Protokoll der Sitzung vom 20.06.2000

Der Bodenabbau ist neu zu regeln. Die zahlreichen Konflikte, gerade um die Kiesabbauvorhaben im Mittelweserraum, konnten bisher nicht zufrieden stellend gelöst werden.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Vor allem in Rinteln!)

Die regionalen Planungsträger sollen künftig die Möglichkeit haben, in ihrem Bereich selbst Vorranggebiete und Vorsorgegebiete für Bodenabbau festzulegen und einen Neuanfang zu machen.

Der Gipsabbau im niedersächsischen Teil des Südharzes soll auslaufen, weil diese einzigartige Gipskarstlandschaft wirklich nur noch sinnlos zerstört wird; einen zwingenden wirtschaftlichen Grund dafür gibt es nicht. Hier ist das Naturgut höher zu bewerten als der wirtschaftliche Nutzen. Der im Niedersächsischen Naturschutzgesetz bisher festgelegte Rechtsanspruch auf die Genehmigung zum Abbau von oberirdischen Bodenschätzen muss zurückgenommen werden, um dies von den Planungsregionen entscheiden zu lassen. Bodenabbauvorhaben dürfen nach unseren Vorstellungen nur noch genehmigt werden, wenn geschützte Teile von Natur und Landschaft nicht beeinträchtigt werden.

Der Torfabbau sollte allerdings ganz auslaufen; denn durch die massenhafte Kompostproduktion infolge der Abfalltrennung haben wir ausreichend Ersatzstoffe. Torfabbau ist wirtschaftlich überhaupt nicht mehr nötig und ökologisch ohnehin

absolut bedenklich. Dass durch Torfabbau noch Stoffe angeboten werden müssen, darüber ist die Zeit längst hinweggegangen, weil solche Stoffe auf andere Weise viel verträglicher gewonnen werden können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im März dieses Jahres hat die Landesregierung den Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung eingebracht. Inzwischen hat sich auch der federführende Innenausschuss mit diesem Gesetzentwurf befasst und in der Sitzung am 3. Mai dieses Jahres die kommunalen Spitzenverbände angehört. Nunmehr hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Alternativentwurf vorgelegt, der in wesentlichen Punkten von dem Gesetzentwurf der Landesregierung abweicht und mich in keiner Weise überzeugt.

Bevor ich auf einige aus meiner Sicht besonders gravierende Änderungsvorschläge eingehe, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass der Entwurf der Landesregierung im Vorfeld der Einbringung in den Landtag in einem umfangreichen Beteiligungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Umweltverbänden sowie den Industrieverbänden abgestimmt worden ist. Dabei wurde eine Vielzahl von Vorschlägen dieser Verbände aufgegriffen. Im Ergebnis konnte ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, über den weitgehender Konsens mit den Betroffenen besteht. Diesem sehr ausgewogenen Entwurf stehen nunmehr mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Änderungsvorschläge gegenüber, die vor allem eine einseitige Gewichtung von Umweltbelangen beinhalten

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Das wird auch mal Zeit hier in Nie- dersachsen!)

- ich weiß nicht, ob wir da so viel Nachholbedarf haben, Frau Stokar von Neuforn - sowie Regelungen aufgreifen, die von der Landesregierung aufgrund des Ergebnisses des Beteiligungsverfahrens nicht weiterverfolgt wurden.

Ich komme nunmehr zu einigen von dem Entwurf der Landesregierung abweichenden Regelungen, die aus meiner Sicht besonders deutlich machen, dass dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in wesentlichen Punkten nicht gefolgt werden kann.

Artikel 1 § 25 Abs. 2 sieht vor, dass bis zum Jahr 2005 die Aufgabe der Regionalplanung von den Landkreisen und kreisfreien Städten flächendeckend auf Planungsverbände zu übertragen ist. Entsprechend sollen auch in den Verflechtungsbereichen mit Hamburg und Bremen eine gemeinsame formelle Raumplanung und die Einrichtung regionaler Planungsgemeinschaften gesetzlich vorgeschrieben werden. Wie ich bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der Landesregierung im März klargestellt habe, kommt eine zwingende Einrichtung von Regionalplanungsverbänden für mich nicht in Betracht. Zwar liegt eine stärkere regionalplanerische Zusammenarbeit in größeren Planungsräumen sowohl im regional- als auch im landespolitischen Interesse; die Initiative hierzu muss aber von den Beteiligten ausgehen - eine Auffassung, die insbesondere von den kommunalen Spitzenverbänden geteilt wird, meine Damen und Herren, und auch dem entspricht, was wir z. B. mit der Region Hannover verwirklichen wollen; unsere Haltung dazu hat ja auch für Zusammenschlüsse in anderen Teilen des Landes Bedeutung.

