Sicherheit auch umfassend wahrgenommen wird.

Das ist ein unheimlicher Zwiespalt, dem man sich nicht entziehen kann, den man aber zumindest in diesem Landtag thematisieren muss. Deshalb wäre ich übrigens sehr vorsichtig, wenn in einem anderen Land etwas Vergleichbares passiert. Hinsichtlich der Vorstellung, solche Vorfälle systematisch ausschließen zu können und das zu bewerten, lege ich mir aus gutem Grunde Zurückhaltung auf.

Es folgt zunächst Herr Klein, und dann Frau Zachow.

Herr Minister, vor dem Hintergrund der für mich erstaunlichen Erkenntnis, dass es offensichtlich so war, dass der TÜV die Tiefe und den Umfang der Prüfungen bei der Brennelementefertigung selbst nach eigenem Gusto festgelegt hat, frage ich Sie: Will die Landesregierung an dieser Praxis festhalten, oder kann sie sich vorstellen, dass dazu auch die Aufsichtsbehörden, möglicherweise eine BundLänder-Kommission, etwas zu sagen haben?

Ich schließe meine zweite Frage gleich an. Ist es eigentlich so, dass diese Praxis, dass also die Gutachter selbst bestimmen, wie sie prüfen und was sie prüfen, auch für andere Bereiche der Atomenergie gilt, etwa für den Betrieb von AKWs oder für die Überwachung von Abfallanlagen?

Herr Jüttner!

Herr Kollege Klein, Sie haben den Sachverhalt nicht richtig beschrieben. Es ist so, dass das in Deutschland in der KTA 1401 geregelt ist. So heißt das. Das sind im Bundesanzeiger veröffentlichte Materialien, die durch den kollektiven Sachverstand derer entstanden sind, die sich in Deutschland mit dem Thema befassen. Auf dieser Basis werden diese Begutachtungen durchgeführt.

Richtig ist, dass die Prüftiefe in dieser KTA 1401 nicht vorgeschrieben ist und dass sich die Konkretisierung der KTA 1401 infolgedessen durch bundesweite Verabredungen vollzieht. Das heißt, von den für uns arbeitenden TÜVs und sonstigen Gutachtern wird eine in Deutschland gängige Norm zur Anwendung gebracht. Im Übrigen achten natürlich auch die Betreiber sorgfältig darauf, weil sie nämlich die Kosten dieser Prüfungen zu tragen haben.

Deshalb hat sich das eingependelt,

(Frau Harms [GRÜNE]: Deshalb wird Maß gehalten!)

dass dort überall gleich geprüft wird. Außerdem ist es außerordentlich schwierig, über das hinaus, was bundesweit festgelegt und im Bundesanzeiger veröffentlicht ist, Prüftiefe zu organisieren

Wir haben den Konflikt gerade in den letzten Wochen durchgestanden. Nachdem ich massive Vorbehalte gegen die ERU-Brennelementefertigung in Russland geäußert hatte, haben die Mitarbeiter meines Hauses durchgesetzt, dass die Prüftiefe dort deutlich verschärft wird. Dass das mit Zusatzkosten verbunden ist, ist völlig klar.

Das heißt also, wenn man das angeht, kann man das im Einzelfall mit Sicherheit durchsetzen. Ich finde auch, dass das dringend notwendig ist. Das ist auch der Grund dafür, dass wir bereits vor Wochen den zuständigen BMU mit der Bitte angeschrieben haben, die Reaktorsicherheitskommission mit diesem Thema zu befassen. Bei ihr liegt es jetzt, eine größere Prüftiefe vorzugeben, also das Regelwerk zu intensivieren. Allein auf Länderrechnung lässt sich das mit Sicherheit nicht machen. Aber wir maßen uns an, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen, indem wir über das, was heute gang und gäbe ist, hinaus schon einzelne Vorgaben machen, Weisungen geben und die Kontrolltiefe aktuell schon verschärft haben.

(Klein [GRÜNE]: Und die zweite Frage?)

- Wie war die?

(Klein [GRÜNE]: Gilt das auch für andere Bereiche der Atomenergie?)

- Ich verstehe Ihre Frage nicht. In dem Regelwerk ist der gesamte Umgang mit atomarem Material in Deutschland geregelt.

(Frau Harms [GRÜNE]: Aber wer macht die Vorgaben? Das war doch die Frage!)

- Frau Kollegin, das fragen Sie bitte Ihren Herrn Bundesminister. Der ist nämlich derjenige, der die Reaktorsicherheitskommission einsetzt, die das dann unter Beteiligung der Länder diskutiert und festlegt. Ich gehe davon aus, dass die Anstöße, die Sie geben werden, dazu führen, dass das in Zukunft alles sehr viel besser werden wird.

Frau Zachow, und dann Herr Inselmann!

Herr Minister, nachdem Sie die PreussenElektra wegen ihres Verhaltens am 8. November heftigst beschimpft hatten - „Gewinnmaximierung“, „Rücksichtslosigkeit“ und ähnliche Dinge -, die PreussenElektra Ihnen dann ein Gespräch angeboten hat, das Sie allerdings ausgeschlagen haben, nachdem Faxe verloren gegangen sind und Ihnen TÜV-Berichte in der jetzigen Situation zehn Tage lang nicht vorgelegt worden sind, möchte ich von Ihnen wissen: Wann nehmen Sie die politische Verantwortung für dieses Haus wirklich wieder ernsthaft wahr und schieben Sie die Dinge nicht mehr auf die Beamten? Ich finde, Herr Minister, Sie sollten hier nicht so endlose Antworten geben, die im Grunde genommen nichts aussagen, sondern alles weiterhin verschleiern.

Stellen Sie bitte die Frage!

Stehen Sie zu Ihrer politischen Verantwortung! - Noch einmal meine Frage: Wann sind Sie bereit,

wieder Ihre politische Verantwortung wahrzunehmen?

(Beifall bei der CDU)

Herr Jüttner!

Frau Kollegin Zachow, ich nehme meine politische Verantwortung als Minister, auch zuständig für die Atomaufsicht, seit dem 30. März 1998 wahr, auf den Tag genau seit zwei Jahren.

(Hoppenbrock [CDU]: So steht es im Handbuch!)

Herr Inselmann!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, können Sie uns anhand der neuen Erkenntnisse, die jetzt aus Frankreich, aus der Anlage in Cadarache, vorliegen, sagen, welche Maßnahmen von Ihnen, vom Ministerium, eingeleitet worden sind, um zu ermitteln, was dort an Manipulationen vonstatten gegangen ist? Welchen Kenntnisstand können Sie uns heute schon mitteilen?

Herr Minister!

Herr Kollege Inselmann, da wir für alle diese Fragen natürlich besonders sensibilisiert sind und da wir als bisher einziges Bundesland in die Skandale um die Brennelementefertigung involviert waren, haben wir das sofort zum Anlass genommen, auch die anderen Fabrikationsstätten, die für Niedersachsen fertigen, in Augenschein zu nehmen. Für niedersächsische Kraftwerke wird produziert in Schweden, in Belgien, in Frankreich, in Großbritannien - jetzt ja nicht mehr - und in Lingen. Wir haben veranlasst, dass in all diesen Fertigungen noch einmal überprüft wird, dass also faktisch ein Audit gemacht wird.

(Frau Harms [GRÜNE]: Werden die Dokumente gelesen oder was?)

Das ist bereits geschehen. In Cadarache beispielsweise findet die Begutachtung gerade in dieser Woche statt. Ein Mitarbeiter meines Hauses ist dort und kommt zurück, sodass wir morgen den ersten Bericht über Cadarache haben und dann auch auswerten können. Nach seinen telefonischen Hinweisen sind niedersächsische Betriebe bisher wohl nicht davon berührt. Es gibt Vorgänge, die sich auf Isar II und auf Neckarwestheim beziehen. Allerdings liegt das nach dem ersten Eindruck nicht an Fälschungen, sondern eher an Softwareproblemen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

- Aber ich bin bei solchen Sachen vorsichtig - so fängt das ja manchmal an - und sage das mit allem Vorbehalt.

Es ist für mich in der Tat nicht nachvollziehbar, dass die betriebseigene Dokumentation bisher nicht Gegenstand der Begutachtung war. Das TÜV-Gutachten, das uns gestern vorgelegt worden ist und das wir Ihnen ja auch zur Verfügung gestellt haben, empfiehlt u. a., hier die Prüftiefe zu erhöhen und interne Audits einzubeziehen. Wir haben das von uns aus allerdings vorher auch schon durchgesetzt.

Das heißt in der Konsequenz: Wir haben innerhalb weniger Tage alle Fertigungsstätten, die für niedersächsische Kraftwerke Vorarbeiten leisten, geprüft und dann einen Überblick darüber, ob an weiteren Stellen Fälschungen, Unregelmäßigkeiten oder Ähnliches vorliegen. Einige andere Bundesländer haben sich dieser Vorarbeit inzwischen angeschlossen, indem sie vergleichbare Untersuchungen für ihre Kraftwerke bei unserer Prüfgruppe in Auftrag gegeben haben.

Herr Behr stellt seine zweite Frage. Dann kommt Herr Hagenah.

Herr Minister, ich frage noch einmal: Sind Sie der Auffassung, dass der TÜV seine Aufgaben in diesem Zusammenhang fachlich kompetent erledigt hat und dass es von daher auch keine Beanstandungen gibt, was den Prüfauftrag anbelangt?

Herr Jüttner!

Herr Kollege Behr, wenn Sie sich das Gutachten des TÜV ansehen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass der TÜV auf der Basis der ihm erteilten Aufträge in angemessener Weise gearbeitet hat. Das mag uns alle miteinander verwundern, und das führt bei mir ja auch dazu, dass ich sage, dass das normale Arbeiten nicht dazu führt, dass solche Skandale aufgedeckt werden. Das ist das Problem. Infolgedessen muss ich den Unmut, der in der Debatte im Umweltausschuss zum TÜV entstanden ist, mindestens relativieren.