Für die Aufstellung der Raumordnungspläne enthält Artikel 1 § 4 einen besonderen Vorrang ökologischer Belange bei Nutzungskonflikten. Außerdem sollen das Landschaftsprogramm sowie die Landschaftsrahmenpläne besonders berücksichtigt werden. Eine derart einseitige stärkere Gewichtung einzelner Belange widerspricht nicht nur den Vorgaben des Bundesrechts, sondern auch dem Koordinierungsauftrag der Raumordnung, die unter Abwägung aller fachlichen Gesichtspunkte zu ausgeglichenen Festlegungen kommen muss.

Mit Artikel 1 § 6 soll für die Aufstellung der Raumordnungspläne eine allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung eingeführt werden. Eine derartige Regelung würde zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten und damit zu Verzögerungen bei der Aufstellung der Raumordnungspläne führen. Da Raumordnungspläne gegenüber dem Einzelnen keine unmittelbare Rechtswirkung haben, ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit auch nicht zwingend erforderlich.

Der in Artikel 1 § 7 Abs. 5 vorgesehene regionale Flächennutzungsplan, also die Zusammenführung von Regionalplan und Flächennutzungsplänen, ist nach langer intensiver Diskussion auf BundLänder-Ebene bisher von keinem Bundesland umgesetzt worden, weil dieses Instrument nach überwiegender Auffassung in der im Bundesrecht vorgegebenen Form ungeeignet ist. Ohne auf nähere Einzelheiten hierzu eingehen zu wollen, weise ich nur darauf hin, dass zunächst eine breitere Fachdiskussion zu den Möglichkeiten der Planverknüpfung geführt werden muss, um ein sinnvolles Konzept zu entwickeln.

Mit Artikel 3 des Gesetzentwurfs soll im LandesRaumordnungsprogramm die Festlegung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für Rohstoffgewinnung ausschließlich den Trägern der Regionalplanung übertragen werden. Gleichzeitig sieht Artikel 1 § 8 Abs. 3 die Pflicht zur einvernehmlichen Festlegung mit benachbarten Planungsträgern vor. Eine derartige Regelung kann aus meiner Sicht nicht akzeptiert werden, da für Rohstoffgebiete von landesweitem Interesse eine Sicherung im Landes-Raumordnungsprogramm erfolgen muss. Frau Stokar von Neuforn, was Ihren Hinweis auf Rinteln angeht, so schlagen da durchaus zwei Herzen in meiner Brust. Aber wir haben durchaus auch Verpflichtungen, was die Rohstoffsicherung in unserem Land betrifft.

(Zustimmung von Decker [CDU])

Wenn wir das auf die Ebene hinuntergeben, dann können wir - da können Sie sicher sein - in unserem Land nie wieder irgendwelche Rohstoffe gewinnen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Abschließend möchte ich noch auf den Vorschlag zur Streichung des § 17 des Entwurfs der Landesregierung, der das vereinfachte Raumordnungsverfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft, eingehen. Diese Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung, die nach der Vorstellung der Landesregierung neu geschaffen werden soll, stellt einen Kernpunkt des Regierungsentwurfs dar. Ich habe bereits mehrfach deutlich gemacht, dass ein Defizit bei der Prüfung von Umweltbelangen dadurch nicht zu erwarten ist; vielmehr soll dem Abschichtungseffekt bei der Umweltverträglichkeitsprüfung besser Rechnung getragen werden.

Insgesamt, meine Damen und Herren, ist der vorliegende Gesetzentwurf aus den von mir genannten

Gründen abzulehnen. Auf weitere Einzelheiten möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Hierzu besteht im Rahmen der Ausschussberatungen noch ausreichend Gelegenheit.

Ich schlage vor, den Entwurf, wie in solchen Fällen üblich, dem Ausschuss für innere Verwaltung zur federführenden Beratung zu überweisen. Das werden Sie wahrscheinlich ohnehin so beschließen wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für Hilfen der Regierung sind wir immer dankbar, Herr Innenminister, aber diese Dinge regeln wir schon.

(Möhrmann [SPD]: Er kann aus seiner alten Rolle nicht heraus!)

- Wohin welcher Antrag oder Gesetzentwurf überwiesen wird, das regeln wir schon noch. - Herr Kollege Coenen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei ersten Beratungen im Ausschuss für innere Verwaltung über den Gesetzentwurf der Landesregierung wurde von vielen Ausschussmitgliedern, und zwar quer durch alle Fraktionen, die Regelwut und Regeldichte des vorliegenden Entwurfs eines Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung stark hervorgehoben und mit beißender Kritik versehen. Der Ausschuss für innere Verwaltung sieht gerade in diesen Punkten für die weiteren Beratungsrunden erheblichen Handlungsbedarf. Es kann nicht angehen, dass aufgrund des vorliegenden Entwurfes Gesetzesauslegungen seitens der Behörden vorgenommen werden können und die Zusammenarbeit der Kommunen gerade in diesem für viele Kommunen sensiblen Bereich enorm belastet wird.

Nun legt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf vor, der sich marginal von dem Regierungsentwurf unterscheidet, aber durchgängig – in vielen Paragrafen – noch zu restriktiveren Gesetzespassagen kommt. Der Handlungsspielraum der Kommunen wird noch weiter eingeengt, und der ländliche Raum bleibt gänzlich auf der Strecke.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb beantrage ich für meine Fraktion, auch den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als weiteren mitberatenden Ausschuss vorzusehen.

Da mir der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erst seit einigen Tagen vorliegt, möchte ich in einer ersten Stellungnahme in einem Schnelldurchgang nur punktuell folgende Anmerkungen machen:

§ 1 – Aufgaben der Raumordnung und Landesplanung. In Absatz 1 fehlen völlig die Forderung nach einer Stärkung des ländlichen Raumes und ein Hinweis auf eine verstärkte Behördenansiedlung im ländlichen Raum, um dem ländlichen Raum ein stärkeres Gewicht zu geben bzw. ihm das Gewicht wiederzugeben, das er braucht.

(Zustimmung von Kethorn (CDU)

Das Konzept des Gender Mainstreaming ist mir hierbei völlig unbekannt. Vielleicht kann man im Laufe der Beratungen aber noch das eine oder andere an Aufklärungsarbeit leisten.

§ 2 – Abstimmung mit Nachbarländern und –staaten. Die Absätze 3 und 4 sind völlig überflüssig. Es ist eine Aufgabe der Freiwilligkeit, dies zu tun. Die Passagen sind kommunalfeindlich und in den Ausführungen völlig unklar.

§ 7 – Regionale Raumordnungsprogramme. Gegen Absatz 5 habe ich große Bedenken. Es handelt sich um einen Eingriff in die Bauleitplanung.

§ 8 – Aufstellung der Regionalen Raumordnungsprogramme. In Absatz 2 erfolgt eine Abkopplung von den Verfahren und den Entscheidungsträgern, nur um eckige Tische einrichten zu können. Absatz 4 ist nach meiner Meinung nicht notwendig. Wo bleibt der Verwaltungsabbau? Absatz 6 ist äußerst problematisch und sollte gänzlich gestrichen werden.

Ein vereinfachtes Raumordnungsverfahren, wie in § 17 des Regierungsentwurfs vorgesehen, fällt bei Ihrem Gesetzentwurf gänzlich unter den Tisch. Ich sehe dies als kommunalfeindlich an. Den Innenminister kann ich nur in seiner Haltung bestärken, damit wir ein vereinfachtes Raumordnungsverfahren bekommen.

(Rolfes [CDU]: Übertreibe es aber nicht!)

§ 18 – Verwirklichung der Raumordnungspläne. Es ist jetzt schon jedem freigestellt, dies auf freiwilliger Basis zu machen. Eine Bestimmung, wie hier vorgesehen, würde nur zu einer weiteren Regeldichte führen.

§ 22 – Anpassungspflicht der Gemeinden. Hierfür gibt es bislang keinen einzigen Anwendungsfall. Das ist also ein völlig überflüssiger Paragraf.

§ 25 – Trägerschaft der Regionalplanung. Dies ist ein dreister Schlag gegen die Landkreise in unserem Lande, der einer kleinen Gebietsreform gleichkommt. Dies wollen wir nicht. Wir lehnen diesen Paragrafen mit aller Entschiedenheit ab.

§ 27 – Änderung des Gesetzes über die Bildung des Zweckverbandes „Großraum Braunschweig“. Dieser Paragraf wird von uns ebenso entschieden abgelehnt. Es kann nicht angehen, dass in einem Gesetzentwurf bestimmte Regionen herausgestellt und hervorgehoben werden, ohne die Auswirkungen auf die Kommunen und Landkreise ernsthaft ins Auge zu fassen. Hier werden insbesondere die Landkreise völlig entmündigt und amputiert.

Zusammenfassend möchte ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf Folgendes anmerken: Ich bin im Westen des Landes Niedersachsen zu Hause und kann für uns nur sagen: Im Westen nichts Neues.

(Beifall bei der CDU – Frau Steiner [GRÜNE]: Bei Ihnen auf jeden Fall nicht!)

Herr Kollege Harden, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird der Gesetzentwurf der Landesregierung, den wir derzeit in den Ausschüssen beraten, nicht verbessert. Im Gegenteil: Das Gesetz würde weniger verständlich, komplizierter und teilweise sogar unpraktikabel.

(Zuruf von der CDU: Das wollen die ja nur!)